Entscheidungsstichwort (Thema)

Allgemeine Krankenhausleistung. Abrechnung. Lokalanästhesie. Belegarzt

 

Orientierungssatz

1. Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden einheitlich durch den Pflegesatz abgegolten. Wollte man in diesem Bereich einem Arzt (Belegarzt) ein gesondertes Liquidationsrecht nach der E-GO einräumen, müßte dies finanziell zu einer doppelten Leistungsverpflichtung des Krankenversicherungsträgers führen. Dieses Ergebnis entspricht weder dem Wortlaut noch Sinn und Zweck der BPflV.

2. Ist eine Leistung (hier: Lokalanästhesie) den allgemeinen Krankenhausleistungen zuzuordnen, so wird die Leistung durch den Pflegesatz abgegolten. Wird die Leistung dennoch vom Belegarzt (hier dem Operateur) erbracht, so nimmt dieser Aufgaben des Krankenhauses wahr und kann hieraus allenfalls Ansprüche gegen das Krankenhaus ableiten. Ein Honoraranspruch gegenüber der KÄV besteht nur dann, wenn eine Leistung dem Belegarzt zugeordnet wird.

3. Handelt es sich bei den erbrachten Leistungen um allgemeine Krankenhausleistungen, kommt es nicht mehr darauf an, ob es sinnvoll oder gar geboten ist, daß eine bestimmte Leistung (Lokalanästhesie) vom Operateur erbracht wird; denn die Krankenversicherungsträger müssen es nicht hinnehmen, daß Leistungen aus dem Kreis der mit dem Pflegesatz abgegoltenen allgemeinen Krankenhausleistungen beliebig herausgenommen werden (vgl BSG vom 7.10.1981 6 RKa 5/78 = BSGE 52, 184).

 

Normenkette

BPflV § 3 Abs. 1 Fassung: 1973-04-25; E-GO Nr. 491

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 11.05.1988; Aktenzeichen L 11 Ka 61/87)

SG Düsseldorf (Entscheidung vom 08.04.1987; Aktenzeichen S 2 Ka 56/85)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Abrechnungsfähigkeit von Anästhesieleistungen, die der belegärztlich tätige Kläger als Operateur in einem Krankenhaus mit Anästhesieabteilung erbracht hat.

Der Kläger ist als Arzt für Hals-, Nasen- und Ohrenkrankheiten an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt und als Belegarzt am E. Krankenhaus - Abteilung für plastische und wiederherstellende Operationen und HNO-Erkrankungen - tätig. An diesem Krankenhaus besteht eine Anästhesieabteilung.

Bei seinen Operationen im Krankenhaus nahm der Kläger Lokalanästhesien selbst vor und rechnete sie nach der Nr 491 E-GO als eigene ärztliche Leistungen ab. Die Abrechnungen wurden von der Beigeladenen zu 2. beanstandet (Schreiben vom 12. September 1984) und von der Beklagten berichtigt. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers wurde zurückgewiesen mit der Begründung, das Krankenhaus verfüge über eine eigene Anästhesieabteilung, deren Kosten Eingang in den Pflegesatz fänden, so daß die Anästhesieleistungen nicht nochmals als belegärztliche Verrichtungen in Rechnung gestellt werden könnten. Klage und Berufung des Klägers blieben erfolglos (Urteil des Sozialgerichts -SG- Düsseldorf vom 8. April 1987, Urteil des Landessozialgerichts -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen vom 11. Mai 1988). Zur Begründung führt das LSG im wesentlichen aus, nach § 3 der hier maßgebenden Bundespflegesatzverordnung (BPflV) vom 25. April 1973 (BGBl I S 333) seien mit dem kleinen Pflegesatz für Belegabteilungen dieses Krankenhauses alle Anästhesieleistungen als allgemeine Krankenhausleistungen abgegolten. Es sei zwar davon auszugehen, daß Lokalanästhesien in aller Regel vom Operateur selbst vorgenommen würden, doch gebe es grundsätzlich keine Operation, bei der nicht auch eine Intubationsnarkose möglich sei, die dann ausnahmslos zum Aufgabenbereich eines Anästhesisten gehöre. In allen denkbaren Fällen handele es sich um allgemeine Krankenhausleistungen iS des § 3 Abs 1 BPflV. Auch innerkollegiale Absprachen zwischen dem Operateur und dem Anästhesisten könnten die Rechtslage nicht beeinflussen. Selbst wenn die Anästhesisten des Krankenhauses nicht in der Lage seien, Lokalanästhesien vorzunehmen, bestehe keine Verpflichtung der Krankenkassen, unzureichende Leistungen des Krankenhauses durch zusätzliche Zahlungen abzudecken. Eine Bezahlung der Anästhesisten über die Mantelrechnung nach § 13 des Arzt/Ersatzkassenvertrages (EKV-Ä) erfordere, daß eine Anästhesieleistung nicht in den Kostenblättern des Krankenhauses erscheine.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Kläger mit seiner vom LSG zugelassenen Revision. Er rügt die Auslegung des § 3 BPflV 1973 und der Nr 491 E-GO durch das LSG und trägt dazu vor, bei der Erbringung einer Lokalanästhesie werde der HNO-Arzt auf seinem Fachgebiet tätig, die Anästhesie falle unter § 2 Abs 3 Nr 1 BPflV. Aus medizinischen Gründen würden die Lokalanästhesien seit jeher vom Operateur und nicht vom Anästhesisten durchgeführt. Dies entspreche auch interdisziplinären Vereinbarungen. Die Wahl des Anästhesieverfahrens stehe auch nicht zur freien Disposition von Operateur und Anästhesist. Die Lokalanästhesie sei in der Regel der geringere Eingriff. Hätte die Anästhesieabteilung auch die Leistungen zu erbringen, die nach der praktizierten Aufgabenteilung Sache der operativen Fächer seien, so müßte sich der Personalaufwand des Krankenhauses entsprechend erhöhen. Dies hätte Auswirkungen auf den Pflegesatz.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Bescheid der Beklagten vom 12. Dezember 1984 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. April 1985 aufzuheben.

Die Beklagte stellt keinen Antrag. Sie schließt sich dem Vorbringen des Klägers an.

Die Beigeladenen beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Honorierung der von ihm als Belegarzt erbrachten Leistungen nach Nr 491 E-GO. Diese Leistungen sind im vorliegenden Fall nicht abrechnungsfähig, weil sie, wie das LSG festgestellt hat, als allgemeine Leistungen des Krankenhauses mit dem (kleinen) Pflegesatz abgegolten sind.

Die Berichtigung der Honorarforderung des Klägers erfolgte in dem Verfahren nach § 12 Nrn 3 und 6 iVm § 13 Nr 4 EKV-Ä. Dieses Verfahren ist nicht zu beanstanden, weil die Wirtschaftlichkeit der vom Kläger erbrachten Leistungen nicht in Streit steht. Es handelt sich vielmehr hier lediglich um eine Richtigstellung der Honorarforderung bezüglich der ordnungsgemäßen Anwendung der E-GO.

Nach § 3 der hier noch geltenden BPflV vom 25. April 1973 (BGBl I, 333) werden durch den allgemeinen Pflegesatz alle unter Berücksichtigung des Krankenhauses medizinisch zweckmäßigen und ausreichenden Krankenhausleistungen (allgemeine Krankenhausleistungen) abgegolten. Soweit Leistungen von einem Belegarzt erbracht werden, ist dies bei der Festsetzung des Pflegesatzes zu berücksichtigen. Hierzu hat der Senat entschieden (Urteil vom 7. Oktober 1981 - 6 RKa 5/78 = BSGE 52, 181 = SozR 7323 § 3 Nr 4), daß ein Belegkrankenhaus alle anästhesiologischen Leistungen bereitzustellen hat, wenn dort eine Anästhesieabteilung besteht. Ein Bedürfnis für eine Ermächtigung von Anästhesisten zur Erbringung von Leistungen ihres Fachgebietes, die nach der E-GO abrechnungsfähig wären, wurde deshalb verneint. Diese Rechtsprechung erging allerdings nicht zu Honoraransprüchen von Belegärzten, sondern zum Bedürfnis für Ermächtigungen von Anästhesisten. Sie verneint jedoch das Bedürfnis für die Fälle, in denen diese Leistungen zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gehören und deshalb nicht im Wege der Ermächtigung erbracht werden müssen. Die allgemeinen Krankenhausleistungen werden jedoch einheitlich durch den Pflegesatz abgegolten. Wollte man in diesem Bereich einem Arzt (Belegarzt) ein gesondertes Liquidationsrecht nach der E-GO einräumen, müßte dies finanziell zu einer doppelten Leistungsverpflichtung des Krankenversicherungsträgers führen. Dieses Ergebnis entspricht weder dem Wortlaut noch Sinn und Zweck der BPflV.

Demgegenüber kann der Kläger nicht mit Erfolg einwenden, daß die Lokalanästhesien nach Nr 491 E-GO in aller Regel von dem Operateur selbst vorgenommen werden. Diese Tatsache ist zwar vom LSG für den Senat bindend festgestellt (§ 163 Sozialgerichtsgesetz -SGG-). Sie muß aber nicht immer die Rechtsfolge der Abrechnungsfähigkeit durch den Belegarzt auslösen. Entscheidend ist, ob eine Leistung den allgemeinen Krankenhausleistungen zuzuordnen ist. Ist das der Fall, so wird die Leistung durch den Pflegesatz abgegolten. Wird die Leistung dennoch vom Belegarzt (hier dem Operateur) erbracht, so nimmt dieser Aufgaben des Krankenhauses wahr und kann hieraus allenfalls Ansprüche gegen das Krankenhaus ableiten. Ein Honoraranspruch gegenüber der KÄV besteht nur dann, wenn eine Leistung dem Belegarzt zugeordnet wird. Im vorliegenden Fall hat das LSG dagegen für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß es sich bei den vom Kläger erbrachten Leistungen um allgemeine Krankenhausleistungen handelt. Dann aber kommt es nicht mehr darauf an, ob es sinnvoll oder gar geboten ist, daß eine bestimmte Leistung (Lokalanästhesie) vom Operateur erbracht wird; denn die Krankenversicherungsträger müssen es nicht hinnehmen, daß Leistungen aus dem Kreis der mit dem Pflegesatz abgegoltenen allgemeinen Krankenhausleistungen beliebig herausgenommen werden (BSGE aaO S 184). Insgesamt richtet sich die Abrechnungsfähigkeit von Leistungen nicht nach dem tatsächlichen Aufwand des Krankenhauses, sondern allein danach, ob wie im vorliegenden Fall, die Bereitstellung anästhesiologischer Leistungen zu den allgemeinen Krankenhausleistungen gehört.

Nach allem war die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1664261

AusR 1990, 14

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