Leitsatz (amtlich)
RVO § 1263a Abs 1 Nr 3 aF setzt voraus, daß die Versicherung im Zeitpunkt der Feindeinwirkung bereits bestanden hat.
Normenkette
RVO § 1263a Abs. 1 Nr. 3
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 26. Juli 1960 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der ... 1959 verstorbene Ehemann der Klägerin erlitt am 19. Juli 1916 als Soldat eine Granatsplitterverwundung. Wegen Stirnschädeldefekts mit nervösen Anfällen und Blindheit des linken Auges erhielt er Versorgungsbezüge zuerst wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H., seit dem 1. November 1923 wegen einer MdE um 90 v. H. und zuletzt wegen Erwerbsunfähigkeit; seit dem 1. Januar 1925 war bei ihm außerdem Pflegebedürftigkeit anerkannt. Für ihn wurden für die Zeit vom 22. September 1917 bis zum 14. September 1918 52 Wochenbeiträge zur Invalidenversicherung entrichtet. Außerdem sind für die Zeit vom 26. Januar bis 11. März 1944 Beitragsleistungen auf Grund entgeltlicher Beschäftigung und für die Jahre 1947/48 freiwillige Beiträge für 38 Wochen nachgewiesen.
Im November 1954 beantragte er die Gewährung von Invalidenrente. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit der Begründung ab, der Versicherungsfall der Invalidität sei bei ihm nach dem vertrauensärztlichen Gutachten vom 8. Februar 1955 in Verbindung mit den in den Versorgungsamtsakten vorliegenden Gutachten am 1. November 1923 eingetreten. Die Invalidität sei zweifellos die Folge der am 19. Juli 1916 erlittenen Verwundung. Die in der Zeit vom 22. September 1917 bis zum 14. September 1918 entrichteten 52 Wochenbeiträge seien anrechenbar, dagegen seien die in der Zeit vom 26. Januar 1944 bis 20. März 1948 mit Unterbrechungen entrichteten Beiträge unwirksam, da sie nach Eintritt der Invalidität entrichtet seien. Die Wartezeit sei somit nicht erfüllt. § 1263 a der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF komme nicht zur Anwendung.
Das Sozialgericht (SG) hat unter Aufhebung des ablehnenden Bescheides die Beklagte verurteilt, dem Versicherten die Invalidenrente ab 1. Dezember 1954 zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat dazu ausgeführt: Die Klägerin sei als Rechtsnachfolgerin des Versicherten, ihres verstorbenen Ehemannes, mit dem sie in häuslicher Gemeinschaft gelebt habe, bezugsberechtigt (§ 1291 RVO aF, § 1288 Abs. 1 RVO nF) und zur Fortsetzung des Verfahrens legitimiert (§ 1288 Abs. 2 RVO nF). Es sei unbestritten, daß der Versicherungsfall der Invalidität bei dem Versicherten bereits im November 1923 infolge der am 19. Juli 1916 erlittenen schweren Kriegsverletzung eingetreten sei. Wegen einer auf die Granatsplitterverletzung des Kopfes mit Stirnschädeldefekt zurückzuführenden Stirnhirndemenz sowie schwerer epileptischer Anfälle sei die MdE seit 1. November 1923 mit 90 v. H. beurteilt und seit dem 1. Januar 1925 auch Pflegebedürftigkeit angenommen worden. Mindestens seit diesem Zeitpunkt sei der frühere Ehemann der Klägerin für invalide zu erachten. Es sei jedoch davon auszugehen, daß die Invalidität schon seit 1923 bestand. Deshalb seien nur die für die Zeit vom 22. September 1917 bis 14. September 1918 nachgewiesenen 52 Wochenbeiträge anrechenbar. Aus ihnen sei die Anwartschaft im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles durch den Bezug der Versorgungsrente erhalten gewesen (§§ 1280 Abs. 1, 1281 Nr. 3 RVO in der damals geltenden Fassung). Nicht zu berücksichtigen seien dagegen - abgesehen davon, daß auch dann noch keine 60 Beitragsmonate zurückgelegt wären - die seit 1944 entrichteten weiteren Beiträge. Sie seien von der Beklagten - und zwar innerhalb der Frist des § 1445 Abs. 3 RVO aF - zu Recht beanstandet worden, da sie nach Eintritt der Invalidität entrichtet worden seien. Dies gelte nicht nur für die 38 freiwilligen Beiträge (§ 1443 RVO aF), sondern auch für die 3 Monate nachgewiesener Arbeitsverdienste im Jahre 1944; insoweit gelte § 1236 RVO aF, da dieser durch die 1. Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung vom 17. März 1945 - VVO - (RGBl I, 41) frühestens mit Wirkung vom 1. Juni 1945 aufgehoben worden sei. Damit sei, was gleichfalls nicht bestritten sei, eine normale Wartezeit nicht zurückgelegt. Die Wartezeit könne auch nicht als erfüllt gelten. An sich sei das SG zutreffend davon ausgegangen, daß insoweit das bis zum 31. Dezember 1956 geltende Recht noch anzuwenden sei, nachdem der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1957 eingetreten sei.
Ferner sei dem SG darin zu folgen, daß Art. 17 VVO und damit auch § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF als geltendes Recht anzusehen und ohne zeitliche Beschränkung anzuwenden sei (vgl. BSG 7, 146), also auch dann, wenn der Versicherungsfall während des ersten Weltkrieges eingetreten sei (BSG in SozR RVO aF § 1263 a Bl. Aa 1 Nr. 1). Es sei ferner in Übereinstimmung mit dem Bundessozialgericht (BSG 10, 149) davon auszugehen, daß § 1263 a RVO aF Abs. 1 Nr. 3 auch für Versicherte gelte, die infolge einer als Kriegsteilnehmer im Sinne der Nr. 2 dieser Vorschrift erlittenen Feindeinwirkung nach Beendigung der Mobilmachungs- oder Kriegszeiten invalide geworden oder gestorben seien. Daß es sich beim Kläger um eine unmittelbare Feindeinwirkung gehandelt habe, ebenso, daß die Kriegsverletzung zumindest wesentliche Teilursache, wenn nicht ausschließlich Ursache der Invalidität gewesen sei, sei unstreitig. Dem SG sei jedoch insoweit nicht zu folgen, als es davon ausgehe, es sei für die Wartezeitfiktion des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF ausreichend, daß das Versicherungsverhältnis im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles bestanden hat. Dieser Schlußfolgerung stehe einmal der - wenn auch nicht völlig eindeutige - Wortlaut des § 1263 a RVO aF entgegen. Das Gesetz spreche zunächst von dem "Versicherten" und führe erst dann die einzelnen in Betracht kommenden Schädigungstatbestände auf; bereits daraus sei zu schließen, daß - zeitlich gesehen - das bestehende Versicherungsverhältnis den Schädigungstatbeständen vorangehen müsse. Diese Auslegung werde auch allein dem Grundgedanken der Bestimmung gerecht. Deren Zweck sei es offensichtlich gewesen, nur die Nachteile auszugleichen, die ein Versicherter während seines Versicherungsverhältnisses dadurch erlitten habe, daß ihm die Fortsetzung der Versicherung unmöglich wurde. Es sei deshalb erkennbar nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, die Vergünstigung des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF auch in den Fällen durchgreifen zu lassen, in denen erst später - also nach dem Schädigungstatbestand - ein Versicherungsverhältnis begründet worden sei. Dies hätte sonst nach dem damaligen Recht als ungerechtfertigte Verschiebung des Versicherungsrisikos angesehen worden müssen. Diese Auslegung stimme auch mit den Ausführungen überein, die der 1. Senat des BSG in seiner Entscheidung vom 30. Oktober 1958 (1 RA 101/57) zu § 1263 a RVO aF gemacht habe.
Da der Versicherte nach der Kriegsverletzung, im Jahre 1917, die Versicherung aufgenommen habe, komme somit § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF nicht in Betracht. Die Wartezeit sei daher nicht erfüllt, so daß der Rentenantrag zu Recht von der Beklagten abgelehnt worden sei.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Mit der Revision beantragt die Klägerin,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Bayreuth vom 7. März 1956 zurückzuweisen.
Sie rügt die Verletzung des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und der Zwecksetzung dieser Vorschrift lasse sich ableiten, daß bereits zur Zeit des Eintritts der später die Invalidität auslösenden Schädigung ein Versicherungsverhältnis bestanden haben müsse. Hierdurch werde neben der Kausalität zwischen Schädigung und Invalidität zusätzlich eine zeitliche Abhängigkeit konstruiert, die dem Gesetzgeber im Gegensatz zu § 1263 a Abs. 1 Nr. 2 RVO aF nicht vorgeschwebt habe.
Die Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Bayer. LSG vom 26. Juli 1960 zurückzuweisen.
Das Berufungsgericht gehe mit zutreffender Begründung davon aus, daß die Fiktion der Wartezeiterfüllung nach § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF nur dann durchgreife, wenn die Feindeinwirkung, die zum Eintritt des Versicherungsfalles führe, zeitlich nach dem Eintritt in die Versicherung liege. Der frühere Ehemann der Klägerin habe den ersten Beitrag aber erst nach seiner Verwundung geleistet.
Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision (§§ 164, 166 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und damit zulässig. Sie ist nicht begründet.
Das LSG hat zu Recht seiner Prüfung die Vorschrift des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF zugrunde gelegt und nicht § 1252 RVO nF. Art. 2 § 10 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) enthält eine Sonderregelung nur für Arbeitsunfälle, nationalsozialistische Verfolgung, Vertreibung und Flucht sowie für Internierung und Verschleppung (§ 1252 Nrn. 1, 4, 5 und 6 RVO nF), nicht dagegen für die übrigen Fälle des § 1252 RVO nF. Daraus ist nur der Schluß möglich, daß für die Fälle des § 1252 Nr. 2 und 3 RVO nF (militär- und militärähnlicher Dienst, Kriegsgefangenschaft und unmittelbare Kriegseinwirkung) das bisherige Recht gilt, wenn der Versicherungsfall vor dem 1. Januar 1957 eingetreten ist (Art. 2 § 5 ArVNG; vgl. auch BSG 7, 159; SozR RVO § 1263 a aF Bl. Aa 1 Nr. 1 und Bl. Aa 6 Nr. 7). Das Berufungsgericht ist weiter zutreffend davon ausgegangen, daß Art. 17 VVO und damit § 1263 a RVO aF geltendes Recht (vgl. dazu auch das Urteil des erkennenden Senats vom 16. März 1962 - 12/3 RJ 64/59 -) und ohne zeitliche Beschränkung anzuwenden ist, also auch dann, wenn der Versicherungsfall während des ersten Weltkrieges eingetreten ist (BSG in SozR RVO § 1263 a aF Bl. Aa 1 Nr. 1). Schließlich hat das LSG auch zutreffend die Anwendung des § 1263 a Abs. 1 Nr. 2 RVO aF wegen Fehlens des zeitlichen Zusammenhangs ausgeschlossen.
Die Beteiligten streiten lediglich darüber, ob bei Anwendung des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF, der auch für Versicherte gilt, die, wie es hier der Fall ist, infolge einer als Kriegsteilnehmer im Sinne des § 1263 a Abs. 1 Nr. 2 RVO aF erlittenen Feindeinwirkung nach Beendigung der Mobilmachungs- oder Kriegszeiten invalide geworden oder gestorben sind (BSG 10, 149), die Versicherung vor Eintritt des schädigenden Ereignisses, hier der Verwundung im Jahre 1916, bereits bestanden haben muß oder ob es genügt, daß ein Versicherungsverhältnis im Zeitpunkt des Versicherungsfalles, hier im Jahre 1923, vorgelegen hat.
Nach § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF gilt die Wartezeit als erfüllt, "wenn der Versicherte infolge Feindeinwirkung invalide geworden oder gestorben ist." Das LSG ist davon ausgegangen, daß eine unmittelbare Feindeinwirkung gegeben ist, ebenso, daß die Kriegsverletzung zumindest wesentliche Teilursache, wenn nicht ausschließliche Ursache, der Invalidität war, daß zum Zeitpunkt der Feindeinwirkung ein Versicherungsverhältnis nicht bestanden hat und daß eine normale Wartezeit bis zum Eintritt des Versicherungsfalles nicht zurückgelegt war. Diese Feststellung und Würdigung ist im Revisionsverfahren nicht angegriffen. Sie ist deshalb bei der zu treffenden Entscheidung zugrunde zu legen. Danach ist nicht festzustellen, daß das Berufungsgericht die Vorschrift des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF verkannt hat, indem es davon ausgegangen ist, daß diese Bestimmung nur solche Personen habe schützen wollen, denen es durch das außergewöhnliche Ereignis (wie zB Feindeinwirkung) nicht mehr möglich gewesen sei, eine begonnene Versicherung fortzusetzen und damit die Wartezeit für die Erlangung von Versicherungsleistungen zu erfüllen.
Es ist zuzugeben, daß der Wortlaut der an sich schon versicherungsfremden Vorschrift des § 1263 a RVO aF auslegungsbedürftig ist. Die Vorschrift unterstellt, daß die sonst für die Erfüllung der Wartezeit erforderliche Mindestzahl von Beiträgen vorhanden ist, sofern einer der Tatbestände der Nrn. 1 bis 3 dieser Vorschrift gegeben ist. Gemeinschaftliche Voraussetzung für die in den Nrn. 1 bis 3 des § 1263 a RVO aF aufgeführten Tatbestände, die ursächlich für die eingetretene Invalidität oder den Tod gewesen sein müssen, ist, wie allein schon der Wortlaut der Bestimmung verlangt, daß sie einen "Versicherten" betroffen haben. Schon nach dem Wortlaut des § 1263 a Abs. 1 RVO aF ist nur der Schluß möglich, daß die Vorschrift erfordert, daß vor Verwirklichung des im vorliegenden Falle allein interessierenden Tatbestandes des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF bereits eine Versicherung bestanden hat. Für diese Ansicht spricht weiter: § 1263 a RVO aF ist durch § 17 VVO, wie bereits erwähnt, in die RVO eingeführt worden. Er faßte den bisherigen § 1262 Abs. 5 RVO idF der Verordnung vom 22. Juni 1942 (RGBl I 411 = AN 42, 383) sowie den § 17 Abs. 1 des Gesetzes über weitere Maßnahmen in der Reichsversicherung aus Anlaß des Krieges vom 15. Januar 1941 (RGBl I 34 = AN 41, 34) zusammen. Der § 1262 Abs. 5 RVO in der vorstehend zitierten Fassung bestimmte: "Wenn der Versicherte infolge eines Arbeitsunfalles invalide wird oder stirbt, ist die Erfüllung der Wartezeit nicht erforderlich", und § 17 Abs. 1 des zitierten Gesetzes vom 15. Januar 1941 legte fest: "Bei Versicherten, die während des Krieges als Soldaten gestorben oder infolge einer Beschädigung bei besonderem Einsatz oder einer Wehrdienstbeschädigung invalide (berufsunfähig) geworden sind, gilt die Wartezeit als erfüllt." Aus der Fassung dieser Einzelvorschriften ergibt sich der Wille des Gesetzgebers unmißverständlich dahin, daß diese Vorschriften nur für Versicherte gelten, die vor dem schädigenden Ereignis versichert waren. Eine amtliche Begründung zu dem Gesetz vom 15. Januar 1941 ist nicht vorhanden. Ein Aufsatz von Kurzwelly in AN 41, 74 gibt aber offenbar die Gedankengänge wieder, die bei der Schaffung des zitierten Gesetzes im Reichsarbeitsministerium als federführendem Ministerium angestellt worden sind. Kurzwelly schreibt: "§ 17 Abs. 1 will die Härten beseitigen, die sich daraus ergeben können, daß ein zur Wehrmacht eingezogener Versicherter bei Eintritt des Versicherungsfalles als Folge seines Wehrdienstes die Wartezeit noch nicht erfüllt hat."
Danach sieht der Senat den Willen des Gesetzgebers auch im § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF, der ja nur den vorstehend zitierten § 1262 Abs. 5 RVO und den § 17 Abs. 1 des Gesetzes vom 15. Januar 1941 zusammenfaßte, hinreichend dahingehend zum Ausdruck gebracht, daß die Versicherung vor Eintritt des schädigenden Ereignisses, hier der Verwundung im Jahre 1916, bereits bestanden haben muß; also nicht ausreichend ist, daß ein Versicherungsverhältnis im Zeitpunkt des Versicherungsfalles, hier im Jahre 1923, vorgelegen hat.
Die Richtigkeit dieser Ansicht bestätigt auch der Zweck des § 1263 a RVO aF, wie das LSG zutreffend hervorgehoben hat. Er besteht darin, denjenigen Versicherten, der durch den in § 1263 Abs. 1 Nr. 3 RVO aufgeführten Tatbestand an der Erfüllung der Wartezeit gehindert worden ist, vor dem Verlust bereits erworbener Anwartschaften zu bewahren. Dagegen würde es eine unbillige Belastung der Gemeinschaft der Versicherten darstellen, wenn auch bei solchen Versicherten die Erfüllung der Wartezeit gemäß § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF zu bejahen wäre, die der Sozialversicherung im Zeitpunkt des Eintritts des Tatbestandes des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF noch nicht angehört haben, denn hier würde der Sozialversicherung, worauf das LSG ebenfalls mit Recht hinweist, ein Risiko für eine Folge eines Tatbestandes aufgebürdet werden, der sich bereits vor dem Bestehen eines Versicherungsverhältnisses ereignet hat. Dieser Auslegung entspricht auch die vom Reichsversicherungsamt (RVA) ständig vertretene Ansicht (AN 1941 S. II 119; 1942 S. II 298 und S. II 374). Von dieser abzugehen sind Gründe nicht gegeben, zumal ihr auch das Schrifttum beigetreten ist (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd. II - 5. Nachtrag (Juni 52) - S. 670; Komm. z. RVO 4. und 5. Buch, herausgegeben vom Verband deutscher Rentenversicherungsträger, § 1263 a RVO aF Anm. 3; Koch-Hartmann/Altrock-Fürst, Komm. z. RVO 2. Aufl., § 1263 a RVO aF Anm. 3) und der erkennende Senat mit seinem Ergebnis sich in Übereinstimmung mit den Ausführungen in dem Urteil des 1. Senats des BSG vom 30. Oktober 1958 (1 RA 101/57) befindet.
Nun hat zwar der 4. Senat des BSG zu seinem Urteil vom 11. Februar 1960 (4 RJ 201/58) in BSG 11, 295 einen Leitsatz veröffentlicht, der gegen die hier gegebene Auslegung des § 1263 a RVO aF sprechen könnte. Der 4. Senat kann aber eine gegenteilige Ansicht nicht vertreten haben, weil er in seinem späteren, zwar nicht veröffentlichten Urteil vom 16. Juni 1961 (4 RJ 54/59) zu der hier zu entscheidenden Frage ausdrücklich Stellung nimmt und ausführt: "Da somit der Anspruch des Klägers auf Rentengewährung bereits daran scheitert, daß für ihn weder die Wartezeit erfüllt ist noch nach § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF als erfüllt gilt, bedurfte es keiner Prüfung der Frage, ob der Kläger, obwohl für ihn vor der die spätere Invalidität herbeigeführten Schädigung keine Beiträge zur Invalidenversicherung entrichtet waren, als Versicherter im Sinne des § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF angesehen werden kann." Wenn der 4. Senat somit in seinem späteren Urteil die hier zu entscheidende Frage ausdrücklich anspricht und dazu ausführt, sie könne unentschieden bleiben, dann kann sein Urteil vom 11. Februar 1960 nicht dahin verstanden werden, daß dort die Frage entschieden worden ist, und zwar im gegenteiligen Sinne, wie sie jetzt der erkennende Senat entschieden hat. Es bestand deshalb kein Anlaß, etwa den Großen Senat anzurufen.
Das angefochtene Urteil ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß § 1263 a Abs. 1 Nr. 3 RVO aF auf den früheren Ehemann der Klägerin keine Anwendung finden kann, weil dieser im Zeitpunkt der Kriegsverletzung im Jahre 1916 noch kein "Versicherter" im Sinne dieser Vorschrift gewesen ist. Da die normale Wartezeit nicht erfüllt ist, so hat die Beklagte den von dem früheren Ehemann der Klägerin geltend gemachten Anspruch zu Recht abgelehnt und das LSG hat mit zutreffender Begründung auf die Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen, wobei dahinstehen kann, ob § 1252 RVO nF bei Versicherungsfällen nach dem 1. Januar 1957 zu einem anderen Ergebnis führen könnte. Die Revision konnte mithin keinen Erfolg haben und war nach § 170 Abs. 1 SGG als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen