Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung der Invalidität bei der Entlassung aus der Wehrmacht. Prüfung von Witwenrente nach neuem Recht
Leitsatz (redaktionell)
1. Es besteht kein Erfahrungssatz, daß im Jahre 1941 Soldaten nur dann aus der Wehrmacht entlassen wurden, wenn sie invalide waren. Die Invalidität des Versicherten bei der Entlassung aus der Wehrmacht läßt sich zwingend auch nicht daraus herleiten, daß sein Tod später als Schädigungsfolge anerkannt worden ist.
2. Die versicherungsmäßigen Voraussetzungen der Witwenrente müssen im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls vorgelegen haben. Für diese Voraussetzungen enthält ArVNG Art 2 § 17 eine Übergangsregelung für Altfälle. Diese Regelung dient ua hinsichtlich der Wartezeit dazu, das früher zerstreute und lückenhafte Recht zusammenzufassen, enthält aber keine grundsätzlich neue Regelung. Sie mildert die früheren Voraussetzungen allerdings dadurch erheblich, daß sie die freiwilligen Beiträge den Pflichtbeiträgen gleichstellt.
Normenkette
RVO § 1255 Fassung: 1934-05-17; ArVNG Art. 2 § 17 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Juli 1960 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die im Jahre 1900 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten die Witwenrente aus der Rentenversicherung ihres im Jahre 1899 geborenen und am 1. August 1944 an Herz- und Kreislaufschwäche verstorbenen Ehemannes, des Landwirts Lorenz H. Dieser war vom 17. Februar 1915 bis zum 2. Februar 1916 versicherungspflichtig beschäftigt und legte in dieser Zeit 52 Wochen in der Rentenversicherung der Arbeiter zurück. Von 1917 bis 1919 leistete er Wehrdienst. Für die Zeit vom 20. März bis zum 28. Juli 1938 und vom 16. Mai bis zum 28. Juni 1939 erkannte die Beklagte insgesamt 25 Beitragswochen an. Im zweiten Weltkrieg leistete der Versicherte wiederum Wehrdienst vom 1. September 1939 bis zum 9. September 1941 und wurde an diesem Tage krank aus der Wehrmacht entlassen. Das Wehrmachtsfürsorge- und Versorgungsamt erkannte eine chronische Bronchitis und Bronchiektasie als Wehrdienstbeschädigung an und bewilligte ein Versehrtengeld nach Stufe I. Der Tod des Versicherten wurde als Schädigungsfolge anerkannt, so daß die Klägerin eine Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) erhält.
Den am 26. Mai 1956 gestellten Antrag auf Gewährung der Witwenrente aus der Rentenversicherung des Verstorbenen lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 4. Juli 1956 und ein Schreiben vom 8. März 1957 ab, weil die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten als Voraussetzung des Rentenanspruchs nicht erfüllt sei; auf die Wartezeit könnten nur die in den Jahren 1938 und 1939 zurückgelegten 25 Beitragswochen sowie der im zweiten Weltkrieg geleistete Wehrdienst als Ersatzzeit, nicht aber die im ersten Weltkrieg zurückgelegten Versicherungszeiten und der im Zusammenhang mit diesem Kriege geleistete Wehrdienst angerechnet werden; die Anwartschaft aus diesen Versicherungs- und Ersatzzeiten sei erloschen; die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten gelte aber auch nicht nach § 1263 a RVO aF als erfüllt, weil der Versicherte weder während der Ableistung von Kriegsdienst oder infolge Feindeinwirkung invalide geworden noch während des Kriegsdienstes gestorben sei.
Durch Urteil vom 23. Mai 1957 hat das Sozialgericht (SG) den die Rente versagenden Bescheid vom 4. Juli 1956 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin die Witwenrente zu gewähren. Es ist der Ansicht, die Wartezeit gelte nach § 1263 a RVO aF als erfüllt, weil der Versicherte während der Ableistung des Kriegsdienstes invalide geworden sei; er wäre sonst kaum aus der Wehrmacht entlassen worden; der Wehrdienst habe den Gesundheitszustand des Versicherten so sehr verschlechtert, daß sogar ein ursächlicher Zusammenhang zwischen seiner Dienstleistung und seinem Tode angenommen worden sei; im übrigen reiche es für die Anwendung des § 1263 a RVO aF aus, daß die Invalidität eines Versicherten durch den Wehrdienst verursacht sei, auch wenn sie nicht während des Wehrdienstes eingetreten sei.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) am 19. Juli 1960 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die gesetzliche Wartezeit von 260 Wochenbeiträgen sei - so hat es ausgeführt - weder tatsächlich erfüllt noch gelte sie als erfüllt. Auf die Wartezeit könnten lediglich 130 Beitragswochen aus den Jahren 1938 und 1939 und der Zeit des im zweiten Weltkrieg geleisteten Wehrdienstes angerechnet werden, nicht aber die etwa 156 Wochen aus den bis 1919 zurückgelegten Beitrags- und Ersatzzeiten. Hieraus sei die Anwartschaft erloschen, weil der Versicherte bis 1938 weder jährlich mindestens 26 Wochenbeiträge zur Erhaltung der Anwartschaft entrichtet habe noch bei Eintritt des Versicherungsfalls die Zeit seit dem ersten Eintritt in die Versicherung zur Hälfte mit Beiträgen belegt gewesen sei. Die Anwartschaft aus diesen Beitragswochen sei auch weder nach § 3 des Gesetzes über die Verbesserung von Leistungen in der Rentenversicherung (Leistungs-VerbesserungsG) vom 24. Juli 1941 (RGBl I 443) noch nach § 4 Abs. 2 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes (SVAG) vom 17. Juni 1949 (WiGBl 99) noch nach Art. 19 der Ersten Verordnung zur Vereinfachung des Leistungs- und Beitragsrechts in der Sozialversicherung (VereinfachungsVO) vom 17. März 1945 (RGBl I 41) erhalten geblieben. Nach der letztgenannten Vorschrift gelte die Anwartschaft aus den vor dem 1. Januar 1924 entrichteten Beiträgen nur dann als erhalten, wenn nicht der Versicherungsfall, wie hier, vor dem 1. April 1945 eingetreten sei. Zwar schreibe Art. 26 dieser VO vor, daß Art. 19 auch auf alle Versicherungsfälle anzuwenden sei, für die am 31. März 1945 ein das Versicherungsverhältnis abschließender rechtskräftiger Bescheid noch nicht ergangen war. Diese Regelung beruhe jedoch auf einem Redaktionsfehler. Sie widerspreche dem in Art. 19 aaO niedergelegten Grundsatz und sei daher nicht anzuwenden. Es könne nicht im Willen des Gesetzgebers gelegen haben, den wesentlichen Inhalt einer Vorschrift durch eine in den Übergangsvorschriften derselben Verordnung enthaltene Regelung wieder aufzuheben. Die Wartezeit von 260 Beitragswochen gelte auch nicht nach § 1263 a RVO aF als erfüllt. Der Versicherte sei weder infolge Feindeinwirkung gestorben noch während des im zweiten Weltkrieg geleisteten Wehrdienstes invalide geworden. Daraus, daß ihm nach seiner Entlassung aus dem Wehrdienst ein Versehrtengeld nach Stufe I gewährt worden sei, gehe hervor, daß damals seine Erwerbsfähigkeit nur um etwa 30 v.H. eingeschränkt gewesen sei. Eine erhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes sei nach den Bescheinigungen der behandelnden Ärzte Dr. S und Dr. P erst wenige Monate vor seinem Tode eingetreten. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Rentenanspruch trotz der in diesem Zeitpunkt eingetretenen Änderung des Rentenversicherungsrechts auch vom 1. Januar 1957 an nicht zu. Nach den Übergangsvorschriften des Art. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) seien auf alte Versicherungsfälle auch weiterhin die alten Vorschriften insbesondere über Wartezeit und Anwartschaft anzuwenden. Auch die Neufassung des § 1262 (richtig: § 1252) RVO wirke nicht auf alte Versicherungsfälle zurück.
Gegen dieses am 13. Oktober 1960 zugestellte Urteil des LSG, in dem die Revision zugelassen ist, hat die Klägerin am 19. Oktober 1960 Revision eingelegt und das Rechtsmittel gleichzeitig begründet. Sie rügt in erster Linie Verletzung des materiellen Rechts, insbesondere des § 1 des Dritten Änderungsgesetzes zum SVAG vom 21. Januar 1956, der Art. 19 und 26 der VereinfachungsVO und des § 1263 a RVO aF. Sie meint, die geltend gemachte Witwenrente stehe ihr bei richtiger Anwendung der genannten Vorschriften zu. Art. 26 der VereinfachungsVO stelle eine Spezialregelung gegenüber Art. 19 aaO dar. Die Regelung, daß Art. 19 ohne Rücksicht auf den Eintritt des Versicherungsfalles dann anzuwenden sei, wenn bis zum 31. März 1945 ein das Versicherungsverhältnis abschließender rechtskräftiger Bescheid noch nicht ergangen sei, sei offenbar getroffen worden, um der in den Kriegsjahren 1944/45 zunehmenden Unsicherheit und den wachsenden Schwierigkeiten bei der Durchführung der Sozialversicherung in Verwaltung und Rechtsprechung zu begegnen und die daraus für die Versicherten drohenden Nachteile zu vermeiden. Art. 26 der VereinfachungsVO enthalte also keinen Redaktionsfehler. Im übrigen sei es nicht Aufgabe der Rechtsprechung, den eindeutigen und klaren Wortlaut einer Vorschrift zu ändern und sich dadurch mit den Aufgaben des Gesetzgebers zu befassen. Auch § 1263 a RVO aF habe das LSG zu Unrecht nicht als erfüllt angesehen. Das LSG sei unter Verletzung des § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zu der Überzeugung gelangt, daß der Versicherte bei seiner Entlassung aus der Wehrmacht nicht invalide gewesen sei. Der Akteninhalt habe keine berechtigte Handhabe dafür geboten, den zeitlichen Zusammenhang zwischen geleistetem Wehrdienst und Invalidität und Tod zu verneinen. Es wäre sonst nicht verständlich, aus welchen Gründen der Versicherte vorzeitig aus der Wehrmacht entlassen worden und bis zu seinem Tode kein Beschäftigungsverhältnis mehr eingegangen sei. Daß die bei der Entlassung aus der Wehrmacht angenommene Versehrtenstufe I nicht den tatsächlichen Verhältnissen entsprochen habe, gehe daraus hervor, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Wehrdienstbeschädigung und Tod anerkannt worden sei. Zudem setze das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs stets das Vorhandensein eines zeitlichen Zusammenhangs voraus. Sinn des § 1263 a RVO aF sei es gewesen, einen Ausgleich für die vorzeitige Unterbrechung des Versicherungsverhältnisses zu schaffen. Dann sei diese Vorschrift aber auch anzuwenden, wenn Invalidität oder Tod erst nach dem Wehrdienst eingetreten seien, jedoch durch eine im Wehrdienst zugezogene Erkrankung kein Beschäftigungsverhältnis mehr habe eingegangen werden können.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 23. Mai 1957 zurückzuweisen und die Beklagte zu verurteilen, ihr auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Bayerischen LSG vom 19. Juli 1960 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und meint, daß auch der gerügte Verfahrensmangel nicht vorliege.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Die zulässige Revision hatte keinen Erfolg. Der Klägerin steht eine Witwenrente aus der Versicherung ihres verstorbenen Ehemannes weder nach dem bei der Antragstellung noch nach dem derzeit geltenden Rentenversicherungsrecht zu.
Das Rentenversicherungsrecht der Arbeiter ist durch Art. 1 des ArVNG vom 23. Februar 1957 (BGBl I 45) weitgehend, und zwar zum Teil auch rückwirkend, geändert worden. Nach Art. 2 § 25 Abs. 2 Satz 2 ArVNG beginnt jedoch auch im Fall einer rückwirkenden Anwendung des neuen Rechts auf alte Versicherungsfälle die Rente erst mit Inkrafttreten dieses Gesetzes. Für die vorhergehende Zeit ist dagegen, falls ein Antrag vorher gestellt ist, zu prüfen, ob nicht nach den früheren Vorschriften Anspruch auf Rente bestand. Falls diese gewährt wird, ist sie nach Art. 2 § 32 ff ArVNG umzustellen, und für eine Rente neuen Rechts ist kein Raum. Falls aber eine Rente alten Rechts nicht gewährt wird, ist zu prüfen, ob vom 1. Januar 1957 an Anspruch auf Rente neuen Rechts besteht. Da die Klägerin im Mai 1956 den Antrag gestellt hatte, ihr aus der Rentenversicherung ihres im Jahre 1944 verstorbenen Ehemannes Witwenrente zu zahlen, war daher zunächst zu prüfen, ob ihr diese Rente bereits nach den früheren Vorschriften zustand.
Vor Inkrafttreten des ArVNG stand nach den §§ 1255, 1256 RVO aF, 3, 21 Abs. 5 SVAG den Witwen vor dem 1. Juni 1949 verstorbener Versicherter und nach Vollendung des 45. Lebensjahres eine Witwenrente aus der Invalidenversicherung zu, wenn für den Verstorbenen zur Zeit seines Todes die Wartezeit erfüllt und die Anwartschaft erhalten war. Bei dem im Jahre 1944 verstorbenen Ehemann der Klägerin, die bei der Antragstellung das 45. Lebensjahr vollendet hatte, war zur Zeit seines Todes die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten (§ 1262 Abs. 1 RVO aF) nicht erfüllt. Er hatte zwar im ersten Weltkrieg sowie vor und im zweiten Weltkrieg insgesamt eine Versicherungszeit von mehr als 60 Monaten an Beitrags- und wehrdienstlichen Ersatzzeiten (§ 1263 RVO aF) in der Rentenversicherung zurückgelegt, es war aber nicht aus mindestens 60 Beitragsmonaten die Anwartschaft, und zwar weder nach § 1264 noch nach § 1265 RVO erhalten. Nach § 15 des Gesetzes über weitere Maßnahmen in der Reichsversicherungsordnung aus Anlaß des Krieges (MaßnahmenG) vom 15. Januar 1941 (RGBl I 34) erloschen Anwartschaften zwar nicht in der Zeit vom 26. August 1939 bis zum Ablauf des auf das Kriegsende folgenden Kalenderjahres. Diese Vorschrift diente nach ihrem eindeutigen Wortlaut aber nur dazu, für die Dauer des zweiten Weltkrieges das Erlöschen von Anwartschaften zu verhindern; sie brachte also kein Wiederaufleben bereits erloschener Anwartschaften. Für den vorliegenden Fall ergibt sich also keine für den Versicherten günstigere Lösung hinsichtlich der im ersten Weltkrieg entrichteten Beiträge. Eine weitere Verbesserung brachte § 3 des Leistungsverbesserungsgesetzes, wonach die Anwartschaft aus allen Beiträgen als erhalten galt, die nach dem 1. Januar 1924 entrichtet waren. Da aber die vor dem 1. Januar 1924 zurückgelegten Beitrags- und Ersatzzeiten hierdurch ebenfalls nicht berührt werden, war auch nach dieser Vorschrift im Zeitpunkt des Todes des Versicherten die Anwartschaft nur aus den seit dem Jahre 1938 zurückgelegten Versicherungszeiten erhalten. Mit ihnen aber war die Wartezeit von 60 Beitragsmonaten nicht erfüllt. Für die Erhaltung der Anwartschaft aus den vor 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten brachte erst Art. 19 der nach dem Tode des Versicherten erlassenen VereinfachungsVO eine weitere Erleichterung, indem er vorschrieb, daß die Anwartschaft aus diesen Beiträgen als erhalten gilt, wenn bis zum 31. März 1945 auch nur ein weiterer Beitrag für die Zeit nach dem 31. Dezember 1923 entrichtet und der Versicherungsfall nicht vor dem 1. April 1945 eingetreten ist. Art. 26 dieser VO schrieb vor, daß Art. 19 auf alle Versicherungsfälle anzuwenden ist, für die am 31. März 1945 ein das Versicherungsverhältnis abschließender rechtskräftiger Bescheid noch nicht ergangen war. Der Wortlaut des Art. 19 aaO ist klar. Danach werden alle Ansprüche begünstigt, bei denen der zugrunde liegende Versicherungsfall nach dem 31. März 1945 eingetreten ist, und es werden alle die Ansprüche von dieser Vergünstigung ausgeschlossen, bei denen der Versicherungsfall, wie hier, vor dem 1. April 1945 eingetreten ist. Der Wortlaut des Art. 26 aaO ist dagegen, soweit er sich auf Art. 19 aaO bezieht, nicht zweifelsfrei. Ob man ihn nun für mit Art. 19 aaO nicht vereinbar hält, wie der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) ausgeführt hat (SozR, 1. VereinfachungsVO Art. 19 Bl. Aa 6 Nr. 3) oder ob man in ihm nur eine Einschränkung des Art. 19 aaO sieht, kann hier dahingestellt bleiben. Jedenfalls kann er nicht so verstanden werden, wie die Klägerin meint, daß die Vergünstigung des Art. 19 aaO immer zu gewähren sei, wenn vor dem 1. April 1945 ein das Versicherungsverhältnis abschließender rechtskräftig gewordener Bescheid nicht ergangen ist. Denn damit würde die in Art. 19 aaO enthaltene Beschränkung auf die nach dem 31. März 1945 eingetretenen Versicherungsfälle überhaupt ihren Sinn verlieren. Das kann aber nicht Zweck einer Übergangsvorschrift sein. Falls also, wie hier, der Versicherungsfall vor dem 1. April 1945 eingetreten ist, hat Art. 19 aaO keine Bedeutung. Die Anwartschaft aus den vor dem 1. Januar 1924 zurückgelegten Versicherungszeiten war demnach auch nicht nach der VereinfachungsVO erhalten, so daß diese Versicherungszeiten nicht auf die Wartezeit angerechnet werden konnten.
Die Wartezeit galt auch nicht nach § 1263 a RVO aF als erfüllt. Diese Vorschrift ist durch Art. 17 der 1. VereinfachungsVO in die RVO eingeführt worden und spätestens durch § 4 Abs. 1 SVAG mit Wirkung vom 1. Juni 1949 im gesamten Bundesgebiet in Kraft getreten; sie hat entsprechende frühere Vorschriften, insbesondere § 17 des MaßnahmenG, zusammengefaßt und ersetzt (vgl. SozR RVO § 1263 a aF Bl. Aa 6 Nr. 7). Nach Art. 26 der VereinfachungsVO ist einzige Voraussetzung für die Anwendung dieser Vorschrift, daß, wie hier, am 31. März 1945 ein das Versicherungsverhältnis abschließender rechtskräftig gewordener Bescheid noch nicht ergangen war. Die Voraussetzungen des § 1263 a RVO aF liegen jedoch nicht vor. Nach dem vom LSG festgestellten Sachverhalt ist der Versicherte weder infolge eines Arbeitsunfalls noch - unter Zugrundelegung der ständigen Rechtsprechung des BSG (SozR RVO § 1263 a aF Aa 1 Nr. 1) - infolge Feindeinwirkung invalide geworden oder gestorben (§ 1263 a Nr. 1 und 3 RVO aF). Auch die Voraussetzungen der Nr. 2 dieser Vorschrift sind nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift gilt die Wartezeit als erfüllt, wenn der Versicherte in Mobilmachungs- oder Kriegszeiten während der Ableistung von Kriegs-, Sanitäts- oder ähnlichen Diensten für das Deutsche Reich invalide geworden oder gestorben ist. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht genügt für die Erfüllung dieser Vorschrift das Vorhandensein ursächlichen Zusammenhangs zwischen geleistetem Kriegsdienst und Invalidität oder Tod nicht. Einer derartigen Auslegung steht der klare Wortlaut der Vorschrift entgegen. Es kommt vielmehr entscheidend auf den zeitlichen Zusammenhang an. § 1263 a RVO aF macht nämlich einen deutlichen Unterschied zwischen ursächlichem und zeitlichem Zusammenhang. Während nach Nr. 1 und 3 dieser Vorschrift das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs gefordert wird, um die Wartezeit als erfüllt anzusehen ("infolge"), wird in Nr. 2 durch das Wort "während" das Bestehen eines zeitlichen Zusammenhangs gefordert. Dieser vom Gesetz geforderte unmittelbare zeitliche Zusammenhang besteht nach den vom LSG getroffenen Feststellungen hier jedoch nicht.
Mit ihren gegen diese Feststellungen gerichteten Angriffen konnte die Klägerin keinen Erfolg haben. Sie meint, das LSG habe aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens die Überzeugung gewinnen müssen, daß der Versicherte bereits bei seiner Entlassung aus der Wehrmacht invalide gewesen sei. Damit rügt sie die Verletzung des § 128 SGG. Nach dieser Vorschrift entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Ein Mangel des Verfahrens in Bezug auf die Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Berufungsgericht die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten hat. Insoweit kommt insbesondere ein Verstoß gegen Erfahrungssätze oder gegen Denkgesetze in Betracht (BSG 2, 236, 237). Es reicht also nicht aus, daß ein Gericht das Gesamtergebnis des Verfahrens auch anders hätte würdigen und zu anderen Ergebnissen hätte kommen können. Ein Mangel in der Beweiswürdigung liegt vielmehr nur dann vor, wenn das Gericht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens zu anderen Ergebnissen hätte gelangen müssen. Es kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht aufgrund der Umstände, daß der Versicherte im Jahre 1941 krank aus der Wehrmacht entlassen worden ist, daß er dann bis zu seinem Tode keine versicherungspflichtige Tätigkeit mehr ausgeübt hat und daß sein Tod später als eine Schädigungsfolge anerkannt worden ist, möglicherweise auch zu dem Ergebnis hätte gelangen können, daß er bei seiner Entlassung invalide gewesen sei. Zwingend ist dieser Schluß jedoch nicht. Gegen ihn spricht immerhin, daß der Versicherte selbst keine Rente aus seiner Rentenversicherung beantragt hatte. Es besteht zudem kein Erfahrungssatz, daß im Jahre 1941 Soldaten nur dann aus der Wehrmacht entlassen wurden, wenn sie invalide waren. Es ist vielmehr durchaus möglich, daß der bei der Entlassung im 42. Lebensjahr stehende Versicherte deshalb entlassen worden ist, weil erwartet wurde, daß er in Anbetracht der im Wehrdienst zugezogenen Gesundheitsstörungen besser außerhalb der Wehrmacht, etwa bei der Bewirtschaftung seines landwirtschaftlichen Anwesens, eingesetzt sei. Auch die Ansicht, daß der Versicherte nach seiner Entlassung aus der Wehrmacht alsbald wieder einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen wäre, wenn er dazu in der Lage gewesen wäre, besteht hier nicht weiter. Denn der Versicherte ist als selbständiger Landwirt in seinem Leben einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nur in geringem Umfang und zudem noch jeweils mit langen Unterbrechungen nachgegangen. Daß er bei seiner Entlassung aus dem Wehrdienst invalide gewesen ist, läßt sich zwingend auch nicht daraus herleiten, daß sein Tod später als Schädigungsfolge anerkannt worden ist. Die Versorgungsbehörde hat als ausreichend für die Annahme, daß der Versicherte wahrscheinlich an seinem Versorgungsleiden gestorben ist, angesehen, daß ihm in den letzten Jahren seines Lebens ein Versehrtengeld gezahlt worden war, wenn auch nur nach Stufe I, und dies, obwohl zunächst noch keine besonders große Behinderung des Versicherten festgestellt worden war. Diese Gründe sind nicht unbedingt überzeugend, und das Berufungsgericht brauchte sie sich nicht zu eigen zu machen. Die vom LSG getroffene Feststellung, daß der Versicherte nicht invalide war, als er aus der Wehrmacht entlassen wurde, ist somit nicht mit Erfolg angegriffen. An diese Feststellung ist das BSG daher nach § 163 SGG gebunden. Danach aber fehlt es an dem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen Wehrdienst und Invalidität, so daß die in § 1263 a RVO aF enthaltene Fiktion der Erfüllung der Wartezeit nicht durchgreift.
Der Klägerin stand mithin nach den früheren Vorschriften die von ihr beantragte Witwenrente nicht zu. Es war daher weiter zu prüfen, ob ihr nicht vom 1. Januar 1957 an nach neuem Recht eine Witwenrente zusteht. Dies ist jedoch ebenfalls zu verneinen. Nach Art. 2 § 5 ArVNG sind für Rentenansprüche aus Versicherungsfällen vor Inkrafttreten dieses Gesetzes die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften maßgebend, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist. Für Witwenrenten schreibt Art. 2 § 18 ArVNG vor, daß § 1264 RVO für Versicherungsfälle vor Inkrafttreten dieses Gesetzes anwendbar ist, die Witwenrente also grundsätzlich ohne weitere Voraussetzungen immer dann zu gewähren ist, wenn der Versicherte gestorben ist. Allerdings müssen die versicherungsmäßigen Voraussetzungen im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls vorgelegen haben. Für diese Voraussetzungen enthält Art. 2 § 17 ArVNG eine Übergangsregelung für Altfälle. Es ist u.a. vorgeschrieben, daß in den Fällen, in denen der Versicherte, wie hier, in der Zeit vom 1. Januar 1938 bis zum 31. Dezember 1956 gestorben ist, Hinterbliebenenrente gewährt werde, wenn zur Zeit des Todes nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften die Anwartschaft erhalten war und die Wartezeit von 260 Beitragswochen nachgewiesen oder glaubhaft gemacht ist. Diese Regelung dient hinsichtlich der Wartezeit dazu, das früher zerstreute und lückenhafte Recht zusammenzufassen, enthält aber keine grundsätzlich neue Regelung (vgl. Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten, Erl. zu ArVNG Art. 2 § 17; Verbandskomm. RVO § 1263 Anm. Übergangsrecht). Sie mildert die früheren Voraussetzungen allerdings dadurch erheblich, daß sie die freiwilligen Beiträge den Pflichtbeiträgen gleichstellt (Jantz/Zweng aaO). Da der verstorbene Ehemann der Klägerin nur Pflichtbeiträge geleistet hat, bringt Art. 2 § 17 ArVNG hier jedoch keine gegenüber dem alten Recht günstigere Regelung. Wie bereits ausgeführt, war jedoch im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls die Wartezeit nicht mit 260 Beitragswochen erfüllt, aus denen die Anwartschaft erhalten war.
Nun gilt nach § 1252 Nr. 2 RVO die Wartezeit als erfüllt, wenn der Versicherte während oder infolge militärischen Dienstes berufsunfähig geworden ist. Für die Fiktion der Wartezeiterfüllung reicht nach neuem Recht also auch das Bestehen eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen Wehrdienst und Berufsunfähigkeit aus. Nach Art. 2 §§ 5, 10 ArVNG gilt diese Vorschrift jedoch nicht für Versicherungsfälle, die, wie der vorliegende, vor Inkrafttreten des ArVNG eingetreten sind.
Der Klägerin steht demnach die begehrte Rente weder nach altem noch nach neuem Recht zu. Das LSG hat die gegen den ablehnenden Bescheid erhobene Klage daher zu Recht abgewiesen. Die Revision konnte deshalb keinen Erfolg haben und war nach § 170 Abs. 1 SGG als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen