Leitsatz (redaktionell)
Wie der Senat bereits entschieden hat (vergleiche BSG 1970-01-20 3 RK 50/67 = BSGE 30, 253), kann sich ein Sozialhilfeträger, der ein Kind eines Rentenberechtigten unterstützt hat und deswegen aus dem in der Rente enthaltenen, für den Unterhalt des Kindes bestimmten Kinderzuschuß Ersatz verlangt (RVO § 1531 S 2 iVm S 1), daraus vor einer KK befriedigen, die dem Rentenberechtigten vor Bewilligung der Rente Krankengeld gewährt hat und dafür die Rentennachzahlung einschließlich des Kinderzuschusses in Anspruch nimmt (RVO § 183 Abs 3 S 2). Das gleiche gilt, wenn nicht eine Erwerbsunfähigkeitsrente rückwirkend bewilligt worden ist (RVO § 183 Abs 5 Halbs 2). Auch dann hat mithin der Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers hinsichtlich des Kinderzuschusses den Vorrang vor dem auf die KK übergegangenen Rentenanspruch.
Normenkette
RVO § 1531 S. 2 Fassung: 1931-06-05, § 1531 Abs. 1 Fassung: 1931-06-05, § 183 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1961-07-12, Abs. 5 Hs. 2 Fassung: 1961-07-12, § 1536
Tenor
Die Revisionen der Beklagten und der Beigeladenen gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Oktober 1968 werden zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob ein in einer Rentennachzahlung der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA) enthaltener Kinderzuschuß dem klagenden Sozialhilfeträger oder der beigeladenen Krankenkasse zusteht.
Der Kläger hat seit 1962 die Kosten der Unterbringung einer Tochter des Versicherten I in einem Nervenkrankenhaus getragen. Die Beigeladene hat dem Versicherten vom 4. Februar 1964 bis zum 8. Februar 1965 Krankengeld gewährt. Die Beklagte hat ihm rückwirkend ab 1. März 1964 eine Rente wegen Berufsunfähigkeit bewilligt, und zwar in Höhe von damals 117,- DM monatlich mit einem Kinderzuschuß von 56,- DM.
Die auf die Zeit vom 1. März 1964 bis 8. Februar 1965 entfallende Rentennachzahlung hat die Beklagte in vollem Umfange - einschließlich des Betrages der Kinderzuschüsse von zusammen 632,- DM - der Beigeladenen nach § 183 Abs. 5 RVO ausgezahlt. Der Kläger, der diesen Betrag für sich beansprucht, ist mit seiner Klage vom Sozialgericht (SG) abgewiesen worden, hatte jedoch vor dem Landessozialgericht (LSG) Erfolg. Nach Ansicht des LSG war der - als Teil der Rente auf die Beigeladene mitübergegangene - Kinderzuschuß von Anfang an mit einem Erstattungsanspruch des Klägers nach § 1531 der Reichsversicherungsordnung (RVO) belastet: § 183 RVO bezwecke allein die Vermeidung von Doppelleistungen an den Versicherten, solle aber nicht den Träger der Krankenversicherung von seiner gesetzlichen Leistungspflicht zu Lasten der nur subsidiär eintretenden Sozialhilfe freistellen. Der Kläger könne seinen Erstattungsanspruch auch gegen die Beklagte geltend machen; diese sei durch die Überweisung der Rentennachzahlung an die Krankenkasse nicht befreit worden (Urteil vom 31. Oktober 1968).
Hiergegen haben die Beigeladene und die Beklagte die zugelassene Revision eingelegt, mit der sie beantragen, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen. Beide halten einen Ersatzanspruch des Klägers nach § 1531 RVO nicht für begründet, weil der Kläger nicht anstelle eines an sich leistungspflichtigen Sozialversicherungsträgers tätig geworden sei; er hätte nämlich seine Unterstützung für die Tochter des Versicherten auch dann in gleicher Höhe gewähren müssen, wenn die Rente, die erheblich niedriger als das Krankengeld gewesen sei, vom Tage ihres Beginns an laufend gezahlt worden wäre.
Der Kläger beantragt, die Revisionen zurückzuweisen. Seiner Ansicht nach wäre er bei alsbaldiger Rentengewährung mindestens insoweit von seiner Leistungspflicht frei gewesen, als er vom Versicherten den Einsatz des Kinderzuschusses als zweckgebundenes Einkommen hätte fordern können.
Alle Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
II
Die Revisionen der beklagten LVA und der beigeladenen Krankenkasse sind unbegründet. Das LSG hat dem klagenden Sozialhilfeträger im Ergebnis zutreffend den streitigen Kinderzuschuß zugesprochen.
Wie der Senat schon entschieden hat, kann sich ein Sozialhilfeträger, der ein Kind eines Rentenberechtigten unterstützt hat und deswegen aus dem in der Rentennachzahlung enthaltenen Kinderzuschuß Ersatz verlangt (§ 1531 Satz 2 iVm Satz 1, § 1536 RVO), aus dem Kinderzuschuß vor einer Krankenkasse befriedigen, die dem Rentenberechtigten vor Bewilligung der Erwerbsunfähigkeitsrente Krankengeld gewährt hat und dafür nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO die Rentennachzahlung einschließlich des Kinderzuschusses in Anspruch nimmt (BSG 30, 253, 255 unter Hinweis auf das Urteil des Senats vom 20. Januar 1970, SozR Nr. 45 zu § 183 RVO; zustimmend Tannen in DRV 1970, 206 f; kritisch dagegen Engelmann, DOK 1970, 626, 628). An dieser Auffassung hält der Senat auch nach nochmaliger Prüfung fest.
Daß dem Sozialhilfeträger unter den genannten Voraussetzungen der Vorrang vor der Krankenkasse gebührt, kann allerdings nicht, wie das LSG gemeint hat, allein mit Erwägungen über das Verhältnis der - nur subsidiär eintretenden - Sozialhilfe und der gesetzlichen Leistungspflicht der Krankenversicherung oder damit begründet werden, daß der auf die Krankenkasse übergegangene Rentenanspruch mit einem Ersatzanspruch des Sozialhilfeträgers "vorbelastet" gewesen sei (vgl. dazu das erwähnte Urteil vom 20. Januar 1970). Entscheidend ist vielmehr der Gesichtspunkt, daß der Kinderzuschuß - als zweckgebundene Leistung - für den Unterhalt des Kindes bestimmt ist (BSG 19, 241) und daher demjenigen zufließen muß, der für den Unterhalt des Kindes aufkommt oder aufgekommen ist (vgl. § 1262 Abs. 8 RVO). Der Ersatzanspruch eines Sozialhilfeträgers, der das Kind eines Rentenberechtigten unterhalten hat, geht mithin wegen des engeren, spezielleren Sachzusammenhangs seiner Leistungen mit dem Zugriffsobjekt (Kinderzuschuß) dem Anspruch der Krankenkasse vor.
Das gilt auch, wenn, wie im vorliegenden Fall, der Kinderzuschuß nicht zu einer Erwerbsunfähigkeits-, sondern zu einer Berufsunfähigkeitsrente bewilligt wird. Auch dann kann zwar die Krankenkasse, die dem Versicherten von einem vor Beginn der Rente liegenden Zeitpunkt Krankengeld gewährt hat, auf den "Rentenanspruch", d.h. auf die Rente einschließlich des Kinderzuschusses, zurückgreifen (§ 183 Abs. 5, 2. Halbsatz RVO). Soweit es sich dabei jedoch um den Kinderzuschuß handelt, hat der Sozialhilfeträger, der allein für den Unterhalt des Kindes aufgekommen ist, den Vorrang.
Daß der Sozialhilfeträger hier, wie die Revisionskläger meinen, überhaupt keinen Ersatzanspruch erworben habe, weil er das Kind des Versicherten L. mit den gleichen Beträgen unterstützt hätte, wenn die Rente alsbald vom Zeitpunkt ihres Beginns an laufend gezahlt, also nicht rückwirkend bewilligt worden wäre, trifft nicht zu. Ein Ersatzanspruch nach § 1531 RVO setzt allerdings voraus, daß der Sozialhilfeträger seine Leistungen anstelle eines in erster Linie leistungspflichtigen Versicherungsträgers, nicht nur in Erfüllung einer eigenen Leistungspflicht erbracht hat (BSG 28, 66). Ihm steht deshalb kein Anspruch auf Ersatz aus einer Rentennachzahlung zu, wenn er, wie in dem BSG 28, 66 entschiedenen Fall, auch neben der laufend gezahlten Rente die gleichen Leistungen erbracht hätte. So ist es hier indessen nicht. Wäre nämlich dem Versicherten L. die Berufsunfähigkeitsrente nicht erst rückwirkend, sondern schon vom Tage ihres Beginns (1. März 1964) laufend gezahlt worden, dann hätte der Kläger wegen seiner Unterstützungsleistungen für das Kind des Versicherten sogleich den für das Kind bestimmten Kinderzuschuß fordern, seine eigenen Aufwendungen mithin um den Kinderzuschuß mindern können. Das gleiche Recht muß ihm bei rückwirkender Rentenbewilligung hinsichtlich der Nachzahlung des Kinderzuschusses zustehen.
Da sich das angefochtene Urteil somit im Ergebnis als richtig erweist, sind die Revisionen der beklagten LVA und der beigeladenen Krankenkasse als unbegründet zurückgewiesen worden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen