Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzpflicht bei verspäteter Antragstellung
Leitsatz (amtlich)
Eine BG ist der Versorgungsverwaltung nach BVG § 81b auch dann für die Zeit seit dem 1963-07-01 ersatzpflichtig, wenn sie dem Verletzten gemäß UVNG Art 4 § 5 Abs 4 wegen verspäteter Antragstellung erst von einem späteren Zeitpunkt an eine weggefallene Stützrente wiederzugewähren hatte.
Leitsatz (redaktionell)
1. Es widerspricht dem Sinn und Zweck des internen Leistungsausgleichs, daß der Ersatzanspruch von dem antragbezogenen Leistungsbeginn abhängig gemacht wird, zumal der Leistungsanspruch des Verletzten und der Ersatzanspruch verschiedene Ansprüche sind.
2. Bei einem Leistungsanspruch des Verletzten (hier: aus der Unfallversicherung) und den Ersatzanspruch der Versorgungsverwaltung nach BVG § 81b handelt es sich um zwei verschiedene Ansprüche. Der vom Zeitpunkt der Antragstellung des Berechtigten abhängige Leistungsbeginn ist für den zeitlichen Umfang des (selbständigen) Ersatzanspruchs nicht ohne weiteres maßgebend.
3. Der Ersatzanspruch nach BVG § 81b hängt nicht davon ab, ob und wieweit die Versorgungsverwaltung nicht zu Unrecht erbrachte Leistungen von dem Verletzten zurückfordern kann. Sobald die objektiven Voraussetzungen des Ersatzanspruchs erfüllt sind, ist die ersatzpflichtige Stelle leistungspflichtig, und es muß der Versorgungsverwaltung überlassen bleiben, ob sie ihren Ersatzanspruch geltend macht (vgl auch KOVVfGVwV § 47 Nr 6).
Normenkette
BVG § 81b Fassung: 1960-06-27; UVNG Art. 4 § 5 Abs. 4 Fassung: 1963-04-30
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 27.01.1977; Aktenzeichen L 10 Ua 431/75) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 10.01.1975; Aktenzeichen S 3 U 1333/74) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 1977 aufgehoben und der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darum, ob die beklagte Berufsgenossenschaft verpflichtet ist, der Versorgungsverwaltung für die Zeit vom 1. Juli 1963 bis 31. Oktober 1967 an A Sch (Sch.) gezahlte Versorgungsbezüge in Höhe von 2.360,- DM zu ersetzen.
Sch. hatte am 14. August 1936 einen Arbeitsunfall erlitten, bei dem er sich einen Verlust des End- und Mittelgliedes des linken Ring- und Kleinfingers zugezogen hatte. Die Beklagte hatte ihm deswegen bis zum 30. Juni 1937 eine Unfallrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 vH und für die anschließende Zeit nach einer MdE um 20 vH bewilligt. Die Rente war am 29. Februar 1940 weggefallen, nachdem nur noch eine MdE von 10 vH vorgelegen hatte.
Während des Zweiten Weltkrieges war Sch. mehrmals verwundet worden. Mit Bescheid vom 26. August 1946 sowie Umanerkennungsbescheid vom 6. März 1951 hatte das Versorgungsamt Rottweil aufgrund der Angaben des Klägers auch den Fingerverlust als Schädigungsfolge anerkannt und die Gesamt-MdE mit 40 vH bewertet. Mit dem Neufeststellungsbescheid vom 19. Januar 1953 wurden die MdE auf 30 vH festgesetzt und die Schädigungsfolgen neu bezeichnet:
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1. |
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Knöchern mit leichter Achsenknickung verheilter Schußbruch der linken Elle, |
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2. |
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Geringfügige Bewegungseinschränkung am linken Daumen und Zeigefinger, Verlust des 4. und 5. Fingers der linken Hand im Grundglied. |
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3. |
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Reizlose Verwundungsnarbe am Rücken rechts. |
1967 erfuhr das Versorgungsamt, daß die Angaben des Sch. bezüglich der Fingerverletzung unrichtig waren, was dieser auch einräumte. Die Rentenzahlung wurde mit Ende Oktober 1967 eingestellt. Das Versorgungsamt erließ am 4. Januar 1968 einen Berichtigungsbescheid, mit dem festgestellt wurde, der Verlust des 4. und 5. Fingers der linken Hand sei nicht Schädigungsfolge; durch die verbliebenen Schädigungsfolgen werde eine MdE von mindestens 25 vH nicht erreicht; die zu Unrecht gezahlten Rentenbezüge in Höhe von 6.298,50 DM wurden zurückgefordert.
Am 23. Januar 1969 beantragte Sch. bei der Beklagten die Wiederbewilligung der Unfallrente. Mit Bescheid vom 20. Mai 1969 bewilligte diese ihm daraufhin ab 1. Januar 1969 eine Unfallrente nach einer MdE von 15 vH. Den Antrag des Klägers auf Wiederbewilligung der Rente von einem früheren Zeitpunkt an lehnte sie ab.
Der Kläger forderte von der Beklagten den auf die Zeit vom 1. Juli 1963 bis 31. Oktober 1967 entfallenden Teilbetrag der Versorgungsbezüge in Höhe von 2.360,- DM. Nachdem die Beklagte diese Forderung abgelehnt hatte, erhob der Kläger Klage, die vom Sozialgericht (SG) abgewiesen wurde (Urteil vom 10. Januar 1975). Auch die Berufung blieb erfolglos (Urteil des Landessozialgerichts - LSG - Baden-Württemberg vom 27. Januar 1977). Das LSG hat zur Begründung ausgeführt, ein interner Lastenausgleich nach § 81b des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) habe ua dann zu erfolgen, wenn die Versorgungsverwaltung ohne eigenes Verschulden irrtümlich eine Leistung erbracht habe, die bei Kenntnis der tatsächlichen und rechtlichen Lage nicht erbracht worden wäre. Der geltend gemachte Ersatzanspruch bestehe jedoch nicht, weil die Beklagte in der streitigen Zeit nicht zur Leistungsgewährung an Sch. verpflichtet gewesen sei. Die Beklagte habe mit Recht ihre Leistungsverpflichtung erst mit dem 1. Januar 1969 angenommen, da Sch. die Wiederbewilligung seiner Unfallrente erst im Januar 1969 beantragt habe. Nach der ausdrücklichen Vorschrift des Art 4 § 5 Abs 4 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung (UVNG) sei der Antrag des Versicherten für den Beginn der Rente von ausschlaggebender Bedeutung. Entgegen § 1545 der Reichsversicherungsordnung (RVO) würden die Unfallrenten in diesen Fällen nicht von Amts wegen festgestellt. Der Antrag sei ein rechtsbegründender Faktor für die Entstehung des Anspruchs. Wenn der Zeitpunkt des Leistungsbeginns von der Antragstellung abhängig gemacht worden sei und dies dazu dienen solle, die Verwaltung vor nachträglich geltend gemachten Ansprüchen mit erheblichen Nachzahlungen zu schützen und ihr damit die Kalkulation zu erleichtern, so ergebe sich aus diesem Rechtsgedanken auch der Ausschluß eines Ersatzanspruches eines anderen Sozialleistungsträgers für eine Leistung, die der Versicherte selbst nicht beantragt hatte. Selbst wenn also im vorliegenden Falle dem Sch. das "Stammrecht" schon ab 1. Juli 1963 zugestanden hätte, sei der geltend gemachte Ersatzanspruch wegen der irrtümlich erbrachten Versorgungsleistungen unbegründet. Ein Anspruch auf die Einzelleistungen der Beklagten sei noch gar nicht entstanden gewesen. Da es sich in Art 4 § 5 UVNG nicht um eine Ausschlußfrist, sondern um eine zwingende Regelung des Leistungsbeginns handele, könnten die zur Berufung auf eine Ausschlußfrist bei zweifelsfreiem Sachverhalt entwickelten Grundsätze hier nicht angewendet werden.
Zur Begründung seiner von dem LSG zugelassenen Revision trägt der Kläger vor, die von Sch. unterlassene rechtzeitige Antragstellung sei auf Umstände zurückzuführen, die außerhalb seines Willens gelegen hätten, weil er offenbar der Ansicht gewesen sei, ihm stehe wegen der Unfallfolgen eine Unfallrente nicht zu. Dann sei jedoch die Leistungspflicht des Unfallversicherungsträgers bereits mit dem 1. Juli 1963 entstanden. Der Antrag habe daher keine materiell-rechtliche, sondern lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung. Der gesetzliche Tatbestand des § 81b BVG, daß anstelle der Versorgungsbehörde ein anderer Versicherungsträger zur Leistung verpflichtet gewesen wäre, sei somit erfüllt. Der fehlende Antrag vor dem 23. Januar 1969 könne dem Erstattungsanspruch auch deshalb nicht entgegenstehen, weil sich nach Wortlaut und Sinn des Art 4 § 5 UVNG ergebe, daß der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Unfallversicherungsrechts von dem Grundsatz des § 1545 RVO nicht habe abweichen wollen, wonach die Leistungen aus der Unfallversicherung von Amts wegen festzustellen seien.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Januar 1977 sowie das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Januar 1975 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Land Baden-Württemberg den Betrag von 2.360,- DM zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, insbesondere verkenne der Kläger nach wie vor die spezifische Eigenart des Antrags nach Art 4 § 5 UVNG, besonders im Verhältnis zu dem Antrag nach § 1546 RVO.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Klägers führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht.
Die von dem LSG vertretene Auffassung, die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) habe dem klagenden Land (Versorgungsverwaltung) die an den Verletzten (Sch.) in der streitigen Zeit vom 1. Juli 1963 bis 31. Oktober 1967 zu Unrecht gezahlten Versorgungsbezüge (KB-Rente) nicht zu ersetzen, weil Sch. einen Antrag auf Wiederbewilligung der am 1. März 1940 weggefallenen Unfallrente erst im Januar 1969 gestellt habe, so daß die BG erst vom 1. Januar 1969 an leistungspflichtig geworden sei, trifft nicht zu.
Hat eine Verwaltungsbehörde oder eine andere Einrichtung der Kriegsopferversorgung (KOV) Leistungen gewährt und stellt sich nachträglich heraus, daß an ihrer Stelle eine andere Behörde oder ein Versicherungsträger des öffentlichen Rechts zur Leistung verpflichtet gewesen wäre, so hat die zur Leistung verpflichtete Stelle die Aufwendungen in dem Umfang zu erstatten, wie sie ihr nach Gesetz oder Satzung oblagen (§ 81b BVG). Diese mit dem Ersten Neuordnungsgesetz (vom 27. Juni 1960, BGBl I, S. 453 - 1. NOG -) mit dem 1. Juni 1960 als positive Regelung des Ersatzanspruchs der Versorgungsverwaltung in das BVG eingeführte Bestimmung ist die gesetzliche Ausprägung des im öffentlichen Recht allgemein von jeher geltenden Rechtsgedankens des internen Leistungsausgleichs, dh des Ausgleichs ungerechtfertigter Rechtsgüterverschiebungen unter den öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern (vgl BSG in SozR Nr 5 zu § 14 BVG Bl Ca 9 R; BSGE 16, 151; 222, 226; 29, 44, 50).
Sie ist dem § 1509a RVO (neugefaßt durch Art 2 Nr 12 des UVNG vom 30. April 1963 - BGBl I S 241) nachgebildet, der einen Ersatzanspruch in Fällen begründet, in denen ein Unfallversicherungsträger irrtümlich eine Leistung erbracht hat und sich nachträglich herausstellt, daß ein anderer Versicherungsträger hätte leisten müssen.
Dem geltend gemachten Ersatzanspruch des Klägers steht nicht entgegen, daß die Beklagte gegenüber Sch. mit ihrem bindend gewordenen Bescheid vom 20. Mai 1969 Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung erst ab 1. Januar 1969 bewilligt hat. Dieser Bescheid betrifft nur die Entschädigungsansprüche des Verletzten gegenüber der Beklagten und konnte deshalb keine Bindungswirkung gegenüber Dritten - hier dem Kläger - entfalten (vgl BSGE 24, 155 ff; Urteil des erkennenden Senats vom 27. Januar 1976 - 8 RU 64/75 -, insoweit nicht veröffentlich; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand Februar 1976 III S 967; Lauterbach, Unfallversicherung, Stand Oktober 1976, Anm 2a zu § 1509a). Ebenso wie in dem Ersatzstreit nach § 1509a RVO die Frage, ob ein Arbeitsunfall vorgelegen hat oder nicht, in dem Verfahren zwischen den Versicherungsträgern zu klären ist, gilt das gleiche im Verfahren nach § 81b BVG, ohne daß der Entscheidung gegenüber dem Verletzten insoweit Bedeutung zukommt.
Dem Ersatzanspruch des Klägers steht auch nicht entgegen, daß sowohl nach der objektiven Sach- als auch der Rechtslage die Anerkennung des Verlustes des 4. und 5. Fingers als Schädigungsfolge im Sinne des BVG eindeutig von Anfang an unrichtig war. Der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat unter diesem Gesichtspunkt einen Ersatzanspruch der Versorgungsverwaltung nur in Fällen ausgeschlossen, in denen Gesundheitsstörungen die Folge eines einzigen unstreitigen schädigenden Vorgangs waren, der sowohl schädigendes Ereignis iS von § 1 BVG als auch Arbeitsunfall war, so daß die Ansprüche des Verletzten nach dem BVG ruhten (Urteile vom 29. Februar 1972 - 2 RU 214/71 - (unveröffentlicht) und 18. Dezember 1974 = SozR 3100 § 81b Nr 2). Im Gegensatz zu diesen Fällen mußte es bei der vorliegenden Sachlage der Versorgungsverwaltung jedoch nicht klar sein, daß sie Versorgungsleistungen zu Unrecht gewährte. Sie hatte vielmehr erst im Jahre 1967 erfahren, daß die Angaben des Sch. bezüglich des Fingerverlustes (am 3. Juni 1940 bei Reims) unzutreffend sein mußten, was dieser dann auch auf eine entsprechende Anfrage am 23. Oktober 1967 eingeräumt hatte. Der von dem LSG festgestellte Sachverhalt bietet keinen Anlaß zu der Annahme, daß der Versorgungsverwaltung schon vorher hätte bekannt sein müssen, sie gewähre Versorgungsleistungen zu Unrecht, denn solange keine anderen Beweismittel vorhanden sind, hat sie glaubhafte Angaben des Antragstellers über tatsächliche, mit der Schädigung im Zusammenhang stehende Umstände ihrer Entscheidung zugrunde zu legen (§ 15 des Verwaltungsverfahrensgesetzes der Kriegsopferversorgung vom 2. Mai 1955 - BGBl I S 202 - VfG-KOV).
Zutreffend ist das LSG davon ausgegangen, daß die Beklagte Sch. gegenüber erst ab 1. Januar 1969 zur Gewährung von Leistungen wegen des Fingerverlustes als Folge des Arbeitsunfalls vom 14. August 1936 verpflichtet war. Hierdurch wurde eine MdE von weniger als 20 vH, nämlich 15 vH, hervorgerufen, die einen Anspruch auf eine sogenannte Stützrente (§ 581 Abs 3 RVO idF des UVNG) nur deshalb begründet, weil die MdE zusammen mit anderen Schädigungsfolgen - auch im Sinne des BVG - mindestens 20 vH beträgt. Das hat die Beklagte auch anerkannt. Bei Arbeitsunfällen aus der Zeit vor dem 1. Januar 1939 konnte jedoch bis zum Inkrafttreten des UVNG (1. Juli 1963) ein Anspruch auf eine solche Stützrente nur begründet werden, wenn andere Schädigungen vor diesem Unfall eingetreten waren (§ 2 Abs 2 Satz 1 und 2, 5. Teil Kapitel II Abschnitt 1 der 4. Notverordnung vom 8. Dezember 1931 - RGBl I S 699, 720). Eine später hinzugetretene Schädigung bewirkte das jedoch nicht (Urteil des 2. Senats des BSG in SozR Nr 8 zu § 559a RVO aF). Diese Benachteiligung war für Verletzte, die einen Arbeitsunfall erst nach dem 1. Januar 1939 erlitten hatten, bereits mit dem durch das 5. Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 17. Februar 1939 (RGBl I S 267) eingefügten § 559a Abs 3 RVO beseitigt worden. Erst Art 4 § 5 UVNG brachte auch für Verletzte, die einen Arbeitsunfall vor dem 1. Januar 1939 erlitten hatten, insoweit eine Änderung, als, wenn eine Rente nach §§ 2, 3 oder 5 im 5. Teil Kap. II Abschn 1 der 4. Notverordnung vom 8. Dezember 1931 weggefallen, nicht oder nicht mehr gewährt oder entzogen worden war, Verletztenrente auf Antrag wiederzugewähren ist, wenn der Anspruch nach diesem Gesetz begründet ist (BT-Drucks IV/120 S. 79). Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt, so daß Sch. einen Anspruch auf Verletztenrente gegen die Beklagte frühestens mit dem Inkrafttreten des UVNG, also ab 1. Juli 1963 gehabt hätte. Diese Leistung war jedoch nicht wie nach § 1545 Abs 1 Nr 1 RVO von Amts wegen festzustellen, sondern die Rente war nach der ausdrücklichen Regelung in Art 4 § 5 Abs 1 UVNG nur auf Antrag wiederzugewähren. Art 4 § 5 Abs 4 UVNG regelt sodann den Leistungsbeginn dahin, daß, wenn der Antrag binnen eines Jahres nach dem Inkrafttreten des UVNG gestellt wird, die Leistung in diesem Zeitpunkt (1. Juli 1963), andernfalls mit dem Ersten des Antragsmonats beginnt, es sei denn, daß die verspätete Antragstellung nicht durch Verhältnisse begründet ist, die außerhalb des Willens des Antragstellers lagen.
Es kann in dem vorliegenden Ersatzstreit letztlich dahinstehen, ob die Beklagte zuungunsten des Sch. solche außerhalb seines Willens liegenden Verhältnisse zu Recht nicht angenommen hat. In einer etwaigen Unkenntnis der gesetzlichen Möglichkeit, die 1940 weggefallene Verletztenrente auf Antrag ab 1. Juli 1963 wiederbewilligt zu erhalten, sind jedenfalls keine solchen Verhältnisse zu erblicken (vgl BSGE 10, 8, 11), zumal Sch. seine falschen Angaben gegenüber der Versorgungsverwaltung und deren mögliche Folgen selbst zu vertreten hat.
Der vom Zeitpunkt der Antragstellung des Berechtigten abhängige Leistungsbeginn ist jedoch für den zeitlichen Umfang des Ersatzanspruchs nicht ohne weiteres maßgebend. Zwar ist der öffentlich-rechtliche Ersatz-(Abwälzungs-)anspruch nach § 81b BVG ebenso wie nach § 1509a RVO von der Leistungspflicht des für die Schädigung leistungspflichtigen Versicherungsträgers abhängig ("... die Aufwendungen in dem Umfang zu ersetzen, wie sie ihr nach Gesetz oder Satzung oblagen" bzw "... hat die Krankenkasse zu ersetzen, was sie nach dem Recht der Krankenversicherung hätte leisten müssen"). Daraus ergibt sich jedoch nur, daß die von dem nicht zuständigen Versicherungsträger irrtümlich zu Unrecht dem Berechtigten erbrachten Leistungen ihrem Umfang nach denjenigen gegenüberzustellen sind, die der an sich leistungspflichtige Träger nach dem materiellen Leistungsrecht hätte leisten müssen bzw die diesem oblagen, und daß der Ersatzanspruch über diese materielle Leistungsverpflichtung nicht hinausgeht. Dieser Ersatzanspruch ist also enger begrenzt als derjenige der Krankenkasse gegen den Unfallversicherungsträger nach § 1504 RVO, der lediglich davon abhängt, daß überhaupt ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall vorliegt (BSGE 32, 166, 168).
Mag der Antrag des Berechtigten in bestimmten Fällen auch als rechtsbegründendes Tatbestandsmerkmal anzusehen sein - so etwa bei den Entschädigungsansprüchen der Kriegsopferversorgung (vgl BSGE 2, 290) oder bei den Ansprüchen auf Altersruhegeld gemäß § 1248 Abs 2 und 3 RVO nF (vgl BSGE 23, 62, 64) -, so daß ohne einen solchen Antrag ein Leistungsanspruch des Berechtigten nicht entstehen kann, so gilt dies doch grundsätzlich nicht für die gesetzliche Unfallversicherung, in der die Leistungen gemäß § 1545 Abs 1 Nr 1 RVO von Amts wegen festzustellen sind. Außerdem kann sich ein Versicherungsträger gegenüber einem Berechtigten (Verletzten) dann nicht auf eine von Amts wegen zu berücksichtigende echte Ausschlußfrist berufen, wenn die Voraussetzungen des verspätet angemeldeten Anspruchs zweifelsfrei gegeben sind (Beschluß des Großen Senats des BSG zu § 58 Abs 1 BVG aF in BSGE 14, 246 ff), was entsprechend auch für die Ausschlußfrist des § 1546 RVO aF galt (BSGE 10, 88, 91). Demgemäß könnte er auch einem anderen Versicherungsträger nicht eine solche Ausschlußfrist entgegenhalten (Brackmann aaO S 966e; vgl auch Pappai in ZfS 1962, 197).
Darüber hinaus würde es aber auch dem Sinn und Zweck des internen Leistungsausgleichs unter öffentlich-rechtlichen Versicherungsträgern widersprechen, wollte man den Ersatzanspruch von dem antragsbezogenen Leistungsbeginn abhängig machen (vgl Urteil BSG vom 11.8.1976 - 10 RV 165/75 - in BSGE 42, 135). Zutreffend weist Brackmann (aaO) darauf hin, daß es sich bei dem Leistungsanspruch des Verletzten und dem Ersatzanspruch (dort der Krankenkasse gegen einen Unfallversicherungsträger) um zwei verschiedene Ansprüche handelt, und letzterer nicht von der Anmeldefrist des § 1546 RVO nF abhängig ist (vgl auch Brackmann aaO S 964v). Der im RVO-Gesamtkommentar (Anm 4 zu § 1546 RVO) vertretenen, nicht näher begründeten und auf die Rechtsauskunft in WzS 1970 S 250 gestützten gegenteiligen Auffassung vermag der erkennende Senat nicht zu folgen (ebenso Urt. d. Bayer. LSG vom 8. Juli 1975 in Die Leistungen 1976 S 306 ff). Auch der 3. Senat des BSG hat in seiner Entscheidung vom 13. Juli 1977 (3 RK 3/77) ausgesprochen, der Ersatzanspruch der Versorgungsverwaltung nach § 18c Abs 6 Satz 2 BVG sei nicht mit dem Leistungsanspruch des Berechtigten gegenüber der Krankenkasse identisch. Vielmehr handele es sich um einen selbständigen Ausgleichsanspruch zwischen öffentlich-rechtlichen Leistungsträgern, der von dem Leistungsantrag des anspruchsberechtigten Versicherten unabhängig sei. Es entspreche weder dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung noch den Erfordernissen der Praxis, wollte man die Verwirklichung dieses Ausgleichsanspruchs von einem Leistungsantrag und damit von dem Willen und Verhalten des Versicherten abhängig machen.
Der Beginn der Leistungen, insbesondere der Rentenzahlungen, ist in der Regel, abgesehen in den ersten zwei Jahren nach einem Arbeitsunfall (§ 1545 Abs 1 Nr 1 RVO), von der Antragstellung abhängig. Es liegt also in der Hand des Berechtigten - aus welchen Gründen auch immer - den Beginn der Leistungen zu bestimmen (vgl auch Urteil BSG vom 16.12.1976 - 10 RV 201/75). Gerade in einem Fall, in dem die Versorgungsverwaltung zu Unrecht einen Arbeitsunfall entschädigt hat, könnte der Verletzte also mindestens durch eine verspätete Antragstellung den Umfang des Ersatzanspruches beeinflussen. Wenn aber im Rahmen der Ausgleichspflicht nach § 1504 RVO zwischen einem Unfallversicherungsträger und einer Krankenkasse die Anmeldung des Unfalles keine rechtliche Bedeutung hat, muß das um so mehr in Fällen der vorliegenden Art gelten. Die Regelung des § 81b BVG geht gerade davon aus, daß der zuständige Unfallversicherungsträger keine Kenntnis von dem Unfall gehabt hat und der Verletzte bei ihm erst Unfallentschädigung beantragt, nachdem sich "nachträglich herausgestellt hat", daß seine Schädigung die Folge eines Arbeitsunfalles und nicht ein Versorgungsleiden im Sinne des BVG ist. Zutreffend hat das LSG darauf hingewiesen, daß die Regelung des § 81b BVG nicht nur auf Sachverhalte anwendbar ist, in denen die Versorgungsverwaltung zunächst geleistet hat, um etwa notwendige Heilmaßnahmen nicht durch langwierige Klärung von Zuständigkeitsfragen zu verzögern. Dies ist neben dem erstrebten grundsätzlichen internen Leistungsausgleich nur eine Auswirkung dieser Bestimmung in besonderen Fällen (vgl BT-Drucks III 1825 S 12).
Der spätere Leistungsbeginn nach Art 4 § 5 Abs 4 UVNG entspricht im wesentlichen der Regelung des § 1546 Abs 1 Satz 1, 2. Halbsatz RVO nF und steht deshalb dem Ersatzanspruch, abgesehen von den Fällen, in denen die Versorgungsverwaltung die Sach- und Rechtslage klar erkennen konnte (s.o.), grundsätzlich nicht entgegen. Der Ersatzanspruch nach § 81b BVG ist auch nicht auf Fälle beschränkt, in denen eine Berufung auf eine gesetzliche Ausschlußfrist unzulässig wäre, dh wenn der Sachverhalt zweifelsfrei feststeht (BSGE 10, 88 ff; 14, 246 ff). Vielmehr ist im Erstattungsstreit zwischen der Versorgungsverwaltung und dem Unfallversicherungsträger zu klären, ob es sich um einen entschädigungspflichtigen Arbeitsunfall gehandelt hat. Läßt sich bei Ausschöpfung aller Beweismittel eine Klärung nicht erzielen, steht der Versorgungsverwaltung der Ersatzanspruch nicht zu (vgl dazu BSG in SozR 2200 § 1509a Nr 1 S 2). Ein solcher Fall ist hier jedoch nicht gegeben.
Schließlich hängt der Ersatzanspruch nach § 81b BVG auch nicht davon ab, ob und wieweit die Versorgungsverwaltung die zu Unrecht erbrachten Leistungen von dem Verletzten zurückfordern kann. Lediglich wenn sie Leistungen, zu deren Ersatz der Unfallversicherungsträger verpflichtet ist, tatsächlich von dem Verletzten zurückerhalten hat, mindert sich ihr Ersatzanspruch entsprechend. Gegenüber dem Rückerstattungsanspruch (§ 47 VfG-KOV) ist der Ersatzanspruch des § 81b BVG nicht subsidiär. Beide Vorschriften gehen von unterschiedlichen Voraussetzungen aus, und wiederum hängt zumindest die Möglichkeit der Verwirklichung eines Rückerstattungsanspruches von in der Person des Empfängers liegenden Umständen ab (§ 47 Abs 4 und 7 VfG-KOV). Zutreffend weist Pappai (ZfS 1962, S 157) darauf hin, daß der erstrebte Leistungsausgleich sich rein nach der objektiven Rechtslage richtet. Wenn er dennoch meint (aaO S 157, 158), aus dem Grundsatz von Treu und Glauben ergebe sich die Pflicht der ersatzberechtigten Versorgungsverwaltung zur weitestmöglichen Schadensminderung gegenüber dem ersatzpflichtigen Versicherungsträger, so daß dieser ein Leistungsverweigerungsrecht habe, soweit und solange es der Versorgungsverwaltung möglich sei, die zu Unrecht geleisteten Beträge von dem Empfänger zurückzuerhalten, vermag der Senat dem nicht ohne weiteres zu folgen. Sobald die objektiven Voraussetzungen des Ersatzanspruchs erfüllt sind, ist die ersatzpflichtige Stelle leistungspflichtig und es muß der Versorgungsverwaltung überlassen bleiben, ob sie ihren Ersatzanspruch geltend macht (vgl auch die Verwaltungsvorschrift Nr 6 zu § 47 VfG KOV). Mit dem Grundsatz einer Schadensminderungspflicht, die die Versorgungsverwaltung auch gegenüber dem Empfänger zu Unrecht gewährter Leistungen hat, ist es nicht unvereinbar, wenn dessen Rückerstattungspflicht in dem Maße gemindert wird, in dem er einen materiell-rechtlichen Leistungsanspruch bei gesetzesgemäßem Verhalten (rechtzeitiger Antragstellung) gegen einen anderen Versicherungsträger gehabt hätte.
Inwieweit der Ersatzanspruch etwa verjährt ist, braucht nicht geprüft zu werden, weil die Beklagte die Einrede der Verjährung nicht erhoben hat.
Die Beklagte ist somit dem Grunde nach verpflichtet, dem Kläger Ersatz zu leisten. Da dieser Ersatzanspruch aber nur in der Höhe besteht, in der die Beklagte während der streitigen Zeit leistungspflichtig gegenüber Sch. gewesen ist, wird das LSG die insoweit erforderlichen, bisher nicht getroffenen tatsächlichen Feststellungen nachzuholen und über die Höhe des geltend gemachten Ersatzanspruches zu entscheiden haben.
Fundstellen
Haufe-Index 1653376 |
BSGE, 282 |