Leitsatz (redaktionell)
Für einen in der Binnenschiffahrt tätigen Schiffsführer - in abhängiger Stellung - hat in Beachtung der diesem Beruf eigentümlichen Tätigkeitsmerkmale die Einordnung zur Ermittlung des Vergleichsabkommens für den Berufsschadensausgleich gemäß DV § 30 Abs 3 und 4 BVG § 3 in die Leistungsgruppe 3 zu erfolgen.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 3 u 4 DV § 3 Fassung: 1968-02-28
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. November 1969 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der im Jahre 1924 geborene Kläger war von Januar 1939 bis Juni 1942 zunächst als Binnenschifferlehrling (Schiffsjunge) und dann als Matrose bei einer Rheinschiffahrts-Reederei beschäftigt. Während dieser Zeit besuchte er zwei Semester die Schiffahrtsschule und erhielt den Bootsmannsbrief. Von Juni 1942 bis Mai 1945 leistete er Wehrdienst bei der Marine; am 25. August 1944 wurde er schwer verwundet. Mit Bescheid vom 6. Juli 1957 wurde dem Kläger eine Versorgungsrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v.H. gewährt wegen: "1.) Verlust des linken Beines, 2.) große Narbe an der rechten Rückenseite nach Lungenschußverletzung, 3.) Narben am rechten Unterschenkel mit Fremdkörpern in den Weichteilen. Hautstörungen im Unterschenkel und Fuß, 4.) Knick-, Senk- Spreizfuß im Sinne der Verschlimmerung." Durch Zugunstenbescheid vom 7. September 1966 wurde die Rente wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins ab 1. März 1961 auf 80 v.H. erhöht. Mit einem weiteren Bescheid vom 3. November 1966 wurde dem Kläger ein Berufsschadensausgleich gewährt unter Zugrundelegung des Durchschnittseinkommens der technischen Angestellten aller Wirtschaftsbereiche, Leistungsgruppe III. Der Widerspruch, mit dem der Kläger die Einstufung in die Leistungsgruppe II erstrebte, war erfolglos (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts - LVersorgA - Nordrhein vom 11. April 1967). Das Sozialgericht (SG) hat den Beklagten verurteilt, den Kläger in die Leistungsgruppe (LGr) II der technischen Angestellten der Gesamtindustrie einzustufen (Urteil vom 8. August 1967). Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 6. November 1969 das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen. Das LSG hat ausgeführt, die Versorgungsverwaltung sei zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger ohne die Schädigungsfolgen den Beruf eines Schiffsführers in der Binnenschiffahrt (Rheinschiffahrt) erreicht und ausgeübt hätte. Entgegen der Auffassung des SG erfülle ein Schiffsführer in der Binnenschiffahrt jedoch nicht die Tätigkeitsmerkmale der LGr. II der technischen Angestellten. Die Schiffsmannschaft, für die ein Schiffsführer in der Binnenschiffahrt die Verantwortung zu tragen habe, umfasse in der Regel nur zwei Personen; hierunter seien ein Schiffsjunge, ein ungelernter Arbeiter oder auch allenfalls ein Matrose. Außer dem Schiffsführer seien andere Angestellte regelmäßig nicht an Bord. Der Schiffsführer in der Binnenschiffahrt brauche zwar zur Führung seines Schiffes technische Kenntnisse. Da diese sich jedoch ausschließlich auf in der Binnenschiffahrt zu verwendende Motorschiffe beziehen müßten, brauchten sie nicht "umfassend" im Sinne der Tätigkeitsmerkmale der LGr. II zu sein. Der Schiffsführer stehe auch nicht Angestellten gleich, die als Obermeister, Oberrichtmeister oder Meister mit hohem beruflichen Können und besonderer Verantwortung großen Werkstätten oder Abteilungen vorständen. Er habe nur das Kommando über eine unverhältnismäßig kleine Zahl von Personen. Die Verantwortung für einen verhältnismäßig großen Sachwert vermöge das nicht auszugleichen. Die Einstufung des Schiffsführers in die LGr. III erscheine auch nach dem Tarifvertrag für Binnenschiffer gerechtfertigt. Das Gleiche gelte bei einem Vergleich mit dem Durchschnittseinkommen von Schiffsoffizieren und Kapitänen auf großer Fahrt. Die Verantwortung eines Kapitäns auf großer Fahrt für ein großes Schiff und eine große Anzahl von Personen sei offenkundig viel größer als die eines Schiffsführers in der Binnenschiffahrt. Das erst seit 1956 eingeführte Rheinschifferpatent könne auch nicht einer Meisterprüfung gleicherachtet werden. Für einen Schiffseigner mit der gleichen Ausbildung, wie sie der Kläger durchgemacht habe, würde das Durchschnittseinkommen nach Besoldungsgruppe (BesGr) A 7 des Bundesbesoldungsgesetzes (BBesG) zu berechnen sein. Der Schiffsführer als unselbständiger Angestellter könne allenfalls nach einem in etwa gleichem Durchschnittseinkommen, nicht jedoch nach einem höheren Durchschnittseinkommen als der Schiffseigner eingestuft werden.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Dieses Urteil wurde dem Kläger am 15. Dezember 1969 zugestellt, der dagegen am 31. Dezember 1969 Revision eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 12. Januar 1970 begründet hat.
Der Kläger beantragt,
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1. |
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das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. November 1969 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 8. August 1967 zurückzuweisen; |
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2. |
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den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten. |
In seiner Revisionsbegründung rügt er eine Verletzung des § 3 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 30 Abs. 3 und 4 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) in den Fassungen vom 30. Juli 1964 und 28. Februar 1968. Er trägt dazu vor, zur LGr II gehörten u.a. alle Angestellten, die umfassende kaufmännische und technische Kenntnisse besäßen, Nach den im Laufe des bisherigen Verfahrens getroffenen Feststellungen, die insbesondere in den Entscheidungsgründen des SG-Urteils enthalten seien, könne kein begründeter Zweifel daran bestehen, daß der als Schiffsführer in der Binnenschiffahrt zu beurteilende Kläger diese Voraussetzungen erfülle. Die erforderlichen kaufmännischen Kenntnisse ergäben sich bereits eindeutig aus seiner nach der Gewerbeordnung bestimmten Stellung als selbständiger Betriebsleiter eines eigenen Betriebsteiles mit der Berechtigung zur selbständigen Einstellung und Entlassung der Schiffsmannschaft sowie seiner vollen Verantwortung für das Schiff und die Ladung. Ein Schiffsführer in der Binnenschiffahrt verfüge auch über umfassende technische Kenntnisse. Sie beschränkten sich nicht nur auf die in der Binnenschiffahrt verwendeten Motorschiffe, sondern erstreckten sich in gleicher Weise auch auf alle mit der Benutzung der Binnenschifffahrtswege zusammenhängenden technischen Fragen sowie die besonders wichtigen technischen Vorgänge der Be- und Entladung des Schiffes und die technische Betreuung des Ladegutes. Die umfassenden technischen Kenntnisse brauchten nicht alle oder mehrere Berufszweige einzuschließen. Es sei vielmehr ausreichend, daß die jeweils für die Einstufung maßgebende Berufstätigkeit ganz allgemein umfangreiche technische Kenntnisse erfordere. Die Tätigkeitsmerkmale der LGr III würden der besonders verantwortlichen Tätigkeit eines Schiffsführers in der Binnenschiffahrt nicht gerecht.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. November 1969 als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt weiter aus, für den Erwerb des Rheinschifferpatentes würden kaufmännische Kenntnisse überhaupt nicht verlangt; sie seien für diesen Beruf auch tatsächlich nicht erforderlich. Der Kläger benötige zwar zur Führung seines Schiffes technische Kenntnisse; diese brauchten aber nicht "umfassend" im Sinne der Tätigkeitsmerkmale der LGr II zu sein.
II
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist von dem Kläger frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist daher zulässig (§ 169 SGG). Die Revision ist jedoch nicht begründet.
Maßgebend für den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf Berufsschadensausgleich ist das BVG idF des Zweiten und Dritten Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts vom 21. Februar 1964 und 28. Dezember 1966 (BGBl 1964 I S. 85; BGBl 1966 I S. 750 - 2. und 3. NOG -). Der Beklagte hat dem Kläger einen Berufsschadensausgleich nach § 30 Abs.3 und 4 BVG i.V.m. den dazu erlassenen DVOen gewährt. Zwischen den Beteiligten besteht demnach kein Streit, daß der Kläger durch die Schädigungsfolgen einen Einkommensverlust erlitten (§ 30 Abs. 3 BVG) und dem Grunde nach einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich hat. Der Streit geht lediglich um die Höhe des Durchschnittseinkommens, das der Berechnung des Berufsschadensausgleichs zugrunde zu legen ist.
Nach § 30 Abs. 4 BVG ist Einkommensverlust der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit und dem höheren Durchschnittseinkommen der Berufs- oder Wirtschaftsgruppe, der der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich angehört hätte. Allgemeine Vergleichsgrundlage zur Ermittlung des Durchschnittseinkommens sind die amtlichen Erhebungen des Statistischen Bundesamtes für das Bundesgebiet und die jeweils geltenden beamten- oder tarifrechtlichen Besoldungs- oder Vergütungsgruppen des Bundes. In den zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG erlassenen Verordnungen ist in § 2 Buchst.a) (DVO 1964) bzw. § 2 Abs. 1 Buchst. a) (DVO 1968) bestimmt, daß das Durchschnittseinkommen nach § 3 der DVO ermittelt wird, wenn der Beschädigte ohne die Schädigung nach seinen Lebensverhältnissen, Kenntnissen und Fähigkeiten und dem bisher betätigten Arbeits- und Ausbildungswillen wahrscheinlich unselbständig in der privaten Wirtschaft tätig wäre. Nach den Feststellungen des LSG war der Kläger vor dem Kriege als Binnenschiffslehrling und -Matrose in der Rheinschiffahrt tätig und wäre nach dem Kriege als angestellter Schiffsführer in der Binnenschiffahrt, also unselbständig in der privaten Wirtschaft, tätig gewesen. Diese Feststellungen entsprechen dem eigenen Vortrag des Klägers; Angriffe sind insoweit von den Beteiligten nicht erhoben. Diese Feststellungen sind somit für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG). Das Durchschnittseinkommen ist daher nach § 3 DVO zu ermitteln. Nach dieser Vorschrift (idF der DVOen 1964 und 1968) ist Durchschnittseinkommen bei unselbständig in der privaten Wirtschaft Tätigen der durchschnittliche Bruttoverdienst, der aufgrund des Gesetzes über die Lohnstatistik vom 18. Mai 1956 (BGBl I S. 429) vom Statistischen Bundesamt für das Bundesgebiet laufend ermittelt wird. Maßgebend sind dabei gemäß § 3 Abs. 1 Buchst. d) der DVO 1964 bei Angestellten in Industrie und Handel und im Geld- und Versicherungswesen die in Betracht kommenden Wirtschaftsgruppen (Wirtschaftszweige), Beschäftigungsarten und "die Leistungsgruppen II bis V". Diese Vorschrift ist durch die DVO 1968 lediglich dahin geändert worden, daß bei der Beschäftigungsart zwischen kaufmännischen und technischen Angestellten unterschieden wird und daß die Leistungsgruppen "II, III, IV oder V" einzeln erwähnt sind. Insoweit handelt es sich jedoch, jedenfalls bei der hier streitigen Einordnung in eine bestimmte Leistungsgruppe, nicht um eine inhaltliche, sondern nur um eine redaktionelle Änderung, die für die Beurteilung ohne Bedeutung ist.
Für die Eingruppierung in eine Leistungsgruppe sind die Tätigkeitsmerkmale maßgebend, die das Statistische Bundesamt der Ermittlung der erfaßten durchschnittlichen Bruttoverdienste im Bundesgebiet zugrunde gelegt hat (vgl. § 3 Abs. 1 Satz 4 der DVO 1964 und § 3 Abs. 1 Satz 6 der DVO 1968). Diese Regelung war bereits in der DVO zu § 30 Abs.3 und 4 BVG vom 30. Juli 1961 (BGBl I S. 1115) enthalten und ist unverändert in die DVOen 1964 und 1968 übernommen worden. Die Tätigkeitsmerkmale, die danach für die Einordnung in eine bestimmte Leistungsgruppe maßgebend sind, hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) in dem Rundschreiben vom 25. Oktober 1960 (BVBl 1960 S. 151) veröffentlicht. Sie sind seither nicht geändert worden und auch heute noch maßgebend. Demgemäß gehören in die LGr III kaufmännische und technische Angestellte mit mehrjähriger Berufserfahrung oder besonderen Fachkenntnissen und Fähigkeiten bzw. mit Spezialtätigkeiten, die nach allgemeiner Anweisung selbständig arbeiten, jedoch keine Verantwortung für die Tätigkeit anderer tragen. Außerdem Angestellte mit qualifizierter Tätigkeit, die die fachlichen Erfahrungen eines Meisters, Richtmeisters oder Gießereimeisters aufweisen, bei erhöhter Verantwortung größeren Abteilungen vorstehen und denen Aufsichtspersonen und Hilfsmeister unterstellt sind. In die LGr II gehören kaufmännische und technische Angestellte mit besonderen Erfahrungen und selbständigen Leistungen in verantwortlicher Tätigkeit mit eingeschränkter Dispositionsbefugnis, die Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen haben; ferner Angestellte mit umfassenden kaufmännischen oder technischen Kenntnissen. Außerdem Angestellte, die als Obermeister, Oberrichtmeister oder Meister mit hohem beruflichen Können und besonderer Verantwortung großen Werkstätten oder Abteilungen vorstehen.
Zur Beurteilung der Tätigkeitsmerkmale hat das LSG die Feststellung getroffen, daß die Schiffsmannschaft, für die ein Schiffsführer in der Binnenschiffahrt die Verantwortung zu tragen hat, in der Regel zwei Personen umfaßt, unter denen sich ein Schiffsjunge, ein ungelernter Arbeiter oder auch allenfalls ein Matrose befinden kann, und daß außer dem Schiffsführer andere Angestellte regelmäßig nicht an Bord sind. Wenn das LSG daraus die Folgerung gezogen hat, daß der Schiffsführer Angestellte anderer Tätigkeitsgruppen nicht einzusetzen und verantwortlich zu unterweisen hat und daß damit eine der Alternativen für die Einstufung des Schiffsführers in die LGr II entfällt, so ist ein Rechtsverstoß nicht zu erkennen. Das LSG hat weiter festgestellt, daß der Schiffsführer in der Binnenschiffahrt zur Führung seines Schiffes technische Kenntnisse braucht, daß sich diese jedoch ausschließlich auf in der Binnenschiffahrt zu verwendende Motorschiffe beziehen müssen, so daß sie nicht "umfassend" im Sinne der Tätigkeitsmerkmale der LGr II zu sein brauchen. Auch insoweit ist ein Rechtsverstoß des LSG nicht gegeben. Bei der Anwendung der allgemeinen Leistungsgruppendefinitionen ist der Gesamtinhalt des Rundschreibens des BMA mit den darin enthaltenen Abgrenzungen der einzelnen Leistungsgruppen zu beachten (s. hierzu BSG vom 22. November 1968 in SozR FRG § 22 Nr. 4). Dabei zeigt sich, daß die Leistungsgruppen in einem Stufenverhältnis zueinander stehen und daß sich die Beschäftigungsmerkmale steigern von der LGr V bis zur LGr I. Die "umfassenden kaufmännischen oder technischen Kenntnisse" der Leistungsgruppe II bedeuten daher zwangsläufig mehr als die "besonderen Fachkenntnisse", "Spezialtätigkeiten" und "qualifizierten Tätigkeiten mit den fachlichen Erfahrungen eines Meisters" der LGr III und erst recht mehr als die "Fachkenntnisse" der LGr IV. Fachkenntnisse im Sinne der LGr IV kann auch ein Angestellter besitzen, der - z.B. nach dem erfolgreichen Besuch einer Fachschule (vgl. die Leistungsgruppendefinitionen) - die Wirkungsweise und Zusammensetzung eines Auto- oder Schiffsmotors kennt und Defekte zu beheben vermag, oder der die Straßenverkehrsordnung bzw. die Binnenschiffahrtsordnung (BGBl 1966 II S. 1334 und S. 1538) beherrscht und das von ihm gelenkte Fahrzeug entsprechend zu steuern vermag. "Besondere Fachkenntnisse" bzw. "qualifizierte Tätigkeiten" mit den fachlichen Erfahrungen eines Meisters im Sinne der LGr III setzen schon rein gradmäßig deutlich erweiterte und vertiefte Fachkenntnisse voraus, die den Angestellten befähigen, nach allgemeinen Anweisungen selbständig zu arbeiten oder bei erhöhter Verantwortung größeren Abteilungen vorstehen. "Umfassende Kenntnisse" im Sinne der Leistungsgruppe II können also nur bedeuten, daß auf einem bestimmten kaufmännischen oder technischen Gebiet, das nicht zu eng begrenzt sein darf, ein weit über dem Durchschnitt stehendes Fachwissen vorhanden, aber auf diesem Gebiet für eine selbständige, verantwortliche Tätigkeit auch erforderlich ist (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 20. November 1970 - 10 RV 795/68).
Der Kläger verkennt insoweit, daß die eben zitierte Leistungsgruppendefinition nicht für sich allein betrachtet werden darf, sondern in den Zusammenhang gestellt werden muß mit den in den Sätzen 1 und 3 beschriebenen Tätigkeitsmerkmalen. Dabei zeigt sich, daß die umfassenden (kaufmännischen oder technischen) Kenntnisse nicht allein darin bestehen können, daß in einem verhältnismäßig kleinen Betriebsteil oder auf einem einzelnen Sektor eines Betriebs "umfassende Kenntnisse" erworben werden - z.B. durch jahrelange Ausführung derselben Arbeit oder desselben Aufgabenbereichs -, sondern daß es sich um umfassende technische oder kaufmännische Kenntnisse handeln muß, die den Betreffenden in den Stand setzen, schwierige technische oder kaufmännische Aufgaben zu erkennen und aufgrund seiner umfassenden Kenntnisse selbständig zu lösen. Die Kenntnisse für sich allein - mögen sie auch im Einzelfall vorhanden sein - bedingen überdies noch keine Höherstufung und den Erwerb eines höheren Einkommens. Vielmehr müssen diese Kenntnisse im Rahmen der beruflichen Tätigkeit auch ausgenutzt und einkommenssteigernd im Betrieb angewandt werden können (vgl. BSG aaO). Das aber ist nach den Feststellungen des LSG für den Schiffsführer eines Binnenschiffes nicht der Fall. Dieser muß die Binnenschiffahrtsstraßenordnung, das Fahrverhalten und die Eigenheiten eines Binnenschiffes kennen, er muß gewisse technische Kenntnisse hinsichtlich des Motors haben, die ihn aber nicht unbedingt zu einer schwierigen selbständigen Reparatur befähigen, er muß die Be- und Entladung beaufsichtigen können und er muß der geringen Zahl der Schiffsbesatzung Anweisungen geben und sie zu ordnungsgemäßem Verhalten anhalten können. Seine selbständige Einstellungs- und Entlassungsbefugnis kann sich nur auf die zwei oder drei Mann der Schiffsbesatzung beziehen, ganz abgesehen davon, daß sowohl hierbei als auch bei sonstigen Schwierigkeiten der Kontakt mit der Binnenschiffsreederei unschwer herzustellen ist, so daß die eigene Verantwortung relativ gering ist. Der Hinweis des Klägers auf § 133 a der Gewerbe-Ordnung (GewO) vermag gleichfalls nicht zu überzeugen. Abgesehen davon, daß diese Vorschrift durch Art. 5 des Gesetzes vom 14.8.1969 (BGBl I S. 1106) aufgehoben worden ist, verkennt der Kläger, daß die Vorschrift lediglich Bestimmungen traf über die Kündigungsfristen bei gewerblichen Angestellten. Abgrenzungsmerkmale für die Eingruppierung in eine bestimmte Leistungsgruppe waren darin nicht enthalten. Ebensowenig lassen sich aus dem Gesetz über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschiffahrt (vom 15.2.1956, BGBl II S. 317 mit den späteren Änderungen) und der VO über Befähigungszeugnisse in der Binnenschiffahrt (vom 15.6.1956, BGBl II S. 722 - BSchPatentVO -) bzw. der VO über die Erteilung von Rheinschifferpatenten (vom 15.6.1956 BGBl II S. 716 - RheinSchPatentVO -) entscheidende Kriterien für die vom Kläger erstrebte Eingruppierung in die LGr II gewinnen. Dort werden lediglich allgemeine Bestimmungen getroffen über die körperliche Eignung, die nautische Befähigung und die Eignung zum Vorgesetzten. Das LSG hat überdies ausdrücklich und unangegriffen festgestellt, daß das erst seit 1956 eingeführte Rheinschifferpatent einer Meisterprüfung nicht gleich gesetzt werden kann. Auch daraus lassen sich Rückschlüsse auf die Einstufung eines Binnenschiffers ziehen.
Der Einstufung in die LGr II stehen noch weitere Überlegungen entgegen. Der erkennende Senat hat bereits entschieden, daß für die Eingruppierung in eine bestimmte Leistungsgruppe in erster Linie die Leistungsgruppendefinitionen maßgebend sind, daß aber auch die in der Anlage 1 zu § 22 FRG (vom 25. Februar 1960, BGBl I S. 93) enthaltenen Berufsgruppenkataloge "zur Orientierung dienen" und Anhaltspunkte für die Eingruppierung geben können (vgl. BSG aaO; s. auch Urteil des 8. Senats vom 30. September 1970 - 8 RV 73/70 -). In dem Berufsgruppenkatalog für männliche Angestellte der LGr III sind u.a. Ingenieure aller Berufszweige (Lebensalter 30 bis 45 Jahre) aufgeführt. Der Kläger hat selbst nicht vorgetragen und auch den Feststellungen des LSG und der allgemeinen Lebenserfahrung ist nichts dafür zu entnehmen, daß der Schiffsführer eines Binnenschiffes einem Ingenieur gleichgestellt werden könnte. Selbst wenn also berücksichtigt wird, daß der Kläger im Zeitpunkt der Entscheidung des LSG das 45. Lebensjahr bereits überschritten hatte, und wenn weiter berücksichtigt wird, daß mit höherem Lebensalter und mit wachsender Erfahrung im Regelfall ein höheres Einkommen erreicht wird, so würde sich nur eine Einstufung in LGr III, nicht aber in LGr II ergeben. Das LSG hat ferner zutreffend darauf hingewiesen, daß die Einstufung des Schiffsführers in die LGr III auch nach dem "Tarifvertrag zur Änderung des Teils IV Abschnitt B der Anlage 1 a zum BAT vom 20. Dezember 1968" (Min.Blatt Nordrhein-Westfalen, Ausgabe vom 22. April 1969, S. 700 bis 704) gerechtfertigt ist. Hiernach werden Schiffsführer mit dem Patent A 4 bei Führung eines Schiffes der Klasse I über 1000 Tonnen höchstens nach der Vergütungsgruppe V c bezahlt. Nach § 4 Abs. 3 DVO ist das Durchschnittseinkommen im öffentlichen Dienst bei Angestellten mit den Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppen VIII, VII, VI b /VI a und V c nach Vergütungsgruppe VI b zu berechnen. Das Einkommen dieser Vergütungsgruppe entspricht aber nach den Feststellungen des LSG in etwa dem Einkommen eines Angestellten der LGr III. Überdies wäre bei einem Schiffseigner mit der gleichen Ausbildung, die der Kläger durchgemacht hat, das Durchschnittseinkommen bei abgeschlossener Berufsausbildung - ohne Meisterprüfung - nach der BesGr. A 7 des BBesG zu berechnen. Im Interesse einer möglichst gleichmäßigen Einstufung muß es als systemgerecht angesehen werden, daß ein Schiffsführer in abhängiger Stellung im Regelfall nicht nach einem höheren Durchschnittseinkommen als ein Schiffseigner einzustufen ist. Dem LSG ist auch darin beizupflichten, daß bei einem Vergleich mit dem Durchschnittseinkommen von Schiffsoffizieren und Kapitänen auf großer Fahrt (Seeschiffahrt) für einen Schiffsführer in der Binnenschiffahrt die Einstufung in die LGr III als gerechtfertigt anzusehen ist (vgl. Urteil des BSG vom 17.10.1967 - 9 RV 182/67 -).
Soweit der Kläger in seiner Revisionsbegründung auf die umfassenden kaufmännischen Kenntnisse hinweist, scheint der Kläger zu verkennen, daß das SG die höhere Einstufung in die LGr II der technischen Angestellten ausgesprochen hatte und daß der Revisionsantrag des Klägers auf die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils, also auf die höhere Einstufung als technischer Angestellter gerichtet ist. Im übrigen hat der Kläger weder im Berufungs- noch jetzt im Revisionsverfahren dargetan, welche "umfassenden" kaufmännischen Kenntnisse ein Schiffsführer in der Binnenschiffahrt haben muß, der im Auftrag seiner Reederei die Ladung von einem Binnenhafen zum anderen transportiert, und zwar eine Ladung, die er weder zu kaufen noch zu verkaufen hat. Dem Kassieren der Frachtraten und dem Bezahlen der Liegegebühren und der Löhne kann jedenfalls ein besonderer kaufmännischer Schwierigkeitsgrad nicht beigemessen werden. Die Verantwortung für das Schiff und die Ladung erfordert in erster Linie auch keine kaufmännischen, sondern technische Kenntnisse, wie sie oben erörtert worden sind. Die selbständige Einstellung und Entlassung der Schiffsmannschaft aber erfordert einige arbeitsrechtliche, jedoch gleichfalls keine umfassenden kaufmännischen Kenntnisse.
Damit zeigt sich, daß die Voraussetzungen für eine Einstufung des Klägers in die LGr II nicht gegeben sind. Das Begehren des Klägers auf einen entsprechend höheren Berufsschadensausgleich ist daher nicht gerechtfertigt. Die Revision des Klägers mußte als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen