Beteiligte
Klägerin, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionsklägerin |
Beklagte, Revisionsklägerin und Anschlußrevisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz nach § 145 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).
Für die Beklagte, ein Malerunternehmen in L…, erteilte deren Angestellte K… am 7. Januar 1974 unter Verwendung eines von der Klägerin herausgegebenen Vordrucks eine Arbeitsbescheinigung für den ausgeschiedenen Arbeitnehmer R…. Sie bescheinigte darin u.a., daß dieser vom 5. Februar bis 9. November 1973 als Hilfsarbeiter in der Firma beschäftigt gewesen sei und zuletzt im September 1973 für zwölf Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt (99,5 bezahlte Arbeitsstunden) einen Lohn von 1.119,- DM, im Oktober 1973 für 13 Tage (106,5 Stunden) einen Lohn von 1.329,50 DM und im November 1973 für fünf Tage (40 Stunden) einen Lohn von 336,- DM brutto erhalten habe. Die Klägerin legte diese Angaben der Berechnung des von R… beantragten Arbeitslosengeldes (Alg) - später auch der Arbeitslosenhilfe (Alhi) - zugrunde und gewährte (erstmals im Februar 1974) für verschiedene Zeiträume zwischen Dezember 1973 und Dezember 1975 Leistungen in Höhe von insgesamt 14.159,10 DM; ferner entrichtete sie entsprechende Krankenversicherungsbeiträge. Im Februar 1976 wurde anläßlich einer Überprüfung der Lohnunterlagen festgestellt, daß sich die ausgewiesenen Lohnsummen für die Monate September und Oktober 1973 nicht wie angegeben auf 12 bzw. 13, sondern auf 17 bzw. 23 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt (139,5 bzw. 185,5 bezahlte Arbeitsstunden) verteilten. Der Fehler war dadurch entstanden, daß die in den Abrechnungszeitraum fallenden Urlaubs- und Krankheitstage mit Lohnfortzahlung in der Rubrik "Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt" nicht mit aufgeführt worden waren.
Infolge der unrichtigen Eintragungen war eine Überzahlung von insgesamt 4.056,30 DM an Alg und Alhi sowie von 1.043,60 DM an Krankenversicherungsbeiträgen eingetreten. Deswegen nimmt die Klägerin die Beklagte auf Schadensersatz in Anspruch. Nachdem sie ihre Forderung zunächst durch Verwaltungsakt (Bescheid vom 11. November 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Dezember 1976) geltend gemacht, diesen jedoch im Verlauf des nachfolgenden Rechtsstreits am 30. Mai 1980 wieder zurückgenommen hatte, erhob sie am 21. Juli 1980 Leistungsklage auf Zahlung von 5.099, 90 DM.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 17. Dezember 1980 der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil dahin abgeändert, daß die Beklagte der Klägerin lediglich 3.400,- DM zu zahlen habe. Die weitergehende Klage hat es abgewiesen und im übrigen die Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Arbeitgeber sei nach § 133 AFG verpflichtet, Arbeitsbescheinigungen auszustellen. Vorliegend habe die von der Beklagten mit der Bearbeitung beauftragte Angestellte das vom Arbeitsamt zur Verfügung gestellte Formular unrichtig ausgefüllt, indem sie die dem bescheinigten Entgelt zugrundeliegende Zahl von Arbeitstagen bzw. Arbeitsstunden zu gering angegeben habe. Dies und die Tatsache, daß der Klägerin durch die Übernahme der falschen Daten ein Schaden von insgesamt 5.099,90 DM entstanden sei, werde von der Beklagten auch nicht bestritten.
Der eingetretene Schaden sei schuldhaft verursacht worden. Im Rahmen des § 145 Nr. 1 AFG sei kein qualifiziertes Verschulden erforderlich. Vielmehr genüge nach dem klaren Gesetzeswortlaut jede einfache (leichte) Fahrlässigkeit, um die Schadensersatzpflicht des Arbeitgebers auszulösen. Für eine am Verschuldensmaßstab des § 277 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) orientierte Haftungsbeschränkung sei hier kein Raum.
Die für den Inhalt der Arbeitsbescheinigung verantwortliche Personalsachbearbeiterin habe fahrlässig gehandelt, da sie den Fehler bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB) ohne weiteres hätte erkennen können. Die Formulierung "Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt" sei präzise und eindeutig. Sie könne, zumal für jemand, der mit Lohnbuchhaltungsarbeiten vertraut sei, bei hinreichender Aufmerksamkeit kein Anlaß zu Mißverständnissen sein. Darauf, daß zu den Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt auch bezahlte Urlaubstage zu zählen seien, sei überdies in den auf dem Formblatt angebrachten Erläuterungen an zwei verschiedenen Stellen ausdrücklich hingewiesen worden. Würden solche Hinweise nicht gelesen oder nicht beachtet, so begründe allein dies regelmäßig den Vorwurf der Fahrlässigkeit. Die Beklagte müsse sich auch das Verschulden ihrer Angestellten über § 278 BGB zurechnen lassen.
Anders jedoch als das SG sei der Senat der Auffassung, daß die Klägerin nur einen Teil des entstandenen Schadens ersetzt verlangen könne, weil sie sich gemäß § 254 BGB ein Mitverschulden entgegenhalten lassen müsse. Diese Bestimmung sei als Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben, bei der Verletzung vertragsähnlicher öffentlich-rechtlicher Pflichten sinngemäß heranzuziehen.
Ein - wenn auch eher gering zu bewertendes - Mitverschulden sei hier zunächst darin zu sehen, daß der für die Leistungsfeststellung zuständige Sachbearbeiter des Arbeitsamtes die Angaben aus der Arbeitsbescheinigung ungeprüft übernommen habe, obwohl sich erhebliche Zweifel an deren Richtigkeit hätten aufdrängen müssen. So ergebe sich bei einem überschlägigen Vergleich der Zahlen für die Zeit von September bis November 1973 nicht nur ein im Durchschnitt der einzelnen Monate um ca. 50% schwankender, sondern für die Monate September und Oktober bei einem Verdienst von 1.119,- DM bzw. 1.359,50 DM und einer Arbeitszeit von nur 99,5 bzw. 106,5 Stunden auch ein für einen Hilfsarbeiter gänzlich ungewöhnlicher Stundenlohn von 11,20 bis 12,50 DM. In Anbetracht dieser Größenordnung habe für die Ungereimtheiten auch nicht ohne weiteres eine "natürliche" Erklärung auf der Hand gelegen. Mindestens hätten sich Zweifel melden müssen, wie dies bei der späteren Überprüfung auch tatsächlich geschehen sei. Die Pflicht zu gewissenhafter Amtsführung, wie auch die aus dem öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnis sich ergebenden Sorgfaltspflichten erforderten eine Überprüfung dahin, ob ohne weiteres erkennbare Unrichtigkeiten vorlägen. Ergäben sich dabei Zweifel an der Richtigkeit der Eintragungen, müsse der Sachbearbeiter ihnen nachgehen.
Der Senat sehe ein Mitverschulden des weiteren auch darin, daß die Klägerin nicht versucht habe, die überzahlten Leistungen an Alg und Alhi vom Leistungsempfänger zurückzufordern. Darin liege ein Verstoß gegen die jedem Geschädigten obliegende Schadensminderungspflicht (§ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB). Ein Vorgehen gegen den Arbeitnehmer R… sei hier auch nicht von vornherein aussichtslos gewesen. Die Auffassung der Klägerin, daß die Rückforderungsvoraussetzungen, speziell eine grobe Fahrlässigkeit des Leistungsempfängers (§ 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG a.F.), keinesfalls vorgelegen hätten, könne in dieser Eindeutigkeit nicht geteilt werden. Das Mitverschulden der Klägerin sei schon darin zu sehen, daß sie die Möglichkeit einer Rückforderung überhaupt nicht ernsthaft ins Auge gefaßt und so eine durchaus aussichtsreiche Möglichkeit der Schadensverringerung nicht wahrgenommen habe.
Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, des Maßes des beiderseitigen Fehlverhaltens, schließlich der Tatsache, daß sich der Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht nur bezüglich der gezahlten Sozialleistungen, nicht jedoch hinsichtlich der entrichteten Krankenversicherungsbeiträge auswirke, habe der Senat eine Schadensersatzverpflichtung in Höhe von insgesamt 3.400,- DM als angemessen angesehen.
Die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung greife nicht durch. Dabei könne offenbleiben, welche Verjährungsfrist hier zu gelten hätte. In jedem Fall sei die Verjährung durch den Bescheid vom 11. November 1976 rechtzeitig und wirksam unterbrochen worden. Dem stehe nicht entgegen, daß die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs durch Verwaltungsakt unzulässig gewesen sei und der gesamte Bescheid später zurückgenommen worden sei. Der Vorschrift des § 212 BGB sei der allgemeine Rechtsgedanke zu entnehmen, daß eine Maßnahme, die an sich zur Verjährungsunterbrechung geeignet sei, ihre Wirkung nicht dadurch verliere, daß sie später zurückgenommen werde, sofern nur innerhalb einer angemessenen Frist danach die zulässige Maßnahme nachgeholt werde.
Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten, der sich die Klägerin angeschlossen hat.
Die Beklagte rügt eine Verletzung des § 277 BGB. Sie ist der Meinung, daß bei Zugrundelegung der Auffassung des LSG, sie müsse sich das Verschulden ihrer Angestellten gemäß § 278 BGB zurechnen lassen, es inkonsequent sei, die Vorschrift des § 277 BGB nicht anzuwenden. Die Anwendung dieser Vorschrift ergäbe sich aus der Natur der Sache. Bei unentgeltlicher Geschäftsbesorgung - welche von Staats wegen aufoktroyiert sei - könne lediglich eine Sorgfaltspflicht verlangt werden, die in eigenen Angelegenheiten angewendet werde.
Darüber hinaus sei sie überhaupt nicht verpflichtet gewesen, eine Bescheinigung auszufüllen. § 133 AFG verstoße gegen Art. 12 Abs. 2 Grundgesetz (GG) und sei deshalb verfassungswidrig. Abgesehen davon habe das angefochtene Urteil den Begriff der Fahrlässigkeit verkannt. Die Erläuterungen in den Arbeitsbescheinigungen seien unvollständig. Schon nach ihrem Wortlaut seien Tage, für die ein Anspruch auf "Lohnfortzahlung" bestehe, nicht identisch mit den Tagen mit Anspruch auf "Arbeitsentgelt" oder "Urlaubsentgelt". Arbeitsentgelt sei nicht der Oberbegriff für Krankengeld, Schlechtwettergeld, Lohnfortzahlung oder Anspruch auf Lohnausgleich. Denn Arbeitsentgelt sei nach deutschem Sprachgebrauch nur das Entgelt für die geleisteten Arbeitsstunden.
Außerdem sei der Anspruch verjährt. Das Formular sei im Jahre1974 ausgefüllt worden. Die Klage sei erst am 31. Juli 1980 zugestellt worden. Durch den Bescheid vom 11. November 1976, der unwirksam gewesen sei, habe die Verjährung nicht unterbrochen werden können.
Die Beklagte beantragt nach ihrem Vorbringen, das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 31. März 1982 insoweit aufzuheben, als ihre Berufung zurückgewiesen worden ist, und die Klage in vollem Umfang abzuweisen sowie die Anschlußrevision der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision der Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Landessozialgerichts insoweit aufzuheben, als der Berufung der Beklagten stattgegeben worden ist, und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz in vollem Umfange zurückzuweisen.
Die Klägerin rügt eine Verletzung des § 254 BGB i.V.m. § 145 AFG und trägt vor: Der Auffassung des LSG, sie müsse sich ein Mitverschulden gemäß § 254 BGB entgegenhalten lassen, könne nicht gefolgt werden. Mit dieser Rechtsansicht setze sich das LSG in Widerspruch zur Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG). Dieses habe im Urteil vom 13. Februar 1975 - 8/7 RKg 14/73 - herausgestellt, daß die Grundsätze des § 254 BGB nicht auf den Erstattungsanspruch nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) angewendet werden könnten. Für eine Minderung dieses Anspruchs bei einem Mitverschulden der Behörde sei in diesem Rahmen kein Raum. Auch in seinen Urteilen vom 12. Februar 1980 - 7 RAr 13/79 - (SozR 4100 § 138 Nr. 5; SozR 4100 § 152 Nr. 10) und 23. September 1980 - 7 RAr 97/79 - komme es zu dem Ergebnis, daß die Grundsätze des Schadensersatzrechts wie § 254 BGB auf die Verpflichtungen nach § 152 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG nicht entsprechend anwendbar seien. Im Bereich der Arbeitsverwaltung, die eine Massenverwaltung sei, komme es im Interesse der Arbeitslosen auf schnelle Entscheidungen an. Die unverzügliche, reibungslose Abwicklung der Anträge auf Leistungen setze jedoch voraus, daß der Bearbeiter die eingehenden Anträge und Unterlagen schematisch prüfe und sich bei dieser Prüfung auf die Angaben eines Arbeitgebers, der an einer Bewilligung selbst kein Interesse habe, verlassen dürfe. Ein Amtsverschulden sei in diesem Rahmen daher generell unbeachtlich. Die vom BSG zum Erstattungsanspruch entwickelten Grundsätze seien daher auch auf Schadensersatzansprüche nach § 145 AFG anzuwenden. Selbst wenn § 254 BGB anwendbar wäre, führe das Verhalten der Klägerin in dem konkreten Falle nicht zu einem anrechenbaren Mitverschulden. Die unrichtigen Eintragungen der Beklagten in der Arbeitsbescheinigung seien für die Bediensteten der Klägerin nicht erkennbar gewesen, da bei Arbeitern unterschiedliche Angaben von Arbeitsstunden und Stundenlöhnen üblich seien, weil unentschuldigte Fehlzeiten, unbezahlter Urlaub sowie der Wechsel zwischen Akkord- und Regiearbeit häufig vorkämen. Zudem sei die Kündigung mangels Arbeit erfolgt, so daß auch unter diesem Aspekt die geringere Arbeitszeit plausibel erschienen sei. Es bestehe keine Verpflichtung der Klägerin, grundsätzlich jede von einem Arbeitgeber ausgestellte Arbeitsbescheinigung durch Rückfragen beim Arbeitgeber oder beim Leistungsempfänger auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.
Eine Abwälzung des Schadens von der Klägerin auf den Leistungsempfänger sei nicht möglich gewesen. Sie hätte das zuviel gezahlte Alg nur von dem Empfänger zurückfordern können, wenn dieser gewußt hätte, daß ihm ein Anspruch in der bewilligten Höhe nicht zugestanden habe (§ 152 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AFG a.F.). Der Leistungsempfänger habe die erfolgte Überzahlung in Höhe von 9,30 DM täglich jedoch nicht erkennen können, da die Berechnung schwer nachvollziehbar sei. Nur bei Kenntnis der Leistungsgruppe und anhand einer Tabelle wäre die Leistungshöhe überprüfbar gewesen. Hierzu habe jedoch keine Veranlassung bestanden, so daß ein Anspruch gegen den Leistungsempfänger mangels "Bösgläubigkeit" nicht durchsetzbar gewesen wäre.
Die Ausführungen der Beklagten in der Revisionsbegründung seien nicht geeignet, das LSG-Urteil, soweit es die Klägerin begünstige, zu Fall zu bringen . Die Auffassung des LSG bezüglich der Anwendung der §§ 277, 278 BGB sei zutreffend. Zu folgen sei auch seiner Meinung, daß die Verjährung durch den Bescheid vom 11. November 1976 unterbrochen worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revisionen der Beteiligten sind insoweit begründet, als die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist.
Wie der Senat bereits entschieden hat, ist der Anspruch auf Schadensersatz wegen unrichtiger Ausfüllung der Arbeitsbescheinigung (§ 145 Nr. 1 APG), den die Klägerin hier verfolgt, öffentlich-rechtlicher Natur (BSGE 49, 291, 293 = SozR 4100 § 145 Nr. 1). Für seine Verfolgung ist daher nach § 51 Abs. 1 SGG der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Der Anspruch kann, wie der Senat gleichfalls in der vorstehend aufgeführten Entscheidung entschieden hat, nur mit der Leistungsklage verfolgt werden. Diese hat hier die Klägerin erhoben.
Der Senat kann in der Sache selbst nicht entscheiden. Die Klägerin hat zwar einen Schadensersatzanspruch, dem die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung nicht entgegensteht. Jedoch läßt sich aufgrund der tatsächlichen Feststellung des LSG nicht entscheiden, wie hoch der Schadensersatzanspruch ist.
Zu Unrecht ist die Beklagte der Auffassung, der geltend gemachte Anspruch sei verjährt. Die Beklagte hat kein Recht, die Leistung zu verweigern (§ 222 BGB). Für Ansprüche aus § 145 AFG ist keine ausdrückliche Verjährungsregelung getroffen worden, und zwar weder im AFG noch im Sozialgesetzbuch (SGB). Der am 1. Januar 1981 endgültig außer Kraft getretene § 222 AFG (Art. 2 § 2 Nr. 1a SGB X - Verwaltungsverfahren) - vom 18. August 1980 - (BGBl I, 1469) betraf nur die vierjährige Verjährung von Ansprüchen auf Leistungen und deren Rückzahlung. § 186 Abs. 2 AFG in der bis zum Inkrafttreten des SGB IV - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - geltenden Fassung sah eine zweijährige Verjährung von Ansprüchen auf Rückerstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge vor. Auch das SGB enthält keine für den Klageanspruch unmittelbar einschlägige Verjährungsregelung, sondern nur Bestimmungen für die Verjährung von Sozialleistungsansprüchen und die Erstattung von Vorschüssen und vorläufigen Leistungen (§ 45 SGB I - Allgemeiner Teil -), von Ansprüchen auf Entrichtung und Erstattung von Beiträgen zur Sozialversicherung (§§ 25, 27 SGB IV) oder von Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistungen (§ 50 Nr. 4 SGB X), bzw. auf Erstattung von Vorleistungen gegen andere Leistungsträger und deren Rückerstattung (§ 113 SGB X - Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihre Beziehungen zu Dritten - vom 4. November 1982 - BGBl I, 1450).
Aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Gesetzesbestimmung kann jedoch nicht geschlossen werden, daß der hier streitige Anspruch der Verjährung überhaupt nicht unterliegt. Vielmehr liegt insoweit eine Gesetzeslücke vor. Es ist ein allgemeiner Rechtsgedanke der in § 194 BGB seinen Ausdruck gefunden hat, daß Ansprüche grundsätzlich der Verjährung unterliegen. Diese dient dem Rechtsfrieden und beruht auf der Erfahrung, daß lange nicht ausgeübte Rechte in der Regel nicht bestehen oder nicht schutzwürdig sind (Palandt/Heinrichs, BGB, 41. Aufl., Überbl. 2 vor § 194). Es ist daher davon auszugehen, daß nach dem Willen des Gesetzgebers auch Ansprüche auf Schadensersatz gemäß § 145 AFG der Verjährung unterliegen sollen. In dem Fehlen einer entsprechenden Regelung liegt somit eine planwidrige Unvollständigkeit. Diese Regelungslücke ist unter Berücksichtigung des Sinnes und Zweckes der Vorschrift sowie des mutmaßlichen Willens des Gesetzgebers zu schließen (BSG SozR 4100 § 186c Nr. 2; 2200 381 Nr. 27; 2200 § 162 Nr. 2; 3100 § 19 Nr. 10; BSGE 53, 273 SozR 2200 § 182 Nr. 82 m.w.N.). Hierbei sind diejenigen Verjährungsvorschriften des öffentlichen oder des bürgerlichen Rechts heranzuziehen, die ihrem Wesen und Inhalt nach dem streitigen Anspruch vergleichbare Ansprüche betreffen (BSGE 19, 88, 90).
Die Vorschrift des § 195 BGB, die eine 30-jährige Verjährungsfrist vorsieht, scheidet aus. Seit dem Inkrafttreten des SGB ist von einer Konzeption des Gesetzgebers auszugehen, realisierbare Ansprüche aus dem Bereich des Sozialrechts grundsätzlich einer kürzeren, dort in der Regel vierjährigen Verjährungsfrist zu unterwerfen. Soweit Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge nach § 25 Abs. 1 SGB IV erst in dreißig Jahren verjähren, handelt es sich um eine Ausnahme von dieser Konzeption, die als solche an dem das SGB beherrschenden Grundsatz vergleichsweise kurzer Verjährungsfristen für offenkundig gewordene Ansprüche nichts ändert. Die vielschichtigen Gründe, die den Gesetzgeber bewogen haben, diesem Prinzip im Interesse einer zeitlich überschaubaren Abwicklung von Leistungs-, Beitrags- und Erstattungsansprüchen Rechnung zu tragen, gelten aber nicht weniger für einen offenkundig gewordenen Schadensersatzanspruch zugunsten des Sozialleistungsträgers, der aus der Verletzung von Pflichten eines Dritten herrührt, welcher auf öffentlich-rechtlicher Grundlage an der Gestaltung eines Sozialrechtsverhältnisses beteiligt ist, wie der Arbeitgeber im Falle der Ausstellung der Arbeitsbescheinigung nach § 133 AFG (s. BSGE 49, 291 = SozR 4200 § 145 Nr. 1 ).
Die analoge Anwendung der im Prinzip vierjährigen Verjährungsfrist des SGB kommt allerdings gleichfalls nicht in Betracht. Hierfür mögen zwar Gründe des Sachzusammenhanges und der Vereinheitlichung der Verjährungsfristen sprechen. Indes würde eine solche Regelung nicht dem Sinn und Zweck von § 145 AFG, der die Rechtsfolgen für eine öffentlich-rechtliche Pflichtverletzung festlegt, entsprechen. Es wäre unbillig und würden den Interessen der Versichertengemeinschaft widerlaufen, wenn ausnahmslos mit Ablauf der vierjährigen Verjährungsfrist der Schadensersatzanspruch nicht mehr durchsetzbar wäre. Andererseits liegt es im Interesse des Rechtsfriedens und der Rechtsklarheit, daß mit der Durchsetzung von offenkundigen Schadensersatzansprüchen nicht ungebührlich lange gewartet wird. Deshalb entspricht es dem Sinn und Zweck des § 145 AFG eher, die für Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung maßgebliche Verjährungsvorschrift des § 852 BGB heranzuziehen.
Hiernach verjährt der Anspruch auf Ersatz des aus einer unerlaubten Handlung entstandenen Schadens in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in dreißig Jahren von der Begehung der Handlung an. Unerlaubte Handlung im Sinne dieser Bestimmung ist jeder zum Schadensersatz verpflichtende rechtswidrige Eingriff in fremde Rechte, wobei unerheblich ist, ob die Verpflichtung zum Schadensersatz im BGB oder in einem anderen Gesetz geregelt ist und ob sie auf schuldhaftem Verhalten oder auf Gefährdungshaftung beruht (Staudinger, BGB, § 852, RdNr 131; Soergel/Zeuner, BGB, § 852 4d Nr. 2A § 852 BGB enthält insoweit einen allgemeinen Rechtssatz (BGHZ 45, 58, 75 f.). Hier trifft allerdings die Schadensersatzpflicht den Arbeitgeber nicht deshalb, weil er in eine fremde Rechtssphäre eingegriffen hat, sondern weil er eine ihm auferlegte öffentlich-rechtliche Pflicht verletzt hat. Diese Pflichtverletzung löst zwar keine deliktische Haftung im Sinne von §§ 823 ff BGB aus. Wenn § 145 AFG Vorsatz oder Fahrlässigkeit des Arbeitgebers voraussetzt, so kommt damit nur zum Ausdruck, daß die Verpflichteten nach den allgemeinen Verschuldensgrundsätzen haften (so ausdrücklich BSG in SozR 4100 § 145 Nr. 2). Dem steht jedoch eine analoge Anwendung des § 852 BGB nicht entgegen. Der Schadensersatzanspruch aus 5 145 AFG ist die Folge einer pflichtwidrigen Handlung, nämlich der schuldhaften Verletzung der Mitwirkung aus § 133 AFG, die zugleich eine Ordnungswidrigkeit ist (§ 230 Abs. 1 Nr. 4 AFG). Dies zeigt, daß § 145 AFG die Rechtsfolgen aus einem objektiven rechtswidrigen Verhalten zieht, wie dies auch bei den unerlaubten Handlungen der Fall ist. Deshalb liegt es nahe, daß der Gesetzgeber, wenn er die Regelungslücke, die hinsichtlich der Verjährung des Schadensersatzanspruchs nach § 145 AFG besteht, entsprechend der für die unerlaubte Handlungen geltenden Regelung gefüllt hätte. Das entspricht auch der Interessenlage der Versichertengemeinschaft an der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Arbeitgeber, nicht durch eine relativ kurze Verjährungsfrist gehindert zu sein, unabhängig davon, ob die Beklagte Kenntnis von dem Schaden und der Person des Schädigers erlangt hat. Dem Interesse des Schädigers und der Allgemeinheit an einer Wahrung des Rechtsfriedens und der Rechtsklarheit ist damit gedient, daß beginnend mit dem Zeitpunkt der Pflichtverletzung eine Verjährungsfrist von dreißig Jahren läuft.
Die danach maßgebliche Verjährungsfrist von drei Jahren seit Kenntnis von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen kann nach den Feststellungen des LSG, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden ist, frühestens im Februar 1974 mit der erstmaligen Bewilligung der Leistungen und spätestens mit der Feststellung im Februar 1976, daß die Angaben in der Arbeitsbescheinigung über das erzielte Arbeitsentgelt unrichtig waren, begonnen haben. Bis zur Erhebung der Leistungsklage ab 21. Juli 1980 war sie daher abgelaufen. Dennoch ist die Beklagte nicht berechtigt, die Leistung zu verweigern, denn die Verjährung ist noch nicht vollendet (§ 222 BGB). Sie ist durch den Bescheid vom 1. November 1976 und den sich daran anschließenden Rechtsstreit über seine Rechtmäßigkeit unterbrochen worden. Das folgt ausdrücklich aus § 52 SGB X, der allerdings erst am 1. Januar 1981 in Kraft getreten ist (Art. II § 40 Abs. 1 SGB X). Es bestehen jedoch keine Bedenken, die in ihm enthaltenen Regelungen auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Er enthält keine neue gesetzliche Regelung, sondern eine Klarstellung des bisherigen Rechtszustandes, nach dem die Regelungen über die Hemmung und Unterbrechung der Verjährung im BGB auf öffentlich-rechtliche Ansprüche entsprechend anzuwenden waren (vgl. BSGE 8, 221; 19, 88, 90; 25, 73, 74; 28, 61, 62; 47, 131, 133; BVerwGE 48, 283). Im einzelnen stellt § 52 SGB X, der wörtlich mit § 53 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) übereinstimmt, den bisherigen Rechtszustand klar, daß auch ein auf die Durchsetzung eines Anspruchs gerichteter Verwaltungsakt u.a. in gleicher Weise wie die Klageerhebung die Verjährung unterbricht (vgl. BSG NJW 1970, 1567; BVerwGE 48, 279, 083; 34, 97, 98 ff.; Kopp VwVfG, 3. Aufl., § 53 Anm. 2). Er entspricht insoweit der Regelung des § 209 Abs. 1 BGB.
Unerheblich ist, daß der von der Beklagten erlassene Verwaltungsakt nach der Rechtsprechung des Senats rechtswidrig war, weil die Beklagte nicht befugt ist, einen Schadensersatzanspruch gemäß § 145 AFG durch Verwaltungsakt geltend zu machen (BSGE 49, 291 = SozR 4100, § 145 Nr. 1). Der Verwaltungsakt war wirksam geworden (vgl. § 39 SGB X). Das hat zur Folge, daß er die mit ihm beabsichtigten Rechtsfolgen auslöst. Nur von einem nichtigen Verwaltungsakt können keine Rechtswirkungen ausgehen. Ob ein solcher Verwaltungsakt dennoch geeignet ist, eine Unterbrechung der Verjährung herbeizuführen, kann dahingestellt bleiben. Der Bescheid vom 11. November 1976 war nicht nichtig. Das wäre nach der bisherigen Rechtsprechung, auf der § 40 SGB X beruht, nur dann der Fall, wenn er schlechthin unsinnig oder mißverständlich (BSGE 25, 251, 256 = SozR Nr. 15 zu § 156 SGG), sein Inhalt auch mit Hilfe der Begründung nicht klar und eindeutig feststellbar wäre, wenn er keine vollziehbare, befolgbare und vollstreckbare Entscheidung enthielte, die die erlassene Stelle nicht erkennen ließe. Nichtigkeit wäre auch anzunehmen, wenn die Beklagte für den Erlaß des Bescheides unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zuständig und damit absolut unzuständig gewesen wäre (BVerwGE 1, 67; 70; BSGE 9, 171, 178; 15, 282, 286; 24, 162, 167; SozR Nr. 48 zu § 77 SGG), oder wenn der Bescheid mit einem schweren Mangel behaftet gewesen wäre, der einem aufmerksamen und verständigen Staatsbürger ohne weiteres (offensichtlich) erkennbar gewesen wäre (BVerwGE 19, 284, 289; BSGE 24, 162, 165, 168; SozR 2200, § 1286 Nr. 2). Derartige Mängel enthielt der Bescheid jedoch nicht. Ihm fehlte für seinen Erlaß die Ermächtigungsgrundlage, was für einen Nichtjuristen nicht ohne weiteres erkennbar ist, zumal da es sich hier um ein öffentlich-rechtliches Verhältnis handelt. Die Klägerin hat diesen Verwaltungsakt zwar am 30. Mai 1980 zurückgenommen , wodurch das bisherige Verwaltungsverfahren beendet wurde. Sie hat jedoch bereits am 21. Juli 1980 Klage erhoben, also binnen sechs Monaten seit der Aufhebung des Verwaltungsaktes. Entsprechend § 212 Abs. 2 BGB gilt die Verjährung als durch den Erlaß des Bescheides vom 11. November 1976 unterbrochen. Dem Anspruch der Klägerin steht damit ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten nicht entgegen.
Nach § 145 Nr. 1 AFG ist, wer vorsätzlich oder fahrlässig - u.a. - eine Bescheinigung nach § 133 AFG nicht, nicht richtig oder nicht vollständig ausfüllt, der Klägerin zum Ersatz des daraus entstandenen Schadens verpflichtet. Die Beklagte war als Arbeitgeberin gemäß § 133 AFG verpflichtet, eine Bescheinigung unter Benutzung des von der Klägerin hierfür vorgesehenen Vordrucks auszustellen. Entgegen ihrer Auffassung verstößt diese Regelung nicht gegen Art. 12 Abs. 2 GG.
Die Verfassungsmäßigkeit ihrer Inanspruchnahme ist nicht an Art. 12 Abs. 2 Satz 1 GG, sondern aufgrund von Art. 12 Abs. 1 GG zu beurteilen. Wortlaut und Entstehungsgeschichte des Art. 12 Abs. 2 Satz 1 GG lassen erkennen, daß damit die im nationalsozialistischen System üblich gewordene Form der Zwangsarbeit mit ihrer Herabwürdigung der menschlichen Persönlichkeit ausgeschlossen werden sollte. Unter diesen Schutzbereich fällt die Inanspruchnahme der Arbeitgeber nicht. Sie stellt sich vielmehr als eine Regelung der Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG dar (BVerfGE 22, 380, 383). Diese ist, obwohl sie unentgeltlich ausgeübt werden muß, mit Art. 12, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 GG jedenfalls deshalb vereinbar, weil der Arbeitgeber dadurch nicht erheblich belastet wird und er dabei im Rahmen seiner sozialstaatlich gebotenen Fürsorgepflicht seinen bisherigen Arbeitnehmer bei der Verwirklichung von dessen Anspruch auf Alg oder Alhi unterstützt (vgl. BVerfGE 44, 103 f.).
Hier hat die Beklagte zwar die Arbeitsbescheinigung ausgestellt, diese war jedoch nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG unrichtig und ursächlich dafür, daß die Klägerin dem R… zu hohe Leistungen gewährt und zu hohe Beiträge zur Krankenversicherung für ihn abgeführt hat. Der Klägerin ist dadurch ein Schaden in Höhe von 5.099,90 DM entstanden. Allerdings wäre die unrichtige Arbeitsbescheinigung nicht ursächlich für den Schaden, wenn die darauf beruhende Überzahlung rückgängig gemacht werden könnte. Ob dies für die dem R… gewährten Leistungen gilt, kann in diesem Zusammenhang dahingestellt bleiben. Auf jeden Fall ist ihr dies hinsichtlich der überzahlten Krankenversicherungsbeiträge nicht möglich gewesen. § 155 Abs. 2 Satz 3 AFG schließt einen entsprechenden Erstattungsanspruch der Klägerin aus.
Der eingetretene Schaden ist schuldhaft verursacht worden. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat die für den Inhalt der Arbeitsbescheinigung verantwortliche Personalsachbearbeiterin fahrlässig gehandelt, was für die Begründung der Haftung gemäß § 145 AFG genügt. Irrig ist die Auffassung der Beklagten, sie brauche insoweit nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, welche sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflege (§ 277 BGB). Dem steht schon der klare Wortlaut von § 145 AFG entgegen, wonach das Verschulden bei der Verletzung der dort aufgeführten Pflichten in Vorsatz oder Fahrlässigkeit besteht. Abgesehen davon kann der in § 277 BGB aufgestellte Haftungsmaßstab auch deshalb hier keine Anwendung finden, weil hier die Haftung für ein Verhalten als Arbeitgeber, also als Teilnehmer am Geschäftsleben, begründet wird. § 277 BGB stellt aber gerade auf persönliche und altruistische Fälle ab (vgl. §§ 708, 1359, 1664, 2131 und § 690 BGB).
Nach § 276 Abs. 1 Satz 2 BGB handelt fahrlässig, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht läßt. Maßstab ist hierfür das Maß an Umsicht und Sorgfalt, das nach dem Urteil besonnener und gewissenhafter Angehöriger des betreffenden Verkehrskreises von den in seinem Rahmen Handelnden zu verlangen ist (BGH NJW 72, 151). Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG hat die Personalsachbearbeiterin der Beklagten die Hinweise in dem Vordruck der Klägerin für die Erteilung der Arbeitsbescheinigung nicht gelesen oder nicht beachtet und deshalb den Vordruck falsch ausgefüllt. Damit hat sie gegen die Pflichten verstoßen, die einem ordentlichen Personalsachbearbeiter obliegen, und mithin fahrlässig gehandelt. Wenn die Beklagte demgegenüber meint, die Erläuterungen in dem Vordruck für die Arbeitsbescheinigung seien unvollständig, dann nimmt sie eine andere tatsächliche Wertung als das LSG vor. Diese kann der Senat nicht berücksichtigen, da er an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden ist (§ 163 SGG).
Die Beklagte muß sich das Verhalten ihrer Personalsachbearbeiterin zurechnen lassen. Sie hat diese mit der Ausfüllung des Vordrucks beauftragt und sich ihrer damit zur Erfüllung ihrer Verpflichtung aus § 133 AFG bedient. Diese ist somit ihre Erfüllungsgehilfin. Der Grundsatz der Haftung für das Verschulden des Erfüllungsgehilfen gilt nicht nur im bürgerlichen Recht, sondern auch im Rahmen gesetzlicher Schuldverhältnisse und entsprechend bei öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen (BSGE 53, 212, 214 f. = SozR 4100 § 145 Nr. 2; SozR 4100 § 84 Nr. 2; Soergel/Siebert, BGB, 10. Aufl., § 278, RdNrn. 4 und 7; Hennig/Kühl/Heuer, AFG, 3 145 Anm. 3). Ebenso wie im privaten Rechtsverkehr der Schuldner sich zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten Dritter bedienen kann, dann aber im Interesse des Vertrauensschutzes des Gläubigers für das Verschulden des Dritten wie für eigenes Verschulden einzutreten hat, kann auch ein öffentlich-rechtlich Verpflichteter sich zwar eines Erfüllungsgehilfen bedienen, sich damit aber ebensowenig seiner eigenen öffentlich-rechtlichen Verpflichtung entziehen. Er haftet vielmehr ebenfalls für dessen Verschulden. Die Möglichkeiten und Notwendigkeiten der arbeitsteiligen Gesellschaft und die aus der Interessenabwägung der Beteiligten hergeleiteten Haftungsgrundsätze sind im bürgerlichen Recht wie im öffentlichen Recht nicht unterschiedlich zu bewerten. Gerade das Öffentliche Recht legt bestimmten Personen bestimmte Pflichten auf, die eine Abwälzung auf Dritte nicht erlaubt. Der öffentlich-rechtlich Verpflichtete kann sich ebenfalls nicht auf die sorgfältige Auswahl und Überwachung seiner Hilfspersonen entsprechend § 831 BGB berufen. Wenn § 145 Nr. 1 AFG ausdrücklich von dem Vorsatz oder der Fahrlässigkeit des Arbeitgebers spricht, so folgt daraus nicht, daß es sich um eine deliktische Haftung im Sinne von §§ 823 ff BGB handelt. Es kommt damit nur zum Ausdruck, daß die Verpflichteten nach den allgemeinen Verschuldungsgrundsätzen haften, wie bereits oben ausgeführt wurde und in dem vorstehend angeführten Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) dargelegt ist.
Das LSG ist auch zu Recht davon ausgegangen, daß § 254 BGB im vorliegenden Falle anwendbar ist. Diese Bestimmung ist als Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben bei der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten sinngemäß heranzuziehen (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB 41. Aufl., § 254 Anm. 2c; BGB, Münchener Kommentar - Grunsky, § 254 RdNr. 18; Wolff/Bachof, Verwaltungsrecht I, 9. Aufl., §§ 61 III und 62, Vb). Dies gilt zumindest für Schadensersatzansprüche aus Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten (vgl. Palandt/Heinrichs aaO mit Rechtsprechungsnachweisen). Dieser Auffassung stehen die von der Klägerin zitierten Urteile des BSG nicht entgegen, denn sie betreffen nur Erstattungsansprüche und nicht Schadensersatzansprüche.
Nach § 254 BGB hängt, wenn bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Beschädigten mitgewirkt hat, die Verpflichtung zum Ersatz sowie der Umfang des zu leistenden Ersatzes von den Umständen, insbesondere davon ab, inwieweit der Schaden von dem einen oder von dem anderen Teil verursacht worden ist. Erforderlich dabei ist, daß der Geschädigte die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch aufwendet, um sich vor Schaden zu bewahren.
Das LSG hat zutreffend ein Mitverschulden der Klägerin darin gesehen, daß der für die Leistungsfeststellung zuständige Sachbearbeiter, dessen Verschulden sich die Klägerin gemäß § 278 BGB anrechnen lassen muß, die Angaben aus der Arbeitsbescheinigung ungeprüft übernommen hat, obwohl sich ihm erhebliche Zweifel an deren Richtigkeit hätten aufdrängen müssen. Es hat hierzu festgestellt, daß sich bei einem überschlägigen Vergleich der Zahlen auf der Arbeitsbescheinigung für die Zeit von September bis November 1973 nicht nur ein im Durchschnitt der einzelnen Monate um ca. 50% schwankender, sondern für die Monate September und Oktober um einen Verdienst von 1.190,- DM bzw. 1.329,50 DM und eine Arbeitszeit von nur 99,5 bzw. 106,5 Stunden auch ein für einen Hilfsarbeiter gänzlich ungewöhnlicher Stundenlohn von 11,20 bis 12,50 DM ergibt. Aufgrund dieser Feststellungen rechtfertigt sich der Schluß, daß der Sachbearbeiter der Klägerin die Sorgfalt außer Acht gelassen hat, die ein verständiger Mensch aufwendet, um sich vor Schaden zu schützen.
Soweit die Klägerin demgegenüber meint, das Verhalten ihres Bediensteten führe auch dann, wenn man § 254 BGB anwenden wolle, nicht zu einem anrechenbaren Mitverschulden, nimmt sie eine andere tatsächliche Würdigung als das LSG vor, die der Senat nicht berücksichtigen kann. Hiernach ist das LSG insoweit zu Recht davon ausgegangen, daß bei der Entstehung des Schadens ein Verschulden des Geschädigten mitgewirkt hat, das sich auf den Umfang des zu leistenden Schadensersatzes auswirkt.
Die Rechtsauffassung des LSG, die Klägerin sei zunächst verpflichtet, zu versuchen, die überzahlten Leistungen vom Leistungsempfänger zurückzufordern, sofern dies hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet - anderenfalls liege darin ein Verstoß gegen die aus § 254 BGB folgende Schadensminderungspflicht -, ist zutreffend. Der Senat folgt der Auffassung des LSG auch darin, daß der Leistungsempfänger und der Arbeitgeber im vorliegenden Falle nicht als Gesamtschuldner haften und deshalb der Verpflichtung der Klägerin zunächst gegen den Leistungsempfänger vorzugehen, insoweit nichts im Wege steht. Zwar sind sowohl der Schadensersatzanspruch der Klägerin als auch der Rückforderungsanspruch nach § 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG a.F. auf die Erfüllung desselben Leistungsinteresses gerichtet. Jedoch fehlt es, wie das LSG richtig erkannt hat, an der für die Begründung der Gesamtschuld erforderlichen Zweckgemeinschaft (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 41. Aufl., § 421, Anm. 1d aa). Der Anspruch aus § 145 Nr. 1 AFG dient allein dazu, den der Klägerin entstandenen Schaden auszugleichen. Er ist mit der Verpflichtung versehen, Schaden von sich selbst abzuwenden. Der Anspruch nach § 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG soll dagegen eine ungerechtfertigte Vermögensverschiebung ausgleichen. Es besteht also insoweit in diesem Falle kein rechtlicher Zusammenhang zwischen den Forderungen, der Voraussetzung für eine Gesamtschuld ist (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 41. Aufl., § 421, Anm. 2).
Das LSG hat allerdings übersehen, daß der Umfang des zu ersetzenden Schadens gemäß § 254 BGB davon abhängt, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden ist. Es hat lediglich darauf abgestellt, daß ein Mitverschulden der Klägerin schon darin zu sehen sei, daß diese die Möglichkeit einer Rückforderung überhaupt nicht ernsthaft ins Auge gefaßt und so eine durchaus aussichtsreiche Möglichkeit der Schadensverringerung nicht wahrgenommen habe. Das genügt jedoch nicht, um die nach § 254 BGB erforderliche Feststellung zu treffen, daß dieses Verschulden bei der Entstehung des Schadens mitgewirkt hat, d.h. hierfür ursächlich geworden ist. Dies kann nur dann der Fall sein, wenn die Klägerin tatsächlich einen Rückforderungsanspruch gegenüber dem Leistungsempfänger gehabt haben sollte, d.h. wenn die Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 Nr. 2 AFG a.F. vorlagen und wenn der Anspruch auch tatsächlich durchsetzbar war. Nur dann kann die Unterlassung auch ursächlich für den Umfang des Schadens sein. Dieses Mitverschulden der Klägerin braucht also nicht zu einer Verminderung ihres Schadensersatzanspruches wegen der zu Unrecht an R.… erbrachten Leistungen zu führen; es kann ihn aber auch ganz oder teilweise (zusätzlich zu der Berücksichtigung des Verschuldens des Sachbearbeiters bei der Feststellung der Leistungen) zum Wegfall bringen. Ob und in welchem Umfang dies der Fall ist, läßt sich den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht entnehmen. Da das Revisionsgericht entsprechende Feststellungen nicht treffen kann, ist die Sache deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 SGG).
Das Urteil des Berufungsgerichts war in vollem Umfange aufzuheben. Seinen Feststellungen ist nicht zu entnehmen, in welchem Umfang ein Mitverschulden der Klägerin wegen eines Verstoßes gegen die Schadensminderungspflicht bei dem geltend gemachten Schadensersatzanspruch hinsichtlich der zuviel gezahlten Sozialleistungen berücksichtigt worden ist und in welchem Umfang der Schadensersatzanspruch hinsichtlich der überzahlten Krankenversicherungsbeiträge wegen des Verstoßes des Sachbearbeiters der Klägerin gegen seine Sorgfaltspflicht gekürzt worden ist.
Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen