Entscheidungsstichwort (Thema)
Kosten des Widerspruchsverfahrens. Anwaltskosten. Erhöhungsgebühr. Mehrere Auftraggeber. Gemeinschaftspraxis
Leitsatz (redaktionell)
- Der besondere vertragsarztrechtliche Status, mit dem eine Gemeinschaftspraxis an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, ist unteilbar. Er steht jedenfalls dann, wenn Ansprüche dieser Gemeinschaftspraxis verfolgt werden oder eine Gemeinschaftspraxis sich gegen Honorarkürzungen oder Arzneiregresse wehrt, einer Aufspaltung in mehrere einzelne Ärzte mit der Folge entgegen, dass diese dann gebührenrechtlich als mehrere Auftraggeber zu behandeln wären.
- Die Tätigkeit eines Rechtsanwalts für eine Gemeinschaftspraxis gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung bzw. den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung erfolgt damit nur für einen und nicht für mehrere Auftraggeber. Eine Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO bzw. eine Gebühr nach der ab 01.07.2004 geltenden Nr. 1008 des Teils 1 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG fällt nicht an.
Normenkette
SGB X § 63; BRAGO § 6 Abs. 1 S. 2, § 118 Abs. 1; VV-RVG Nr. 1008
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 08.12.2002) |
SG Kiel (Gerichtsbescheid vom 17.12.2001) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 2002 aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 17. Dezember 2001 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die außergerichtlichen Kosten des Beklagten für das Berufungs- und das Revisionsverfahren als Gesamtschuldner zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Höhe der den Klägern für ein erfolgreiches Widerspruchsverfahren zu erstattenden Anwaltskosten.
Die drei in einer Gemeinschaftspraxis zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Kläger hatten gegen einen Bescheid des Prüfungsausschusses über eine Kürzung ihres vertragsärztlichen Honorars wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise Widerspruch eingelegt. Der beklagte Beschwerdeausschuss gab dem Widerspruch teilweise statt und ordnete an, dass den Klägern 40 % ihrer Kosten zu erstatten seien.
Ausgehend von einem – nicht umstrittenen – Gegenstandswert von 13.042,43 DM machten die Kläger erstattungsfähige Anwaltskosten in Höhe von insgesamt 701,62 DM geltend. Darin waren – was im Revisionsverfahren allein von Interesse ist – eine 45/100 Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs 1 Satz 2 Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) in Höhe von 132,32 DM sowie die darauf entfallende Umsatzsteuer in Höhe von 21,17 DM enthalten.
Der Beklagte erstattete den Klägern nur 548,13 DM. Den Ansatz der Erhöhungsgebühr lehnte er mit der Begründung ab, bei Gemeinschaftspraxen sei der Tatbestand der anwaltlichen Vertretung mehrerer Auftraggeber nicht erfüllt.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage auf Zahlung weiterer 153,49 DM abgewiesen. Die Kläger könnten eine Erstattung der Erhöhungsgebühr nicht beanspruchen. Die Gemeinschaftspraxis sei im sozialgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig und als eine Rechtsperson anzusehen.
Auf die vom SG zugelassene Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) dessen Gerichtsbescheid aufgehoben, den Bescheid des Beklagten geändert und diesen verurteilt, den Klägern weitere 78,48 Euro zu erstatten. Die Kläger hätten Anspruch auf die Erstattung der Erhöhungsgebühr, weil ihre Rechtsanwälte im Rechtssinne mehrere Auftraggeber vertreten hätten (Urteil vom 18. Dezember 2002, veröffentlicht in NZS 2003, 336).
Mit seiner Revision rügt der Beklagte, die vom LSG vorgenommene Auslegung des § 6 Abs 1 BRAGO sei unzutreffend. Rechtsanwälte, die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung eine Gemeinschaftspraxis verträten, würden für einen und nicht für mehrere Auftraggeber tätig. Der Ansatz der Erhöhungsgebühr sei deshalb nicht gerechtfertigt.
Der Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 18. Dezember 2002 aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 17. Dezember 2001 zurückzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend. Es müsse zwischen der Ermittlung des Gegenstandswertes, der bei Honorarforderungen einer Gemeinschaftspraxis möglicherweise höher sei als bei derjenigen von Einzelärzten, und der Frage, ob bei der Vertretung von in einer Gemeinschaftspraxis tätigen Ärzten der Erhöhungstatbestand der Vertretung mehrerer Auftraggeber zutreffe, unterschieden werden. Auf die Beteiligten- bzw Parteifähigkeit der Gemeinschaftspraxis in einem sozialgerichtlichen Verfahren oder in einem Zivilprozess komme es im Übrigen bei der Anwendung des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO nicht an.
Die Beigeladenen äußern sich im Revisionsverfahren nicht.
Alle Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision des Beklagten hat Erfolg. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht den Gerichtsbescheid des SG abgeändert. Dieses hat zutreffend entschieden, dass der Beklagte die Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO nicht zu erstatten hat.
Rechtsgrundlage der Erstattungsforderung der Kläger ist § 63 Abs 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Die Vorschrift findet trotz der teilweise rechtlich anderen Ausgestaltung des Verfahrens auch im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung Anwendung (vgl BSG SozR 1300 § 63 Nr 12). Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren sind erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war (§ 63 Abs 2 SGB X). Die letztgenannte Voraussetzung ist hier erfüllt, was der Beklagte zwar nicht ausdrücklich entschieden, in der Sache aber nicht in Frage gestellt hat.
Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts für die Tätigkeit im Vorverfahren, die grundsätzlich erstattungsfähig sind, ergeben sich aus den Bestimmungen des anwaltlichen Gebührenrechts (vgl von Wulffen/Roos, SGB X, 4. Aufl 2001, § 63 RdNr 29). Maßgeblich sind für den Rechtszustand bis zum Inkrafttreten des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) am 1. Juli 2004 (Art 8 Satz 1 iVm Art 6 Nr 4 und Art 3 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004, BGBl I 718) die Vorschriften der BRAGO. Der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts ergibt sich aus § 118 Abs 1 BRAGO, weil die Vertretung eines Mandanten im verwaltungsverfahrensrechtlichen Vorverfahren im dritten bis elften Abschnitt der BRAGO nicht geregelt ist. Welche Gebührenvorschriften in einem sozialrechtlichen Verfahren zur Anwendung kommen, folgt aus dem insoweit lückenfüllend heranzuziehenden § 116 BRAGO. Seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. Juni 1967 ist geklärt, dass der Rechtsanwalt für die vorprozessuale Tätigkeit in Sozialversicherungssachen grundsätzlich nur die Rahmengebühr des § 116 Abs 1 BRAGO beanspruchen kann (BGHZ 48, 134). Sofern aber eine Materie betroffen ist, bei der sich die Anwaltsgebühren in einem sozialgerichtlichen Verfahren nach dem Gegenstandswert richten (§ 116 Abs 2 BRAGO), errechnen sich die Anwaltsgebühren für das Widerspruchsverfahren ebenfalls auf der Grundlage des Gegenstandswertes. Auch die allgemeinen Bestimmungen der BRAGO – wie diejenigen über die gebührenrechtlichen Konsequenzen einer Vertretung mehrerer Auftraggeber in derselben Angelegenheit – sind bei einem auf § 63 Abs 1 SGB X beruhenden Kostenerstattungsanspruch anwendbar.
Zutreffend hat das SG auf dieser Grundlage entschieden, dass den Klägern der Erhöhungstatbestand des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung nicht zugute kommt. Nach Satz 1 dieser Vorschrift erhält der Rechtsanwalt in derselben Angelegenheit die Gebühren nur einmal, auch wenn er für mehrere Auftraggeber tätig wird. Nach Satz 2 aaO erhöhen sich die Geschäftsgebühr (§ 118 Abs 1 Nr 1 BRAGO) und die Prozessgebühr (§ 31 Abs 1 Nr 1 BRAGO) bei identischem Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit durch jeden weiteren Auftraggeber um 3/10. Diese Vorschrift, deren Regelungsinhalt seit dem Inkrafttreten des RVG am 1. Juli 2004 in der Nr 1008 des Teils 1 des Vergütungsverzeichnisses niedergelegt ist, ist aber jedenfalls dann nicht anzuwenden, wenn der Rechtsanwalt eine vertragsärztliche Gemeinschaftspraxis in vertragsarztrechtlichen Streitigkeiten vertritt und die Kosten von Dritten zu erstatten sind. Angesichts der typisierenden und generalisierenden Regelung des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO kommt es entscheidend darauf an, ob an der betreffenden Angelegenheit, in der der Rechtsanwalt tätig wird, mehrere rechtsfähige oder doch im Rechtsverkehr so behandelte natürliche oder juristische Personen beteiligt sind (BGH, Beschluß vom 16. März 2004 – VIII ZB 114/03, NJW-RR, 2004, 1006). Die Tätigkeit des Rechtsanwalts für eine Gemeinschaftspraxis gegenüber der KÄV bzw den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung erfolgt in diesem Sinne nur für einen und nicht für mehrere Auftraggeber.
Die dem entgegenstehende Auffassung der Kläger, allein die vertraglichen Verabredungen zwischen ihnen und ihrem Rechtsanwalt seien maßgeblich dafür, ob der Tatbestand der Tätigkeit des Anwalts für “weitere” Auftraggeber gegeben sei, trifft nicht zu. Die vertraglichen Vereinbarungen mögen – worüber hier nicht zu entscheiden ist – im Innenverhältnis zwischen den Ärzten und ihren Anwälten Bedeutung haben, wirken sich aber auf die Höhe des Erstattungsanspruchs gegen Dritte nicht aus, der den Klägern nach § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X gegen den Beklagten zusteht. Zwar bestimmt § 63 Abs 2 SGB X, dass die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts grundsätzlich erstattungsfähig sind, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, doch konkretisiert das lediglich die Anspruchnorm des § 63 Abs 1 Satz 1 SGB X. Darin wird der Anspruch auf die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung “notwendigen” Aufwendungen begrenzt. Damit sind die dem Rechtsanwalt zustehenden gesetzlichen Gebühren gemeint und nicht etwa eine im Wege einer Honorarvereinbarung festgelegte Vergütung. Darüber besteht in Rechtsprechung und Schrifttum Einigkeit. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 24. April 1996 entschieden, dass im Rahmen des § 63 Abs 1 und 2 SGB X nur die Kosten eines Bevollmächtigten erstattungsfähig sind, der nach einer gesetzlichen Gebührenordnung abrechnen kann. Zur Begründung hat es auf § 91 Abs 2 Zivilprozessordnung (ZPO) hingewiesen, wonach von der unterlegenen Partei die “gesetzlichen” Gebühren des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei zu erstatten sind (BSGE 78, 159, 161 = SozR 3-1300 § 63 Nr 7 S 25). Im Zivilprozess sind die Anwaltskosten einer Partei, die wegen einer Honorarvereinbarung nach § 3 BRAGO aF höher sind als die gesetzlichen Gebühren, nicht erstattungsfähig (Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl 2004, § 91 Stichwort: “Sondervergütung”). Nach § 162 Abs 2 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der über § 197a SGG auch für bestimmte sozialgerichtliche Verfahren gilt, sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig; darunter fallen ebenfalls nur die gesetzlich vorgesehenen Gebühren, nicht dagegen höhere vereinbarte Honorare (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl 2003, § 162 RdNr 10a). Die Begrenzung der erstattungsfähigen Anwaltsgebühren auf die “gesetzlichen” Gebühren gilt auch im Rahmen des § 63 Abs 1 und 2 SGB X (BSGE 78, 159, 161/162 = SozR 3-1300 § 63 Nr 7 S 25/26). Daraus folgt, dass selbst dann, wenn die Kläger ihren Rechtsanwalt zur Führung des Widerspruchsverfahrens ausdrücklich ohne Hinweis auf ihre Tätigkeit in einer vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis beauftragt haben sollten und im Innenverhältnis der Erhöhungstatbestand des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO eingreifen würde, ihre Erstattungsforderung gegenüber dem Beklagten ohne Erhöhung zu berechnen ist.
Diese Rechtsfolge tritt unabhängig davon ein, ob gesellschaftsrechtliche Grundlage der Gemeinschaftspraxis eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (BGB-Gesellschaft) ist und diese als fähig angesehen wird, im Rechtsverkehr an Verwaltungsverfahren (§ 12 SGB X) und/oder an gerichtlichen Verfahren (§ 50 ZPO, § 70 SGG) teilzunehmen. Die Frage, ob die Prozessvertretung einer BGB-Gesellschaft die Erhöhungsgebühr nach § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO auslöst, war lange Zeit streitig (zum Meinungsstand s BGH, Beschluss vom 18. Juni 2002 – VIII ZB 6/02, NJW 2002, 2958). Sie ist inzwischen geklärt worden. Der BGH hat die BGB-Gesellschaft mit Urteil vom 29. Januar 2001 (BGHZ 146, 341) als grundsätzlich parteifähig angesehen (vgl zu den Auswirkungen für in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft betriebene Gemeinschaftspraxen: Engelmann, ZMGR 2004, 3, 6 f, mwN). Das hat zur Folge, dass die Gesellschaft selbst – und nicht mehr ihre Mitglieder in gesamthänderischer Verbundenheit – klagen und verklagt werden kann. In gebührenrechtlicher Hinsicht kann im Falle der Vertretung “der” Gesellschaft der Erhöhungstatbestand des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO nicht mehr anfallen.
Allerdings hat der BGH für eine Klage der Gesellschafter eines in der Rechtsform der BGB-Gesellschaft betriebenen Immobilienfonds, die wenige Monate nach Verkündung des Urteils des BGH vom 29. Januar 2001 erhoben worden ist, im Hinblick auf die noch nicht hinreichend klare Rechtslage die Erhöhungsgebühr für ansatz- und erstattungsfähig gehalten (Beschluss vom 18. Juni 2002 – VIII ZB 6/02, NJW 2002, 2958) und weiter angenommen, erst seit Bekanntwerden des Beschlusses des BGH vom 18. Februar 2002 (II ZR 331/00, NJW 2002, 1207) sei die Parteifähigkeit der BGB-Gesellschaft hinreichend geklärt gewesen (Beschluss vom 26. Februar 2003, VIII ZB 69/02, JurBüro 2004, 145). Auf einen derartigen Vertrauenstatbestand können sich die Kläger hier indessen nicht berufen, obwohl das Widerspruchsverfahren, dessen Kosten streitbefangen sind, schon vor Bekanntwerden des BGH-Urteils vom 29. Januar 2001 abgeschlossen war. Denn wenn eine Gemeinschaftspraxis gegenüber der KÄV bzw den Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen Ansprüche geltend macht, die ihr als solcher und nicht jedem einzelnen der ihr angehörenden Ärzte zustehen, liegt unabhängig von der gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung ihrer Gemeinschaftspraxis der gebührenrechtliche Tatbestand der Vertretung einer Mehrzahl von Auftraggebern ohnehin nicht vor.
Die Gemeinschaftspraxis iS des § 33 Abs 2 Satz 1 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ist durch die gemeinsame Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch mehrere Ärzte der gleichen oder ähnlicher Fachrichtung in gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxisausrichtung, gemeinsamer Karteiführung und Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung geprägt (zuletzt Senatsurteile vom 16. Juli 2003, B 6 KA 49/02 R – BSGE 91, 164, 170 RdNr 19 = SozR 4-5520 § 33 Nr 1 RdNr 18 – und B 6 KA 34/02 R – SozR 4-5020 § 33 Nr 2 RdNr 18). Sie ist berechtigt, ihre Leistungen unter einer einzigen Abrechnungsnummer gegenüber der zuständigen KÄV abzurechnen und tritt dieser dementsprechend wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber. Rechtlich gesehen ist eine Gemeinschaftspraxis eine Praxis (vgl zum Ganzen auch Engelmann in: von Wulffen/Krasney, Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht, 2004 S 429, 435). Sie verfügt über eine gemeinschaftliche Patientendatei und rechnet die erbrachten Leistungen unter einem Namen ab. Die Behandlung eines Patienten in einem Quartal durch verschiedene Mitglieder der Gemeinschaftspraxis stellt sich als ein Behandlungsfall dar. Die Wirtschaftlichkeit der Behandlungs- und Verordnungsweise wird nicht bezogen auf den einzelnen Arzt, sondern bezogen auf die Gemeinschaftspraxis als Einheit geprüft; etwaige Honorarkürzungen und/oder Regresse hat die Gemeinschaftspraxis zu tragen. Auch die für Vertragsärzte geltenden Vertretungsregelungen (§ 32 Ärzte-ZV) beziehen sich auf die Praxis als Gesamtheit; der Vertretungsfall tritt nicht ein, solange auch nur ein Arzt der Gemeinschaftspraxis weiterhin tätig ist (Senatsurteil vom 19. August 1992 – 6 RKa 35/90 – MedR 1993, 279). Schließlich werden in einer Gemeinschaftspraxis die Behandlungsverträge nicht zwischen Patient und behandelndem Arzt, sondern zwischen ihm und der Gemeinschaftspraxis geschlossen.
Dieser besondere vertragsarztrechtliche Status, mit dem eine Gemeinschaftspraxis an der vertragsärztlichen Versorgung teilnimmt, ist unteilbar. Er steht jedenfalls dann, wenn Ansprüche dieser Gemeinschaftspraxis verfolgt werden oder eine Gemeinschaftspraxis sich gegen Honorarkürzungen oder Arzneiregresse wehrt, einer Aufspaltung in mehrere einzelne Ärzte mit der Folge entgegen, dass diese dann gebührenrechtlich als mehrere Auftraggeber zu behandeln wären. Wenn Ärzte für sich die Vorteile der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit unter dem besonderen Status der Gemeinschaftspraxis in Anspruch nehmen, können sie in gebührenrechtlicher Hinsicht gegenüber den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung nicht beanspruchen, als einzelne Ärzte bzw iS des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO als weitere Auftraggeber behandelt zu werden (in diesem Sinne zB: SG Hamburg, MedR 2002, S 667 ff; SG Dortmund, MedR 1994, 169, sowie Wenner/Bernard, NZS 2001, 57, 66; dieselben, NZS 2003, 568; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung, 15. Aufl 2002, § 6 RdNr 12a). Der abweichenden Auffassung des Berufungsgerichts im angefochtenen Urteil (ähnlich auch LSG Schleswig-Holstein Urteil vom 20. Februar 2002 – L 4 KA 11/01, NZS 2003, 166, 167 ff sowie aus dem Schrifttum etwa von Wulffen/Roos, aaO, Anhang zu § 63 RdNr 28) kann aus den dargelegten Gründen nicht gefolgt werden.
Für die Nichtanwendbarkeit des Erhöhungstatbestandes gemäß § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO auf die Prozessvertretung einer Gemeinschaftspraxis in vertragsarztrechtlichen Streitigkeiten sprechen im Übrigen auch wirtschaftliche Erwägungen. Der Umsatz aus vertragsärztlicher Tätigkeit, der für die Ermittlung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit in zahlreichen vertragsärztlichen Verfahren von Bedeutung ist (vgl zuletzt Senatsurteil vom heutigen Tage im Verfahren B 6 KA 15/04 R), ist bei einer aus mehreren Ärzten bestehenden Gemeinschaftspraxis typischerweise höher als bei einer Einzelpraxis. Das gilt entsprechend auch bei prozentualen Kürzungen von Honorarforderungen im Rahmen der vertragsärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung (§ 106 SGB V), die hier betroffen sind. Würde der Erhöhungstatbestand zur Anwendung kommen, läge eine nicht gerechtfertigte Privilegierung des Rechtsanwalts auf der einen und eine ungerechtfertigte Belastung der erstattungspflichtigen Institutionen auf der anderen Seite vor. Daran ändert nichts, dass diese wirtschaftliche Erwägung immer dann nicht zum Tragen kommt, wenn mangels konkreter Anhaltspunkte der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Regelstreitwert von derzeit 5.000 € zu bemessen ist (§ 3 Abs 1 Satz 2, § 23 Abs 1 Satz 1 RVG iVm § 52 Abs 2 GKG in der ab 1. Juli 2004 geltenden Fassung). Der Erhöhungstatbestand des § 6 Abs 1 Satz 2 BRAGO soll in typisierender und pauschalierender Weise den Mehraufwand des Rechtsanwalts abdecken, der eintritt, wenn er sich mit mehreren Auftraggebern mit möglicherweise unterschiedlichen Interessen und Ansichten auseinander zu setzen hat. Soweit indessen Ansprüche betroffen sind, die der Gemeinschaftspraxis als solcher zustehen und nur von dieser verfolgt bzw abgewehrt werden können, spielt der Gesichtspunkt, dass die Gemeinschaftspraxis aus mehreren Ärzten besteht, im Hinblick auf den Aufwand des Rechtsanwalts keine Rolle.
Schließlich entspricht die Behandlung der Gemeinschaftspraxis als einer Rechtspersönlichkeit im gebührenrechtlichen Sinne der Rechtspraxis bei Anwaltssozietäten, und zwar auch schon zu einem Zeitpunkt, als die BGB-Gesellschaft, die regelmäßig den rechtlichen Rahmen sowohl für Anwaltssozietäten als auch für Gemeinschaftspraxen abgibt, noch nicht als parteifähig angesehen wurde. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum hat die Anwaltssozietät im Verhältnis zum Mandanten als Einheit behandelt, weil nur so den aus der Sicht des Mandanten bestehenden “Bedenken” sowie der “Unbilligkeit” der Annahme einer Mehrheit von Auftraggebern entgegengewirkt werden könne (Fraunholz in: Riedel/Sußbauer, BRAGO, 8. Aufl 2000, § 6 RdNr 13, mit umfangreichen Nachweisen). Bei Passivprozessen von als BGB-Gesellschaft konstituierten Anwaltssozietäten hängt die Anwendbarkeit des Erhöhungstatbestandes einer Mehrheit von Auftraggebern davon ab, ob die Sozietät als solche oder deren einzelne Mitglieder in Anspruch genommen werden sollen (OLG Schleswig, MDR 2003, 1202). In Aktivprozessen einer Anwaltssozietät wegen einer Honorarforderung fällt ein Mehrvertretungszuschlag nicht an, weil die Sozietät dem Mandanten gegenüber zur Geringhaltung der Kosten verpflichtet ist und sie deshalb die Einziehung durch eines ihrer Mitglieder erledigen lassen muss (BGH NJW-RR 2004, 489). Ähnlich wie aus der Perspektive des Mandanten, der eine größere Sozietät mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt und diese als Einheit sowohl in haftungs- als auch in gebührenordnungsrechtlicher Hinsicht ansieht, steht der KÄV und den Gremien der Wirtschaftlichkeitsprüfung die Gemeinschaftspraxis als Einheit gegenüber. Soweit die Ärzte dieser Gemeinschaftspraxis durch die Gestaltung der Verträge mit ihrem Rechtsanwalt über die Vertretung in einem Widerspruchs- oder Klageverfahren einen Mehrvertretungstatbestand schaffen, führt das jedenfalls nicht dazu, dass dies für die KÄV oder die betroffenen Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen in gebührenrechtlicher Hinsicht beachtlich wäre.
Die Kostenentscheidung ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 Abs 1 und 4, § 194 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24 S 115 ff).
Fundstellen