Leitsatz (redaktionell)

1. Die Abänderung oder Rücknahme eines Bescheides nach KOVVfG § 41 wirkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem der rechtswidrige Bescheid erlassen worden ist, jedoch nicht auf die Zeit vor dem Inkrafttreten des KOVVfG am 1955-04-01.

Daraus folgt jedoch nicht, daß von der Versorgungsbehörde nur Bescheide geändert oder zurückgenommen werden könnten, die erst nach dem 1955-03-31 ergangen sind.

Die Versorgungsbehörde kann auch vor dem 1955-04-01 erlassene Bescheide durch Erteilung eines Berichtigungsbescheides nach dem Inkrafttreten des KOVVfG und seines § 41 abändern oder zurücknehmen, mit der Folge, daß die auf KOVVfG § 41 gestützten Abänderungen oder Rücknahmen bis auf den 1955-04-01 zurückwirken.

2. Allein das Wort "Umanerkennung" in der Überschrift eines Bescheides kann diesem nicht den Charakter eines Umanerkennungsbescheides verleihen. Wesentlich und entscheidend ist vielmehr sein das Rechtsverhältnis nach dem BVG regelnder Inhalt.

3. Wird eine Kontrakturstellung der Hände als Folge einer Schädigung iS des BVG § 1 anerkannt und handelt es sich dabei um eine Dupuytren'sche Kontraktur, die ohne Wehrdienst und ohne Verwundung im selben Umfang vorhanden wäre, so ist der Anerkennungsbescheid tatsächlich und rechtlich unrichtig und kann nach KOVVfG § 41 berichtigt werden.

 

Normenkette

KOVVfG § 41 Fassung: 1955-05-02; BVG § 1 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20, § 85 Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 23. Januar 1963 und des Sozialgerichts Münster vom 28. Februar 1958 dahingehend abgeändert, daß der Berichtigungsbescheid vom 25. Februar 1957 hinsichtlich des BVG-Bescheides vom 11. September 1952 bestehen bleibt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger, der im 1. Weltkrieg Soldat gewesen und nach seinen Angaben im Jahre 1915 durch Granatsplitter an beiden Händen verwundet worden ist, beantragte im Oktober 1948 die Wiederzahlbarmachung der in seiner früheren Heimat (T) bezogenen Versorgungsrente. Die ärztliche Untersuchung am 11. Januar 1949 ergab eine Kontrakturstellung an beiden Händen, die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde auf 50 v. H. geschätzt. Mit Bescheid vom 25. März 1949 erkannte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen nach der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD 27) "durch Granatsplitterverletzung Kontrakturstellung durch Narben an beiden Händen" als infolge militärischen Dienstes entstandene Gesundheitsschädigung an und bewilligte vom 1. August 1947 an eine Rente nach einer MdE um 50 v. H.

Auf den Rentenerhöhungsantrag vom 5. November 1949 wurde der Kläger in der Chirurgischen Klinik und Poliklinik der Universität M untersucht. Hierbei kamen die Gutachter Dr. R und Dr. H zu dem Ergebnis (Gutachten vom 22. April 1950), daß es sich bei der anerkannten Gesundheitsstörung "um eine echte Dupuytren'sche Kontraktur beider Hände" handle, die mit der bis dahin als ursächlich angesehenen Verwundung oder anderen Einwirkungen des militärischen Dienstes nicht im Zusammenhang stehe. Die LVA erteilte daraufhin einen auf § 608 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gestützten Rentenentziehungsbescheid (vom 26. Oktober 1950), mit dem unter Abänderung der Leidensbezeichnung in "reizlose kleine Narben nach Granatsplitterverletzung an beiden Händen" (MdE weniger als 30 v. H.) die Zahlung der laufenden Rente mit Ende November 1950 eingestellt wurde. Den dagegen eingelegten Einspruch wies der Beschwerdeausschuß unter Hinweis auf die nach seiner Auffassung - statt des § 608 RVO - anzuwendende Nr. 26 der Sozialversicherungsanordnung Nr. 11 (SVA 11) mit seiner Entscheidung vom 4. April 1951 als unbegründet zurück. Die hiergegen eingelegte Berufung zum Oberversicherungsamt (OVA) nahm der Kläger zurück, nachdem das Versorgungsamt M mit "Umanerkennungsbescheid" vom 11. September 1952 die ursprüngliche Leidensbezeichnung "durch Granatsplitterverletzung Kontrakturstellung durch Narben an beiden Händen" nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) übernommen und auch eine Rente nach einer MdE um 50 v. H. (vom 1. Oktober 1950 an) bewilligt hatte.

Im Mai 1956 kam die Versorgungsbehörde auf das Gutachten der Dres. R und H vom 22. April 1950 zurück und erließ am 25. Februar 1957 einen auf § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) gestützten Berichtigungsbescheid. Mit ihm wurde festgestellt, daß der SVD-Bescheid vom 25. März 1949 und der Umanerkennungsbescheid nach dem BVG vom 11. September 1952 mit der Anerkennung "durch Granatsplitterverletzung Kontrakturstellung durch Narben an beiden Händen" als Schädigungsleiden tatsächlich und rechtlich zweifelsfrei unrichtig gewesen seien, weil es sich bei dem Leiden um eine auf eine vererbbare und entwicklungsgeschichtliche Störung zurückzuführende Dupuytren'sche Kontraktur an beiden Händen handle, die mit den Granatsplitterverletzungen nichts zu tun habe; als Schädigungsleiden seien nur noch "reizlose kleine Narben nach Granatsplitterverletzung", hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG, anzuerkennen, die Gewährung einer Rente dafür sei nicht gerechtfertigt, deshalb werde die laufende Rentenzahlung nach einer MdE um 50 v. H. mit Ende März 1957 eingestellt; die Entscheidung über einen etwaigen Rückforderungsanspruch bleibe vorbehalten. Der Widerspruch des Klägers gegen diesen Berichtigungsbescheid wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1957 zurückgewiesen.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Münster mit Urteil vom 28. Februar 1958 den Berichtigungsbescheid vom 25. Februar 1957 und den Widerspruchsbescheid vom 13. Juni 1957 aufgehoben; die früheren Bescheide seien zu Unrecht berichtigt worden, weil die voneinander abweichenden Ergebnisse der Gutachten vom 11. Januar 1949 und 22. April 1950 lediglich auf unterschiedlichen Diagnosen der Gutachter beruht hätten; das Leiden als solches sei aber unverändert geblieben, deshalb liege eine Berichtigungsmöglichkeit nach § 41 VerwVG nicht vor.

Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen noch ein Gutachten des Chirurgen Dr. Sch (Dr. R) vom D-Hospital in L (vom 30. Mai 1962) eingeholt, in dem - wie im Gutachten der Dres. R und H vom 22. April 1950 - das Leiden des Klägers als Dupuytren'sche Kontraktur in beiden Hohlhänden diagnostiziert und ein Ursachenzusammenhang mit der Granatsplitterverletzung verneint worden ist. In Ergänzung dieses Gutachtens haben die Dres. Sch und P am 5. November 1962 schließlich noch mitgeteilt, daß "in der Beurteilung des Leidens des Klägers in den letzten Jahren keine Wandlung der medizinischen Auffassung bezüglich des Wesens der Dupuytren'schen Kontraktur eingetreten sei", bei der Begutachtung am 11. Januar 1949 sei offenbar eine Fehldiagnose gestellt worden.

Mit Urteil vom 23. Januar 1963 hat das LSG die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG zurückgewiesen. Es hat ausgeführt: Entgegen der Auffassung des SG sei auf Grund der schlüssigen und überzeugenden Gutachten vom 22. April 1950 und 30. Mai 1962 (mit Ergänzung vom 5. November 1962) davon auszugehen, daß die Anerkennung der Handversteifungen beim Kläger sachlich zweifelsfrei unrichtig gewesen sei, denn das Leiden sei weder durch die Verwundung noch durch andere Einwirkungen des militärischen Dienstes hervorgerufen oder verschlimmert worden. Trotzdem könne aber der Berichtigungsbescheid vom 25. Februar 1957 nicht aufrechterhalten werden. Denn § 41 VerwVG, auf den dieser Bescheid gestützt sei, decke die Rücknahme der Anerkennung und Rentenbewilligung mit Bescheid vom 11. September 1952 nicht, wenn man das VerwVG als eine erschöpfende und abschließende Regelung der Berichtigungsmöglichkeiten vom 1. April 1955 an ansehe. § 41 VerwVG setze nämlich voraus, daß die zu berichtigenden Bescheide im Zeitpunkt ihres Erlasses tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen seien. Rechtlich sei aber der Bescheid vom 11. September 1952 im Zeitpunkt seines Erlasses in Ordnung gewesen. Denn er habe (richtig) entsprechend § 85 BVG die damals letzte verbindliche Regelung des SVD-Bescheides vom 25. März 1949 übernommen. Daß die Umanerkennung nur ein formeller Verwaltungsakt und keine neue Sachentscheidung sei, spiele dabei keine Rolle. Der Widerruf bzw. die Rücknahme der Anerkennung vom 25. März 1949 durch die Entscheidungen vom 26. Oktober 1950 und 4. April 1951 habe an der Rechtmäßigkeit der Umanerkennung vom 11. September 1952 nichts geändert. Denn damals am 11. September 1952 habe noch das Berufungsverfahren vor dem OVA geschwebt, so daß der Bescheid vom 25. März 1949 der letzte verbindliche Verwaltungsakt gewesen sei. Er sei auch nicht als durch den Berichtigungsbescheid vom 25. Februar 1957 nach § 41 VerwVG beseitigt anzusehen. Denn da diese Vorschrift nicht weiter als bis zum 1. April 1955 zurückwirke, könne mit ihr die Existenz des SVD-Bescheides im Zeitpunkt der Umanerkennung am 11. September 1952 nicht vernichtet worden sein. Soweit im übrigen der Berichtigungsbescheid eine vom 1. April 1955 an wirksame Rücknahmeerklärung des SVD-Bescheides enthalte, sei sie gegenstandslos, weil durch die Rücknahme der OVA-Berufung die Neufeststellung vom 26. Oktober 1950 verbindlich geworden und damit der später berichtigte Teil des Bescheides vom 25. März 1949 ohnehin bereits erledigt gewesen sei. In weiteren eingehenden Ausführungen hat sich das LSG in seinem Urteil noch mit den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts und mit der Nr. 26 SVA 11 befaßt. Letztere sei - zugunsten des Beklagten - nicht anwendbar, weil sie bereits am 31. Dezember 1952 außer Kraft getreten sei. Die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts aber könnten - zuungunsten des Klägers - für die Zeit vor dem 1. April 1955 nicht angewandt werden, weil das Vertrauen des jetzt 77 Jahre alten Klägers auf den Bestand der ihn begünstigenden Verwaltungsakte gegenüber dem öffentlichen Interesse (des Beklagten) an deren Beseitigung überwiege. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses ihm am 16. Februar 1963 zugestellte Urteil des Berufungsgerichts hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 13. März 1963, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 15. März 1963, Revision eingelegt; der Schriftsatz enthält auch eine erste vorläufige Begründung der Revision. Mit einem weiteren Schriftsatz vom 10. April 1963, eingegangen am 16. April 1963, hat der Beklagte zu seiner Revisionsbegründung noch nähere Ausführungen gemacht. Er rügt hauptsächlich die Verletzung der §§ 41 VerwVG, 85 BVG und trägt vor, entgegen der Auffassung des LSG sei der Umanerkennungsbescheid vom 11. September 1952 rechtlich außer Zweifel unrichtig gewesen, so daß er auch habe berichtigt werden können; das Berufungsgericht habe die Rechtsnatur des § 85 BVG verkannt, denn durch das formelle Gebot dieser Vorschrift werde eine rechtlich unrichtige SVD-Entscheidung nicht zu einer richtigen BVG-Entscheidung. Im übrigen treffe auch nicht zu, daß der SVD-Bescheid vom 25. März 1949 bereits durch die Bescheide vom 26. Oktober 1950 und 4. April 1951 rechtswirksam berichtigt worden sei; denn diese beiden Bescheide seien durch Umanerkennungsbescheid vom 11. September 1952 ersetzt und damit gegenstandslos geworden. Das bedeute, daß auch der Bescheid vom 25. März 1949 erst durch den im Streit stehenden Berichtigungsbescheid vom 25. Februar 1957 berichtigt worden sei. Schließlich müsse auch die Rückwirkung des Berichtigungsbescheides vom 25. Februar 1957 über den 1. April 1955 hinaus - nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts und nach der Nr. 26 SVA 11 - bejaht werden, wenn auch diese Frage vorliegend deshalb unbeachtlich sei, weil eine Rückforderung überzahlter Versorgungsbezüge nicht geltend gemacht werde und deshalb auch nicht im Streit stehe.

Der Beklagte beantragt,

die Urteile des LSG vom 23. Januar 1963 und des SG vom 28. Februar 1958 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Auf die Schriftsätze des Beklagten vom 13. März 1963, 10. April 1963 und 4. Dezember 1964 sowie auf die des Klägers vom 8. April 1963 und 24. Mai 1963 wird verwiesen.

Die durch Zulassung statthafte Revision des Beklagten (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG); sie ist daher zulässig.

Die Revision ist auch - zum überwiegenden Teil - begründet.

Streitig ist, ob der auf § 41 VerwVG gestützte Berichtigungsbescheid vom 25. Februar 1957 rechtswirksam ist. Nach § 41 VerwVG können Bescheide der Verwaltungsbehörde über Rechtsansprüche zuungunsten des Versorgungsberechtigten von der zuständigen Verwaltungsbehörde durch einen neuen Bescheid (Berichtigungsbescheid) geändert und aufgehoben werden, wenn ihre tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses außer Zweifel steht. Dabei setzt die Rücknahme eines Bescheides nach dieser Vorschrift nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG 8, 198) sowohl die tatsächliche als auch die rechtliche Unrichtigkeit des abgeänderten oder aufgehobenen Bescheides voraus. Von dieser Rechtsauffassung ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Es hat ebenso zutreffend ausgeführt, daß die Versorgungsbehörde einen allein auf § 41 VerwVG gestützten Bescheid nur mit Wirkung für die Zeit nach dem 31. März 1955 abändern oder zurücknehmen kann, da das VerwVG erst am 1. April 1955 in Kraft getreten ist. Danach gilt folgendes: Die Abänderung oder Rücknahme eines Bescheides nach § 41 VerwVG wirkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem der rechtswidrige Bescheid erlassen worden ist, jedoch nicht auf die Zeit vor dem Inkrafttreten des VerwVG am 1. April 1955 (vgl. BSG in SozR VerwVG § 41 Nr. 9). Daraus folgt jedoch nicht, daß von der Versorgungsbehörde nur Bescheide geändert oder zurückgenommen werden könnten, die erst nach dem 31. März 1955 ergangen sind. Die Versorgungsbehörde kann vielmehr auch vor dem 1. April 1955 erlassene Bescheide durch Erteilung eines Berichtigungsbescheides nach dem Inkrafttreten des VerwVG und seines § 41 abändern oder zurücknehmen, mit der Folge, daß die - auf § 41 VerwVG gestützten - Abänderungen oder Rücknahmen bis auf den 1. April 1955 zurückwirken. Danach konnten die Bescheide vom 25. März 1949 und 11. September 1952 mit Wirkung vom 1. April 1955 an nach § 41 VerwVG zuungunsten des Klägers dann abgeändert oder zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschrift vorlagen, nämlich die - rechtliche - Existenz dieser Bescheide und ihre zweifelsfreie tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses.

Einer Prüfung und Entscheidung durch den erkennenden Senat, ob der SVD-Bescheid vom 25. März 1949 im Zeitpunkt seines Erlasses zweifelsfrei tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen sei, bedurfte es im vorliegenden Fall entgegen der Auffassung der Revision nicht. Denn im Zeitpunkt des Erlasses des Berichtigungsbescheides vom 25. Februar 1957 - und auch schon vorher - war dieser SVD-Bescheid lediglich noch Bestandteil der Versorgungsakten, ohne indessen noch irgendwelche rechtlichen Wirkungen im Verhältnis zwischen dem Beklagten und dem Kläger zu haben. Wie dargelegt hatte die LVA, gestützt auf § 608 RVO, mit Rentenentziehungsbescheid vom 26. Oktober 1950 die Anerkennung der beim Kläger an den Händen bestehenden Kontrakturstellung als auf den militärischen Dienst zurückzuführende Gesundheitsschädigung im Sinne der SVD 27 beseitigt und die laufende Rente entzogen, wobei dahingestellt bleiben kann, ob für die Anwendung des § 608 RVO eine rechtliche Möglichkeit bestand. Denn mit der auf Nr. 26 SVA 11 - als nachgeschobener Begründung - gestützten Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 4. April 1951 ist diese Aberkennung der als Schädigungsleiden anerkannt gewesenen Gesundheitsstörung des Klägers (und die Rentenentziehung) rechtswirksam bestätigt worden. Daran hat auch die vom Kläger gegen diese Entscheidung vom 4. April 1951 zum OVA eingelegte Berufung nichts geändert: Die durch die Berufungseinlegung angefochtene Entscheidung vom 4. April 1951 ist infolge Rücknahme des Rechtsmittels durch den Kläger in vollem Umfang bindend geworden, und zwar von dem Tage an, an dem die durch Rücknahme der Berufung ohne Erfolg angefochtene Entscheidung ergangen ist. Dabei sind die Gründe, die den Kläger damals zur Rücknahme seiner Berufung veranlaßt haben (die Erteilung des BVG-Bescheides vom 11. September 1952 durch den Beklagten während des beim OVA anhängigen Berufungsverfahrens) ebenso unbeachtlich wie diejenigen, die der Beklagte heute als maßgeblich dafür bezeichnet, daß er den BVG-Bescheid vom 11. September 1952 ohne Rücksicht auf die Entscheidung vom 4. April 1951 erteilt hat. Es bedarf darüber hinaus auch keiner Prüfung und Entscheidung, ob der Beschwerdeausschuß bei Erlaß seiner Entscheidung vom 4. April 1951 anstelle des von der LVA zunächst angewandten § 608 RVO die Nr. 26 SVA 11 anwenden und diese Vorschrift als Begründung für die Aberkennung und Rentenentziehung nachschieben durfte; dieses hätte nur in dem durch die Berufungseinlegung des Klägers anhängig gewordenen gerichtlichen Verfahren nachgeprüft werden können. In dem neuen, jetzt anhängigen sozialgerichtlichen Verfahren kann diese Frage im Hinblick darauf, daß der Bescheid vom 26. Oktober 1950 in der Fassung der Beschwerdeausschußentscheidung vom 4. April 1951 bindend geworden ist, nicht mehr nachgeprüft werden. Zusammenfassend muß deshalb festgestellt werden: Der Bescheid vom 26. Oktober 1950 in der Fassung der Entscheidung vom 4. April 1951 hat die rechtliche Wirkung des SVD-Bescheides vom 25. März 1949 beseitigt. Das bedeutet, daß dieser Bescheid nach Erlaß der - wenn nach der Berufungseinlegung des Klägers auch zunächst noch nicht bindenden - Entscheidung vom 4. April 1951 nicht mehr existent gewesen ist; er konnte und durfte daher nicht mehr berichtigt werden. Dabei kann dem Beklagten nicht gefolgt werden, wenn er - im übrigen ohne rechtliche Begründung - meint, durch den als Umanerkennungsbescheid bezeichneten BVG-Bescheid vom 11. September 1952 seien der Bescheid vom 26. Oktober 1950 und die Entscheidung vom 4. April 1951 ersetzt, mindestens stillschweigend wieder aufgehoben und somit gegenstandslos geworden, so daß der SVD-Bescheid mit allen seinen rechtlichen Wirkungen für und gegen die Beteiligten wieder aufgelebt sei. Ebensowenig trifft die Auffassung des LSG zu, im Zeitpunkt des Erlasses des BVG-Bescheides vom 11. September 1952 sei (wegen des noch schwebenden Berufungsverfahrens vor dem OVA) der SVD-Bescheid der letzte hier maßgebliche verbindliche Verwaltungsakt gewesen, eine Auffassung überdies, die zu den anderen Ausführungen des Berufungsgerichts in Widerspruch steht, "durch die Rücknahme der OVA-Berufung sei die Neufeststellung vom 26. Oktober 1950 verbindlich geworden und damit der später berichtigte Teil des Bescheides vom 25. März 1949 ohnehin bereits erledigt gewesen". Denn die Frage, welcher Bescheid im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 11. September 1952 "der letzte verbindliche Verwaltungsakt" gewesen ist, kann vorliegend nur rückschauend und nur unter Berücksichtigung der Rücknahme der zum OVA eingelegten Berufung durch den Kläger beantwortet werden.

Nach allem kann der auf § 41 VerwVG gestützte Berichtigungsbescheid vom 25. Februar 1957 somit keinen Bestand haben, soweit er die Aufhebung bzw. Abänderung des SVD-Bescheides vom 25. März 1949 zum Inhalt hat.

Der dem Kläger von der Versorgungsbehörde am 11. September 1952 erteilte "Bescheid über die Feststellung von Beschädigtenbezügen nach dem BVG vom 20. Dezember 1950" enthält in seiner Überschrift zusätzlich das Wort "Umanerkennung". Daraus und aus der Tatsache, daß der Bescheid "von Amts wegen" erteilt worden ist, ergibt sich, daß bei seinem Erlaß § 85 BVG angewandt worden ist. Nach dieser Vorschrift ist in Fällen, in denen nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang im Sinne des § 1 BVG bereits entschieden worden ist, diese Entscheidung auch nach dem BVG rechtsverbindlich. Sinn und Zweck des § 85 BVG ist danach die Erhaltung des früher einmal nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften zuerkannten Versorgungsanspruchs auch für die Beurteilung nach dem BVG, sofern die Tatbestandsmerkmale übereinstimmen; mit ihm soll verhindert werden, daß bei übereinstimmenden tatbestandsmäßigen und personellen Voraussetzungen eine von einer früheren Beurteilung abweichende Entscheidung nach dem BVG getroffen wird. Das aber bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die Versorgungsbehörde dem Kläger einen "Umanerkennungsbescheid" nach dem BVG gemäß § 85 dieses Gesetzes mit einem Inhalt, wie sie ihn dem Bescheid vom 11. September 1952 gegeben hat, gar nicht mehr hat erteilen können.

Denn die Anerkennung der Kontrakturstellung als Schädigungsleiden im SVD-Bescheid vom 25. März 1949 war, wie bereits dargelegt, mit der bindend gewordenen Beschwerdeausschußentscheidung vom 4. April 1951 beseitigt worden. Dabei ist es unbeachtlich, aus welchen Gründen der Beklagte geglaubt hat, einen "Umanerkennungsbescheid" im Anschluß an den aufgehobenen SVD-Bescheid vom 25. März 1949 erteilen zu müssen, ob er zB, wie er vorträgt, der Auffassung gewesen ist, daß dem Bescheid vom 26. Oktober 1950 und der Entscheidung vom 4. April 1951 die erforderliche Rechtsgrundlage gefehlt habe und deshalb gegen ihren Erlaß Bedenken bestünden, ob er gegebenenfalls den Ausgang des beim OVA anhängigen Berufungsverfahrens nicht hat abwarten wollen, um die ihm obliegende Umanerkennung der Beschädigtenversorgung ohne Verzögerungen durchführen zu können, oder ob er bei Erlaß des Bescheides vom 11. September 1952 den Bescheid vom 26. Oktober 1950, die Entscheidung vom 4. April 1951 und das beim OVA anhängige Berufungsverfahren einfach übersehen hat. Letzte "nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften - hier der SVD 27 - über die Frage des Ursachenzusammenhangs einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang" rechtsverbindliche Entscheidung im Sinne des § 85 BVG war am 11. September 1952 jedenfalls nur noch die Entscheidung vom 4. April 1951, mit der "reizlose kleine Narben nach Granatsplitterverletzung an beiden Händen" als auf den militärischen Dienst zurückzuführende Gesundheitsstörung (§ 4 SVD 27) - ohne rentenberechtigenden Grad der MdE - anerkannt worden waren. Danach hätte auch eine "Umanerkennung" nach § 85 BVG nur diesen anerkannten Versorgungsanspruch ("reizlose kleine Narben nach Granatsplitterverletzung an beiden Händen") aufrechterhalten können und dürfen. Das bedeutet weiter, daß es sich bei dem BVG-Bescheid vom 11. September 1952 trotz des Wortes "Umanerkennung" in der Überschrift und entgegen der Auffassung des LSG und des Beklagten gar nicht um einen Umanerkennungsbescheid nach § 85 BVG gehandelt hat. Denn allein das Wort "Umanerkennung", das in der Überschrift des Bescheides enthalten ist, hat dem Bescheid vom 11. September 1952 tatsächlich nicht den Charakter eines Umanerkennungsbescheides verleihen können. Wesentlich und entscheidend ist vielmehr sein das Rechtsverhältnis nach dem BVG zwischen Beklagtem und Kläger regelnder Inhalt, mit dem die Verwaltungsbehörde dem Kläger gegenüber eindeutig und bestimmt zum Ausdruck gebracht hat, daß sie nach den Vorschriften des BVG mit Wirkung vom 1. Oktober 1950 an "durch Granatsplitterverletzung Kontrakturstellung durch Narben an beiden Händen als Schädigungsfolge, hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG, mit einer MdE um 50 v. H." anerkenne; sie hat diesen Bescheid auch mit der erforderlichen Rechtsmittelbelehrung versehen und zusätzlich ausgeführt, daß "alle nach früherem Versorgungsrecht ergangenen Bescheide mit der Zustellung dieses Bescheides außer Kraft treten". Hieraus Konnte und mußte der Kläger entnehmen - und er hat dies ohne Zweifel auch getan -, daß es in der Absicht der Versorgungsbehörde liege, ohne Rücksicht auf die Beschwerdeausschußentscheidung vom 4. April 1951 das Versorgungsrechtsverhältnis nach den Vorschriften des BVG und unabhängig von allen in der Vergangenheit liegenden Vorgängen neu zu regeln und das alte Schädigungsleiden erneut anzuerkennen. Nur so kann im übrigen auch die sofortige Rücknahme der beim OVA anhängigen Berufung durch den Kläger nach Erteilung des Bescheides gesehen werden. Der Beklagte trägt im Zusammenhang damit vor, für Fälle, in denen die letzte vorangehende Entscheidung noch nicht bindend geworden sei, fehle eine abschließende Klärung, ob § 85 BVG angewandt werden könne. Einer Prüfung dieser Frage bedurfte es vorliegend jedoch nicht. Denn einer der vom Beklagten hierbei offenbar gemeinten Fälle, in denen im Anschluß an einen noch nicht bindend gewordenen Anerkennungsbescheid nach früheren versorgungsrechtlichen Vorschriften auch gleichzeitig der Umanerkennungsbescheid nach dem BVG gemäß § 85 BVG erteilt worden ist, liegt beim Kläger nicht vor, da es sich bei der letzten Entscheidung vor dem Inkrafttreten des BVG nicht um eine Anerkennung, sondern um eine Berichtigung gehandelt hat.

Der Bescheid vom 11. September 1952, der das Versorgungsrechtsverhältnis des Klägers nach dem BVG wie dargelegt völlig neu geregelt hat, war im Zeitpunkt seines Erlasses im Sinne des § 41 VerwVG zweifelsfrei rechtlich unrichtig. Denn das LSG hat unangegriffen und deshalb für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG) festgestellt, daß die Kontrakturstellung der Hände des Klägers als Dupuytren'sche Kontraktur weder durch die erlittene Verwundung noch durch andere Einwirkungen des militärischen Dienstes hervorgerufen oder verschlimmert worden ist. Das bedeutet aber, daß die Anerkennung des Leidens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG rechtlich nicht richtig gewesen sein kann, da die Versorgungsbehörde nach § 1 BVG versorgungsrechtlich nur eine Gesundheitsstörung hätte anerkennen können und dürfen, die als Folge einer Schädigung durch eine militärische Dienstverrichtung, durch einen Unfall während der Ausübung des militärischen Dienstes oder durch die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse herbeigeführt oder verschlimmert worden ist.

Daraus ergibt sich gleichzeitig, daß der Bescheid vom 11. September 1952 auch tatsächlich unrichtig gewesen ist. Daran kann nichts ändern, daß die mit ihm als Schädigungsfolge anerkannte Kontrakturstellung an beiden Händen des Klägers tatsächlich besteht. Denn diese ist weder durch die Verwundung noch durch andere Einwirkungen des militärischen Dienstes hervorgerufen oder verschlimmert worden, es handelt sich vielmehr um eine auf eine "vererbbare und entwicklungsgeschichtliche Störung zurückzuführende Dupuytren'sche Kontraktur", die ohne Wehrdienst und ohne Verwundung im selben Umfang vorhanden wäre. Ihre Anerkennung als "Folge einer Schädigung" im Sinne des § 1 BVG ist deshalb, wie auch das LSG zutreffend - und unangegriffen - festgestellt hat, sachlich, d. h. tatsächlich zweifelsfrei unrichtig gewesen; die Versorgungsbehörde hätte auch sachlich nur ein Leiden als Schädigungsfolge anerkennen können und dürfen, das tatsächlich als solche anzusehen war und ist.

Nach allem waren bei Erlaß des Berichtigungsbescheides vom 25. Februar 1957 hinsichtlich des BVG-Bescheides vom 11. September 1952 die Voraussetzungen des § 41 VerwVG zu seiner Berichtigung gegeben. Die Versorgungsbehörde konnte daher insoweit die Berichtigung durchführen. Dabei wirkt diese Berichtigung wie bereits dargelegt ohne weiteres bis zum 1. April 1955 zurück. Ob sie gegebenenfalls nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts oder nach der Nr. 26 SVA 11 über den 1. April 1955 hinaus auch noch weiter zurückwirken könnte, kann im übrigen dahingestellt bleiben. Denn eine Rückforderung von in der Vergangenheit überzahlten Versorgungsbezügen hat sich der Beklagte im Berichtigungsbescheid vom 25. Februar 1957 lediglich vorbehalten, ohne sie jedoch auch geltend zu machen, so daß sie nicht im Streit steht. Überdies hat der Beklagte in seinem Schriftsatz vom 13. März 1963 selbst ausgeführt, daß nach dem Akteninhalt eine Rückforderung kaum begründet werden könne und daß es für den vorliegenden Fall deshalb genüge, wenn die Berichtigung mit Wirkung vom 1. April 1955 an bestätigt werde. Danach handelt es sich nach Lage der Sache beim eigentlichen Revisionsziel des Beklagten lediglich um sein Begehren, vom Erlaß des Berichtigungsbescheides an für die Zukunft von der Verpflichtung befreit zu sein, dem Kläger wegen eines Leidens noch eine Rente zahlen zu müssen, das nicht Schädigungsfolge ist. Dieses Revisionsziel, in Wirklichkeit also eine Berichtigung des Bescheides vom 11. September 1952 mit Wirkung ex nunc, hat der Beklagte mit der Berufungseinlegung gegen das Urteil des SG und mit der Revisionseinlegung gegen das Urteil des LSG in vollem Umfang erreicht. Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es schließlich auch keiner Auseinandersetzung mehr mit den vom Beklagten angeführten Urteilen des BSG vom 19. September 1958 - 9 RV 168/55 - und 6. Oktober 1964 (SozR VerwVG § 41 Nr. 24). Denn diesen beiden Entscheidungen lagen andere Sachverhalte zugrunde.

Zusammenfassend ist danach festzustellen: Der SVD-Bescheid vom 25. März 1949 konnte am 25. Februar 1957 nicht mehr berichtigt werden, da er rechtlich nicht mehr vorhanden war. Der Berichtigungsbescheid vom 25. Februar 1957 mußte deshalb in diesem Umfange aufgehoben werden; insoweit haben das SG und das LSG - im Ergebnis - zutreffend entschieden. Dagegen war der BVG-Bescheid vom 11. September 1952 im Zeitpunkt seines Erlasses rechtlich und tatsächlich zweifelsfrei unrichtig; er konnte daher nach § 41 VerwVG berichtigt werden. Es ist somit nicht zu beanstanden, daß die Versorgungsbehörde ihn mit Wirkung vom 1. April 1955 an zuungunsten des Klägers abgeändert und die Rentenzahlung eingestellt hat. Insoweit konnten deshalb auch die Urteile der Vordergerichte keinen Bestand haben. Daher war der Revision des Beklagten hinsichtlich der Berichtigung des BVG-Bescheides vom 11. September 1952 der Erfolg nicht zu versagen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380470

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