Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsopferversorgung. sozialrechtliches Verwaltungsverfahren. Abänderung oder Rücknahme eines vor Inkrafttreten des KOVVfG ergangenen Bescheides
Orientierungssatz
1. Die Abänderung oder Rücknahme eines Bescheides (einer Entscheidung) nach § 41 (§ 49) des Gesetztes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (juris: KOVVfG) wirkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem der rechtswidrige Bescheid (die Entscheidung) erlassen worden ist, jedoch nicht auf die Zeit vor dem Inkrafttreten des KOVVfG am 1.4.1955 (vgl BSG vom 26.8.1960 - 11 RV 732/58 = SozR Nr 9 zu § 41 VerwVG).
2. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Versorgungsbehörde nur Bescheide (Entscheidungen) ändern oder zurücknehmen könnte, die erst nach dem 31.3.1955 ergangen sind. Die Versorgungsbehörde kann vielmehr auch vor dem 1.4.1955 erlassene Bescheide (Entscheidungen) durch Erteilung eines Berichtigungsbescheides nach dem Inkrafttreten des KOVVfG und seines § 41 (§ 49) abändern oder zurücknehmen, so dass die - auf § 41 (§ 49) KOVVfG gestützte - Abänderung oder Rücknahme bis auf den 1.4.1955 zurückwirkt.
3. Der § 85 BVG hat lediglich die rechtliche Bedeutung, dass eine Entscheidung nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über den Ursachenzusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang auch für die entsprechende Entscheidung nach dem BVG rechtsverbindlich ist; er betrifft somit nur die nach dem BVG zu erteilende Entscheidung und bestimmt, wie der Ursachenzusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG zu beurteilen ist, wenn über diese Frage bereits nach bisherigem Versorgungsrecht entschieden worden ist. Dagegen beeinflusst § 85 BVG nicht die Wirksamkeit anderer gesetzlicher Vorschriften, durch die eine nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangene Entscheidung abgeändert oder zurückgenommen werden kann (vgl Urteil des 10. Senats des BSG vom 6.10.1964 - 10 RV 867/62 = SozR Nr 24 zu § 41 VerwVG).
Normenkette
KOVVfG §§ 41, 49; BVG § 85
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 04.01.1964) |
SG Gelsenkirchen (Urteil vom 29.03.1960) |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 1. April 1964 abgeändert und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29. März 1960 als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger beantragte im Juni 1948 die Gewährung von Versorgung wegen "Sehnenverletzung am rechten Unterschenkel, Eiweißmangelschadens mit Oedemen , Zustandes nach Tbc und Dystrophie" und führte dabei die Verletzung am rechten Bein auf einen Flugzeugabsturz am 27. Mai 1942 zurück. Nach seiner Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft war er in der Krankenanstalt K (vom 30. April bis 4. Juni 1948) wegen Eiweißmangelschadens mit Oedemen behandelt worden. Dort hatte er angegeben, im Jahre 1942 durch eine Minenexplosion am linken Unterschenkel verletzt worden zu sein.
Am 25. Februar 1949 beseitigte der Chirurg Dr. T einen "beträchtlichen Bandscheibenvorfall" des Klägers operativ. In seinem Gutachten vom 23. April 1949 führte er aus, daß ein ursächlicher Zusammenhang des Bandscheibenvorfalls (und seiner Folgen) mit Einflüssen des Wehrdienstes nicht bestehe. Nach einer weiteren innerfachärztlichen Untersuchung und Begutachtung durch die Dres. W und H (Knappschaftskrankenhaus R) vom 25. Mai 1949 erteilte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen den Bescheid vom 29. Juni 1949, mit dem beim Kläger nach § 4 der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD 27) "1. leichte Blutarmut nach Dystrophie, 2. Narbe am rechten Fußknöchel" als durch militärischen Dienst entstandene Gesundheitsschädigungen anerkannt wurden; die Anerkennung "des Zustandes nach Bandscheibenvorfall" als Folge militärischen Dienstes wurde abgelehnt. Rente wurde nicht gewährt, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) weniger als 30 v. H. betrage.
Im Einspruchsverfahren folgte der Beschwerdeausschuß der Stellungnahme seines ärztlichen Beraters Dr. M und erkannte mit Einspruchsentscheidung vom 14. März 1950 unter Abänderung des Bescheides vom 29. Juni 1949 beim Kläger zusätzlich "Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls" als auf den militärischen Dienst zurückzuführende Gesundheitsschädigung an und bewilligte vom 1. Mai 1948 an wegen einer bestehenden MdE um 25 v. H. eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. Die LVA führte diese Entscheidung mit Benachrichtigung vom 24. Oktober 1950 aus.
Nach ärztlicher Untersuchung erteilte das Versorgungsamt (VersorgA) G am 20. August 1951 den Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG); in diesem wurden die Leidensbezeichnungen in "geringe Nervenstörungen am linken Bein nach Bandscheibenoperation, Narben am rechten Fußknöchel" geändert, die Rente nach einer MdE um 30 v. H. wurde weitergewährt.
Nach Einholung einer Auskunft der Deutschen Dienststelle in Berlin-Wittenau vom 6. Februar 1956, in der ua eine "Stauchung des Körpers" (Lazarettbehandlung vom 27. bis 31. Mai 1942) mit anschließender Entlassung aus dem Lazarett "dienstfähig zur Truppe" vermerkt ist, wurde in einer erneuten versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 22. Februar 1957 ausgeführt, nach Lage der Sache sei die Anerkennung des "Zustandes nach Operation eines Bandscheibenvorfalls" bzw. "geringer Nervenstörungen am linken Bein nach Bandscheibenoperation" zweifelsfrei unrichtig gewesen. Die Versorgungsbehörde erließ daraufhin den auf die Vorschriften der §§ 41 Abs. 1, 49 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) gestützten Berichtigungsbescheid vom 28. März 1957, mit dem die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 14. März 1950 und die ausführende Benachrichtigung vom 24. Oktober 1950 aufgehoben sowie der Umanerkennungsbescheid vom 20. August 1951 hinsichtlich der Folgen der Bandscheibenoperation abgeändert wurden; es wurde festgestellt, daß die Anerkennung des "Zustandes nach Operation eines Bandscheibenvorfalls" als Folge einer Schädigung im Sinne des § 4 SVD 27 und der "geringen Nervenstörungen am linken Bein nach Bandscheibenoperation" im Sinne des § 1 BVG im Zeitpunkt des Erlasses der Beschwerdeentscheidung und des Umanerkennungsbescheides zweifelsfrei unrichtig gewesen sei; die MdE wegen der weiter bestehenden Schädigungsfolgen "Narbe am rechten Fußknöchel" betrage unter 25 v. H. Die Zahlung der laufenden Versorgungsbezüge wurde mit Ende April 1957 eingestellt, dabei wurde ausgeführt, von einer Rückforderung der seit dem 1. Juni 1949 zu Unrecht gezahlten Versorgungsbezüge werde abgesehen. Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 1957 zurückgewiesen.
Im Klageverfahren hat das Sozialgericht (SG) das Gutachten der Dres. M und B (Orthopädische Universitätsklinik und Poliklinik M) vom 16. März 1959 eingeholt. Nach diesem Gutachten ist die Anerkennung des "Zustandes nach Operation eines Bandscheibenvorfalls" und der "geringen Nervenstörungen am linken Bein nach Bandscheibenoperation" im Zeitpunkt der Anerkennung ohne Zweifel medizinisch unrichtig gewesen. Das SG hat daraufhin die Klage mit Urteil vom 29. März 1960 abgewiesen.
Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen mit Urteil vom 1. April 1964 das Urteil des SG abgeändert und den Berichtigungsbescheid vom 28. März 1957 i. d. F. des Widerspruchsbescheides vom 27. Juli 1957 insoweit aufgehoben, als die Entscheidung des Beschwerdeausschusses und die Benachrichtigung vom 24. Oktober 1950 für die Zeit vor dem 1. April 1955 und der Umanerkennungsbescheid berichtigt worden sind, und die Einstellung der Zahlung der Versorgungsbezüge mit Ende April 1957 verfügt worden ist. Es hat den Beklagten verurteilt, dem Kläger die mit dem Umanerkennungsbescheid gewährte Rente über den 30. April 1957 hinaus weiterzuzahlen. Das LSG hat ausgeführt: nach den zutreffenden, auf die beigezogenen Gutachten gestützten Ausführungen und Feststellungen des SG sei die Anerkennung des "Zustandes nach Operation eines Bandscheibenvorfalls" durch die Beschwerdeentscheidung vom 14. März 1950 zweifelsfrei tatsächlich unrichtig gewesen. Damit sei diese Entscheidung zweifelsfrei auch rechtlich unrichtig gewesen, so daß sie nach den §§ 41, 49 VerwVG habe berichtigt werden können. Diese Berichtigung durch die Versorgungsbehörde habe Wirkung jedoch nur für die Zeit vom 1. April 1955 an; für die Zeit vor dem 1. April 1955, dem Tage des Inkrafttretens des VerwVG, könne sie nicht wirken, auch nicht nach den für die Zeit vor dem 1. April 1955 geltenden Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts; denn bei Anwendung dieser Grundsätze müsse dem Vertrauen des Klägers auf den Bestand der Entscheidung vom 14. März 1950 der Vorzug gegenüber dem öffentlichen Interesse an einer Aufhebung der Entscheidung für die Zeit vor dem 1. April 1955 gegeben werden. Die Nr. 26 der Sozialversicherungsanordnung Nr. 11 (SVA 11) könne entgegen der Auffassung des Beklagten zur Beurteilung nicht herangezogen werden, da diese Vorschrift bereits am 31. Dezember 1952 außer Kraft getreten sei. Der Bescheid vom 28. März 1957 i. d. F. vom 27. Juli 1957 sei mithin rechtswidrig, soweit er die Entscheidung vom 14. März 1950 rückwirkend für die Zeit vor dem 1. April 1955 zurückgenommen habe. Darüber hinaus sei der angefochtene Bescheid auch insoweit rechtswidrig, als er den Umanerkennungsbescheid aufgehoben habe. Zwar sei auch dieser im Zeitpunkt seines Erlasses zweifelsfrei tatsächlich unrichtig gewesen; dagegen könne seine zweifelsfreie rechtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt seines Erlasses nicht festgestellt werden. Da nämlich die Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 14. März 1950 - und die Benachrichtigung vom 24. Oktober 1950 - nur für die Zeit nach dem 31. März 1955 aufgehoben worden seien, seien sie im Zeitpunkt der Erteilung des Umanerkennungsbescheides noch wirksam und verbindlich gewesen. Sie hätten daher Entscheidungen nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über die Frage des Ursachenzusammenhangs im Sinne des § 85 des BVG dargestellt, die auch nach diesem Gesetz (BVG) rechtsverbindlich gewesen seien. Der Umanerkennungsbescheid sei daher im Zeitpunkt seines Erlasses nicht rechtlich unrichtig, sondern rechtlich richtig gewesen, weil die auf Grund der SVD Nr. 27 getroffene verbindliche Entscheidung vom 14. März 1950 über die Zusammenhangsfrage nach § 85 BVG in den Umanerkennungsbescheid habe übernommen werden müssen.
Schließlich sei der angefochtene Berichtigungsbescheid auch insoweit rechtswidrig, als mit ihm die Einstellung der Zahlung der Versorgungsbezüge mit Ende April 1957 ausgesprochen worden sei. Denn da der Umanerkennungsbescheid weiterhin Bestand habe, stünden dem Kläger die mit diesem Bescheid gewährten Bezüge auch weiterhin zu, so daß die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung dieser Bezüge über den 30. April 1957 hinaus gerechtfertigt sei. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses ihm am 2. Juni 1964 zugestellte Urteil des LSG hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 16. Juni 1964, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 18. Juni 1964, Revision eingelegt und diese mit seinem weiteren Schriftsatz vom 29. Juli 1964, eingegangen am 31. Juli 1964, begründet. Er rügt die Verletzung des § 41 VerwVG und des § 85 BVG sowie der Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts, der Nr. 26 SVA 11 und in Verbindung damit des § 128 Abs. 1 SGG durch das LSG. Er trägt vor, die Vorschriften der §§ 41 VerwVG, 85 BVG hätten ihn nicht daran gehindert, die Anerkennung der "geringen Nervenstörungen am linken Bein nach Bandscheibenoperation" im Umanerkennungsbescheid als rechtlich unrichtig anzusehen. Rechtlich unrichtig sei nämlich die Feststellung einer Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge immer dann, wenn sie weder von den irrtümlich zugrunde gelegten noch von den wirklichen Tatsachen getragen werde. Diese Voraussetzungen seien für den Umanerkennungsbescheid gegeben. Daran ändere nichts, daß die Anerkennung der Gesundheitsstörung als Schädigungsfolge aus der Entscheidung vom 14. März 1950 nach § 85 BVG in den Umanerkennungsbescheid habe übernommen werden müssen. Denn dieser habe keine neue materielle Sachentscheidung getroffen. Der Umanerkennungsbescheid habe allein zutreffend § 85 BVG berücksichtigt, sein materieller Inhalt sei aber genauso wie tatsächlich auch rechtlich unrichtig gewesen wie der der Entscheidung vom 14. März 1950. "Der Inhalt des § 85 BVG erschöpfe sich im Hinblick auf eine Berichtigung darin, daß der Umanerkennungsbescheid nicht ohne den ihm vorangehenden Bescheid nach früherem Recht berichtigt werden könne, und daß die Berichtigung des Umanerkennungsbescheides zeitlich nicht weiter zurückwirke als die Berichtigung des nach früherem Recht erteilten Bescheides". Im übrigen, so trägt der Beklagte mit näherer Begründung noch weiter vor, seien auch die Ausführungen des Berufungsgerichts über die Rücknahme von Verwaltungsakten nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts nicht rechtsirrtumsfrei, zumal es hierbei zur Frage des Verantwortungsbereichs seine Überzeugung nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§ 128 Abs. 1 SGG) gewonnen habe. Schließlich habe es auch unzutreffend angenommen, daß bei der Prüfung des nach § 41 VerwVG erteilten Berichtigungsbescheides die Nr. 26 der SVA 11 völlig außer Betracht zu bleiben habe.
Der Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 1. April 1964 die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 29. März 1960 als unbegründet zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf den Schriftsatz des Beklagten vom 29. Juli 1964 sowie auf den des Klägers vom 26. August 1964 wird verwiesen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.
Die durch Zulassung statthafte Revision des Beklagten (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 SGG); sie ist daher zulässig. Die Revision ist auch begründet.
Wie vorstehend dargelegt hat der Beklagte die SVD-Entscheidung des Beschwerdeausschusses vom 14. März 1950 und den Umanerkennungsbescheid nach dem BVG vom 20. August 1951 durch den angefochtenen Berichtigungsbescheid vom 28. März 1957 nach § 41 (§ 49) VerwVG insoweit abgeändert, als in ihnen "Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls" als auf den militärischen Dienst zurückzuführende Gesundheitsschädigung (§ 4 SVD 27) bzw. "geringe Nervenstörungen am linken Bein nach Bandscheibenoperation" als Folge einer Schädigung (§ 1 BVG) anerkannt und dafür eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. bewilligt worden ist.
Nach §§ 41, 49 VerwVG können Bescheide der Verwaltungsbehörden und Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse (nach der SVD 27) über Rechtsansprüche zuungunsten des Versorgungsberechtigten von der zuständigen Verwaltungsbehörde durch einen neuen Bescheid (Berichtigungsbescheid) geändert oder aufgehoben werden, wenn ihre tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses außer Zweifel steht. Dabei setzt die Rücknahme eines Bescheides oder einer Entscheidung nach diesen Vorschriften nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG 8, 198) sowohl die tatsächliche als auch die rechtliche Unrichtigkeit des abgeänderten oder aufgehobenen Bescheides (der Entscheidung) voraus. Von dieser Rechtsauffassung ist auch das Berufungsgericht zutreffend ausgegangen. Es hat ebenso zutreffend ausgeführt, daß die Versorgungsbehörde einen allein auf § 41 (§ 49) VerwVG gestützten Bescheid nur mit Wirkung für die Zeit nach dem 31. März 1955 abändern oder zurücknehmen kann, da das VerwVG erst am 1. April 1955 in Kraft getreten ist. Danach gilt folgendes: Die Abänderung oder Rücknahme eines Bescheides (einer Entscheidung) nach § 41 (§ 49) VerwVG wirkt grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem der rechtswidrige Bescheid (die Entscheidung) erlassen worden ist, jedoch nicht auf die Zeit vor dem Inkrafttreten des VerwVG am 1. April 1955 (vgl. BSG im SozR VerwVG § 41 Nr. 9) Das bedeutet allerdings nicht, daß die Versorgungsbehörde nur Bescheide (Entscheidungen) ändern oder zurücknehmen könnte, die erst nach dem 31. März 1955 ergangen sind. Die Versorgungsbehörde kann vielmehr auch vor dem 1. April 1955 erlassene Bescheide (Entscheidungen) durch Erteilung eines Berichtigungsbescheides nach dem Inkrafttreten des VerwVG und seines § 41 (§ 49) abändern oder zurücknehmen, so daß die - auf § 41 (§ 49) VerwVG gestützte - Abänderung oder Rücknahme bis auf den 1. April 1955 zurückwirkt. Damit ist im vorliegenden Fall das Verhalten der Versorgungsbehörde vereinbar: Sie hat die Wirkungen der Abänderung der Entscheidung vom 14. März 1950 und des Bescheides vom 20. August 1951 erst vom Ablauf des Monats April 1957 an (Einstellung der laufenden Rentenzahlungen an den Kläger nach einer MdE um 30 v. H. zu Ende April 1957) ausgesprochen und von einer Rückforderung gezahlter Versorgungsbezüge ausdrücklich abgesehen. Nach allem konnte die Entscheidung vom 14. März 1950 (nach der SVD 27) und der Bescheid vom 20. August 1951 (nach dem BVG) mit Wirkung vom 1. April 1955 an nach § 41 (§ 49) VerwVG zuungunsten des Klägers dann abgeändert oder zurückgenommen werden, wenn die Voraussetzungen dieser Vorschriften, nämlich die tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit im Zeitpunkt ihres Erlasses, vorlagen.
Das Berufungsgericht hat im angefochtenen Urteil, gestützt auf die Feststellungen des SG und auf die von diesem beigezogenen Gutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 SGG) und unangegriffen (§ 163 SGG) festgestellt, daß die Entscheidung des Beschwerdeausschusses und der Umanerkennungsbescheid in tatsächlicher Hinsicht außer Zweifel unrichtig gewesen sind, da im Zeitpunkt ihres Erlasses die Anerkennung des "Zustandes nach Operation eines Bandscheibenvorfalls" bzw. der "geringen Nervenstörungen am linken Bein nach Bandscheibenoperation" als auf den militärischen Dienst zurückzuführende Gesundheitsstörung im Sinne des § 4 SVD 27 und als Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG ohne Zweifel medizinisch unrichtig gewesen ist. Damit ist mit dem LSG davon auszugehen (§ 163 SGG), daß die Entscheidung vom 14. März 1950 und der Bescheid vom 20. August 1951 im Zeitpunkt ihres Erlasses in tatsächlicher Hinsicht unrichtig gewesen sind. Darüber hinaus ist auch nicht zu beanstanden, wenn das LSG - wiederum unangegriffen - festgestellt hat, daß die Entscheidung vom 14. März 1950 auch rechtlich unrichtig gewesen ist. Denn bei ihrem Erlaß ist der Beschwerdeausschuß hinsichtlich der Anerkennung des "Zustandes nach Operation eines Bandscheibenvorfalls" als auf den militärischen Dienst zurückzuführende Gesundheitsstörung von falschen Voraussetzungen ausgegangen; damit hat er gleichzeitig das Gesetz (SVD 27) unrichtig angewandt, weil er zu Unrecht den "Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls" als auf den militärischen Dienst zurückzuführende Gesundheitsstörung im Sinne der SVD 27 anerkannt und dafür Rente nach einer MdE um 30 v. H. gewährt hat (vgl. BSG 10, 72, 75). Das LSG hat somit auf Grund des von ihm festgestellten Sachverhalts mit Recht ausgesprochen, daß der Berichtigungsbescheid vom 28. März 1957 insoweit rechtmäßig ist, als darin ausgeführt ist, bereits im Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung vom 14. März 1950 sei außer Zweifel die darin ausgesprochene Anerkennung des "Zustandes nach Operation eines Bandscheibenvorfalls" als auf den militärischen Dienst zurückzuführende Gesundheitsstörung tatsächlich und rechtlich unrichtig gewesen. Die Abänderung dieser Entscheidung mit Wirkung vom 1. April 1955 an ist daher nach §§ 41, 49 VerwVG zu Recht erfolgt.
Wie bereits dargelegt, ist nach den Feststellungen des LSG auch außer Zweifel, daß der Umanerkennungsbescheid nach dem BVG in tatsächlicher Hinsicht im Zeitpunkt seines Erlasses ebenfalls unrichtig gewesen ist. Die weitere Auffassung des LSG trifft jedoch nicht zu, dieser Bescheid sei deshalb nicht rechtlich unrichtig gewesen, weil der Bescheid im Zeitpunkt seines Erlasses am 20. August 1951 nach § 85 BVG habe ergehen müssen und somit in rechtlicher Hinsicht überhaupt nicht unrichtig gewesen sein könne. Das LSG verkennt nämlich hierbei, daß die rechtliche Unrichtigkeit dieses Bescheides im Sinne des § 41 VerwVG darin liegt, daß die Versorgungsbehörde auf Grund falscher tatsächlicher Voraussetzungen den § 1 BVG unrichtig angewandt hat. Das aber konnte nur geschehen, weil die Versorgungsbehörde beim Erlaß des Umanerkennungsbescheides noch davon ausgehen mußte, der "Zustand nach Operation eines Bandscheibenvorfalls" sei mit der Entscheidung vom 14. März 1950 rechtmäßig als auf den militärischen Dienst zurückzuführende Gesundheitsstörung anerkannt worden, und weil sie sich infolgedessen nach § 85 BVG an die in dieser getroffene Entscheidung über den Ursachenzusammenhang der anerkannten Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des BVG gebunden hielt. Der § 85 BVG hat aber lediglich die rechtliche Bedeutung, daß eine Entscheidung nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften über den Ursachenzusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einem schädigenden Vorgang auch für die entsprechende Entscheidung nach dem BVG rechtsverbindlich ist; er betrifft somit nur die nach dem BVG zu erteilende Entscheidung und bestimmt, wie der Ursachenzusammenhang einer Gesundheitsstörung mit einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG zu beurteilen ist, wenn über diese Frage bereits nach bisherigem Versorgungsrecht entschieden worden ist. Dagegen beeinflußt § 85 BVG nicht die Wirksamkeit anderer gesetzlicher Vorschriften, durch die eine nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangene Entscheidung abgeändert oder zurückgenommen werden kann (vgl. Urteil des 10. Senats des BSG - SozR VerwVG § 41 Nr. 24 -). Dadurch also, daß die Entscheidung vom 14. März 1950 nach § 41 (§ 49) VerwVG abgeändert worden ist, entfällt auch ihre Wirkung gemäß § 85 BVG, ohne daß hierbei von rechtlicher Bedeutung ist, daß die Entscheidung nach bisherigem Versorgungsrecht - hier die Entscheidung vom 14. März 1950 - erst nach Erlaß des Bescheides nach dem BVG vom 20. August 1951 durch den Berichtigungsbescheid vom 28. März 1957 abgeändert worden ist. Wie das BSG in seinem Urteil vom 19. September 1958 - 9 RV 168/55 - ausgeführt hat, verleiht § 85 BVG dem Beschädigten nicht größere Rechte, als er nach bisherigem Versorgungsrecht besessen hat. Obwohl also der Bescheid vom 20. August 1951 bindend geworden war, konnte er danach beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 41 VerwVG abgeändert oder zurückgenommen werden. Die Wirkung des § 85 BVG ist durch die zutreffende Abänderung der Entscheidung vom 14. März 1950 beseitigt worden. Deshalb ist vom Zeitpunkt der Aufhebung dieser Entscheidung an auch der Bescheid vom 20. August 1951 in rechtlicher Hinsicht unrichtig geworden. Denn die Wirkung, die § 85 BVG hinsichtlich der Frage des Ursachenzusammenhangs Bescheiden und Entscheidungen nach bisherigem Versorgungsrecht beilegt, kann nicht stärker sein als die Wirkung der nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangenen Entscheidung selbst, die wegen tatsächlicher und rechtlicher Unrichtigkeit zutreffend nach §§ 41, 49 VerwVG durch den Bescheid vom 28. März 1957 abgeändert worden ist. Die Anwendung des § 41 VerwVG wird danach nicht bei solchen Bescheiden ausgeschlossen, in denen eine vorhandene Gesundheitsstörung nach § 85 BVG weiterhin als Schädigungsfolge im Sinne des BVG anerkannt ist, wenn - wie im vorliegenden Fall - die nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften ergangene Entscheidung mit Recht abgeändert worden ist. Die Abänderung des Bescheides vom 20. August 1951 durch die Versorgungsbehörde ist somit, soweit darin "geringe Nervenstörungen am linken Bein nach Bandscheibenoperation" als Schädigungsfolgen im Sinne des BVG anerkannt worden sind, durch den Berichtigungsbescheid vom 28. März 1957 mit Wirkung für die Zukunft nicht zu beanstanden.
Das bedeutet aber, daß das - schon im Berichtigungsbescheid vom 28. März 1957 zum Ausdruck gekommene - Revisionsbegehren des Beklagten gerechtfertigt ist, von der Verpflichtung sowohl der weiteren Anerkennung "geringer Nervenstörungen am linken Bein nach Bandscheibenoperation" als Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG als auch zur Weiterzahlung einer Rente an den Kläger (nach einer MdE um 30 v. H.) vom 1. Mai 1957 an entbunden zu sein. Daraus folgt weiter, daß nicht nur die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Aufhebung des Berichtigungsbescheides vom 28. März 1957 in der Fassung vom 27. Juli 1957, soweit dieser den Umanerkennungsbescheid betrifft, sondern auch die Verurteilung des Beklagten, dem Kläger die mit dem Umanerkennungsbescheid gewährte Rente über den 30. April 1957 hinaus weiterzuzahlen, keinen Bestand haben kann.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist unbeachtlich, ob die weiteren Rügen des Beklagten, das LSG habe die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts, die Nr. 26 SVA 11 und in Verbindung damit § 128 Abs. 1 SGG verletzt gegebenenfalls auch Erfolg haben könnten. Denn wie dargelegt, hat die Revision des Beklagten mit dem von ihm begehrten Revisionsziel auch dann Erfolg, wenn von der Rechtsauffassung des LSG ausgegangen wird, daß der Berichtigung der SVD-Entscheidung vom 14. März 1950 durch den Berichtigungsbescheid vom 28. März 1957 Wirkung erst für die Zeit vom 1. April 1955 an, dem Tage des Inkrafttretens des VerwVG, zukommt. Das gilt um so mehr, als der Beklagte nach dem Berichtigungsbescheid vom 28. März 1957 und nach seinem eigenen Vorbringen eine Rückforderung weder geltend gemacht hat noch geltend macht und sich damit praktisch sogar mit der Abänderung der berichtigten Entscheidung vom 14. März 1950 und des Umanerkennungsbescheides ex nunc begnügt. Der erkennende Senat brauchte daher nicht zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob das LSG die Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts, die Nr. 26 der SVA 11 und den § 128 Abs. 1 SGG verletzt hat.
Nach alledem ist die Revision des Beklagten begründet. Das Urteil des Berufungsgerichts mußte deshalb abgeändert und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193, Abs. 1 SGG.
Fundstellen