Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Vergütung für Krankenhausbehandlungen. Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser. Verfassungsmäßigkeit der Rückwirkung von § 8 Abs 9 KHEntgG aF
Leitsatz (amtlich)
Der Sanierungsbeitrag der Krankenhäuser ist auch insoweit verfassungsgemäß, als die am 30.3.2007 verkündete Vorschrift rückwirkend zum 1.1.2007 in Kraft getreten ist und deshalb auch bereits abgerechnete Behandlungsfälle erfasst (Ergänzung zu BSG vom 20.4.2010 - B 1 KR 19/09 R = SozR 4-5562 § 8 Nr 1 und vom 29.4.2010 - B 3 KR 11/09 R = SozR 4-5562 § 8 Nr 2; vgl BVerfG vom 9.9.2010 - 1 BvR 2005/10 ua = SozR 4-5562 § 8 Nr 3).
Normenkette
KHEntgG § 8 Abs. 9 S. 1 Fassung: 2007-03-26, S. 2 Fassung: 2007-03-26; GG Art 14 Abs. 1; GG Art 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 24. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 328,94 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Es ist streitig, ob der beklagten Krankenkasse Erstattungsansprüche zustehen, weil die Vergütungen für im ersten Quartal 2007 abgeschlossene Krankenhausbehandlungen ohne Kürzung um den sog Krankenhaus-Sanierungsbeitrag berechnet und bezahlt worden sind. Die Erstattungsansprüche sind in den Vorinstanzen primär im Wege der Aufrechnung gegen unstreitige Vergütungsforderungen der klagenden Krankenhausbetreiberin aus späteren Behandlungsfällen verfolgt und hilfsweise im Wege der Widerklage geltend gemacht worden. Nachdem das LSG die Aufrechnung wegen eines Aufrechnungsverbots - insoweit rechtskräftig - für unwirksam erachtet hat, beschränkt sich das Revisionsverfahren auf die Durchsetzung der Erstattungsansprüche mittels der Widerklage.
Nach § 8 Abs 9 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in der Fassung von Art 19 Nr 2 des am 30.3.2007 verkündeten Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378) war mit Wirkung ab 1.1.2007 (Art 46 Abs 5 GKV-WSG) bei Entlassungen stationär versorgter Patienten nach dem 31.12.2006 ein Abschlag in Höhe von 0,5 vH des Rechnungsbetrages vorzunehmen und auf der Rechnung des Krankenhauses auszuweisen. Soweit Rechnungen von Krankenkassen ohne diesen Abschlag bezahlt worden waren, war der Krankenhausträger verpflichtet, jeweils einen Betrag in Höhe von 0,5 vH des Rechnungsbetrages an die jeweilige Krankenkasse zu erstatten. Diese Regelung galt im Zeitraum vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2008; sie ist zum 1.1.2009 durch das Gesetz zum ordnungspolitischen Rahmen der Krankenhausfinanzierung vom 17.3.2009 (BGBl I 534) aufgehoben worden.
Ursprünglich waren im vorliegenden Rechtsstreit auch die Kürzungen der Rechnungsbeträge aus der Zeit nach dem 30.3.2007 im Streit, weil die klagende Krankenhausbetreiberin ebenso wie zahlreiche andere Krankenhausträger der Ansicht war, schon die Auferlegung des Krankenhaus-Sanierungsbeitrages in § 8 Abs 9 KHEntgG aF selbst sei aus grundsätzlichen Erwägungen verfassungswidrig. Mit diesem Anliegen waren diverse Krankenhausträger vor dem BSG (BSG SozR 4-5562 § 8 Nr 1 und 2) und dem BVerfG (BVerfG SozR 4-5562 § 8 Nr 3) aber gescheitert. Daraufhin hat die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren im Berufungsverfahren auf 9 exemplarische Behandlungsfälle aus dem ersten Quartal 2007 beschränkt; sie macht geltend, auch wenn nunmehr geklärt sei, dass die Pflicht zur Abführung des zweijährigen Krankenhaus-Sanierungsbeitrages selbst verfassungsrechtlich unbedenklich sei, verstoße § 8 Abs 9 KHEntgG aF jedenfalls insoweit gegen das GG, als das erst am 30.3.2007 ausgefertigte und im BGBl verkündete GKV-WSG das rückwirkende Inkrafttreten dieser Vorschrift zum 1.1.2007 angeordnet habe. Es liege ein Verstoß gegen das Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) in Form des verfassungsrechtlichen Rückwirkungsverbots von den Betroffenen belastenden Regelungen und damit zugleich ein verfassungswidriger Eingriff in das Eigentum (Art 14 Abs 1 GG) vor. Die bisher ergangenen Entscheidungen des BSG und des BVerfG hätten diese Problematik ausgeklammert, weil es in jenen Verfahren stets um Entlassungsfälle aus der Zeit nach dem 30.3.2007 gegangen sei.
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Das anhängige Verfahren beschränkt sich seither auf folgende 9 Behandlungsfälle: |
Fall 1: |
Aufnahme-Nr 1229804 Aufenthalt (1) 6.7.2006 - 7.11.2006 (2) 15.11.2006 - 29.11.2006 (3) 13.12.2006 - 2.2.2007 mit Fallzusammenführung nach dem DRG-System Rechnung vom 5.2.2007 ungekürzt bezahlt am 22.2.2007 Abschlagsbetrag 145,91 Euro. |
Fall 2: |
Aufnahme-Nr 1231261 Aufenthalt (1) 25.10.2006 - 8.11.2006 (2) 5.12.2006 - 5.1.2007 mit Fallzusammenführung nach dem DRG-System Rechnung vom 10.1.2007 ungekürzt bezahlt am 29.1.2007 Abschlagsbetrag 35,77 Euro |
Fall 3: |
Aufnahme-Nr 1232184 Aufenthalt 1.1.2007 - 12.1.2007 Rechnung vom 17.1.2007 ungekürzt bezahlt am 6.2.2007 Abschlagsbetrag 27,79 Euro |
Fall 4: |
Aufnahme-Nr 1232195 Aufenthalt 2.1.2007 - 10.1.2007 Rechnung 17.1.2007 ungekürzt bezahlt am 6.2.2007 Abschlagsbetrag 12,38 Euro |
Fall 5: |
Aufnahme-Nr 1232209 Aufenthalt 3.1.2007 - 17.1.2007 Rechnung vom 25.1.2007 ungekürzt bezahlt am 13.2.2007 Abschlagsbetrag 9,94 Euro |
Fall 6: |
Aufnahme-Nr 1232289 Aufenthalt 8.1.2007 - 19.1.2007 Rechnung vom 26.1.2007 ungekürzt bezahlt am 22.2.2007 Abschlagsbetrag 29,18 Euro |
Fall 7: |
Aufnahme-Nr 1232475 Aufenthalt 21.1.2007 - 24.1.2007 Rechnung vom 31.1.2007 ungekürzt bezahlt am 21.2.2007 Abschlagsbetrag 7,03 Euro |
Fall 8: |
Aufnahme-Nr 1233340 Aufenthalt 17.3.2007 - 21.3.2007 Rechnung vom 9.5.2007 ungekürzt bezahlt am 30.5.2007 Abschlagsbetrag 6,54 Euro |
Fall 9: |
Aufnahme-Nr 1232711 Aufenthalt 5.2.2007 - 6.4.2007 Rechnung vom 8.5.2007 ungekürzt bezahlt am 29.5.2007 Abschlagsbetrag 54,40 Euro. |
Die sich hieraus ergebenden Abschlagsbeträge in Höhe von insgesamt 328,94 Euro hat die Beklagte vorprozessual im Wege der Aufrechnung gegen unstreitige Vergütungsansprüche der Klägerin aus späteren Behandlungsfällen geltend gemacht (Schreiben vom 13.9.2007).
Das SG hat die - erstinstanzlich noch Abschläge in einer Gesamthöhe von 18 750,29 Euro umfassende - Klage abgewiesen (Urteil vom 10.12.2008). Das LSG hat der auf die vorgenannten 9 Fälle beschränkten Berufung der Klägerin zwar stattgegeben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 328,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 18.12.2007 zu zahlen, zugleich aber die Klägerin auf die Hilfs-Widerklage der Beklagten verurteilt, an jene 328,94 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 14.2.2011 - Rechtshängigkeit der Widerklage - zu zahlen (Urteil vom 24.5.2012). Es ist der Auffassung, die von der Beklagten erklärte Aufrechnung sei unwirksam, weil § 15 Abs 4 S 2 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V ein Aufrechnungsverbot enthalte. Daher sei die Zahlungsklage der Klägerin nach § 109 Abs 4 S 2, 3 SGB V begründet. Andererseits seien aber auch die Erstattungsansprüche der Beklagten begründet, weil das rückwirkende Inkrafttreten des § 8 Abs 9 KHEntgG aF zum 1.1.2007 verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Daher sei die im Berufungsverfahren vorsorglich erhobene Hilfs-Widerklage der Beklagten ebenfalls begründet. Die Problematik des grundsätzlichen Rückwirkungsverbots von belastenden gesetzlichen Regelungen bezüglich in der Vergangenheit abgeschlossener Vorgänge ("echte Rückwirkung") erfasse nur die Fälle 1 bis 8, nicht aber den Fall 9, weil der Versicherte erst nach der Verkündung des GKV-WSG im BGBl (30.3.2007) aus dem Krankenhaus entlassen worden sei. In den Fällen 1 und 8 trete das Rückwirkungsverbot zurück, weil die Versicherten (Fall 1) erst am Tage bzw (Fall 8) erst nach der Verabschiedung des GKV-WSG im Bundestag (2. und 3. Lesung des Gesetzes am 2.2.2007) entlassen worden seien und die Krankenhausträger ab diesem Zeitpunkt kein schutzwürdiges Vertrauen in den Fortbestand der bisherigen Rechtslage mehr geltend machen könnten. In den Fällen 2 bis 7 sei die Durchbrechung des Rückwirkungsverbots gerechtfertigt, weil den Krankenhausträgern durch die Rückwirkung des § 8 Abs 9 KHEntgG aF kein erheblicher wirtschaftlicher Nachteil entstanden sei ("Bagatellvorbehalt"). Außerdem sei das rückwirkende Inkrafttreten des § 8 Abs 9 KHEntgG aF durch vorrangige Gründe des Allgemeinwohls gerechtfertigt. Das mit dem Sanierungsbeitrag verfolgte Ziel der finanziellen Stabilisierung der Krankenkassen und damit der Funktionsfähigkeit der GKV sei ein Gemeinwohlbelang von ganz erheblichem Gewicht.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Sie hält an ihrer Auffassung fest, das rückwirkende Inkraftsetzen des § 8 Abs 9 KHEntgG aF verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG sowie gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG und sei daher verfassungswidrig. Im Übrigen sei auch im Fall 9 von einem schutzwürdigen Vertrauen in die bestehende Gesetzeslage auszugehen, weil die Aufnahme des Versicherten am 5.2.2007 und damit vor der Verkündung des GKV-WSG erfolgt sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.5.2012 teilweise zu ändern und die Widerklage abzuweisen;
hilfsweise,
das Revisionsverfahren auszusetzen und dem BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG die Frage vorzulegen, ob § 8 Abs 9 KHEntgG in der Fassung des Art 19 Nr 2 GKV-WSG wegen Verstoßes gegen Art 14 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) verfassungswidrig ist, soweit die Vorschrift Rechnungen für stationäre Behandlungen erfasst, bei denen die Versicherten vor dem 31.3.2007 aus dem Krankenhaus entlassen worden sind.
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat dem im Wege der Widerklage geltend gemachten Zahlungsbegehren der Beklagten zu Recht stattgegeben.
1. Rechtsgrundlage des Zahlungsanspruchs der Beklagten ist § 8 Abs 9 KHEntgG aF. Nach dieser durch das GKV-WSG geschaffenen Vorschrift war in dem Zeitraum vom 1.1.2007 bis zum 31.12.2008 bei Entlassungen stationär versorgter Versicherter der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) nach dem 31.12.2006 ein Abschlag in Höhe von 0,5 vH des Rechnungsbetrags vorzunehmen und auf der Rechnung des Krankenhauses gesondert auszuweisen (§ 8 Abs 9 S 1 KHEntgG aF). Soweit eine Krankenkasse eine Behandlungsvergütung ohne diesen Abschlag bezahlt hat, bestand ein Erstattungsanspruch der Krankenkassen gegen den Krankenhausträger in Höhe von 0,5 vH des Rechnungsbetrages (§ 8 Abs 9 S 2 KHEntgG aF). Die Tatbestandsvoraussetzungen dieses Erstattungsanspruchs sind hier erfüllt. In allen 9 noch streitigen Fällen erfolgten die Entlassungen der Versicherten aus der stationären Behandlung nach dem 31.12.2006 und die Bezahlung der Rechnungen durch die Beklagte ohne Abschlag. Die Klägerin war somit verpflichtet, jeweils einen Betrag von 0,5 vH des Rechnungsbetrages (zur Bemessungsgrundlage vgl § 8 Abs 9 S 3 KHEntgG aF) an die Beklagte zurückzuzahlen. Die Höhe des Rückzahlungsanspruchs ist zutreffend mit 328,94 Euro berechnet und zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
2. Zum Streitgegenstand des Revisionsverfahrens gehört nicht mehr die von der Klägerin erhobene Klage auf Zahlung der restlichen Vergütung in Höhe von 328,94 Euro aus unstreitigen späteren Behandlungsfällen. Das LSG hat die von der Beklagten primär erklärte Aufrechnung mit den Erstattungsansprüchen nach § 8 Abs 9 S 2 KHEntgG, die im Falle ihrer Wirksamkeit gemäß § 69 Abs 1 S 3 SGB V iVm §§ 387, 389 BGB zum Erlöschen der Vergütungsansprüche geführt hätte, wegen Verstoßes gegen ein sich aus § 15 Abs 4 S 2 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages nach § 112 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V ergebendes Aufrechnungsverbot für unwirksam erachtet und deshalb der Zahlungsklage nach § 109 Abs 4 S 2, 3 SGB V in Höhe von 328,94 Euro stattgegeben. Der Anspruch auf Verzinsung dieser Forderung in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab 18.12.2007 folgt aus § 15 Abs 1 S 4 des Landesvertrags. Die Beklagte hat die in den Vorinstanzen vertretene Ansicht, die von ihr erklärte Aufrechnung sei wirksam, im Revisionsverfahren nicht aufrechterhalten und deshalb davon abgesehen, ihre Verurteilung zur Zahlung der restlichen Vergütung aus späteren unstreitigen Behandlungsfällen anzufechten. Dieser Teil des Berufungsurteils ist somit rechtskräftig geworden. Der erkennende Senat hatte daher keine Möglichkeit, die Frage zu klären, ob sich aus § 15 Abs 4 S 2 des Landesvertrags wirklich ein Aufrechnungsverbot mit der vom LSG angenommenen Reichweite ergibt oder ob hier eine Aufrechnung möglich gewesen wäre, weil sich das Aufrechnungsverbot auf andere Fallkonstellationen bezieht.
Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind deshalb lediglich die im Wege der Widerklage verfolgten Erstattungsansprüche nach § 8 Abs 9 S 2 KHEntgG aF. Die zunächst im Eventualverhältnis erhobene Widerklage ist infolge der rechtskräftig als unwirksam erkannten Aufrechnung, dh dem Wegfall der prozessualen Bedingung, zum primären Angriffsmittel der Beklagten geworden.
3. Die Widerklage ist nach § 100 SGG zulässig. Im sozialgerichtlichen Verfahren kann eine Widerklage auch im Berufungsverfahren ohne Einwilligung des Klägers erhoben werden (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 100 RdNr 3a). Der erforderliche Zusammenhang des mit der Widerklage verfolgten Anspruchs mit dem klageweise geltend gemachten Anspruch ist gegeben, weil der Erstattungsanspruch nach § 8 Abs 9 S 2 KHEntgG aF unmittelbar aus der unterbliebenen Kürzung einer Krankenhausrechnung um den Krankenhaus-Sanierungsbeitrag nach § 8 Abs 9 S 1 KHEntgG aF resultiert und zu einer Verminderung des Vergütungsanspruchs des Krankenhausträgers um 0,5 vH des Rechnungsbetrags führt, wobei die zur Verfügung stehenden Wege der Durchsetzung des Erstattungsanspruchs - Aufrechnung einerseits, Widerklage andererseits - dasselbe wirtschaftliche Ergebnis ergeben.
4. Es ist geklärt, dass der Rechnungsabschlag nach § 8 Abs 9 KHEntgG aF selbst als Finanzierungsinstrument zur Sicherung der Leistungsfähigkeit der GKV dem Grunde und der Höhe nach verfassungsgemäß ist (BSG SozR 4-5562 § 8 Nr 1, 2; BVerfG SozR 4-5562 § 8 Nr 3). Dies stellt die Klägerin auch nicht mehr in Frage. § 8 Abs 9 KHEntgG aF ist aber auch insoweit verfassungsgemäß, als die Vorschrift rückwirkend zum 1.1.2007 in Kraft getreten ist. Im Fall 9 liegt eine unechte Rückwirkung vor, die keinen rechtlichen Bedenken begegnet. In den übrigen 8 Fällen handelt es sich zwar um eine echte Rückwirkung des die Krankenhausträger belastenden Gesetzes. Es liegt jedoch eine Ausnahmesituation vor, weshalb die echte Rückwirkung hier ebenfalls als rechtmäßig anzusehen ist.
a) Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist Art 14 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 3 GG, wenn sich rechtliche Bedenken gegen Art 8 Abs 9 KHEntgG aF aus dem - hier allein noch interessierenden - rückwirkenden Inkrafttreten der Vorschrift ergeben. Soweit Eigentumspositionen berührt sind, richtet sich der Schutz gegenüber rückwirkenden Gesetzen nach den Regeln über die Rückwirkung von Rechtsnormen in der Ausprägung, die sie durch Art 14 Abs 1 GG erfahren haben (BVerfGE 95, 64, 86; BSG SozR 4-5562 § 8 Nr 1 RdNr 28). Im Ergebnis teilt der erkennende Senat die von der Klägerin vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken jedoch nicht. Daher kann auch die Frage offenbleiben, ob sie als juristische Person des Privatrechts mit dem Status der Gemeinnützigkeit (gemeinnützige GmbH) überhaupt grundrechtsfähig ist und sich auf den Schutz des Art 14 Abs 1 GG berufen kann.
b) Echte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift oder wenn der Beginn seiner zeitlichen Anwendung auf einen Zeitpunkt festgelegt ist, der vor dem Zeitpunkt liegt, zu dem die Norm durch ihre Verkündung wirksam geworden ist (BVerfGE 126, 369, 391). Dagegen liegt nur eine unechte Rückwirkung vor, wenn eine Rechtsnorm auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt, indem sie die betroffene Rechtspositionen nachträglich entwertet (BVerfGE 101, 239, 263). Nach diesen Maßstäben liegt in den Behandlungsfällen 1 bis 8 echte Rückwirkung vor; in den Fällen 1 bis 7 führt die Regelung sogar zu einer Kürzung bereits vereinnahmter Entgelte, denn die Rechnungen waren bei Verkündung des GKV-WSG am 30.3.2007 bereits beglichen. Aber auch im Fall 8 erfolgte der Eingriff in eine schon bestehende Rechtsposition. Da nach ständiger Rechtsprechung des BSG der Vergütungsanspruch eines zugelassenen Krankenhauses bei Erforderlichkeit der stationären Behandlung unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten dem Grunde nach entsteht (BSG SozR 4-2500 § 109 Nr 19 RdNr 11), war im Fall 8 der Vergütungsanspruch der Klägerin mit der Entlassung des Versicherten am 21.3.2007 dem Grunde nach gegeben, auch wenn die Rechnung erst am 9.5.2007 erstellt worden und damit fällig geworden ist. Mithin bewirkt die Regelung auch in diesem Fall die Kürzung eines schon entstandenen Anspruchs und entfaltet somit echte Rückwirkung.
c) Die verfassungsrechtliche Problematik der echten Rückwirkung eines Gesetzes stellt sich hingegen nicht im Fall 9. Es liegt insoweit nur eine unechte Rückwirkung vor, denn die Entlassung des Versicherten erfolgte erst am 6.4.2007, also nach der Verkündung des GKV-WSG am 30.3.2007. Die unechte Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) von neuen gesetzlichen Regelungen ist grundsätzlich zulässig (BVerfGE 30, 392, 402; 63, 152, 175; 72, 141, 154; 92, 277, 325; 94, 241, 258 f; 95, 64, 86). Rechtlicher Maßstab ist hier der rechtsstaatliche Gedanke des Vertrauensschutzes. In diesen Fällen der tatbestandlichen Rückanknüpfung überwiegt regelmäßig das vom Gesetzgeber verfolgte Gemeinwohlziel dem Vertrauen des Bürgers darauf, die ihn begünstigende Rechtslage werde sich in Zukunft nicht ändern. Die Notwendigkeit, an Sachverhalte der Vergangenheit anzuknüpfen, ist gemeinhin Ausdruck der Neu- und Umgestaltungsaufgabe des demokratischen Gesetzgebers (BGHZ 125, 153, 158).
d) Eine echte Rückwirkung, wie sie hier in den Fällen 1 bis 8 vorliegt, ist hingegen grundsätzlich unzulässig. Das Rückwirkungsverbot, das - wie bereits ausgeführt - seinen Grund im Vertrauensschutz hat und Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips (Art 20 Abs 3 GG) ist, kann im Einzelfall aber zurücktreten, wenn ein nicht oder nicht mehr schutzwürdiges Vertrauen des Einzelnen die Durchbrechung des rechtsstaatlichen Rückwirkungsverbots zugunsten der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers rechtfertigt (BVerfGE 72, 200, 258; 88, 384, 404). In jedem Fall endet der Schutz des Vertrauens auf den Fortbestand der alten Regelung mit dem Beschluss des neuen Rechts (BVerfGE 13, 206, 213; 72, 200, 262; 95, 64, 87), bei Gesetzen also in der Regel mit der dritten Lesung im Bundestag. Außerdem gilt das Rückwirkungsverbot dann nicht, wenn den Betroffenen kein beachtlicher Nachteil entsteht (sog Bagatellvorbehalt, BVerfGE 30, 367, 389; 72, 200, 258 f; 95, 64, 87). Im Übrigen können - trotz eines Vertrauenstatbestandes - zwingende Belange des Gemeinwohls die echte Rückwirkung rechtfertigen (BVerfGE 13, 261, 272; 30, 367, 390 f; 72, 200, 260; 88, 384, 404).
e) Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist hier die echte Rückwirkung (Fälle 1 bis 8) verfassungsrechtlich unbedenklich. Zwar war der Vertrauensschutz der Krankenhausträger nicht schon vor dem 1.1.2007 mit dem Bekanntwerden der Gesetzesinitiative durch den Gesetzentwurf des GKV-WSG vom 24.10.2006 (BT-Drucks 16/3100) entfallen, auch wenn von vornherein ein Inkrafttreten des Rechnungsabschlags zum 1.1.2007 beabsichtigt war (BT-Drucks 16/3100, 210 zu Art 46) und es die Krankenhäuser über ihre Interessenvertretung in Berlin (Deutsche Krankenhausgesellschaft - DKG) erreicht haben, dass der im damaligen Entwurf noch vorgesehene Rechnungsabschlag von 0,7 vH (BT-Drucks 16/3100, 194 zu Art 19) im Zuge der parlamentarischen Beratungen auf 0,5 vH reduziert worden ist. Grundsätzlich ist das Bekanntwerden von Gesetzesinitiativen und die öffentliche Berichterstattung über die Vorbereitung einer Neuregelung noch nicht geeignet, den Vertrauensschutz entfallen zu lassen (BVerfGE 30, 272, 287; 72, 200, 261). Insoweit ist es entgegen der Ansicht der Beklagten auch irrelevant, inwieweit jedes einzelne Krankenhaus - und hier insbesondere die Klägerin - durch die DKG über das Gesetzesvorhaben informiert und an seiner konkreten Ausgestaltung beteiligt war. Jedoch reicht der endgültige Gesetzesbeschluss des Bundestages aus, um den Vertrauensschutz entfallen zu lassen, denn von diesem Zeitpunkt an darf der Einzelne nicht mehr auf den Fortbestand des alten Rechts vertrauen (BVerfGE 72, 200, 262). Da der Bundestag am 2.2.2007 das GKG-WSG in der Ausschuss-Fassung in dritter Lesung verabschiedet hat, bestand bei allen Entlassungen ab dem Folgetag (3.2.2007) kein schutzwürdiges Vertrauen mehr auf die Erlangung der ungekürzten Vergütungen. Dies betrifft hier den Fall 8, in dem die Entlassung am 21.3.2007 erfolgte.
f) Soweit - wie in den Fällen 1 bis 7 - eine Entlassung aus dem Krankenhaus schon vor dem 3.2.2007 erfolgte und damit der Vertrauensschutz der Krankenhausträger grundsätzlich zu berücksichtigen ist, bewirkte indes das rückwirkende Inkrafttreten des § 8 Abs 9 KHEntgG aF zum 1.1.2007 für die Krankenhausträger keinen erheblichen Nachteil. Schon grundsätzlich bedeutete der maßvolle Rechnungsabschlag von 0,5 vH für die Krankenhäuser nur eine relativ geringe wirtschaftliche Belastung. In ihren Entscheidungen zum Rechnungsabschlag haben sowohl das BSG (SozR 4-5562 § 8 Nr 1 RdNr 25) als auch das BVerfG (SozR 4-5562 § 8 Nr 3 RdNr 11) darauf hingewiesen, angesichts der Höhe des Abschlages von nur 0,5 vH sei es unwahrscheinlich, dass die Krankenhäuser dadurch in ernsthafte wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten könnten. Solche Schwierigkeiten sind dann in der Folgezeit auch nicht aufgetreten. Der Nachteil wiegt hier umso weniger schwer, weil er nur einen Zeitraum von etwas mehr als einem Monat (genau: 33 Tage) betrifft - nämlich die Zeitspanne vom Jahresbeginn bis zu dem ohnehin zum Wegfall des Vertrauensschutzes führenden endgültigen Gesetzesbeschluss am 2.2.2007 (ebenso zur vergleichbaren Frage der rückwirkenden Erhöhung des Apothekenrabatts um 1 vH für einen Monat vor Verkündung des Gesetzes BSG SozR 4-2500 § 130 Nr 1 RdNr 23).
g) Im Übrigen ist das rückwirkende Inkrafttreten der Regelung auch durch vorrangige Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Mit dem Rechnungsabschlag sollten die Krankenhäuser an der finanziellen Konsolidierung der GKV beteiligt werden, wobei der Gesetzgeber ursprünglich von einem Sanierungsanteil der Krankenhäuser in Höhe von 1 vH der Ausgaben für die stationären Krankenhausleistungen ausgegangen war (BT-Drucks 16/3100, 194), darunter als größter Posten der Sanierungsbeitrag in Höhe von 0,7 vH der Rechnungsbeträge gemäß § 8 Abs 9 KHEntgG aF. Das mit diesem Sanierungskonzept verfolgte Ziel der finanziellen Stabilisierung und damit der Funktionsfähigkeit der GKV ist ein Gemeinwohlbelang von erheblichem Gewicht (BVerfGE 70, 1, 29; 103, 172, 184; BVerfG SozR 3-2500 § 311 Nr 1). Dabei hat das BVerfG betont, der Gesetzgeber sei nicht nur berechtigt, Maßnahmen zur Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV zu ergreifen, sondern er dürfe sich vielmehr dieser Aufgabe nicht entziehen (BVerfGE 68, 193, 218). Nachdem ohnehin schon der Rechnungsabschlag im Gesetzgebungsverfahren von 0,7 auf 0,5 vH gekürzt worden war und damit ein Teil des ursprünglich angestrebten Sanierungsvolumens der Krankenhäuser entfiel, war das Inkrafttreten schon zum 1.1.2007 erforderlich, um die verbliebene Entlastung der Krankenkassen für das gesamte Jahr 2007 in vollem Umfang sicherzustellen (vgl BT-Drucks 16/4247, 71 zu Art 46 Abs 5). Angesichts des hohen Rangs des Gemeinwohlbelangs der finanziellen Stabilität der GKV und der mit dem rückwirkenden Inkrafttreten verbundenen geringen wirtschaftlichen Belastung überwiegen die Gründe des Gemeinwohls gegenüber dem Vertrauensschutzinteresse der Krankenhäuser. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass die Krankenhäuser ebenfalls Teil des Gesamtsystems der GKV sind und von dessen Stabilität profitieren (vgl BVerfG SozR 4-5562 § 8 Nr 3 RdNr 11).
h) Da somit § 8 Abs 9 KHEntgG aF auch hinsichtlich des Zeitpunkts seines Inkrafttretens verfassungsgemäß ist, besitzt die Beklagte in den streitbefangenen Behandlungsfällen Erstattungsansprüche nach Satz 2 dieser Vorschrift, da sie die Rechnungen ungekürzt bezahlt hat. Ihr Gesamtanspruch beläuft sich auf - rechnerische unstreitig - 328,94 Euro.
5. Der Zinsanspruch der Beklagten ergibt sich aus der entsprechenden Anwendung des § 15 Abs 1 S 4 des nordrhein-westfälischen Landesvertrages. Diese Bestimmung lautet: "Bei Überschreitung des Zahlungsziels kann das Krankenhaus nach Maßgabe der §§ 284, 285, 288 Abs. 1 BGB Verzugszinsen in Höhe von 2 v.H. über dem jeweiligen Diskontsatz der Deutschen Bundesbank ab dem auf den Fälligkeitstag folgenden Tag verlangen". Als Bezugsgröße sind an die Stelle des Diskontsatzes zunächst ab dem 1.1.1999 der Basiszinssatz nach Maßgabe des Diskontsatz-Überleitungs-Gesetzes vom 9.6.1998 (BGBl I 1242) und mit Wirkung vom 4.4.2002 durch Art 4 § 2 Versicherungskapital-Anlagen-Bewertungsgesetz vom 26.3.2002 (BGBl I 1219) der Basiszinssatz nach § 247 BGB getreten. Diese auf den Zahlungsverzug der Krankenkassen abzielende Verzinsungsregelung ist in entsprechender Weise auch auf Erstattungsansprüche der Krankenkassen wegen überzahlter Behandlungskosten anzuwenden (BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 7). Die Beklagte kann somit Zinsen in der vertraglichen Höhe von 2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz jedenfalls ab Rechtshängigkeit der Widerklage (14.2.2011) fordern.
6. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens ergibt sich aus § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 S 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 GKG.
Fundstellen