Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirkung früherer Bescheinigungen über Ersatzzeiten nach dem NVG. Ersatzzeiten für Verfolgte
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Bedeutung früherer Bescheinigungen der Versicherungsträger "über Ersatzzeiten nach dem Gesetz über die Behandlung von Verfolgten des Nationalsozialismus in der Sozialversicherung vom 22.8.1949" für neue Versicherungsfälle.
2. Zur Auslegung des AVG § 28 Abs 1 Nr 4 (= RVO § 1251 Abs 1 Nr 4), insbesondere der Begriffe "Freiheitsentziehung" und "Freiheitsbeschränkung" iS des BEG §§ 43, 47.
Normenkette
AVG § 28 Abs. 1 Nr. 4; NVG; BEG §§ 43, 47
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 13. Februar 1973 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I.
Der am 29. Juli 1905 geborene Kläger war früher Bankbeamter. Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung wurde er von seinem Arbeitgeber, der Hamburger Sparkasse von 1827, unter Berufung auf die entsprechend anzuwendenden reichsgesetzlichen Vorschriften des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 zum 31. Dezember 1933 entlassen, weil ein Elternteil jüdischer Abstammung war. Durch Feststellungsbescheid des Regierungspräsidenten in Kassel vom 23. August 1955 ist der Kläger wegen dieses Vorganges als Verfolgter i.S. des § 1 des Gesetzes über die Behandlung der Verfolgten des Nationalsozialismus in der Sozialversicherung vom 22. August 1949 (NVG) anerkannt.
Am 16. September 1955 erteilte ihm die Beklagte eine "Bescheinigung über Ersatzzeiten nach dem Gesetz über die Behandlung von Verfolgten des Nationalsozialismus in der Sozialversicherung vom 22.8.1949". Darin wurden "folgende Ersatzzeiten angerechnet, und zwar für die Monate
1.1.1934 bis 30.6.1935 = 18 Beiträge Klasse D
1.7.1935 bis 30.4.1941 = 70 Beiträge Klasse E
1.5.1941 bis 30.6.1941 = 2 Beiträge Klasse F
1.7.1941 bis 30.6.1942 = 12 Beiträge Klasse F
1.7.1942 bis 30.8.1942 = 2 Beitragsmonate
1.1.1943 bis 8.5.1945 = 29 Beitragsmonate mit einem Arbeitsverdienst von 13.404,94 RM".
Dazu hieß es in der Bescheinigung, daß neben dieser Ersatzzeit für gleiche Zeiten entrichtete Pflichtbeiträge nicht berücksichtigt würden. Dies war für den Kläger insofern von Bedeutung, als er vom 1. Juli 1940 bis 31. August 1942 als Buchhalter in Hamburg und vom 1. September 1942 bis 30. September 1943 als Revisor bei dem Wirtschaftsprüfer R in Stuttgart versicherungspflichtig beschäftigt war; die Versicherungsunterlagen hierfür sind vorhanden. Dazu hatte ihm die Beklagte noch mitgeteilt, daß sie für die Zeit vom 1. September bis 31. Dezember 1942 keine Ersatzzeit nach dem NVG angerechnet habe, um eine Schlechterstellung zu vermeiden. Während dieses Zeitraums hätte sonst nur ein Bruttoarbeitsverdienst von 1.733,32 RM eingesetzt werden können, während in der Versicherungskarte Nr. 5 ein Bruttoarbeitsverdienst von 2.000,- RM eingetragen sei.
Seit dem 1. August 1970 bezieht der Kläger Altersruhegeld. Bei der Rentenberechnung hat die Beklagte in ihrem Bescheid vom 2. November 1970 nur die Zeit vom 1. Januar 1934 bis 30. Juni 1940 als Ersatzzeit angerechnet und für die Zeit der Tätigkeit als Buchhalter und Revisor vom 1. Juli 1940 bis 30. September 1943 die in der Versicherungskarte Nr. 5 ausgewiesenen Beiträge und Arbeitsverdienste, während die Zeit vom 1. Oktober 1943 bis 8. Mai 1945 unberücksichtigt blieb.
Hiergegen erhob der Kläger Klage mit dem Antrage,
den Bescheid vom 2. November 1970 zu ändern und die Zeit vom 1. Oktober 1943 bis 8. Mai 1945 zusätzlich als Ersatzzeit rentensteigernd anzurechnen.
Einmal sei die Bescheinigung vom 16. September 1955 bindend geworden, zum anderen erfülle der streitige Zeitraum auch die Voraussetzungen für eine Anrechnung als Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 4 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) in der nunmehr geltenden Fassung.
Das Sozialgericht (SG) Hamburg hat die Klage abgewiesen. Die Bescheinigung vom 16. September 1955 habe für Versicherungsfälle seit dem 1. Januar 1957 keine rechtliche Bedeutung mehr, da das NVG durch § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG nF ersetzt worden sei. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfülle der Kläger in der streitigen Zeit nicht.
Die hiergegen eingelegte Berufung, mit welcher der Kläger weiterhin die rentensteigernde Berücksichtigung der genannten Zeit als Ersatzzeit, hilfsweise als Ausfallzeit erstrebte, blieb erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg war ebenfalls der Auffassung, der Bescheinigung vom 16. September 1955 komme infolge der Rentenreform keine Bedeutung mehr zu. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Ersatzzeit nach § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG - idF des Art. 2 § 2 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung der Vorschriften über die Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVÄndG) vom 22. Dezember 1970 (BGBl I 1846) - seien nicht erfüllt.
Eine Freiheitsentziehung i.S. des § 43 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) habe nicht vorgelegen. Der Kläger habe mit Hilfe ihm günstiger Umstände wie des Besitzes der notwendigen Ausweispapiere, des Wohlverhaltens des Büros des Wirtschaftsprüfers R in Stuttgart sowie vieler seiner Klienten und verschiedener Freunde und Bekannten und nicht zuletzt wegen seiner Geschicklichkeit und Intelligenz sich im Reichsgebiet frei bewegen können, ohne dabei jemals ernsthafte Schwierigkeiten gehabt zu haben. Ihm sei es in der streitigen Zeit lediglich verwehrt gewesen, seine eigene Wohnung in Hamburg aufzusuchen, um nicht Gefahr zu laufen, dort wegen der Nichtbeachtung seiner Dienstverpflichtung durch das Arbeitsamt Hamburg vom 13. April 1944 festgenommen zu werden. Allenfalls dann, wenn er der Dienstverpflichtung des Arbeitsamtes nachgekommen wäre, hätte darin u.U. eine Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen erblickt werden können. Auch an einer Freiheitsbeschränkung i.S. des § 47 BEG habe es gefehlt. Der Kläger habe weder den Judenstern tragen noch ein Leben in der Illegalität unter menschenunwürdigen Bedingungen führen müssen. Er habe vielmehr nach seinen eigenen Angaben bis zuletzt unter seinem Namen gelebt.
Schließlich entfalle auch die Möglichkeit, die streitige Zeit als Ausfallzeit zu berücksichtigen. § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG komme schon deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger sich in dieser Zeit nicht bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchender gemeldet habe, ganz abgesehen davon, daß es fraglich sein könne, ob er damals überhaupt arbeitslos gewesen sei. Er sei zwar ab 1. Oktober 1943 vom Büro R nicht mehr als Arbeitnehmer geführt worden, habe aber dennoch für dieses Büro weiter gearbeitet, wenn auch in anderer Form und sicherlich nicht mehr so regelmäßig wie bisher. Zumindest sei er also nicht ständig arbeitslos gewesen. Aber auch eine Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG liege nicht vor. Seiner Auffassung, es habe sich um eine Ausbildungszeit für seinen späteren Beruf als Wirtschaftsprüfer gehandelt, könne nicht gefolgt werden, weil seine Tätigkeit vom 1. Oktober 1943 an weder eine abgeschlossene Lehrzeit noch eine abgeschlossene Fach- oder Hochschulausbildung gewesen sei, sondern ihm allenfalls eine Vertiefung seiner Kenntnisse als Revisor gebracht habe.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger Verletzung des § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG sowie der §§ 77 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Er beantragt,
das Urteil des LSG Hamburg vom 13. Februar 1973 und das Urteil des SG Hamburg vom 21. Juni 1972 aufzuheben sowie die Beklagte in Abänderung ihres Bescheides vom 2. November 1970 zu verurteilen, die Zeit vom 1. Oktober 1943 bis 8. Mai 1945 zusätzlich als Ersatzzeit rentensteigernd anzurechnen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen,
da das angefochtene Urteil richtig sei.
II.
Die Revision des Klägers ist teilweise begründet und muß zur Aufhebung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG führen.
Allerdings sind die Vorinstanzen zutreffend davon ausgegangen, daß der Bescheinigung vom 16. September 1955 keine rechtliche Bedeutung mehr zukommt. Die "Anerkennung" von Ersatzzeiten beruhte auf Sonderregelungen wie z.B. § 12 der Beitragsordnung der Angestelltenversicherung vom 21. November 1924 (RGBl I 745) sowie auf den diese Vorschrift ergänzenden Bestimmungen, vgl. dazu u.a. die §§ 1419 a Abs. 1 Satz 2 und 1438 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF. Selbst wenn man der dem Kläger erteilten Bescheinigung mindestens seit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (vgl. dazu BSG 7, 8 und 122 sowie 10, 72) eine verbindliche Wirkung beilegen wollte, betraf sie lediglich die Anerkennung von Ersatzzeiten i.S. des NVG aus dem Jahre 1949. Sie stand unter dem selbstverständlichen Vorbehalt, daß sie nur für den Fall gelten sollte, daß eine für den Versicherungsträger unvorhersehbare gesetzliche Änderung nicht eintrat. In derartigen Erklärungen eines Versicherungsträgers kann deshalb nicht noch die Garantie für den künftigen Fortbestand der mitgeteilten Anrechnungsmöglichkeiten hineingelegt werden. Eine entscheidende Veränderung der Rechtslage aber lag in dem Inkrafttreten der Rentenreform des Jahres 1957. Sie gestaltete die gesetzliche Rentenversicherung grundlegend um und brachte hinsichtlich der anrechenbaren Ersatzzeiten eine völlige Neuregelung nicht nur dem Grunde nach, sondern auch hinsichtlich der Art ihrer Bewertung und Berücksichtigung für die Rentenberechnung (BSG 26, 251). Dabei war das neue Recht im wesentlichen für die Betroffenen günstiger als die bisherigen Regelungen, in einzelnen Fällen konnten sich jedoch gewisse Nachteile ergeben. Infolge dieses Wandels des objektiven Rechts wurden die von der Beklagten in ihrer Bescheinigung vom 16. September 1955 angenommenen Rechtsfolgen aufgrund des NVG gegenstandslos (vgl. BSG 19, 247, 251 sowie BSG 25, 195, 196 und 18, 22, 27).
Maßgebend war damit allein, wovon auch die Vorinstanzen ausgegangen sind, § 28 Abs. 1 Nr. 4 AVG in seiner neuesten Fassung (Art. 2 § 2 Nr. 1, Art. 4 § 1 Satz 2 WGSVÄndG). Danach werden Verfolgten als Ersatzzeiten u.a. angerechnet, Zeiten "der Freiheitsentziehung und Freiheitsbeschränkung im Sinne der §§ 43 und 47 des Bundesentschädigungsgesetzes". Hierzu hat das LSG zutreffend ausgeführt, daß eine Freiheitsentziehung nach § 43 BEG nicht vorgelegen hat. Wie sich insbesondere aus § 43 Abs. 2 BEG ergibt, wonach Freiheitsentziehung vor allem polizeiliche oder militärische Haft, Inhaftnahme durch die NSDAP, Untersuchungshaft, Strafhaft, Konzentrationslagerhaft und Zwangsaufenthalt in einem Ghetto sind, fordert hier der Gesetzgeber eine besonders intensive Beeinträchtigung der Freiheit (BSG SozR Nr. 26 zu § 1251 RVO). Abgesehen vom Zwangsaufenthalt in einem Ghetto ist unter einer Freiheitsentziehung nur die vollständige und nachhaltige Absonderung von der Umwelt mit Beschränkung auf einen eng begrenzten Raum, z.B. Zelle, Lager, höchstens Gebäudekomplex zu verstehen (Blessin/Giessler, Bundesentschädigungsschlußgesetz, Kommentar, C.H. Beck 1967, § 43 BEG Anm. II 1; Brunn/Hebenstreit, Bundesentschädigungsgesetz, Berlin 1965, § 43 BEG Note 18). Desgleichen schieden ein der Freiheitsentziehung gleich zu achtendes "Leben unter haftähnlichen Bedingungen" oder "Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen" (§ 43 Abs. 3 BEG) aus. Haftähnliche Bedingungen setzen zwar keine vollständige und nachhaltige Absonderung von der Umwelt voraus, erfordern aber immerhin, daß der Verfolgte erheblichen und laufend streng überwachten Einschränkungen seiner Bewegungsfreiheit unterworfen war und nach den sonstigen sich ergebenden Bedingungen ein Leben führen mußte, das dem eines Häftlings sehr nahekam (Blessin/Giessler aaO Anm. IV 1, Brunn/Hebenstreit aaO Note 21). Damit kann der entgegenstehenden Auffassung der Revision nicht gefolgt werden, eine der Freiheitsentziehung gleichstehende Freiheitsbeschränkung sei schon dann gegeben, wenn der Betroffene gezwungen gewesen sei, ständig unter dem Druck der Verfolgung den Aufenthaltsort zu wechseln, um sich einem Zugriff zu entziehen; eine "Freiheitsentziehung" liege auch vor, wenn der Betroffene, wie der Kläger, seinen Aufenthaltsort nicht frei hätte bestimmen können. Eine so weitgehende Auslegung wäre mit dem Gesetzeswortlaut und der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zum BEG nicht mehr vereinbar.
Ebensowenig kann beanstandet werden, daß das LSG das Vorliegen der Voraussetzungen des § 47 BEG verneint und es insbesondere abgelehnt hat, in der damaligen Lebensweise des Klägers ein Leben "unter menschenunwürdigen Bedingungen in der Illegalität" zu sehen. Ein illegales Leben führt nur, wer außerhalb der für ihn geltenden Rechtsordnung lebt, um dadurch seine wahre Persönlichkeit vor seiner Umwelt und insbesondere vor den Behörden zu verbergen. Das weitere Erfordernis des Lebens in der Illegalität "unter menschenunwürdigen Bedingungen" ist nur erfüllt, wenn die Bedingungen, denen der Verfolgte infolge seines Lebens in der Illegalität unterworfen war, sein Leben auf oder unter die Stufe eines Häftlings brachten (Blessin/Giessler aaO § 47 BEG Anm. III 2; Brunn/Hebenstreit aaO § 47 BEG Noten 4 ff sowie Schlußnachtrag 1966 - 1969 § 47 BEG Noten 2 und 5). Insoweit fehlte es beim Kläger vor allem an einer unzulänglichen Unterbringung und an einer übermäßigen Beanspruchung seiner Arbeitskraft. Die Revision muß denn auch selbst zugeben, daß die Rechtsauffassung des LSG der Rechtsprechung des BGH zu § 47 BEG entspricht, sie macht lediglich geltend, jene werde dem Gesetz nicht gerecht, zumindest dürften hierbei keine all zu hohen Anforderungen gestellt werden. Der Kläger habe nicht bloß seine Wohnung in Hamburg nicht aufsuchen können, er hätte vielmehr von Ort zu Ort reisen müssen, ohne sich länger aufzuhalten und sich polizeilich anzumelden; sein Leben in ständiger Flucht vor dem Zugriff der Behörden sei eine mit dem Leben unter fremden Namen vergleichbare menschenunwürdige Lebensweise gewesen.
Mit Recht ist hierzu im angefochtenen Urteil ausgeführt, daß ein Leben in der Illegalität unter menschenunwürdigen Bedingungen erst dann vorliegt, wenn noch weitere Unwürdigkeiten hinzutreten, wie etwa das Leben unter falschem Namen, der Gebrauch gefälschter Papiere, die Übernahme niedrigster, unzumutbarer Arbeiten, das Betteln oder sogar das Stehlen, um leben zu können. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG hat der Kläger unter derartigen Bedingungen nicht gelebt. Er besaß ausreichende eigene Mittel. Dazu erhielt er immer wieder Geld vom Büro R für seine Revisionstätigkeit. Echte gültige Ausweise machten ihm das Arbeiten und das Umherreisen möglich, ohne daß er Gefahr lief, als eine Person entdeckt zu werden, die falsche Ausweispapiere gebrauchte. Er lebte somit insbesondere nicht unter falschem Namen (vgl. dazu § 47 Abs. 2 BEG), so daß die neuere Rechtsprechung des BGH zu dieser Vorschrift (vgl. u.a. BGH in Rechtsprechung zur Wiedergutmachung 1967, 496 Nr. 11 und 1968, 551 Nr. 13) nicht in Betracht kam. Befand sich der Kläger einmal in Hamburg, konnte er ferner nach seinen eigenen Angaben bei Bekannten oder Freunden wohnen. Wer seine Verfolgungszeit auf diese Weise bis zum 8. Mai 1945 hinter sich brachte, lebte nicht in der Illegalität unter menschenunwürdigen Bedingungen i.S. des § 47 Abs. 1 BEG.
Schließlich hat das LSG zu Recht das Vorliegen einer Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 AVG verneint. Diese Vorschrift war schon deswegen unanwendbar, weil der Kläger in der letzten Zeit des Krieges nicht als Arbeitsuchender beim Arbeitsamt gemeldet war. Ebensowenig war eine Ausfallzeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 4 AVG gegeben.
Das LSG hat jedoch nicht beachtet, daß für Verfolgte nach § 28 Abs. 1 Nr. 4 Ersatzzeiten ferner sind "Zeiten einer Arbeitslosigkeit bis zum 31. Dezember 1946 ..., sofern die Arbeitslosigkeit ... durch Verfolgungsmaßnahmen i.S. des genannten Gesetzes (des BEG) hervorgerufen worden ist oder infolge solcher Maßnahmen angedauert hat". Hierzu schreibt § 28 Abs. 3 AVG noch vor, daß Arbeitslosigkeit i.S. des Abs. 1 Nr. 4 für die Zeit vor dem 1. Januar 1947 nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß der Versicherte sich der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung gestellt hat. Allerdings ist diese Vorschrift erst durch Art. 2 § 2 Nr. 1 WGSVÄndG eingefügt worden. Sie gilt jedoch nach Art. 4 § 1 dieses Gesetzes ebenfalls für frühere Versicherungsfälle. Unter diesem Gesichtspunkt wird daher das LSG den Sachverhalt erneut zu prüfen haben, da dies bisher nicht geschehen ist.
Zu diesem Zweck war nach § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG zu verfahren, da der Senat die erforderlichen Feststellungen nicht selbst treffen kann.
Bei seiner abschließenden Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Fundstellen