Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 07.08.1987) |
SG Lüneburg (Urteil vom 25.04.1985) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. August 1987 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 25. April 1985 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Verfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin, die bereits im März 1945 aus Danzig in das Bundesgebiet zugezogen und als Vertriebene anerkannt ist, war von April 1940 bis November 1944 in Danzig bei Dienststellen der Hitlerjugend als Stenotypistin/Sachbearbeiterin beschäftigt. Streitig ist, ob diese Zeit bei der Berechnung ihrer Rente ua als „deutsch-polnische Abkommenszeit” zu berücksichtigen ist.
Die Beklagte lehnte es bei der Kontenklärung ab, für die streitige Zeit Versicherungsunterlagen nach § 11 Abs 1 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) wiederherzustellen, weil eine Beitragsentrichtung zur deutschen Angestelltenversicherung nicht nachgewiesen sei; bei fortlaufender Beitragsentrichtung ab April 1940 hätte zumindest eine Versicherungskarte in das erhalten gebliebene Kontenarchiv der früheren Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA) gelangt sein müssen (Bescheid vom 7. Februar 1983). Der Widerspruch der Klägerin wurde – nach Erteilung des in dieses Verfahren einbezogenen Rentenbewilligungsbescheides vom 12. Juli 1983 – zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 21. Oktober 1983). Das Sozialgericht (SG) Lüneburg hat mit Urteil vom 25. April 1985 die auf Berücksichtigung einer Beitragszeit gerichtete Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen mit Urteil vom 7. August 1987 das vorinstanzliche Urteil aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Zeit vom 1. April 1940 bis 30. November 1944 unter Zuordnung in die Leistungsgruppe 5 der Anlage 1 B zu § 22 des Fremdrentengesetzes (FRG) auf das Altersruhegeld der Klägerin anzurechnen. Zur Begründung ist ausgeführt, die streitige Zeit sei zwar nicht als Beitragszeit im Sinne des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), sondern (nur) als Beschäftigungszeit nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Volksrepublik Polen über Renten- und Unfallversicherung vom 9. Oktober 1975 (DPSVA) iVm dem Zustimmungsgesetz (ZG) zu diesem Abkommen vom 12. März 1976 bei der Berechnung der Rente zu berücksichtigen. Eine die Anwendung des DPSVA verdrängende Beitragsentrichtung zur ehemaligen RfA sei nicht nachgewiesen. Auch die Voraussetzungen für eine Glaubhaftmachung der Beitragsentrichtung nach der VuVO seien nicht erfüllt. Nachgewiesen sei hingegen eine – entgeltliche – Beschäftigung der Klägerin, die als „Beschäftigungszeit im anderen Staat” iS von Art 4 Abs 2 DPSVA iVm Art 2 Abs 1 ZG zu berücksichtigen sei. Daß dazu auch solche Zeiten gehörten, die ein Versicherter auf dem Gebiet der heutigen Volksrepublik Polen zu einer Zeit zurückgelegt habe, als dieses Gebiet zum Deutschen Reich gehört und dort Reichsrecht gegolten habe, habe das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 25. November 1986 (BSGE 61, 30) mit überzeugender Begründung bereits entschieden. Danzig gehöre zu den Gebieten, die im Sinne des DPSVA in der Volksrepublik Polen lägen. Die dort zurückgelegte Beschäftigungszeit der Klägerin sei eine Zeit, die iS von Art 2 Abs 1 ZG nach polnischem Rentenversicherungsrecht zu berücksichtigen sei. Dem stehe nicht entgegen, daß die Beschäftigung bei Dienststellen der Hitlerjugend ausgeübt worden sei; denn eine Berücksichtigung nach polnischem Recht sei nur für Beschäftigungen bei bestimmten verbrecherischen NS-Organisationen ausgeschlossen, unter denen die Jugendorganisationen der NSDAP nicht erwähnt seien und zu denen die Hitlerjugend nach Auffassung des Senats auch nicht gehöre. Da die Verdrängungsregelung des Art 2 Abs 2 Halbs 2 ZG nicht eingreife, sei die streitige Beschäftigung in vollem zeitlichen Umfang unter entsprechender Anwendung des FRG als Versicherungszeit der Klägerin zu berücksichtigen und gemäß der Anlage 1 B zu § 22 FRG in die Leistungsgruppe 5 einzustufen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des Art 4 Abs 2 DPSVA iVm Art 2 ZG. Das LSG habe verkannt, daß in der streitigen Zeit in Danzig deutsches Rentenversicherungsrecht gegolten habe und demzufolge das DPSVA auf sie nicht anwendbar sei. Denn „Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat” iS von Art 4 Abs 2 DPSVA seien für Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik nicht solche Zeiten, die vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges in den damals deutschen Ostgebieten oder in Danzig unter der Geltung des Reichsrechts zurückgelegt worden seien. Die dem entgegenstehende Auffassung des LSG, die davon ausgehe, daß das Abkommen auch für zurückliegende Zeiten ausschließlich auf den Gebietsstand bei Vertragsabschluß abstelle und als „Abkommenszeiten” aus deutscher Sicht alle Zeiten erfasse, die nach dem bei Vertragsabschluß geltenden polnischen Rentenrecht zu berücksichtigen seien, widerspreche dem übereinstimmenden Willen beider Vertragsparteien. Das habe der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) in seiner Stellungnahme vom 20. November 1987 im einzelnen dargelegt. Danach seien beide Vertragsparteien übereinstimmend davon ausgegangen, daß es für den Begriff „im anderen Staat” auf den jeweiligen Gebietsstand und nicht auf den Gebietsstand bei Vertragsabschluß ankomme. Nach dem zur Zeit des Vertragsabschlusses geltenden innerstaatlichen polnischen Recht seien in der polnischen Altersversorgung Beschäftigungszeiten in den ehemals deutschen Ostgebieten und in der früheren Freien Stadt Danzig vor deren Eingliederung in das Gebiet der Volksrepublik Polen nur bei Personen mit Wohnsitz in der Volksrepublik Polen angerechnet worden. Angesichts dieser Rechtslage seien beide Staaten davon ausgegangen, daß bei Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland derartige Beschäftigungszeiten nicht in der polnischen, sondern ausschließlich in der deutschen Rentenversicherung nach deutschen Rechtsvorschriften berücksichtigt werden könnten. Solche Zeiten seien also auch aus polnischer Sicht für die Bundesrepublik keine Zeiten „im anderen Staat”. Diese Rechtsauffassung werde auch dadurch erhärtet, daß nach den polnischen Rechtsvorschriften auch Zeiten in den polnischen Ostgebieten vor deren Einverleibung in die UdSSR in der polnischen Rentenversicherung berücksichtigt würden und bei der Durchführung des DPSVA niemals zweifelhaft gewesen sei, daß derartige Zeiten bei Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik als „Zeiten im anderen Staat” zu berücksichtigen seien. Ohne ausdrückliche anderweitige Regelung müsse deshalb davon ausgegangen werden, daß beide Vertragsparteien die Formulierung „im anderen Staat” einheitlich auslegten, wenn es sich einerseits um Zeiten in den früheren polnischen Ostgebieten und andererseits um Zeiten in den früheren deutschen Ostgebieten handele. Für die vorgenannte Rechtsauffassung sprächen schließlich auch die Erwägungen der Vertragsparteien, die der an Polen gezahlten Pauschale zugrunde gelegen hätten. Dort seien unter den Belastungen, die von polnischen Trägern zu übernehmen seien, Versicherungszeiten in der reichsgesetzlichen Rentenversicherung von Personen aufgeführt, die nach 1945 in den ehemaligen deutschen Ostgebieten zurückgeblieben seien. Diese Zeiten seien also nach Auffassung beider Vertragsparteien für die Volksrepublik Polen als deutsche Zeiten angesehen worden. Umgekehrt seien derartige Zeiten für Aussiedler mit Wohnsitz in der Bundesrepublik nicht als polnische Zeiten bzw der polnischen Seite zuzurechnende versicherungsrechtliche Tatbestände angesehen worden, für die die Bundesrepublik gegenüber Polen die Belastungen zu übernehmen gehabt habe. Für die Bundesrepublik habe keinerlei Regelungsbedürfnis bestanden, diese im Deutschen Reich unter der Geltung der Rentenversicherungsgesetze zurückgelegten Zeiten in den Geltungsbereich des DPSVA einzubeziehen. Werde dies dennoch – wie vom 11. Senat des BSG (aaO) angenommen, könne das ZG gegen Art 3 Grundgesetz (GG) verstoßen, weil es beitragslose Beschäftigungszeiten je nach dem unterschiedlich behandele, ob sie in den früheren deutschen Ostgebieten und Danzig oder in anderen deutschen Reichsgebieten zurückgelegt worden seien. Bei der Auslegung des DPSVA sei auch zu berücksichtigen, daß es ein sog offenes Abkommen sei, das nicht nur die heutigen Aussiedler aus Polen erfasse, sondern darüber hinaus auch Millionen Vertriebener, die 1945 und sogar früher nach Westen gezogen und keinen Tag in der heutigen Volksrepublik Polen beschäftigt gewesen seien. Der hier vertretenen Auslegung stehe schließlich auch nicht entgegen, daß nach der Konkurrenzvorschrift des Art 2 Abs 2 ZG die beitragslosen deutschen Zeiten von den polnischen Abkommenszeiten und die polnischen Abkommenszeiten wiederum von deutschen Beitragszeiten verdrängt würden. Diese Vorschrift habe Bedeutung nur für solche Zeiten, die vor Ende des Zweiten Weltkrieges in den sog eingegliederten Ostgebieten (Posen, Westpreußen sowie Ostoberschlesien) zurückgelegt worden seien; denn deren völkerrechtlicher Status sei durch die im Zweiten Weltkrieg erfolgte Eingliederung in das Deutsche Reich nicht in Frage gestellt worden. Da in diesen polnischen Gebietsteilen durch die sog Ostgebiete-Verordnung ab 1. Januar 1942 deutsches Reichsversicherungsrecht eingeführt worden sei, könne es hier zu einer Konkurrenz dieses Reichsversicherungsrechts mit dem heutigen polnischen Rentenversicherungsrecht, wie sie Art 2 Abs 2 ZG voraussetze, kommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 7. August 1987 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lüneburg vom 25. April 1985 zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und beruft sich zur Begründung vornehmlich auf die Entscheidung des 11. Senats des BSG vom 25. November 1986 (aaO).
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil kann keinen Bestand haben. Die von April 1940 bis November 1944 in Danzig verrichtete Beschäftigung der Klägerin kann in der deutschen Rentenversicherung nicht berücksichtigt werden.
Dies wäre nur möglich, wenn für diese Zeit eine Beitragsentrichtung zur deutschen Angestelltenversicherung nachgewiesen oder – auf der Grundlage der VuVO vom 3. März 1960 – glaubhaft gemacht worden wäre und deshalb aufgrund von § 11 Abs 1 VuVO entsprechende Versicherungsunterlagen wieder herzustellen gewesen wären. Das hat das LSG mit zutreffenden rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen verneint. Die bis dahin Freie Stadt Danzig war seit September 1939 Bestandteil des Deutschen Reichs, in der vom 1. Januar 1940 bis Frühjahr 1945 das frühere AVG gegolten hat (§ 1 Nr 2 der Verordnung über die Einführung der Reichsversicherung in der bisherigen Freien Stadt Danzig vom 22. Januar 1940, RGBl I 260, die aufgrund des Gesetzes über die Wiedervereinigung der Freien Stadt Danzig mit dem Deutschen Reich vom 1. September 1939, RGBl I 1547, ergangen ist). Der Nachweis, daß nach den früheren Vorschriften der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung Beiträge wirksam entrichtet sind (§ 27 Abs 1 Buchst a AVG = § 1250 Abs 1 Buchst a RVO), ist nach den vom LSG getroffenen Feststellungen nicht geführt. Die Voraussetzungen für eine Glaubhaftmachung der Beitragsentrichtung nach §§ 1, 10 VuVO sind nicht erfüllt. Da bis Juni 1942 Beiträge zur deutschen Angestelltenversicherung im Markenverfahren zu entrichten waren, hätte bei fortlaufender Beitragsentrichtung ab April 1940 eine auf die Klägerin lautende Versicherungskarte (Nr 1) im März 1942 vollgeklebt und nach Umtausch in das im Namensbereich der Klägerin vollständig erhaltene Kartenarchiv der früheren RfA gelangt sein müssen. Dort ist aber eine Versicherungskarte der Klägerin nicht aufgefunden worden. Sie selbst hat eine solche nicht vorlegen können. Insoweit ist aber auch nicht glaubhaft gemacht worden, daß für die Zeit bis November 1944 nur eine Versicherungskarte bestanden hat, die – iS von § 1 Abs 1 Satz 2 VuVO – beim Arbeitgeber verblieben und dort oder auf dem Weg zum Versicherungsträger infolge des Krieges verlorengegangen oder zerstört worden ist. Das LSG hat deshalb die Voraussetzungen für eine Glaubhaftmachung zutreffend verneint. Dem ist die Klägerin im Revisionsverfahren nicht entgegengetreten; sie hat insoweit weder (hilfsweise) Anschlußrevision eingelegt noch zulässige und begründete Gegenrügen erhoben (zur Zulässigkeit der Gegenrüge im Revisionsrecht vgl neuerdings Rudisile, DVBl 1988, 1135). Der Senat hat deshalb davon auszugehen, daß die streitige Zeit nicht als eine in der reichsgesetzlichen Angestelltenversicherung zurückgelegte Beitragszeit angesehen und auf die Rente der Klägerin angerechnet werden kann.
Entgegen der Ansicht des LSG kann eine rentensteigernde Anrechnung der streitigen Zeit auch nicht insoweit erfolgen, als eine – entgeltliche – Beschäftigung als nachgewiesen angesehen worden ist. Deren Berücksichtigung kann insbesondere nicht aus dem DPSVA vom 9. Oktober 1975 (BGBl II 1976, 396) und dem dazu ergangenen ZG vom 12. März 1976 (BGBl II 1976, 393) hergeleitet werden.
Nach Art 4 Abs 2 DPSVA berücksichtigt der Versicherungsträger des Staates, in dessen Gebiet der Berechtigte wohnt (Wohnstaat), bei Feststellung der Rente nach den für ihn geltenden Vorschriften „Versicherungszeiten, Beschäftigungszeiten und diesen gleichgestellte Zeiten im anderen Staat” so, als ob sie im Gebiet des Wohnstaats zurückgelegt worden wären. Dies gilt auch für entsprechende Zeiten, die vor Inkrafttreten des DPSVA zurückgelegt worden sind (Art 15 Abs 2 DPSVA). Dazu bestimmt Art 2 des ZG, daß Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, gemäß Art 4 Abs 2 des Abkommens in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung in entsprechender Anwendung des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 zu berücksichtigen sind, solange der Berechtigte im Geltungsbereich dieses Gesetzes wohnt (Abs 1). Soweit sich Zeiten nach Abs 1 mit Zeiten überschneiden, die nach deutschem Recht zu berücksichtigen sind, werden die erstgenannten Zeiten berücksichtigt; dies gilt nicht für Zeiten, für die Beiträge zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden sind (Abs 2).
Die streitigen Danziger Zeiten sind für die Beklagte als Versicherungsträger des Wohnstaates nicht Zeiten „im anderen Staat”. Zwar geht auch der erkennende Senat – insoweit in Übereinstimmung mit dem 11. Senat (BSGE 54, 51, 52 = SozR 6710 Art 4 Nr 3 und SozR 2200 § 1259 Nr 69 zu Danziger Zeiten vor 1940; BSGE 61, 30 = SozR 6710 Art 4 Nr 5 zu Zeiten in den ehemaligen deutschen Ostgebieten) – davon aus, daß das DPSVA Danzig ebenso wie die unter polnischer Verwaltung stehenden deutschen Ostgebiete in Ansehung des Abkommens zu dem Gebiet der Volksrepublik Polen rechnet, ohne über die völkerrechtliche Zuordnung im übrigen zu entscheiden (vgl BSGE 42, 249 = SozR 2200 § 1318 Nr 1; s auch BVerfG SozR 2200 § 1318 Nr 5). Gleichwohl bedeutet das nicht, daß jegliche Zeiten, die auf dem Gebiet der (heutigen) Volksrepublik Polen zurückgelegt worden (und nach deren innerstaatlichem Recht zu berücksichtigen) sind, für Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik als Zeiten „im anderen Staat” zu gelten hätten. Denn diese Formulierung stellt entgegen der Ansicht des 11. Senats (BSGE 61, 30, 32) nicht allein auf den Gebietsstand bei Vertragsabschluß (1975) ab, sondern auf den j e w e i l i g e n Gebietsstand während der Zurücklegung der früheren Zeiten. Dafür spricht schon der Wortlaut des Art 4 Abs 2 DPSVA, der nicht Zeiten „im Gebiet des anderen Staates”, sondern „im anderen Staat” erfaßt und damit dem Sinn und Zweck des Abkommens entsprechend nicht auf die räumlich-politische, auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses fixierte, sondern auf die völkerrechtlich-historische Zugehörigkeit des Gebiets zum anderen Staat während der Zurücklegung der streitigen Zeiten abgestellt hat. In diesem Sinne sind Beschäftigungszeiten wie die hier streitigen, die in den ehemals zum Deutschen Reich gehörenden Gebieten unter der Geltung der Reichsversicherungsgesetze zurückgelegt worden sind – dazu gehören auch die in der Stadt Danzig in der Zeit von 1940 bis Frühjahr 1945 verrichteten Beschäftigungen – Zeiten im deutschen und nicht im anderen – polnischen – Staat; diese „reichsdeutschen” Zeiten sind für Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik von vornherein nicht Gegenstand des Abkommens gewesen und daher auch nicht als Abkommenszeiten zu berücksichtigen.
Diese Auslegung wird insbesondere auch durch das Eingliederungsprinzip bestätigt, das dem Abkommen zugrunde liegt und in Art 4 DPSVA seinen unmittelbaren Ausdruck gefunden hat. Danach wird eine Rente ausschließlich vom Versicherungsträger des Wohnstaats (hier der BfA) gewährt (Abs 1), der nach den für ihn geltenden Vorschriften neben eigenen (deutschen) Zeiten zusätzlich auch fremde (polnische) Zeiten bei der Feststellung der Rente so berücksichtigt, als ob sie im Gebiet des Wohnstaates zurückgelegt worden wären (Abs 2). Dieses Prinzip haben die Vertragsparteien – anstelle des sonst zwischenstaatlich üblichen, im Verhältnis zu Polen aber nicht für realisierbar gehaltenen Leistungsexportprinzips – insbesondere deshalb zugrunde gelegt, weil es am besten der wegen der mehrfachen Grenzverschiebungen komplexen tatsächlichen und rechtlichen Situation in den deutsch-polnischen Beziehungen gerecht werde und den Vorteil habe, „daß es in weitgehendem Maße der innerstaatlichen Gesetzgebung der beiden Staaten entspreche” (vgl Denkschrift zum Abkommen und zur Vereinbarung, BT-Drucks 7/4310 A I). Dabei war von seiten der Bundesrepublik auf das FRG aus dem Jahre 1960 Bezug genommen, das gegenüber den aus dem Osten gekommenen und noch zu erwartenden Deutschen weitgehend angewandt werde. Eine dem FRG bzw dem dort verwirklichten Eingliederungsprinzip entsprechende Behandlung der versicherungsrechtlich relevanten Zeiten „im anderen Staat” impliziert aber von vornherein einen Ausschluß derjenigen Zeiten, die für den Wohnstaat eigene und nicht fremde Zeiten sind und auch vom anderen Staat nicht als eigene beansprucht werden. Für die Bundesrepublik als Wohnstaat sind aber die vor Kriegsende in den ehemals deutschen Ostgebieten und Danzig unter der Geltung des Reichsrechts zurückgelegten Zeiten nicht fremde, sondern eigene – deutsche – Zeiten, die ausschließlich nach ihren allgemeinen Rentengesetzen – nach Maßgabe des § 27 Abs 1 Buchst a AVG (= § 1250 Abs 1 Buchst a RVO) – und nicht nach dem FRG berücksichtigt werden. Andererseits werden derartige Zeiten auch von der Volksrepublik Polen nicht als eigene – polnische – Zeiten beansprucht, sondern lediglich bei Personen, die in Polen verblieben sind, kraft Eingliederung – als fremde Zeiten – berücksichtigt. Das ergibt sich aus dem mit dem innerstaatlichen deutschen Recht korrespondierenden innerstaatlichen polnischen Recht, das zur Zeit des Abschlusses des Abkommens gegolten hat und auf das beide Vertragsparteien – wie der BMA in seiner Stellungnahme vom 20. November 1987 dargelegt hat – für den Begriff der „Beschäftigungszeiten im anderen Staat” maßgeblich abgestellt haben.
Zu dieser Zeit gab es im polnischen Rentenrecht eine spezielle Regelung der Frage, welche Zeiten als rentenrechtlich relevante „Beschäftigungszeiten auf dem Gebiet des polnischen Staates” gelten. Nach der Verordnung vom 8. August 1968 „über Beschäftigungszeiten auf dem Gebiet des polnischen Staates und im Ausland….” (vgl Gesetze osteuropäischer Staaten, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Abschnitt Polen, S 205 = GBl der Volksrepublik Polen Nr 32/1968, Pos 220) gelten als Beschäftigungszeiten auf dem Gebiet des polnischen Staates zunächst solche auf dem Gebiet der Volksrepublik Polen (§ 1 Nr 1 Abs 1), daneben aber auch Beschäftigungszeiten in den wiedergewonnenen Gebieten (das sind die ehemals deutschen Ostgebiete) und in dem Gebiet der Freien Stadt Danzig vor deren Eingliederung in die Volksrepublik Polen, jedoch nur bei Feststellung des Anspruchs für Personen, die ihren Wohnsitz in Polen haben (§ 1 Nr 1 Abs 2). Angesichts dieser – dem deutschen FRG entsprechenden Rechtslage sind beide Vertragsparteien davon ausgegangen, daß für Personen, die nicht in der Volksrepublik Polen, sondern in der Bundesrepublik Deutschland wohnen, Beschäftigungszeiten, die in den vorgenannten deutschen Gebieten vor ihrer Eingliederung in die Volksrepublik Polen unter der Geltung des Reichsrechts zurückgelegt worden sind, nicht in der polnischen, sondern ausschließlich in der deutschen Rentenversicherung nach deutschen Rechtsvorschriften berücksichtigt werden können. Derartige Zeiten sind also auch aus polnischer Sicht nicht als polnische, sondern als deutsche Zeiten angesehen worden, die für den deutschen Versicherungsträger nicht „Zeiten im anderen Staat” und damit abkommensrechtlich irrelevant sind. Dem entspricht es, daß die genannten reichsdeutschen Zeiten umgekehrt für die Volksrepublik Polen als Wohnstaat bzw für Personen, die in den genannten Gebieten bzw in Polen verblieben sind, abkommensrechtlich Zeiten „im anderen Staat” sind, und zwar unabhängig davon, daß Polen diese „Fremdzeiten” schon vor Inkrafttreten des Abkommens durch die Verordnung vom 8. August 1968 (aaO) in sein Rentensystem eingegliedert hatte. Das Abkommen geht insoweit, wie der 11. Senat bereits in einem früheren Urteil vom 10. Mai 1979 (SozR 2200 § 1317 Nr 5 S 6/7) zu Recht ausgeführt hat, über diese – innerstaatliche – Eingliederung hinaus, indem es die Volksrepublik Polen gegenüber der Bundesrepublik zur gleichberechtigten Anerkennung dieser – deutschen – Zeiten innerhalb des polnischen Rentensystems verpflichtet und damit die Rechtsposition der dort Verbliebenen verstärkt hat. Daß dies ein wesentliches Anliegen des Abkommens war, hat auch das Bundesverfassungsgericht bestätigt und ausgeführt, daß durch das DPSVA den vormals nach reichsgesetzlichen Vorschriften Versicherten erstmals ein vertraglich abgesicherter Rechtsanspruch auf die Einbeziehung in das polnische Sozialversicherungssystem und insbesondere das Recht auf Anrechnung ihrer im Deutschen Reich zurückgelegten Zeiten in diesem System erwachsen ist (Beschluß vom 26. Februar 1980 in SozR 2200 § 1318 Nr 5 S 14). Die darin liegenden Zugeständnisse der polnischen Seite sind zeitlich und sachlich im Zusammenhang mit der Vereinbarung über die pauschale Abgeltung von Rentenansprüchen vom 9. Oktober 1975 (BGBl II 1976, 401) erreicht worden, mit denen sich die Bundesrepublik zur Zahlung von 1,3 Milliarden Deutsche Mark an Polen verpflichtet hat.
Auch und gerade die Erwägungen, die dieser Vereinbarung zugrunde liegen, lassen erkennen, daß die vorgenannten reichsdeutschen Zeiten für Personen, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik haben oder nehmen, nicht Gegenstand der deutsch-polnischen Verhandlungen waren. Die Pauschale ist im Ergebnis eine Saldierung von Forderungen und Gegenforderungen, die Belastungen der polnischen Versicherungsträger durch die Übernahme „deutscher” Zeiten und Belastungen der deutschen Versicherungsträger durch die Übernahme „polnischer” Zeiten ausgleichen. Ohne diesen Ausgleich wäre eine Entscheidung zugunsten des Eingliederungsprinzips anstelle des Leistungsexportprinzips nicht akzeptiert worden: Statt des polnischen Leistungsexports übernimmt die Bundesrepublik für die bei ihr wohnenden Aussiedler alle Zeiten, die rentenversicherungsrechtlich der polnischen Seite zuzurechnen sind, und erhält zum Ausgleich dafür Forderungen gegenüber der Volksrepublik Polen; diese erhält ihrerseits wiederum Gegenforderungen aus Zeiten, die rentenversicherungsrechtlich der deutschen Seite zugerechnet werden und die sie für die bei ihr Verbliebenen in ihrem Rentensystem anrechnet. Hierbei wurden – wie die Denkschrift, aaO, B I zeigt – die Belastungen der Bundesrepublik aus Versicherungszeiten von Aussiedlern, die im deutschen Reich unter der Geltung des Reichsrechts zurückgelegt worden sind, nicht berücksichtigt; sie waren nicht Gegenstand der Vereinbarung, weil sie von vornherein der deutschen und nicht der anderen Seite zugerechnet wurden. Die Denkschrift nennt insoweit nur „Versicherungszeiten in der reichsgesetzlichen Rentenversicherung von Personen, die nach 1945 in den ehemaligen Ostgebieten zurückgeblieben sind” – als einen gegenüber Polen ausgleichspflichtigen deutschen Tatbestand einerseits – und „Versicherungszeiten in der polnischen Versicherung nach dem Zweiten Weltkrieg von Aussiedlern aus Polen” – als einen gegenüber der Bundesrepublik ausgleichspflichtigen polnischen Tatbestand andererseits –. Die nicht in die Saldierung einbezogenen reichsdeutschen Zeiten von in der Bundesrepublik Deutschland wohnenden Aussiedlern aus Polen sind folgerichtig auch nicht Zeiten, für die die Bundesrepublik im Abkommen gegenüber Polen irgendwelche Verpflichtungen zu übernehmen gehabt hätte, sie als „Zeiten im anderen Staat” über das FRG hinaus in ihr Rentensystem einzugliedern.
Daß es demgegenüber – wie der 11. Senat angenommen hat – gerade der Sinn des dem DPSVA zugrundeliegenden Eingliederungsprinzips sei, die Aussiedler aus Polen – insoweit im Unterschied zum Eingliederungsprinzip des FRG – mit sämtlichen Zeiten einzugliedern, die nach dem polnischen Rentenversicherungsrecht Versicherungs-, Beschäftigungs- oder gleichgestellte Zeiten sind, entspricht weder den Zielen des Vertragswerks noch ist eine entsprechende Absicht der Vertragschließenden im Abkommen selbst oder an anderer Stelle zum Ausdruck gekommen. Auf den Wortlaut des Art 2 Abs 1 ZG, wonach die Träger der Bundesrepublik gemäß Art 4 Abs 2 DPSVA Zeiten berücksichtigen, „die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind”, kann diese Auffassung nicht gestützt werden. Denn mit dieser Formulierung, die schon wegen ihres ausdrücklichen Bezugs auf Art 4 Abs 2 DPSVA keine über diese Regelung hinausgehenden Rechte einräumt, können nach dem Sinn des Abkommens nicht solche reichsdeutschen Zeiten gemeint sein, zu deren innerstaatlicher Berücksichtigung sich die Volksrepublik Polen gerade durch das Abkommen verpflichtet hat. Zur Begründung seiner Auffassung kann sich der 11. Senat (BSGE 61, 30, 32) schließlich auch nicht auf Haase (SozVers 1976, 93 ff) berufen, der ausgeführt hatte, daß das Abkommen die nunmehr zu erwartende große Zahl von Aussiedlern „begünstigen” solle. Haase ist dieser Bezugnahme später ausdrücklich mit dem Bemerken entgegengetreten, daß seine Ausführungen sich nicht auf die hier streitigen reichsdeutschen Zeiten bezogen, vielmehr lediglich die gegenüber dem FRG bessere Berücksichtigung der Fremdzeiten betroffen hätten (Kompaß 1988, 219, 220). Haase hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, daß es sich bei den gegenüber dem FRG wesentlichen Verbesserungen des Abkommens allen Materialien zufolge nur um die Ausdehnung des Personenkreises (§ 1 FRG) und die volle statt der 5/6-Anrechnung (§ 19 Abs 2 FRG) gehandelt habe, also lediglich um Verbesserungen hinsichtlich der Berücksichtigung von „fremden”, also polnischen Zeiten. Bemerkenswert ist insoweit auch, daß sowohl bei den Beratungen des Vertragswerkes in Bundestag und Bundesrat als auch in der amtlichen Begründung zum ZG immer nur von „polnischen Zeiten” und den „bis zu 30 Jahren in der polnischen Rentenversicherung” gesprochen worden ist, die Aussiedler aus Polen gegebenenfalls mitbrächten (vgl die Nachweise bei Haase, aaO, S 221). Weder die Erweiterung des vom FRG erfaßten Personenkreises auf schlechthin alle Personen, die von Polen in die Bundesrepublik aussiedeln oder ausgesiedelt sind, noch die ungekürzte Anrechnung der von Polen zu bescheinigenden Zeiten geben irgendeinen Hinweis dafür, daß die Eingliederung nach dem DPSVA darüber hinaus – abweichend von der des FRG – hätte alle Zeiten erfassen sollen, die bei einem polnischen Inlandsaufenthalt rentenversicherungsrechtlich berücksichtigt werden. Eine solche Auslegung widerspräche nicht nur den Zielen des Vertragswerkes, sondern wäre auch mit der für beide Vertragsstaaten einheitlichen Auslegung des Begriffs „im anderen Staat” unvereinbar: Sind die in den ehemals deutschen Ostgebieten und Danzig unter der Geltung der Reichsversicherungsgesetze zurückgelegten Zeiten bei den in Polen Verbliebenen abkommensrechtlich als „Zeiten im anderen Staat” zu berücksichtigen – wie es einem wesentlichen Zweck des Abkommens und der Vereinbarung entspricht –, können die gleichen Zeiten, wenn sie von Aussiedlern aus Polen in die Bundesrepublik Deutschland „mitgebracht” werden, nicht ebenfalls Zeiten „im anderen Staat” sein.
Darüber hinaus ist auch nicht ersichtlich, welchen Grund die Vertragsparteien und insbesondere die Bundesrepublik hätten haben können, die von Aussiedlern in den ehemals reichsdeutschen Gebieten unter der Geltung der Reichsversicherungsgesetze zurückgelegten Zeiten weit über den Rahmen der allgemeinen deutschen Rentengesetze und der VuVO hinaus anzurechnen und damit diesen Personenkreis besserzustellen als andere Deutsche, die Versicherungszeiten in den übrigen – heute zur Bundesrepublik gehörenden – Reichsgebieten zurückgelegt haben. Wäre die Auffassung des LSG zutreffend, müßten die in den deutschen Ostgebieten und Danzig unter der Geltung von Reichsrecht zurückgelegten Zeiten nach Art 2 Abs 1 und 2 ZG auch und gerade dann vom deutschen Rentenversicherungsträger rentensteigernd berücksichtigt werden, wenn der Nachweis oder die Glaubhaftmachung einer Beitragsentrichtung nach § 27 Abs 1 Buchst a AVG iVm § 1 VuVO – wie im vorliegenden Fall – mißlungen ist oder gar Beiträge nach früheren Vorschriften der deutschen Angestelltenversicherung nicht zu entrichten waren, weil entweder keine Versicherungspflicht bestanden hat (zB wegen Überschreitens der Jahresarbeitsverdienstgrenze) oder Versicherungsfreiheit gegeben war (zB als Beamter, wegen wissenschaftlicher Ausbildung, wegen vorübergehender Beschäftigung, wegen Rentenbezugs oder bei Tätigkeit als Lehrling gegen Taschengeld) oder wenn eine Beitragsentrichtung trotz Beitragspflicht nachweislich unterblieben ist oder eine Beitragserstattung (zB infolge Heirat) durchgeführt worden ist. Darüber hinaus müßten in allen Fällen einer Glaubhaftmachung nach der VuVO die zu 1/6 unberücksichtigt gebliebenen Zeiten nunmehr als Abkommenszeiten angerechnet werden.
Gegen eine derartige Besserstellung der genannten reichsdeutschen Zeiten spricht vor allem auch, daß das Abkommen als sog offenes Abkommen neben den sog Aussiedlern alle diejenigen Deutschen erfaßt, die bereits vor oder mit Kriegsende – wie auch die Klägerin – in das Bundesgebiet zugezogen und daher keinen Tag in der Volksrepublik Polen beschäftigt gewesen sind. Daß die Bundesrepublik auch für diesen – unübersehbar großen – Personenkreis eine völlig neue Grundlage für die Berücksichtigung der in früheren Gebieten des deutschen Reichs unter der Geltung der deutschen Rentengesetze zurückgelegten Zeiten hätte schaffen wollen, ist schon deshalb unwahrscheinlich, weil diese – gegenüber Polen nicht gebotene – Privilegierung eines Teils der unter der Geltung der Reichsgesetze zurückgelegten Zeiten durch das ZG schwerwiegende verfassungsrechtliche Probleme im Hinblick auf Art 3 GG hätte aufwerfen können.
Angesichts der vorstehend erörterten Interessenlage kann der Senat der vom LSG im Anschluß an die Rechtsprechung des 11. Senats (aaO) vertretenen Rechtsansicht, daß die Bestimmungen des Abkommens auch für zurückliegende Zeiten ausschließlich auf den Gebietsstand bei Vertragsabschluß abstellten, nicht folgen (wie hier Urteil des LSG Berlin vom 8. November 1988 – L 2 An 72/87 –). Dabei sind wesentliche, der innerstaatlichen Gesetzgebung beider Vertragsstaaten entsprechende versicherungsrechtliche Gesichtspunkte, die Grundlage des Abkommens waren, nicht berücksichtigt worden. Weder das polnische noch das innerstaatliche deutsche Recht decken insoweit eine rein räumlich-politische, auf den 9. Oktober 1975 fixierte Auslegung des Art 4 Abs 2 DPSVA. Auch der Wortlaut dieser Bestimmung läßt es entgegen der Ansicht des 11. Senats nicht als zwingend erscheinen, allein wegen des Fehlens einer ausdrücklichen Ausnahmeregelung für die hier streitigen reichsdeutschen Zeiten anzunehmen, daß sie für den bundesdeutschen Wohnstaat Zeiten „im anderen Staat” sind. Einer Ausnahmeregelung hat es insoweit nicht bedurft, weil die im Grunde bereits nach den allgemeinen Rentengesetzen der Bundesrepublik gewährleistete Berücksichtigung dieser Zeiten nach den Zielvorstellungen beider Vertragsparteien von vornherein nicht Gegenstand der deutsch-polnischen Verhandlungen und damit des Abkommens war. Für diese Annahme kann sich der erkennende Senat auch auf die Stellungnahme des BMA stützen. Zwar ist für die Auslegung des zwischenstaatlichen Sozialversicherungsabkommens in erster Linie der Vertragstext maßgebend. Daneben ist aber auch der Wille der Vertragsparteien zu berücksichtigen, wie er sich aus Entstehung, Inhalt und Zweck des Vertrages und seinen Einzelbestimmungen ergibt. Daß hierbei auch auf die Auffassung des beim Zustandekommen des Abkommens beteiligten Fachministers wegen dessen spezieller Kenntnisse der mit dem Abkommen verbundenen Vorstellungen beider Vertragsteile von nicht geringer Bedeutung ist, hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen (vgl SozR 6480 Art 22 Nr 1 mwN). Zur Erhärtung seiner Auffassung, daß die Vertragsbeteiligten nicht ausschließlich auf den Gebietsstand bei Vertragsabschluß abgestellt hätten, hat der BMA insbesondere auf folgenden wesentlichen Gesichtspunkt hingewiesen: Nach dem bei Vertragsschluß geltenden polnischen Recht haben als „Beschäftigungszeiten auf dem Gebiet des polnischen Staates” – neben den bereits oben genannten beiden Gruppen – auch solche Zeiten gegolten, die in den polnischen Ostgebieten vor 1945 und vor deren Einverleibung in die UdSSR zurückgelegt worden sind (§ 1 Nr 1 Abs 3 der Verordnung vom 8. August 1968, aaO). Ist bei der Durchführung des DPSVA niemals zweifelhaft gewesen, daß diese im früheren polnischen Staatsgebiet zurückgelegten Zeiten bei Personen, die in der Bundesrepublik Deutschland wohnen, gleichwohl als Zeiten „im anderen Staat” zu berücksichtigen sind, muß von Anfang an Einverständnis zwischen den Vertragsparteien bestanden haben, daß es für die Auslegung des Begriffs „im anderen Staat” nicht ausschließlich auf den Gebietsstand bei Vertragsabschluß ankommen kann. Insoweit muß aber auch davon ausgegangen werden, daß die Vertragsparteien ohne ausdrückliche anderweitige Regelung diesen Begriff hinsichtlich der Zeiten in den polnischen Ostgebieten einerseits und der Zeiten in den deutschen Ostgebieten andererseits nicht unterschiedlich auslegen. In beiden Fällen kommt es vielmehr darauf an, ob die streitige Zeit im jeweils anderen – polnischen oder deutschen – Staatsgebiet zurückgelegt worden ist.
Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht aus Art 2 ZG. Wenn nach dessen Abs 1 Zeiten, die nach dem polnischen Recht der Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, gemäß Art 4 Abs 2 DPSVA in demselben zeitlichen Umfang in der deutschen gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt werden, und insoweit auf die entsprechende Anwendung des FRG verwiesen wird, so bezieht sich dies ersichtlich auf die ungekürzte Anrechnung von Zeiten, die Abkommenszeiten im Sinne von Art 4 Abs 2 DPSVA sind, und damit nicht auf Zeiten, die – wie die hier streitigen – ausschließlich nach deutschen Rechtsvorschriften berücksichtigt werden können. Dasselbe gilt für die Verdrängungsregelung des Art 2 Abs 2 ZG, die voraussetzt, daß sich Zeiten nach Abs 1 (Abkommenszeiten) mit Zeiten überschneiden, die – auch – nach deutschem Recht zu berücksichtigen sind. Ein solches Konkurrenzverhältnis kommt bezüglich der streitigen, von deutschen Versicherungsträgern allein nach deutschen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Zeiten von vornherein nicht in Betracht. Die Regelung hat vielmehr in diesem Zusammenhang Bedeutung nur für die vor Ende des Zweiten Weltkrieges in den sog eingegliederten Ostgebieten (Posen, Westpreußen sowie Ostoberschlesien) zurückgelegten Zeiten, da deren völkerrechtlicher Status – als Gebietsteile Polens – durch die Eingliederung nicht in Frage gestellt worden ist. Soweit in diesen Gebieten deutsches Rentenversicherungsrecht eingeführt worden ist (vgl die sog Ostgebiete-Verordnung vom 22. Dezember 1941, RGBl I 777), ist bezüglich der dort zurückgelegten Beschäftigungen eine Konkurrenz deutscher Versicherungszeiten mit polnischen Beschäftigungszeiten, wie sie Art 2 Abs 2 ZG voraussetzt, möglich. Wenn nach Halbsatz 1 dieser Regelung grundsätzlich die polnischen Zeiten und nach Halbsatz 2 ausnahmsweise die deutschen Zeiten dann berücksichtigt werden, wenn Beiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet worden sind, trägt dies vornehmlich dem Umstand Rechnung, daß das deutsche Rentenversicherungsrecht zunächst keine Anwendung auf die in diesen Gebieten lebenden Polen (sog Schutzangehörige und Staatenlose polnischen Volkstums, § 1 Abs 1 Satz 2 der Ostgebiete-VO, aaO), gefunden hat; deshalb sollten für Beschäftigungen in diesen Gebieten auf jeden Fall polnische Beschäftigungszeiten angerechnet werden, wenn nicht ausnahmsweise deutsche Beitragszeiten nachgewiesen sind.
Seine Entscheidung darf der erkennende Senat ohne Anrufung des Großen Senats des BSG nach § 42 SGG treffen, obwohl der frühere 11a-Senat des BSG (BSGE 61, 30, 32) zu Beschäftigungszeiten in den deutschen Ostgebieten während der Geltung des deutschen Rentenversicherungsrechts die gegenteilige Auffassung vertreten hat. Der frühere 11a-Senat besteht nicht mehr; der jetzige 11. Senat ist seit dem 1. Januar 1988 nicht mehr für Angelegenheiten der AV zuständig. Der seither anstelle des 11a-Senats zuständig gewordene 4. Senat, der auch vorher schon für Streitigkeiten aus dem gleichartigen Gebiet der Arbeiterrentenversicherung zuständig war, hat mit Urteil vom 21. Juni 1983 (SozR 6710 Art 4 Nr 4) lediglich entschieden, daß sog „hinzurechenbare Zeiten” im Sinne des polnischen Rechts in der deutschen Rentenversicherung allenfalls dann anrechenbar sind, wenn sie aufgrund des polnischen Rechts im konkreten Fall auch anrechenbar wären, wobei offengeblieben ist, ob und unter welchen Voraussetzungen derartige polnische Zeiten überhaupt aufgrund des DPSVA bei der Feststellung der deutschen Rente zu berücksichtigen sind. In einer neueren Entscheidung vom 19. Januar 1989 (4 RA 74/88) hat der 4. Senat ausgeführt, daß das DPSVA hinsichtlich der Bundesrepublik auf die Eingliederung der Versicherten mit „polnischen Zeiten” in die deutsche Rentenversicherung abziele, wobei diese polnischen Zeiten neben die vom deutschen Versicherungsträger zu berücksichtigenden Zeiten hinzuträten. Auch diese Entscheidungen geben keinen Anlaß zur Anrufung des Großen Senats.
Auf die Revision der Beklagten war daher das Urteil des LSG aufzuheben und das aufgehobene Urteil des SG wiederherzustellen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1173353 |
BSGE, 144 |