Verfahrensgang
Bayerisches LSG (Urteil vom 10.08.1978) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. August 1978 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
In Streit ist, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) wegen des Eintritts einer zweiten Sperrzeit von vier Wochen erloschen ist.
Der Kläger, der Fliesenleger ist, bezog ab 15. April 1975 Anschluß-Alhi. Mit bindend gewordenem Bescheid vom 14. Juli 1975 hatte die Beklagte eine Sperrzeit vom 19. Juni bis 16. Juli 1975 festgestellt. Am 30. Juli 1975 bot sie dem Kläger eine Beschäftigung als Fliesenleger bei der Firma R. GmbH in M. an. Der Lohn sollte 20,44 DM pro qm betragen. Der Kläger lehnte dieses Angebot am 1. August 1975 ab, weil sich die Firma, die nicht tarifgebunden ist, nicht an den im Zusatztarifvertrag vom 29. Juli 1975 vereinbarten qm-Lohn von 22,24 DM halte. Dieser Zusatztarifvertrag ist am 10. Dezember 1975 rückwirkend zum 29. Juli 1975 für allgemeinverbindlich erklärt worden.
Mit Bescheid vom 4. September 1975 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. April 1976 stellte die Beklagte fest, der Anspruch des Klägers auf Alhi sei erloschen, und hob die frühere Entscheidung über die Bewilligung dieser Leistung ab 31. Juli 1975 auf. Gleichzeitig forderte sie die für die Zeit vom 31. Juli bis 18. August 1975 in Höhe von 651,20 DM gezahlte Alhi zurück. Die Entscheidung wurde damit begründet, der Kläger habe die angebotene Arbeit ohne wichtigen Grund abgelehnt. Die Entlohnung habe zwar nicht der letzten tariflichen Vereinbarung entsprochen, sei aber als ortsüblich anzusehen. In Anbetracht der angespannten Arbeitsmarktlage und seiner praktisch seit 1. Januar 1974 andauernden Arbeitslosigkeit sei dem Kläger die Arbeitsaufnahme zumutbar gewesen.
Das Sozialgericht München (SG) hat mit Urteil vom 19. April 1977 die Bescheide der Beklagten aufgehoben und sie verurteilt, dem Kläger Alhi auch über den 18. August 1975 hinaus zu gewähren. Die Berufung der Beklagten hatte keinen Erfolg (Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts –LSG– vom 10. August 1978).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, eine Sperrzeit könne schon deshalb nicht eingetreten sein, weil das Arbeitsamt den Kläger nicht ausreichend über die Rechtsfolgen belehrt habe, die die unberechtigte Ablehnung einer vom Arbeitsamt angebotenen Arbeit nach sich ziehe. Diese Belehrung sei im Zusammenhang mit dem konkreten Arbeitsangebot erforderlich. Hierbei müßten vor allem auch die kritischen Punkte des Arbeitsangebots geklärt und mit dem Arbeitslosen erörtert werden. Dies sei im Falle des Klägers nicht geschehen. Zur Zeit der Arbeitsablehnung sei noch von einer Entlohnung nach Tarif die Rede gewesen. Die Frage, ob der Kläger und der vorgeschlagene Arbeitgeber tarifgebunden seien, sei noch nicht geklärt gewesen. Die Beklagte habe weiterhin nicht geklärt und mit dem Kläger erörtert, ob der Arbeitgeber im Falle der Allgemeinverbindlicherklärung des Zusatztarifvertrages – die nach den Anträgen der Beteiligten und den Gepflogenheiten in den letzten Jahren zu erwarten gewesen sei – den tariflichen Lohn nachzahlen werde. Dem Kläger wäre es zwar im Falle einer fehlenden Tarifbindung zumutbar gewesen, die Arbeit anzunehmen, wenn ihm der Arbeitgeber für den Fall der rückwirkenden Allgemeinverbindlicherklärung die Nachzahlung des Tariflohnes zugesichert hätte. Dies hätte dem Kläger aber gesagt werden müssen. Ein wichtiger Grund für die Arbeitsablehnung liege jedoch nach § 119 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) vor, wenn – soweit eine tarifliche Regelung bestehe – für die Arbeit nicht das tarifliche Arbeitsentgelt gezahlt werde. Dem Kläger könne nicht widerlegt werden, daß er eine tarifwidrige Bezahlung habe befürchten müssen.
Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG. Das LSG habe nicht beachtet, daß nach der Rechtsprechung des Senats die Fragen, ob der Arbeitslose wirksam über die Rechtsfolgen einer unberechtigten Arbeitsablehnung belehrt worden sei und ob das Arbeitsangebot ausreichend bestimmt gewesen sei, zu trennen seien. Ein Arbeitsangebot sei ausreichend bestimmt, wenn es alle Angaben enthalte, derer der Arbeitslose bedarf, um sich über die zulässigen Ablehnungsgründe schlüssig werden zu können; dafür müsse das Arbeitsamt aber zB nicht das Entgelt nennen. Die vom LSG aufgeführten Gründe fielen unter die Frage des wirksamen Arbeitsangebots. Das Arbeitsangebot für den Kläger sei hinreichend bestimmt gewesen, denn es habe diesem die Möglichkeit gegeben, die Tarifbindung und die Bereitschaft des Arbeitgebers, im Falle der nachträglichen Allgemeinverbindlicherklärung eine Nachzahlung zu leisten, zu prüfen. Die dem Kläger genannte Entlohnung habe mangels Tarifbindung des Arbeitgebers mit der Rechtslage in Einklang gestanden, da für nicht gebundene Arbeitsvertragsparteien der alte Tarifzustand weiter gegolten habe (§§ 4 Abs. 4, 5 Abs. 4 Tarifvertragsgesetz –TVG–). Etwaige Befürchtungen des Klägers, er solle zu tarifvertragswidrigen Bedingungen beschäftigt werden, könnten keine Bedeutung haben, da die Umstände, die die Annahme eines wichtigen Grundes zur Arbeitsablehnung rechtfertigen, objektiv gegeben sein müßten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. August 1978 und das Urteil des Sozialgerichts München vom 19. April 1977 aufzuheben und die Klage abzuweisen sowie zu entscheiden, daß außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind,
hilfsweise,
die Sache unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Er meint, es könne dahingestellt bleiben, ob der Rechtsauffassung des LSG zu folgen sei, da ihm jedenfalls ein wichtiger Grund zur Arbeitsablehnung zur Seite gestanden habe. Das ihm angebotene Arbeitsentgelt habe nicht dem Zusatztarif entsprochen. Er sei als Mitglied der Gewerkschaft dem maßgeblichen Tarifvertrag unterworfen und dürfe sich als Kampfgenosse der Organisation niemals unter dem jeweils erreichten Lohnniveau verdingen; das gelte unabhängig davon, ob der Arbeitgeber tarifgebunden sei oder nicht. Anderenfalls riskiere er sogar den Ausschluß aus der Gewerkschaft wegen unsolidarischen Handelns. Daher sei die Beklagte auch nicht berechtigt, einem arbeitslosen Gewerkschaftsmitglied eine Arbeit zu tarifwidrigen Bedingungen anzubieten. Der vorgesehene Lohn sei entgegen der Annahme der Beklagten auch nicht ortsüblich gewesen. Dafür spreche bereits, daß die für das Fliesenlegergewerbe abgeschlossenen Tarifverträge stets für allgemeinverbindlich erklärt worden seien. In der kurzen Zeitspanne zwischen Tarifabschluß am 29. Juli 1975 und der Allgemeinverbindlicherklärung am 10. Dezember 1975 habe sich keine Ortsüblichkeit herausbilden können.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Zurückverweisung begründet. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG lassen eine abschließende Entscheidung des Senats nicht zu.
Eine Sperrzeit tritt nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine Arbeit nicht annimmt oder nicht antritt, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Diese Rechtsfolge tritt jedoch nur ein, wenn die abgelehnte oder nicht angetretene Arbeit vom Arbeitsamt „angeboten” worden ist; durch dieses gegenüber dem früheren Recht (§ 78 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung –AVAVG–, § 90 AVAVG aF) erweiterte Erfordernis der angebotenen Arbeit soll insbesondere sichergestellt werden, daß der Arbeitslose in jedem Einzelfall über die Rechtsfolgen, die im Falle der Ablehnung eintreten können, belehrt wird (vgl. schriftl Bericht des Bundestagsausschusses für Arbeit zu BT-Drucks V/4110 S 21). Das heißt, die Belehrung muß im Zusammenhang und in Verbindung mit dem jeweils konkreten Angebot die jeweils hierfür drohende Rechtsfolge nach Dauer und Wirkung bezeichnen, die eintreten kann, wenn dem Arbeitslosen für die Nichtannahme oder den Nichtantritt der Arbeit kein wichtiger Grund zur Seite steht. Daraus ergibt sich zugleich, daß das Angebot der Arbeitsverwaltung auch dazu dienen soll, bereits in der Phase der Arbeitsvermittlung eine Prüfung zu ermöglichen, ob die angebotene Arbeit „zumutbar” ist oder ob dem Arbeitslosen – im Hinblick auf seine Eignung und seine persönlichen Verhältnisse – zulässige Ablehnungsgründe zur Seite stehen. Die insoweit von der Arbeitsverwaltung bereits bei der Arbeitsvermittlung in Beachtung der Grundsätze der §§ 14 ff AFG zu treffende Abwägung zwischen der Eignung und den persönlichen Verhältnissen des Arbeitsuchenden einerseits und dem zu vermittelnden Arbeitsplatz andererseits erfordert ein ausreichend bestimmtes (konkretisiertes) Angebot; nur ein solches Angebot ermöglicht dem Arbeitslosen die Prüfung, ob zulässige Ablehnungsgründe gegeben sind (BSGE 4, 1, 3). Genügt das Angebot diesen Bestimmtheitsanforderungen nicht, ist es rechtsunwirksam, und daher grundsätzlich nicht geeignet, die Rechtswirkungen einer Leistungssperre im Falle unbegründeter Weigerung der Annahme oder des Antritts der angebotenen Arbeit auszulösen. Dasselbe gilt, wenn das Arbeitsangebot zwar ausreichend bestimmt ist, aber nicht den Grundsätzen einer sachgerechten Arbeitsvermittlung entspricht (BSGE 44, 71, 74 = SozR 4100 § 119 Nr. 3).
Der Eintritt der Rechtsfolge einer Leistungssperre nach § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG setzt mithin voraus,
- daß das Angebot ausreichend bestimmt ist,
- daß das Angebot nicht gegen die Grundsätze sachgerechter Arbeitsvermittlung im Sinne von §§ 14 ff AFG verstößt und
- daß es außerdem mit einer ausreichenden Rechtsfolgenbelehrung verbunden ist bzw in Zusammenhang steht. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, so löst die Ablehnung des Angebots eine Leistungssperre grundsätzlich nicht aus.
Die Frage, wann ein ausreichend bestimmtes Angebot vorliegt, kann nicht generell beantwortet werden, sondern muß nach den besonderen Umständen des jeweiligen Vermittlungsfalles beantwortet werden (BSGE 4, 1, 3). Maßstäbe für die Beurteilung ergeben sich aus den Aufgaben der Arbeitsvermittlung einerseits und dem Zweck der Sperrzeitregelung andererseits. Da Aufgabe der Arbeitsvermittlung nur die Anbahnung eines Arbeitsvertrages ist, der Abschluß des Arbeitsvertrages hingegen dem Arbeitsuchenden und Arbeitgeber vorbehalten bleibt, ist das Arbeitsangebot des § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG nicht mit der Arbeitsvertragsofferte (§§ 145 ff Bürgerliches Gesetzbuch –BGB–) zu verwechseln (vgl. Eckert ua, Gemeinschaftskommentar zum AFG, Stand: Dezember 1979, RdNr. 31 zu § 119). Das Angebot eines Arbeitsplatzes durch die Arbeitsverwaltung (Vermittlungsangebot) dient lediglich dem Nachweis der Gelegenheit zum Abschluß eines Arbeitsvertrages (BSGE 44, 71, 73, = SozR 4100 § 119 Nr. 3). Demgemäß muß das Vermittlungsangebot nicht alle Arbeitsbedingungen enthalten, deren es zum Abschluß eines Arbeitsvertrages bedürfte. Es genügt vielmehr, daß dem Arbeitsuchenden eine eigene Prüfungsmöglichkeit beim Arbeitgeber eröffnet wird. Durch die Arbeitsvermittlung soll weder dem Arbeitsuchenden noch dem Arbeitgeber die Selbstverantwortung für die Gestaltung ihrer wirtschaftlichen oder beruflichen Existenz abgenommen werden; deshalb muß die Klärung der näheren Einzelheiten des angebahnten Arbeitsverhältnisses grundsätzlich der Fühlungnahme zwischen Arbeitsuchendem und Arbeitgeber vorbehalten bleiben.
Andererseits muß aber das Arbeitsangebot im Hinblick auf die drohenden Rechtsfolgen der Leistungssperre so weit konkretisiert sein, daß sieh der Arbeitsuchende über die zulässigen Ablehnungsgründe schlüssig werden kann (BSGE 4, 1, 3; BSGE 44, 71, 73 – SozR 4100 § 119 Nr. 3; BSGE 47, 101, 105 = SozR 4100 § 119 Nr. 5). Das heißt, der Arbeitsuchende muß sich aufgrund der Angaben der Arbeitsverwaltung eine Vorstellung von der angebotenen Beschäftigung machen können, die es ihm ermöglicht, zu prüfen, ob er die angebotene Arbeit annehmen bzw antreten will oder nicht. Dafür genügt es zunächst, wenn aus den Informationen des Arbeitsamtes ersichtlich wird, daß es sich um einen bestimmten Arbeitsplatz an einem bestimmten Ort handelt, den der Arbeitsuchende aufgrund seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit grundsätzlich auszufüllen vermag; das Arbeitsangebot muß deshalb im allgemeinen mindestens den Arbeitgeber, die Arbeitsstätte und die Art der zu verrichtenden Tätigkeit benennen. Welche Angaben über diese Mindestangaben hinaus erforderlich sind, hängt von den Umständen des einzelnen Vermittlungsfalles ab. Angesichts der Komplexität des Vermittlungsauftrags der Bundesanstalt für Arbeit und der Vielfalt der Lebenssachverhalte, die für die Ablehnung einer Arbeit aus wichtigem Grund in Betracht kommen könne, lassen sich diesbezügliche Anforderungen nicht generell, sondern nur nach den Gegebenheiten des einzelnen Vermittlungsfalles aufstellen. Hierbei ist zunächst danach zu differenzieren, ob es sich um die Vermittlung in eine Tätigkeit der bisher ausgeübten Art oder jedenfalls eine verwandte Tätigkeit handelt oder ob das Angebot für den Arbeitslosen eine neue Tätigkeit betrifft. Soll der Arbeitsuchende wieder in seinen bisherigen Beruf bzw verwandten Beruf oder einen ähnlichen Beruf in der gleichen Branche vermittelt werden, sind an die Bestimmtheit im allgemeinen weniger hohe Anforderungen als bei der Vermittlung in einen neuen Beruf zu stellen, weil regelmäßig davon ausgegangen werden kann, daß der Arbeitsuchende bezüglich des bereits ausgeübten Berufs hinreichende Vorstellungen über die zu erwartenden Arbeitsbedingungen besitzt. Das gleiche gilt, wenn die zu vermittelnde – neue – Tätigkeit einem typischen, üblichen Berufsbild entspricht, dessen Bedingungen als bekannt vorausgesetzt werden können. Dies gilt allerdings nur mit der Einschränkung, daß hinsichtlich des anzubietenden konkreten Arbeitsplatzes keine Besonderheiten bestehen (§ 14 Abs. 1 AFG); auf derartige Besonderheiten bzw unübliche Arbeitsbedingungen hat die Arbeitsverwaltung hinzuweisen. So sind zB Angaben über die nähere Gestaltung der Arbeitszeit erforderlich, wenn diese von der üblichen Arbeitszeit abweicht, etwa Nacht- oder Schichtarbeit zu verrichten ist.
Auch die Frage, ob das Arbeitsangebot Angaben über die Höhe der zu erwartenden Entlohnung enthalten muß, hängt im wesentlichen von den Umständen des einzelnen Vermittlungsfalles ab. Da die Höhe des Entgelts zur Ablehnung der angebotenen Arbeit jedenfalls dann berechtigt, wenn nicht der Tariflohn bzw der im Beruf ortsübliche Lohn gezahlt wird (§ 16 AFG, § 78 Abs. 2 Nr. 1 AVAVG), bedarf es grundsätzlich der Information, daß das zu erwartende Entgelt diesen Anforderungen entspricht. Dies genügt im allgemeinen aber auch nur dann, wenn der Arbeitsuchende sich über die Höhe des zu erwartenden „tariflichen” Entgelts eine ausreichende Vorstellung machen kann, dh wenn ihm die Entlohnungsmaßstäbe des in Betracht kommenden Tarifvertrages – etwa aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit – bekannt sind oder wenn er aus sonstigen Informationen über die Qualität der angebotenen Arbeit (zB Hilfspolier, Former mit Facharbeiterqualifikation) auf die in dieser Qualifikationsstufe übliche Entlohnung schließen kann.
Das Arbeitsangebot, das die Beklagte dem Kläger am 30. Juli 1975 unterbreitet hat, war unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hinreichend konkretisiert. Dem Kläger ist von der Beklagten eine Stelle in seinem erlernten Beruf als Fliesenleger bei der Firma R. in M. zu einem Leistungslohn von 20,44 DM pro qm angeboten worden. Diese Angaben reichten für ihn aus, um sich schlüssig zu werden, ob er berechtigt war, die angebotene Arbeit abzulehnen. Er ist in seinen erlernten Beruf vermittelt worden, wußte also welche Tätigkeit ihn erwartete. Es war somit nicht nötig, ihm nähere Umstände über Arbeitsplatz, Arbeitszeit und Arbeitsbedingungen mitzuteilen. Er konnte sich nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG auch ausreichende Vorstellungen über die Höhe des für ihn in Betracht kommenden Tariflohns machen. Weiterer Angaben bedurfte es für die Konkretisierung des Angebots nicht.
Entgegen der Auffassung des LSG war die Beklagte im vorliegenden Fall unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit des Arbeitsangebots nicht verpflichtet, zu klären, ob der Kläger und der vorgeschlagene Arbeitgeber tarifgebunden waren. Soweit dies den Kläger betraf, war die Beklagte aufgrund von § 20 Abs. 2 AFG hierzu nicht einmal befugt. Hiernach dürfen Arbeitsuchende und Ratsuchende nach der Zugehörigkeit zu einer politischen, gewerkschaftlichen oder ähnlichen Vereinigung nur gefragt werden, wenn die Eigenart der Betriebes oder die Art der Beschäftigung die Befragung rechtfertigt. Beides ist hier nicht der Fall. Es sind keine Gründe dafür ersichtlich, daß insoweit eine Ausnahme von der grundsätzlichen Verpflichtung der Arbeitsvermittlung zur Unparteilichkeit zulässig sein sollte. Daraus folgt aber, daß dann aus § 16 AFG keine Pflicht des Arbeitsamts hergeleitet werden kann, die Zugehörigkeit des Arbeitsuchenden zu einer Tarifvertragspartei zu ermitteln. Verpflichtungen hinsichtlich der Konkretisierung des Arbeitsangebots in diesem Sinne ließen sich aus § 16 AFG für die Beklagte allenfalls dann herleiten, wenn Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers besteht und ihr dies bekannt ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG war dies hier aber gerade nicht der Fall gewesen.
Ob und unter welchen Bedingungen für den Kläger ein anderes tarifliches Entgelt als das bislang vorgesehene in Betracht kam, brauchte das Arbeitsamt unter diesem Umständen ebenfalls nicht zu ermitteln. Insbesondere bedurfte es keines Hinweises, daß dieses Entgelt nicht mit dem am Tage vor dem Arbeitsangebot abgeschlossenen Zusatztarifvertrag im Einklang stand. Das Arbeitsamt durfte davon ausgehen, daß das bisherige Entgelt von 20,44 DM pro qm dem Tariflohn entspricht. Dieser beruhte nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG auf den zuvor geltenden tarifvertraglichen Regelungen über die Lohnzahlung, die allgemeinverbindlich erklärt worden waren und demnach für die Firma R., die nicht tarifgebunden war, solange rechtsverbindlich waren, bis der neue Tarifvertrag für allgemeinverbindlich erklärt wurde (§ 4 Abs. 5 TVG).
Die Beklagte war entgegen der Auffassung des LSG ferner nicht verpflichtet, aufzuklären oder mit dem Kläger zu erörtern, ob sich der nicht tarifgebundene Arbeitgeber später an eine zu erwartende rückwirkende Allgemeinverbindlichkeit des Zusatztarifvertrages halten und den tariflichen Lohn nachzahlen würde. Hierbei handelt es sich um Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag, die die Beteiligten untereinander abmachen müssen, und die gegebenenfalls im Rahmen des Einstellungsgesprächs zu klären sind. Ob dies im Hinblick auf § 22 AFG anders zu beurteilen ist, wenn der Beklagten amtlich bekannt geworden ist, daß sich der vorgesehene Arbeitgeber grundsätzlich nicht an die Rückwirkung von Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen hält, kann hier dahingestellt bleiben. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG ergibt sich hierfür kein Anhalt.
Das Arbeitsangebot hat auch nicht gegen die Grundsätze einer sachgerechten Arbeitsvermittlung gemäß §§ 14 ff AFG verstoßen. In diesem Zusammenhang stellt sich im vorliegenden Fall lediglich die Frage, ob die Beklagte, nachdem die Allgemeinverbindlichkeit des am 29. Juli 1975 abgeschlossenen Tarifvertrages am 10. Dezember 1975 von diesem Tage an rückwirkend erklärt worden ist, eine Vermittlung zu tarifwidrigen Bedingungen vorgenommen hat. Dies ist zwar bei rückschauender Betrachtung der Fall. Indessen kommt es für die Frage, ob eine vorgesehene Entlohnung tarifgemäß ist oder nicht, auf die Verhältnisse in dem Zeitpunkt an, in dem das Arbeitsverhältnis beginnen soll, nicht jedoch darauf, ob zu einem späteren Zeitpunkt der betreffende Arbeitnehmer einen anderen (höheren) tariflichen Anspruch haben wird. Insoweit ist hier entscheidend, wann dieser Anspruch entstanden ist; dies war wegen der Tarifungebundenheit der Firma R. der Tag der Allgemeinverbindlichkeitserklärung. Zur Zeit des Angebots war daher der für das Arbeitsverhältnis vorgesehene Lohn nicht deshalb tarifwidrig, weil er niedriger war als der im Zusatztarifvertrag festgelegte Lohn. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG entsprach der angebotene Lohn dem bisherigen Tariflohn aufgrund des gleichfalls für allgemeinverbindlich erklärten abgelaufenen Tarifvertrages. Dessen Allgemeinverbindlichkeit endete spätestens mit dem Inkrafttreten des Tarifvertrages vom 29. Juli 1975 (§ 5 Abs. 5 Satz 3 TVG). Bei Wegfall der Allgemeinverbindlichkeit wirkt diese jedoch entsprechend § 4 Abs. 5 TVG für die nicht nach § 3 TVG gebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer weiter (vgl. Wiedemann/Stumpf, Kommentar zum TVG, 5. Aufl § 5 RdNr. 70, § 4 RdNr. 187). Der Arbeitnehmer hat somit nach wie vor Anspruch auf Zahlung des bisherigen Tariflohns. Das gilt allerdings nur für solche Arbeitsverhältnisse, die bereits während der Laufzeit des Tarifvertrages begründet waren (vgl. BAG AP Nr. 11 zu § 5 TVG). Der Kläger wäre damit nicht unter die Nachwirkung gefallen. Indes wäre er nicht schlechter gestellt als andere Arbeitnehmer, die nicht der Tarifbindung unterlagen. Es war ihm kein anderes Arbeitsentgelt angeboten worden als es die nachwirkenden Normen des abgelaufenen Tarifvertrages vorgesehen hätten. Deshalb ist es auch unerheblich, ob das angebotene Arbeitsentgelt ortsüblich war.
Der Kläger war auch nicht berechtigt, die ihm angebotene Arbeit aus wichtigem Grund gemäß § 119 Abs. 1 Satz 1 AFG abzulehnen. Was als wichtiger Grund iS des § 119 AFG anzusehen ist, ist im Gesetz nicht näher bestimmt. Wie der Senat hierzu ausgeführt hat (BSG SozR 1400 § 119 Nr. 4), soll nach den Vorstellungen des Gesetzgebers eine Sperrzeit allgemein nur dann eintreten, wenn dem Arbeitnehmer unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles ein anderes Verhalten zugemutet werden kann. Dabei sind die Interessen des Arbeitslosen gegen die der Versichertengemeinschaft und gegen die Erfordernisse des Arbeitsmarktes abzuwägen. Das Interesse des Arbeitslosen geht auf einen möglichst weitgehenden Versicherungsschutz, während die Bundesanstalt im Interesse der gesamten Versichertengemeinschaft auch darauf achten muß, daß die Leistungen bei Arbeitslosigkeit nur dann in Anspruch genommen werden, wenn die Arbeitslosigkeit wirklich unvermeidbar ist. Da andererseits jeder beschäftigte Versicherte auch ein potentieller Arbeitsloser ist, kann das Interesse der Versichertengemeinschaft allerdings nicht uneingeschränkt in der Begrenzung von Leistungen liegen. Das Interesse der Versichertengemeinschaft geht vielmehr von vornherein darauf, den Arbeitslosen zwar möglichst schnell wieder in Arbeit zu bringen, andererseits ihn aber auch nicht ohne zwingende Notwendigkeit zum Eingehen eines für ihn unzumutbaren Arbeitsvertrages zu drängen. Deshalb wird davon ausgegangen, daß in den Fällen der in § 78 Abs. 2 AVAVG aufgeführten berechtigten Gründe in der Regel auch ein wichtiger Grund iS des § 119 AFG zu sehen ist. Nach § 78 Abs. 2 Nr. 1 AVAVG ist der Arbeitslose berechtigt, die angebotene Arbeit jedenfalls dann abzulehnen, wenn nicht der Tariflohn bzw der im Beruf ortsübliche Lohn gezahlt wird. Wie bereits ausgeführt wurde, war das dem Kläger in Aussicht gestellte Arbeitsentgelt nicht tarifwidrig. Ein wichtiger Grund zur Arbeitsablehnung kann ihm insoweit nicht zur Seite stehen.
Unerheblich ist auch, daß dem Kläger nach den Feststellungen des LSG nicht widerlegt werden könne, er habe eine tarifwidrige Bezahlung befürchtet. Zutreffend hat die Beklagte darauf hingewiesen, daß es insoweit nicht auf die Vorstellungen des Klägers ankommt. Vielmehr müssen die Umstände, die die Ablehnung des Arbeitsangebots aus wichtigem Grunde rechtfertigen, auch tatsächlich vorliegen. Den Feststellungen des LSG sind aber keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß der vorgesehene Arbeitgeber den für ihn rechtlich in Betracht kommenden Tariflohn nicht bezahlen würde.
Schließlich lag entgegen der Auffassung des Klägers ein wichtiger Grund für die Arbeitsablehnung nicht darin, daß es ihm als Gewerkschaftsmitglied nicht zugemutet werden könnte, eine Arbeit anzunehmen, die unter Tarif bezahlt wurde. Ob der Kläger überhaupt zur Zeit des Angebots Gewerkschaftsmitglied war, hat das LSG nicht festgestellt (dagegen sprechen die Ausführungen des SG auf Seite 6 seines Urteils). Das kann indes dahingestellt bleiben. Selbst wenn der Kläger bereits zur Zeit des Arbeitsangebots Gewerkschaftsmitglied gewesen war, hätte ihn das nicht berechtigt, das Arbeitsangebot abzulehnen. Der Kläger hätte im Zeitpunkt des Arbeitsangebots nur dann einen Anspruch auf das höhere Arbeitsentgelt nach dem Tarifvertrag vom 29. Juli 1975 gehabt, wenn auch der Arbeitgeber tarifgebunden gewesen wäre. Das folgt aus den §§ 3 und 4 TVG. Auch § 16 Satz 1 AFG stellt ausdrücklich auf die Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers und des Arbeitgebers ab. Aus der Gewerkschaftszugehörigkeit des Klägers ergibt sich nur, daß er einer Tarifvertragspartei angehört. Räumt ihm aber das Gesetz allein deswegen noch keinen Anspruch auf Tariflohn ein, darf er allein mit dieser Begründung eine ihm vom Arbeitsamt bei einem nicht tarifgebundenen Arbeitgeber angebotene Arbeit nicht ablehnen. Der Senat verkennt nicht, daß das arbeitslose Gewerkschaftsmitglied unter Umständen hierdurch in Kollision mit seinen gewerkschaftlichen Pflichten gerät, wie es der Kläger aufgezeigt hat. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß die Gemeinschaft der Beitragszahler sich gegen Risikofälle wehren muß, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 5). Der Gesetzgeber hat diesen Interessenkonflikt, wie aus § 16 AFG folgt, dahin gelöst, daß insoweit den Interessen der Versichertengemeinschaft der Vorrang gebührt.
Liegen hiernach insoweit die Voraussetzungen für den Eintritt einer zweiten Sperrzeit von vier Wochen vor, kann der Senat dennoch keine abschließende Entscheidung treffen. Das LSG hat nicht festgestellt, ob der Kläger im Zusammenhang mit dem Arbeitsangebot vom 30. Juli 1979 nach § 119 AFG über die Rechtsfolgen einer Arbeitsablehnung ordnungsgemäß belehrt worden ist. Diese Belehrung ist in jedem Fall erforderlich und unverzichtbar. Sie kann nicht nachgeholt werden und muß sich auf die Folgen aus der Ablehnung des konkreten Angebots erstrecken, hier also darauf, daß der Kläger bei Ablehnung des Angebots vom 30. Juli 1975 ohne wichtigen Grund mit dem Erlöschen seines Alhi-Anspruchs zu rechnen habe. Ohne richtige Belehrung kann die Rechtsfolge aus § 119 Abs. 3 AFG nicht eintreten. Das LSG wird die hierzu nötigen Feststellungen noch nachzuholen haben.
Sollte sich herausstellen, daß die Belehrung ordnungsgemäß war, die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit also gegeben waren, wird weiterhin zu prüfen sein, ob eine Sperrzeit von vier Wochen gemäß § 119 Abs. 2 AFG für den Kläger eine besondere Härte bedeuten würde. Sodann wird das LSG auch über die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten geltend gemachten Rückforderung zu befinden haben.
Die Sache muß deshalb gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz an das LSG zurückverwiesen werden, das auch über die
Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben wird.
Fundstellen