Leitsatz (amtlich)
Die Regelung des § 242b iVm § 59 AFG verstößt nicht gegen Art 14 GG (Fortführung von BSG 28.11.1985 11b RAr 2/85 = SozR 4100 § 242b Nr 1).
Normenkette
AFG § 59 Abs 2 Fassung: 1983-12-22, § 242b Abs 1 S 1 Fassung: 1983-12-22, § 242b Abs 2 Fassung: 1983-12-22; GG Art 14 Abs 1 S 2; GG Art 14 Abs 3
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 11.12.1985; Aktenzeichen L 3 Ar 1441/85) |
SG Mannheim (Entscheidung vom 30.04.1985; Aktenzeichen S 12 Ar 1637/84) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob das der Klägerin gezahlte Übergangsgeld (Übg) mit Wirkung vom 1. Januar 1984 nach § 242b des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG), eingefügt durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 (HBegleitG 1984), herabgesetzt werden durfte.
Die 1952 geborene, ledige Klägerin konnte ihren erlernten Beruf als Buchhändlerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr ausüben; die Beklagte bewilligte ihr zur Rehabilitation eine Umschulung zur Diplomsozialarbeiterin, die vom 4. Oktober 1982 bis zum 25. September 1985 beim Berufsförderungswerk Heidelberg durchgeführt wurde. Hierfür bewilligte die Beklagte Übg nach § 59 Abs 2 Satz 2 AFG in Höhe von 75 vH des nach Satz 1 maßgebenden Betrages, das für die Zeit ab August 1983 angepaßt (dynamisiert) wurde. Die Beklagte setzte sodann aufgrund einer Verminderung des maßgebenden Vomhundertsatzes von bisher 75 vH auf 70 vH durch das HBegleitG 1984 das Übg von bisher 61,10 DM auf 57,O3 DM herab (Bescheid vom 9. Januar 1984, Widerspruchsbescheid vom 2. März 1984).
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) unter Einbeziehung des Dynamisierungsbescheides vom 30. Juli 1984 mit Urteil vom 30. April 1985 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat die vom SG zugelassene Berufung zurückgewiesen und die Klage gegen den während des Berufungsverfahrens ergangenen Dynamisierungsbescheid vom 29. Juli 1985 abgewiesen (Urteil vom 11. Dezember 1985). Es hält die Herabsetzung aufgrund des am 1. Januar 1984 in Kraft getretenen HBegleitG 1984 für rechtmäßig. Der Anspruch auf Übg genieße zwar den Schutz des Art 14 des Grundgesetzes (GG). Die im HBegleitG angeordnete Anwendung der gekürzten Leistungssätze auf vor dessen Inkrafttreten entstandene Ansprüche verstoße aber nicht gegen Art 14 GG, insbesondere nicht gegen den Grundsatz des Vertrauensschutzes für vermögenswerte Güter. Im Hinblick auf die Finanzlage zur Zeit der Gesetzesberatung sei es einsichtig, wenn der Gesetzgeber auch die Einbeziehung der laufenden Leistungsfälle als zur Erreichung des Konsolidierungszieles zwingend erforderlich angesehen habe. In Anbetracht des relativ geringen Umfangs der Kürzung seien der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt und der Eingriff zumutbar.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung der §§ 48 und 50 des Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) und des Art 14 GG.
Die Klägerin beantragt, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ab 1. Januar 1984 Übergangsgeld nach dem bis 31. Dezember 1983 geltenden Recht zu gewähren, vorsorglich, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut über die Anträge zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 9. Januar 1984 ist, wie die Vorinstanzen zutreffend entschieden haben, rechtmäßig.
Der Anspruch der Klägerin auf Übg, der dem Grunde nach feststeht und von den Beteiligten nicht bezweifelt wird, ergab sich der Höhe nach bei Beginn der Umschulungsmaßnahme aus § 59 Abs 2 AFG in der Fassung des Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetzes (AFKG) vom 22. Dezember 1981. Danach sind der Berechnung des Übg 80 vH des entgangenen regelmäßigen Entgelts (Regellohn), höchstens das regelmäßige Nettoarbeitsentgelt zugrunde zu legen (Satz 1). Das Übg beträgt bei den "übrigen Behinderten", zu denen die Klägerin als Ledige gehört, 75 vH des nach Satz 1 maßgebenden Betrages (Satz 2). Die Herabsetzung des Übg durch das HBegleitG 1983 vom 20. Dezember 1982 (dort Art 28 Nr 3) bei den "übrigen Behinderten" von 75 vH auf 70 vH des nach Satz 1 maßgebenden Betrages ließ den Anspruch der Klägerin nach der Übergangsregelung (dort Art 28 Nr 12: Einfügung des § 242a AFG) unberührt. Der § 59 Abs 2 AFG ist durch das am 1. Januar 1984 in Kraft getretene HBegleitG 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) erneut geändert worden. Er sieht jetzt bei den "übrigen Behinderten" ein Übg in Höhe von 65 vH des nach Satz 1 maßgebenden Betrages vor. Hierzu bestimmt als Übergangsvorschrift der durch das HBegleitG 1984 eingefügte § 242b Abs 1 AFG, daß § 59 Abs 2 AFG in der vom 1. Januar 1984 an geltenden Fassung von diesem Zeitpunkt an auch für Ansprüche gilt, die vor diesem Zeitpunkt entstanden sind, daß insoweit über bereits zuerkannte Ansprüche neu zu entscheiden ist (Satz 1), und daß Änderungsbescheide mit Wirkung vom 1. Januar 1984 an wirksam werden (Satz 2). Ergänzend bestimmt § 242b Abs 2, daß für die in § 242a Abs 1 Satz 1 genannten Personen § 59 Abs 2 in der bis zum 31. Dezember 1982 geltenden Fassung mit der Maßgabe weiter anzuwenden ist, daß für die Leistungen ein um fünf Prozentpunkte verminderter Vomhundertsatz gilt.
Der angefochtene Bescheid hält sich, wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, im Rahmen dieser Vorschrift. § 242b AFG geht als Sonderregelung der allgemeinen Regelung sowohl der §§ 48 ff des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - SGB 10 - (vgl dazu § 37 SGB 1) als auch des § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) vor. Dadurch wird die allgemeine Regelung des § 48 SGB 10 weder ausgehöhlt noch bedeutungslos. Die Revision rügt ferner, soweit nach den §§ 59 und 242b AFG, beide idF des HBegleitG 1984, eine Kürzung bescheidmäßig festgestellter laufender Leistungen zulässig sei, verstoße das gegen Art 14 GG. Ein solcher Verstoß liegt indes nicht vor, wie der Senat bereits in seinen Urteilen vom 28. November 1985 - 11b RAr 2 (SozR 4100 § 242b Nr 1) und 9/85 - zu der entsprechenden Kürzung des Unterhaltsgeldes (Uhg) nach § 44 Abs 2 AFG entschieden hat. Die hiergegen erhobenen Angriffe können den Senat nicht veranlassen, diese Rechtsprechung aufzugeben und die Sache dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach Art 100 GG vorzulegen.
Der Senat hat in den angeführten Entscheidungen unterstellt, daß der Anspruch auf Uhg ein vermögenswirksames subjektiv-öffentliches Recht ist, das Merkmale des Eigentumsbegriffs iS von Art 14 GG aufweist, weil es aus Beitragsmitteln des Versicherten finanziert wird, obgleich es sich nicht um die eigentliche Versicherungsleistung bei Arbeitslosigkeit handelt, sondern um eine Leistung, die der Arbeitslosigkeit vorbeugen soll. Zu dem hier streitigen Übg wäre darüber hinaus zu berücksichtigen, daß in der Rentenversicherung der Ermessensanspruch auf Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen nicht eigentumsähnlich geschützt wird (BVerfG SozR 2200 § 1236 Nr 39), was es nach Auffassung des 5b Senats nahelegt, daß auch der Anspruch auf Gewährung von Übg infolge seiner strengen akzessorischen Bindung an die Rehabilitationsmaßnahme nicht dem Schutz des Art 14 GG unterliegt (Stellungnahme zur verfassungsrechtlichen Prüfung des § 1241b RVO vom 18. Juni 1985 - 5b S 3/85 -). Die vom BVerfG offengelassene Frage, ob auch andere Rechtspositionen aus dem AFG als der Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) - hier insbesondere der Anspruch auf Übg - durch die Eigentumsgarantie geschützt werden (EuGRZ 1986, 285, 287), war auch hier nicht zu entscheiden, da auch dann, wenn das Übg der Eigentumsgarantie unterläge, Art 14 GG nicht verletzt wäre. Denn die in § 242b AFG angeordnete Anwendung der gekürzten Leistungssätze auf bereits laufende Fälle bestimmt Inhalt und Grenzen des Eigentums iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG und verstößt nicht gegen die sich aus Art 14 GG ergebenden Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit.
Der Senat hat diejenige Rechtsposition, die der Versicherte bei Erlaß der im HBegleitG 1984 enthaltenen Kürzungsvorschriften in Bezug auf das von der Kürzung betroffene Übg für die Zeit ab dem 1. Januar 1984 hatte, als Anwartschaft bezeichnet. Dem hält das LSG entgegen, daß der Anspruch mit dem Bewilligungsbescheid entstanden sei; die Revision meint, die Anwartschaft sei schon mit dem Eintritt des Versicherungsfalles zum Vollrecht erstarkt gewesen, wobei offen bleibt, ob mit dieser Bezeichnung der Eintritt des Rehabilitationsbedürfnisses oder der Beginn der Maßnahme gemeint ist. Auch die Überleitungsvorschrift des § 242b Abs 1 Satz 1 AFG spricht von "Ansprüchen" (auf Übg für die Zeit ab dem 1. Januar 1984), die vor diesem Zeitpunkt entstanden sind. Der Senat sieht darin keinen wesentlichen Widerspruch. Die Bezeichnung als Anwartschaft bezieht sich auf den Einzelanspruch des als wiederkehrende Leistung zu gewährenden Übg. Die Wertung als Anspruch oder Vollrecht ist nur hinsichtlich des der wiederkehrenden Leistung zugrundeliegenden Stammrechts zutreffend.
Die mit Begründung des Versicherungsverhältnisses entstandene Rechtsposition des Versicherten hinsichtlich des Rechtsanspruchs auf das Übg als wiederkehrende Leistung verfestigt sich nach dem Eintritt des Rehabilitationsbedürfnisses schrittweise: Sind die gesetzlichen Voraussetzungen für die Teilnahme an einer bevorstehenden Bildungsmaßnahme erfüllt, so wächst der Teilnehmer mit dem Antrag auf Übg, dessen Bewilligung, dem Beginn der Maßnahme und der Teilnahme an der Maßnahme, wobei auch eine andere Reihenfolge denkbar ist, schrittweise in eine Rechtsposition hinein, die bei bereits begonnener Teilnahme jedenfalls für rückliegende Zeiten der durchgeführten Teilnahme vergleichsweise schutzwürdiger ist als für zukünftige Zeiten der beabsichtigten Teilnahme. Bezogen auf den für rückliegende Zeiten der Teilnahme bestehenden Anspruch auf Übg wirkt sich jede mindernde Umgestaltung nicht mehr nur als Inhalts- und Schrankenbestimmung iS des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG aus, sondern als Enteignung, die nach Art 14 Abs 3 GG nur aus übergeordneten Gründen des allgemeinen Wohls (Satz 1) und gegen Entschädigung (Satz 2) zulässig ist. Ein legitimierender Grund für eine eigentumsbeschränkende Regelung reicht für diese Rechtsposition nicht. Auch wirtschaftlich (etwa für die Beleihung durch eine Bank) erreicht die Forderung auf Übg erst mit Vollendung der Teilnahme ihren vollen Wert.
Die hinsichtlich des Übg bestehende Rechtsposition - bezogen auf die einzelne wiederkehrende Leistung - wird bis zur Erfüllung der letzten Anspruchsvoraussetzung (in der Regel die Teilnahme) als Anwartschaft bezeichnet, um sie von dem stärker geschützten Anspruch für rückliegende Zeit, der folgerichtig als Vollrecht zu bezeichnen wäre, abzuheben; zugleich soll dadurch die bloße Aussicht auf Übg, wie sie etwa vor Eintritt in die Versicherung besteht, von der nach Art 14 GG geschützten Anwartschaft (Anwartschaftsrecht) unterschieden werden. Mit ihren Bedenken gegen die Bezeichnung als Anwartschaft wollen weder das LSG noch die Revision das Übg für die weitere Dauer der Maßnahme dem absoluten Schutz unterstellen, den der Übg-Anspruch für rückliegende Zeit genießt, der ohne Entschädigung nicht mehr entzogen werden darf. Beide schließen aus der Wertung als Vollrecht lediglich, daß an den legitimierenden Grund besonders hohe Anforderungen zu stellen sind. Davon geht auch der Senat aus, da die Verfestigung mit dem Beginn der Maßnahme und der Erteilung des Bescheides ihre vorletzte Stufe erreicht hat. Insoweit erscheint es von untergeordneter Bedeutung, ob zum Übg ähnlich wie zum Rentenanspruch zwischen dem Anspruch auf die einzelne wiederkehrende Leistung und dem mit Eintritt des Versicherungsfalles entstehenden Stammrecht zu unterscheiden ist, wofür die Formulierung des § 242b Abs 1 Satz 1 AFG angeführt werden könnte. Denn auch für den Rentenanspruch ist in Ansehung des Art 14 GG zwischen bereits entstandenen Einzelansprüchen und den in Zukunft entstehenden Einzelansprüchen zu unterscheiden. Auch bei der Annahme eines Stammrechts auf Übg ist dessen Kürzung für zukünftig entstehende Einzelansprüche aus Gründen des Gemeinwohls in den Grenzen des Art 14 Abs 1 Satz 2 GG zulässig. Der im Europäischen Gemeinschaftsrecht anerkannte Rechtsgedanke des Schutzes des Besitzstandes von Leistungen der sozialen Sicherheit geht hierüber nicht hinaus. Er mag es wie die Wertentscheidung des Art 14 GG ausschließen, eine verschlechternde Regelung bei fehlenden Übergangsbestimmungen auf zukünftige Einzelansprüche aus einem bereits entstandenen Stammrecht zu beziehen; er hindert aber nicht, daß der Gesetzgeber eine solche Regelung aus übergeordneten Gründen des Gemeinwohls trifft. Dabei ist im Rahmen des nach Art 14 GG gebotenen Vertrauensschutzes auch zu berücksichtigen, daß der Versicherte sich zur Teilnahme an der Maßnahme nicht nur wegen der erstrebten Verbesserung seiner Arbeitsmöglichkeiten, sondern auch im Hinblick auf die Höhe des ihm zustehenden Lohnersatzes entschlossen hat. Dieses Vertrauen ist grundsätzlich schutzwürdig, insbesondere wenn es der Versicherte durch Kündigung der früheren Arbeitsstelle oder durch Verzicht auf andere Verdienstmöglichkeiten betätigt hat, auch wenn diese Betätigung nicht aufgrund der Leistungsbewilligung, sondern schon vor der Leistungsbewilligung erfolgte (vgl SozR 1300 § 45 Nr 20).
Die Kürzung des Übg diente dem Gemeinwohl. Nach der Begründung der Bundesregierung zum HBegleitG 1984 machte die Ausgabenentwicklung bei den Rehabilitationsträgern - entsprechend der Kürzung bei Lohnersatzleistungen für Nichtbehinderte - eine weitere Absenkung des Übg bei Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation von bisher 80 bzw 70 vH auf jetzt 75 bzw 65 vH des früheren Nettoentgelts unvermeidbar; trotz dieser weiteren Absenkung lägen die Förderungssätze auch in Zukunft über den für Nichtbehinderte geltenden Leistungssätzen (BT-Drucks 10/335, S 88). Die Kürzung des Uhg, des Übg, des Alg und der Arbeitslosenhilfe sei wegen der schwierigen Finanzlage der Bundesanstalt für Arbeit und des Bundes unabwendbar; sie solle die Funktions- und Leistungsfähigkeit der Arbeitsförderung sichern, weshalb es notwendig sei, auch die Leistungsansprüche zu kürzen, die bereits vor dem 1. Januar 1984 entstanden waren (BT-Drucks 10/335, S 87). Die Kürzung belastet die Betroffenen nicht übermäßig. Die Kürzung des Übg um fünf Prozentpunkte, im vorliegenden Fall mit einer Minderung des täglichen Zahlbetrages von 61,10 DM auf 57,03 DM (also um 6,7 %), belastet den Versicherten nur geringfügig. Der Charakter der Leistung als Lohnersatz bleibt unberührt. Schon deswegen kann sich die Revision nicht auf den Beschluß des BVerfG vom 12. Februar 1986 (EuGRZ 1986, 285) berufen, wonach es mit Art 14 GG nicht vereinbar war, daß die Anwartschaftszeit von 180 Kalendertagen durch das AFKG verdoppelt wurde, ohne zugunsten derjenigen Versicherten eine Übergangsregelung zu treffen, die bei Inkrafttreten des Gesetzes die Anwartschaftszeit von 180 Kalendertagen, nicht jedoch die von 360 Kalendertagen, erfüllt hatten; denn deren Rechtsposition wurde vollständig entwertet.
Andererseits ist der Revision zuzugeben, daß der Gesetzgeber bei früheren Kürzungen des Übg laufende Fälle von der Kürzung ausgenommen hat. Ob das bei so einschneidenden Kürzungen wie der durch das AFKG um immerhin 25 vH von verfassungswegen geboten war, kann dahinstehen. Jedenfalls gewinnen die Argumente für eine Gleichbehandlung der Versicherten für gleiche Bezugszeiten bei einer geringeren Kürzung an Gewicht. Der Eintritt des Rehabilitationsbedürfnisses ist ein nur schwer feststellbarer Zeitpunkt. Die Frage, ob deswegen auf die von Zufälligkeiten beeinflußten Zeitpunkte der Antragstellung, der Bescheiderteilung oder des Maßnahmebeginns abgestellt werden soll, oder nur auf die Lage der Bezugszeit, ist von der Verfassung nicht vorgegeben und obliegt damit dem Gesetzgeber. Die Revision meint zu Unrecht, daß zumindest der durch Bescheid festgestellte Anspruch ausgenommen werden müsse, da sonst die Vorschriften des SGB 10 über die Aufhebung und den Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsaktes überflüssig wären. Denn § 48 SGB 10 schreibt für den Fall einer wesentlichen Änderung der Rechtslage die Aufhebung eines bindenden Verwaltungsakts für die Zukunft vor, wobei § 37 SGB - Allgemeiner Teil - (SGB 1) abweichende Übergangsregeln zuläßt. Zumindest beim Rechtsanspruch auf eine Sozialleistung kommt nach dem SGB der Bescheiderteilung für die Verfestigung der Rechtsposition nicht die überragende Bedeutung zu, die ihr die Revision beimessen will.
Nach der Begründung des Regierungsentwurfs zum HBegleitG 1984 war maßgeblicher Grund für die in diesem Gesetz angeordneten Eingriffe eine Besserung der Finanzlage der Bundesanstalt und des Bundes; hierzu sollten Einsparungen von 1,69 Milliarden DM erfolgen, davon durch Kürzung von Leistungen im Bereich der beruflichen Rehabilitation für die Jahre 1984 bis 1987 440 Millionen, davon für 1984 110 Millionen (BT-Drucks 10/335 S 55). Die schwierige Finanzlage erfordere Eingriffe auch in laufende Leistungsfälle (aaO S 87). Der hierauf entfallende Einsparungseffekt wird nicht angegeben. Da Maßnahmen der beruflichen Bildung in der Regel nur mit einer Dauer von bis zu zwei Jahren gefördert werden (§ 56 Abs 4 Satz 2, § 41 Abs 3 Satz 2 AFG), dürfte von der für 1984 erhofften Einsparung ein erheblicher Anteil auf bereits begonnene Maßnahmen entfallen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß das HBegleitG 1984 nicht nur das Übg nach § 59 AFG, sondern auch das Übg für andere Rehabilitationsmaßnahmen entsprechend gekürzt und in den Übergangsvorschriften entsprechend zu § 242b AFG die Anwendung der Kürzungsvorschriften für laufende Fälle vorgesehen hat (vgl § 568 Abs 8 der Reichsversicherungsordnung -RVO-, § 5a des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes -ArVNG-, jeweils idF des HBegleitG 1984). Daß der Gesetzgeber des HBegleitG 1984 nur einzelne laufende Sozialleistungen und nicht alle Sozialleistungen und darüber hinaus auch die Gehälter und Pensionen der Staatsbediensteten gekürzt hat, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Kürzung bestimmter Sozialleistungen muß zwar den Gleichheitssatz des Art 3 GG beachten; es liegt indes auf der Hand, daß den genannten staatlichen Leistungen eine unterschiedliche Bedeutung zukommt, die der Gesetzgeber auch bei Leistungskürzungen und der insoweit zu gewährenden Besitzstandswahrung berücksichtigen darf (zum Unterschied zwischen den eigentlichen Versicherungsleistungen und den Präventivleistungen vgl Sieveking, SGb 1986, 78). Es ist deshalb auch nicht gleichheitswidrig, daß der Gesetzgeber Alg, Kurzarbeitergeld und Schlechtwettergeld nur für Leistungsempfänger ohne Kinder gekürzt hat, das Übg aber auch für Leistungsempfänger mit Kindern.
Der 5b Senat hat in seiner Stellungnahme zur verfassungsrechtlichen Prüfung des § 1241b Abs 1 Nr 1 RVO iVm Art 2 § 5a Abs 4 ArVNG vom 18. Juni 1985 - 5b S 3/85 - offengelassen, ob übergeordnete Gründe des Gemeinwohls den Eingriff in den bereits entstandenen und bescheidmäßig geregelten Anspruch auf Übg rechtfertigten. Teilweise ist das unter Hinweis auf die 1984 erzielten Einnahmeüberschüsse der Bundesanstalt verneint worden (SG Berlin info also 1985, Nr 2, 29). Jedoch muß der Gesetzgeber in der Beurteilung künftiger Gefahren und der Auswahl der Mittel, mit denen ihnen zu begegnen ist, eine gewisse Beurteilungs- und Auswahlfreiheit haben (BVerfGE 21, 150, 157; 49, 89, 131; 50, 57, 102). Die spätere tatsächliche Entwicklung gibt hier keinen ausreichenden Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber bei Erlaß des HBegleitG 1984 diese Grenze überschritten hätte. Auch der 1. Senat hat die Entscheidung des HBegleitG 1984, daß die Finanzlage Leistungseinschränkungen erfordere, nicht in Zweifel gezogen (SozR 2200 § 1262 Nr 33). Unzutreffend ist auch der weitere Einwand, der Gesetzgeber habe schon in früheren Jahren die Notwendigkeit von Leistungskürzungen erkennen müssen, so daß er wegen seiner Untätigkeit einen Abwägungsanspruch hinsichtlich der Einbeziehung entstandener Rechte verloren habe. Denn auch ein etwaiges Verschulden des Gesetzgebers könnte nicht dazu führen, daß die Lasten der notwendigen Kürzungen zwischen alten und neuen Leistungsansprüchen anderweitig zu verteilen wären.
Die Revision war daher mit der Kostenfolge aus § 193 SGG zurückzuweisen.
Fundstellen