Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. November 1996 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der im November 1976 geborene Kläger ist Sohn der 1948 geborenen S… N… (N) und lebte mit dieser und deren Lebenspartner P… (P) von Dezember 1987 bis 1994 in einem gemeinsamen Haushalt. Am 9. März 1994 verlor P… durch eine Gewalttat das Leben. Der Täter, ein Amokschütze, tötete sich unmittelbar nach der Tat selbst. P… hatte im März 1994 ein monatliches Bruttoeinkommen von 9.600,- DM, N.… nur ein solches von etwa 3.600,- DM. Im April 1994 machte der Kläger beim Beklagten geltend, er sei Pflegekind des P… und beantragte deswegen Waisenrente. Mit Bescheid vom 15. März 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 1995 lehnte der Beklagte den Antrag ab.
Die Klage gegen die Bescheide des Beklagten blieb erfolglos (Urteil des Sozialgerichts Köln ≪SG≫ vom 10. Januar 1996). Auch die Berufung des Klägers gegen diese Entscheidung blieb ohne Erfolg (Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen ≪LSG≫ vom 7. November 1996). Das LSG begründete die Zurückweisung des Rechtsmittels im wesentlichen wie folgt: Der Kläger sei iS der im März 1994 maßgeblichen Rechtsvorschriften nicht Pflegekind des P… gewesen, weil zwischen ihm und N… auch nach der Aufnahme in P…’s Haushalt noch ein Obhuts- und Pflegeverhältnis fortbestanden habe. Die vom Bundessozialgericht (BSG) in früheren Entscheidungen vertretene Rechtsauffassung, die für die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses erforderliche Herstellung eines familienähnlichen Bandes zu der als Pflegeelternteil in Frage kommenden Person sei auch dann möglich, wenn das familienhafte Verhältnis des Kindes zu seinen Eltern (bzw einem Elternteil) fortbestehe, sei überholt. Sie habe nur bis zum Inkrafttreten des 12. Änderungsgesetzes zum Bundeskindergeldgesetz vom 30. Juni 1989 (12. ÄndG BKGG) gegolten. Die seither geltende Regelung, wonach für die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses das familienhafte Band zu den (ggf leiblichen) Eltern gelöst sein müsse, verstoße nicht gegen das Grundgesetz (GG).
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger ua geltend, das LSG habe § 1 Abs 8 Opferentschädigungsgesetz (OEG) iVm § 45 Abs 2 Nr 2 Bundesversorgungsgesetz (BVG) sowie die rechts- und sozialstaatlichen Grundsätze des Art 20 und des Art 6 GG verletzt. Zwar habe das 12. ÄndG BKGG zwischenzeitlich (1989) den Begriff des Pflegekindes im Kindergeld- und Steuerrecht in dem vom LSG dargestellten Sinne vereinheitlicht. Die neue Begriffsbestimmung gelte aber nicht für das Versorgungsrecht, insbesondere nicht für das OEG. Eine dahingehende Absicht des Gesetzgebers, die zur nachträglichen Beseitigung von (potentiellen) Versorgungsanwartschaften der Pflegekinder nach dem alten Rechtszustand geführt hätte, sei bei der Änderung des Pflegekindbegriffes durch das 12. ÄndG BKGG nicht zum Ausdruck gekommen. Auch aus dem Sozialstaatsgedanken (Art 20 Abs 1 GG) ergebe sich, daß die bereits vor der Gesetzesänderung erworbene Rechtsstellung als Pflegekind nicht habe beeinträchtigt werden sollen.
Er beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. November 1996 sowie das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 10. Januar 1996 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 15. März 1995 idF des Widerspruchsbescheides vom 9. Juni 1995 zu verurteilen, ihm Waisenrente ab April 1994 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für richtig.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision des Klägers ist nicht begründet. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage auf Verurteilung des Beklagten zur Gewährung von Waisenrente aus Anlaß der gewaltsamen Tötung des P… abgewiesen.
Gemäß § 1 Abs 8 OEG erhalten auf Antrag die Hinterbliebenen eines Geschädigten iS von § 1 Abs 1 OEG Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Zu den Hinterbliebenen gehören ua die Waisen, dh die Kinder des Beschädigten (§ 38 Abs 1 Satz 1, § 45 Abs 1 BVG). Nach § 45 Abs 2 BVG gelten als Kinder ua auch Stiefkinder, die der Verstorbene in seinen Haushalt aufgenommen hat, und Pflegekinder iS des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BKGG.
Der geltend gemachte Anspruch auf Waisenrente scheitert daran, daß der Kläger weder Stiefkind noch Pflegekind des P… war. Stiefkinder sind nur Kinder des Ehegatten, nicht aber Kinder des Partners einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft (vgl Verwaltungsvorschrift Nr 2 Satz 1 zu § 33b BVG; auch § 2 Abs 1 Nr 1 BKGG). Die Mutter des Klägers hatte nicht mit P… die Ehe geschlossen. Sie lebte mit ihm lediglich in einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft.
Auch die Voraussetzungen für die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses zwischen P… und dem Kläger sind nicht erfüllt. § 45 Abs 2 Nr 2 BVG idF des Art 5 des Adoptionsanpassungsgesetzes vom 24. Juni 1985 (AdAnpG – BGBl I S 1144) verweist für den Begriff des Pflegekindes auf § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BKGG. Die Bestimmung lautete zunächst (idF des Art 1 des AdAnpG ≪aF≫):
“2. Pflegekinder (Personen, mit denen der Berechtigte durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in seinen Haushalt aufgenommen hat).”
Durch das 12. ÄndG BKGG (BGBl I S 1294) erhielt sie zum 8. Juli 1989 folgende hier anzuwendende Fassung (nF):
“2. Pflegekinder (Personen, mit denen der Berechtigte durch ein familienähnliches, auf längere Dauer berechnetes Band verbunden ist, sofern er sie in seinen Haushalt aufgenommen hat und ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zwischen diesen Personen und ihren Eltern nicht mehr besteht).”
Danach war der Kläger im Zeitpunkt des Todes des P… (März 1994) nicht als dessen Pflegekind anzusehen, weil zwischen Frau N… und ihrem Sohn, dem Kläger, ein Obhuts- und Pflegeverhältnis fortbestand.
Entgegen der Auffassung der Revision ist der Begriff des Pflegekindes hier nicht mehr nach § 45 Abs 2 Nr 2 BVG iVm § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BKGG aF zu beurteilen. Denn die Verweisungsvorschrift des § 45 Abs 2 Nr 2 BKGG kann nur so gedeutet werden, daß § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BKGG in der jeweils geltenden Fassung für den Pflegekindbegriff des BVG maßgeblich werden sollte (sog “dynamische” Verweisung ≪vgl dazu BSGE 68, 47, 50 = SozR 3-2500 § 159 Nr 1 mwN≫). Diese Auslegung ergibt sich zwar nicht schon zwangsläufig aus dem Wortlaut, wohl aber aus dem Sinn und Zweck des § 45 Abs 2 Nr 2 BVG. Mit der – gleichzeitig mit dieser Bestimmung durch das AdAnpG geschaffenen – Legaldefinition in § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BKGG sollte nämlich der Begriff des Pflegekindes vereinheitlicht werden, und zwar auch für das Versorgungsrecht. Daß der Gesetzgeber dieses Ziel angestrebt hat (vgl dazu BT-Drucks 10/1746, S 18 bis 21), geht schon daraus hervor, daß er im AdAnpG für das Unfallversicherungs-, Rentenversicherungs-, und Versorgungsrecht mehrere gleichlautende Verweisungen auf den Pfegekindbegriff des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BKGG geschaffen hatte (vgl § 595 Abs 1 Satz 2 Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫ in der bis zum 31. Dezember 1996 sowie § 1267 RVO, § 44 AVG, § 67 Reichsknappschaftsgesetz – jeweils Abs 1a – in der bis 31. Dezember 1991 geltenden Fassung). Die Vereinheitlichung des Pflegekindbegriffes ließ sich aber nur erreichen und für die Zukunft sicherstellen, wenn sich künftige Änderungen der Begriffsbestimmung im BKGG zugleich auf die drei genannten sozialrechtlichen Bereiche auswirken.
Zwar hat der 10. Senat des BSG in zwei – nicht veröffentlichten – Entscheidungen vom 18. Januar 1990 (su) § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BKGG in der bis Juli 1989 geltenden Fassung so ausgelegt, daß ein Pflegekindschaftsverhältnis auch dann bestehen kann, wenn innerhalb einer familienähnlichen Gemeinschaft die familienhafte Beziehung des Kindes zu einem leiblichen Elternteil fortbesteht (so auch schon BSGE 20, 26 ff). Ein so verstandener Pflegekindbegriff stand aber im Gegensatz zu dem im Einkommensteuerrecht seit Inkrafttreten des Steuersenkungsgesetzes 1986/1988 (BGBl I S 1153 ff) verwendeten Pflegekindbegriff (vgl § 32 Abs 1 Satz 1 Nr 2 EStG in der seit 29. Juni 1985 geltenden Fassung). Dieser setzt nämlich ausdrücklich voraus, “daß das Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den Eltern nicht mehr besteht”. Durch die mit dem 12. ÄndG BKGG vorgenommene Angleichung des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BKGG an diese Bestimmung wurde der in den Urteilen des BSG vom 18. Januar 1990 vertretenen Auffassung schließlich der Boden entzogen (vgl BSG in SozR 3-5870 § 2 Nr 19 S 55 ff).
Mit dem 12. ÄndG BKGG hat der Gesetzgeber – anders als die Revision im Ergebnis meint – die mit dem AdAnpG verfolgte Vereinheitlichungsabsicht nicht etwa aufgegeben, sondern weiterverfolgt. Das geht auch aus den Gesetzesmaterialien zum 12. ÄndG BKGG hervor, wenn sie auch nur erkennen lassen, daß der Gesetzgeber eine Angleichung des sozialrechtlichen an den steuerrechtlichen Pflegekindbegriff anstrebte (BT-Drucks 11/4508 S 5, wo die Einheitlichkeit des Pflegekindbegriffs auch dadurch betont wird, daß die Änderung des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BKGG lediglich als Klarstellung bezeichnet wird). Es kann aber nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber die Auswirkung der von ihm vorgenommenen “Klarstellung” auf die verschiedenen sozialrechtlichen Bereiche, die für den Anspruch auf Waisenrente auf den Pflegekindbegriff des BKGG verwiesen, verkannt oder auch nur nicht beabsichtigt hat. Angesichts der schon früher von ihm verfolgten Vereinheitlichungstendenz ist vielmehr davon auszugehen, daß er – auch ohne besondere dahingehende Äußerung in den Materialien zum 12. ÄndG BKGG – die 1985 erreichte Vereinheitlichung weiterhin im Auge hatte und beibehalten wollte.
Aus dem Umstand, daß das Versorgungsrecht infolge der seitherigen Rechtsentwicklung der einzige Bereich geblieben ist, für den im Zusammenhang mit Waisenrentenansprüchen auf den Pflegekindbegriff des BKGG verwiesen wird (in dem seit 1. Januar 1992 geltenden § 48 Abs 3 Nr 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB VI≫ und dem seit 1. Januar 1997 geltenden § 67 Abs 2 Nr 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB VII≫ verweist der Gesetzgeber nunmehr jeweils auf § 56 Abs 2 Nr 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch ≪SGB I≫), folgt nichts anderes. Einerseits bleibt für die gesetzgeberische Absicht zum Zeitpunkt der Änderung des BKGG im Jahr 1989 die damalige Rechtslage maßgeblich. Die damals geltenden Vorschriften des Versorgungs-, des Unfall- und Rentenversicherungsrechts verwiesen gleichlautend auf § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BKGG. Der Gesetzgeber hat andererseits aber auch mit den geänderten Verweisungsvorschriften im SGB VI und SGB VII erkennbar seine bisherige Vereinheitlichungstendenz weiter verfolgt. Wenn nunmehr die Verweisung des Renten- und Unfallrechts auf den Pflegekindbegriff des § 56 SGB I erfolgt, stand aufgrund der inzwischen ergangenen Rechtsprechung bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SGB VI und des SGB VII fest, daß auch iS der neuen Bezugsvorschrift ein Obhuts- und Pflegeverhältnis zum (leiblichen) Elternteil ein Pflegekindschaftsverhältnis ausschließt (vgl SozR 3-1200 § 56 Nrn 1 ≪= BSGE 67, 211≫, 2, 3 und 5 sowie § 33 Achtes Buch Sozialgesetzbuch, wo zwischen “Herkunftsfamilie” und “einer anderen Familie” unterschieden wird).
Vor der Änderung des § 2 BKGG durch das 12. ÄndG BKGG galt der Kläger nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile des 10. Senats vom 18. Januar 1990 – 10 RKG 24/88 und 10 RKG 25/88; vgl auch BSGE 20, 26) als Pflegekind iS des BKGG mit der Folge, daß er – wenn P… bereits damals durch eine Gewalttat getötet worden wäre – einen Anspruch auf Waisenrente gehabt hätte. Es hat sich nämlich bei der Abänderung des § 2 Abs 1 Satz 1 Nr 2 BKGG durch das 12. ÄndG BKGG nicht lediglich um eine “Klarstellung”, sondern um eine Rechtsänderung gehandelt. Gegen diese bestehen jedoch – entgegen der Ansicht der Revision – keine verfassungsrechtlichen Bedenken, auch wenn sich dadurch für den Kläger der Umfang des Schutzes nach dem OEG verringert hat. Zwar hindert das Rechtsstaatsprinzip des Art 20 Abs 3 GG den Gesetzgeber in gewissem Umfang, rückwirkende Gesetze zu erlassen. Dies gilt insbesondere für Gesetze, die zu Lasten des Bürgers in abgewickelte, der Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreifen (“echte Rückwirkung” – vgl dazu das zur Veröffentlichung vorgesehene Urteil des BSG vom 25. Juni 1998 – Az B 7 AL 2/98 R und Leibholz/Rinck/Hesselberger, Grundgesetz, RdNr 1607 zu Art 20 mwN). Von einer echten Rückwirkung kann hier aber nicht die Rede sein. Als P… infolge einer Gewalttat 1994 starb, hatte der Gesetzgeber bereits § 2 BKGG geändert, so daß zu diesem Zeitpunkt kein Anspruch des Klägers auf Waisenrente mehr entstehen konnte.
Unter bestimmten Voraussetzungen kann allerdings auch schon ein Gesetz gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoßen, das zwar nicht in abgewickelte Tatbestände eingreift, aber auf gegenwärtige (dh im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Norm vorhandene), noch nicht abgeschlossenen Sachverhalte und Rechtsbeziehungen für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet (sog “unechte Rückwirkung” ≪vgl im einzelnen Leibholz/Rinck/Hesselberger, aaO, BVerfGE 95, 64, 86). Die unechte Rückwirkung eines Gesetzes ist dabei verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässig (vgl Leibholz/Rinck/Hesselberger, aaO, RdNr 1661; BVerfGE aaO und BVerfGE 30, 392, 402). Sie kann aber unter Umständen verfassungswidrig sein, wenn nämlich der Grundsatz des Vertrauensschutzes verletzt wird, dh, wenn das Gesetz einen entwertenden Eingriff vornimmt, mit dem der Staatsbürger nicht zu rechnen, den er also bei seinen Dispositionen auch nicht zu berücksichtigen brauchte (Leibholz/Rinck/Hesselberger, aaO). Bei Inkrafttreten des 12. ÄndG BKGG mögen ein solcher “noch nicht abgeschlossener Sachverhalt” und eine “Rechtsposition” in diesem Sinn insofern vorgelegen haben, als der Kläger für den Fall, daß P… durch eine Gewalttat ums Leben kam, nach der bisherigen Rechtslage Aussicht auf einen Waisenrentenanspruch hatte. Diese “Rechtsposition” war aber so schwach und von so vielen Eventualitäten abhängig, daß sie offensichtlich keine schützenswerte Vertrauensposition darstellte. Ihren Verlust durch eine Rechtsänderung mußte der Kläger daher hinnehmen. Denn sein etwaiger zukünftiger Anspruch auf Waisenrente hing nicht nur, wie bei jeder Waise, davon ab, daß er den Pflegeelternteil überlebte, sondern zusätzlich auch davon, daß P… durch eine Gewalttat ums Leben kam und daß seine (des Kägers) familienähnliche Beziehung zu P… bis zu dessen Tod fortbestand. Die Aussicht des Klägers, jemals eine Waisenrente als hinterbliebenes Pflegekind des P… zu erhalten, war mithin eine völlig unbestimmte, fernliegende Möglichkeit und schied als zu schützende Rechtsposition schon deswegen aus, weil auf diese “Rechtsstellung” gestützte Dispositionen (etwa Abschluß oder Nichtabschluß von Versicherungsverträgen oder dergleichen) verständigerweise nicht in Betracht kamen.
Aus dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1 GG, auf das sich die Revision ebenfalls beruft, können subjektive Rechte regelmäßig nicht abgeleitet werden (vgl BVerfGE 27, 253/283; BVerfGE 82, 60/80). Es handelt sich lediglich um eine konkretisierungsbedürftige, an den Gesetzgeber gerichtete Verfassungsnorm, nicht aber um eine Rechtsgrundlage für individuelle Leistungsansprüche.
Soweit der Kläger sich auf Art 6 GG bezieht, ist die “Änderung” des Pflegekindbegriffs durch das 12. ÄndG BKGG deswegen verfassungsrechtlich unbedenklich, weil Art 6 Abs 1 GG, der die Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, zwar auch die Familiengemeinschaft zwischen Pflegeeltern und Pflegekindern schützt (BVerfGE 18, 97, 105 ff; 68, 176, 187; 79, 256, 267), es aber dem (einfachrechtlichen) Gesetzgeber überläßt zu bestimmen, welche Kinder als Pflegekinder gelten sollen und welche nicht. Aus der genannten Verfassungsnorm läßt sich zudem für den besonderen Schutz der nichtehelichen Lebensgemeinschaft nichts herleiten. Nur die Ehe im Sinn des bürgerlichen Rechts ist durch Art 6 GG geschützt (BVerfGE 31, 58, 82 ff; 53, 224, 245; 62, 323, 330 ff; vgl auch das – zur Veröffentlichung vorgesehene – Urteil des BSG vom 29. April 1998 – Az B 7 AL 56/97 R). Deshalb kommt im vorliegenden Falle auch die Annahme eines Pflegekindschaftsverhältnisses ohne Rücksicht auf einfachgesetzliche Normen nicht in Betracht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen
NJWE-FER 1999, 223 |
SGb 1999, 28 |
SozSi 1999, 262 |