Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegezeiten im Beitrittsgebiet vor dem 1.1.1992. rentenrechtliche Berücksichtigung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
Im Beitrittsgebiet vor dem 1.1.1992 zurückgelegte, nicht mit Beiträgen belegte Zeiten einer Pflegetätigkeit sind keine rentenrechtlichen Zeiten iS des SGB 6.
Stand: 15. April 2002
Normenkette
EinigVtr Art. 30 Abs. 5; RÜG Art. 2 § 1 Abs. 1 Nr. 3, § 19 Abs. 3 S. 1 Nr. 1; SGB VI § 248 Abs. 3, § 249b; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1
Beteiligte
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 15. März 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten des Verfahrens nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Klägerin begehrt höhere Rente unter Berücksichtigung von Pflegezeiten.
Die 1937 geborene Klägerin war im Beitrittsgebiet bis Oktober 1975 und danach vom 1. Dezember 1991 bis 30. November 1992 versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend erhielt sie bis 30. September 1997 zunächst Übergangsgeld, dann Krankengeld. Seit 1. Oktober 1997 bezieht sie Altersrente für Erwerbsunfähige nach Vollendung des 60. Lebensjahrs. Die Klägerin hat zwei Kinder geboren, am 20. Juli 1964 den Sohn Jörg und am 20. März 1974 die Tochter Birgit. Letztere war von Geburt an schwerstbehindert und wurde vom 8. Oktober 1975 bis zu ihrem Tod am 7. November 1991 von der Klägerin gepflegt.
Im Dezember 1991 fragte die Klägerin bei der Beklagten an, ob sie für die Monate Januar bis November 1991 freiwillige Beiträge zahlen könne. Diese Anfrage beantwortete die Beklagte mit Schreiben vom 4. Mai 1992 dahin, die Zahlung freiwilliger Beiträge sei nach dem hier noch maßgeblichen § 21 Satz 1 des Gesetzes über die Sozialversicherung der DDR (SVG) ausgeschlossen, da die Klägerin in dem genannten Zeitraum kein – auch kein geringfügiges – Arbeitseinkommen bezogen habe. Im Verfahren über die Klärung des Versicherungskontos begehrte die Klägerin im Dezember 1995 die Feststellung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung für beide Kinder. Am 15. Oktober 1996 beantragte sie zusätzlich, die Zeit vom 8. Oktober 1975 bis 30. November 1991, in der sie ihre Tochter gepflegt habe, als Berücksichtigungszeit wegen Pflege anzuerkennen. Sie legte dazu ua eine Bescheinigung ihres ehemaligen Arbeitgebers vom 20. Mai 1986 über die Beendigung ihrer Berufstätigkeit wegen häuslicher Pflege ihrer schwerstbeschädigten Tochter vor. Darauf hatte der FDGB-Stadtvorstand K unter dem 27. Mai 1986 vermerkt, daß die Zeit der Pflege bei der Kindesmutter als versicherungspflichtige Tätigkeit anerkannt werde. In den Vormerkungsbescheiden vom 9. September 1996, 3. März und 3. April 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. September 1997 beigefügten Versicherungsverläufen und im – während des sozialgerichtlichen Verfahrens erlassenen – Rentenbescheid vom 5. Januar 1998 erkannte die Beklagte die Zeiten vom 1. August 1964 bis 31. Juli 1965 und vom 1. April 1974 bis 31. März 1975 als Zeiten der Kindererziehung und die Zeit vom 20. Juli 1964 bis 19. März 1984 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung an; die Berücksichtigung von Pflegezeiten lehnte sie ab.
Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Urteil des SG vom 20. Mai 1998; Urteil des LSG vom 15. März 2000). Das LSG hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Beklagte habe in ihrem die Vormerkungsbescheide ersetzenden Rentenbescheid den Zeitraum vom 8. Oktober 1975 bis 30. November 1991 zu Recht weder als Beitrags- noch als Berücksichtigungszeit wegen Pflege anerkannt. Der Anspruch der Klägerin auf Altersrente ab 1. Oktober 1997 richte sich ausschließlich nach dem SGB VI. Danach liege im streitigen Zeitraum weder eine Beitragszeit iS des § 54 Abs 1 iVm § 55 Abs 1 SGB VI noch eine sonstige versicherungspflichtige Zeit iS von § 3 Nr 1a SGB VI vor. Die Versicherungspflicht von Pflegepersonen betreffe lediglich Pflegezeiten ab 1. April 1995 und § 249b SGB VI beschränke Berücksichtigungszeiten auf Pflege in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. März 1995; die Pflege der Tochter der Klägerin habe aber bereits im November 1991 geendet. Unerheblich sei, daß die Zeit der Pflege teilweise nach dem Recht der DDR als versicherungspflichtige Tätigkeit anzuerkennen gewesen wäre. Denn eine Berücksichtigung dieser Regelung könne lediglich im Rahmen von Ansprüchen nach Art 2 RÜG erfolgen. Dessen Bestimmungen seien aber bei der Klägerin nicht anwendbar, weil ihr Versicherungsfall erst mit Vollendung ihres 60. Lebensjahres am 1. Oktober 1997 und damit nach dem für die Anwendung des RÜG maßgeblichen Stichtag (31. Dezember 1996) eingetreten sei. An der Verfassungsmäßigkeit der Stichtagsregelung des Art 2 § 1 Abs 1 Nr 3 RÜG bestünden keine Zweifel. Eine Berücksichtigung der streitigen Zeit in der von der Klägerin begehrten Weise ergebe sich auch nicht aufgrund der Bescheinigung des FDGB vom 27. Mai 1986. Darin sei lediglich das damals geltende Recht festgestellt und keine nach Art 19 Satz 1 EinigVtr weiterhin wirksame Einzelfallentscheidung getroffen worden; insoweit handele es sich um einen anderen Sachverhalt als er der Entscheidung des BSG vom 2. Dezember 1999 (B 8 KN 18/97 R) zugrunde gelegen habe. Die Beklagte habe in ihrem Schreiben vom 4. Mai 1992 auch keine über den von ihr bereits zugestandenen Zehn-Jahres-Zeitraum des § 57 SGB VI hinausgehende Berücksichtigungszeit zugesichert; in dem Schreiben sei lediglich die Frage der freiwilligen Nachversicherung angesprochen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von Art 19 Satz 1 und Art 30 Abs 5 EinigVtr sowie des rechtsstaatlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes (Art 20 GG). Sie trägt vor, entgegen der Auffassung des LSG sei die Anerkennung des streitigen Zeitraums als versicherungspflichtige Tätigkeit durch den FDGB vom 20. Mai 1986 nach Art 19 Satz 1 EinigVtr auch nach dem Wirksamwerden des Beitritts ein weiterhin wirksamer Verwaltungsakt. Es handele sich um eine „Einzelfallentscheidung” iS des § 31 SGB X, die der FDGB als Träger der Rentenversicherung der DDR über die Anerkennung der Zeit der Pflege als versicherungspflichtige Tätigkeit bezogen auf die konkrete Situation der Klägerin getroffen habe. Entgegen der Auffassung des LSG sei daher der Sachverhalt grundsätzlich dem vergleichbar, der der Entscheidung des BSG vom 2. Dezember 1999 (B 8 KN 18/97 R) zugrunde gelegen habe. Die damalige Zusage müsse ferner unter dem Gesichtspunkt des rechtsstaatlichen Grundsatzes des Vertrauensschutzes Vorrang haben vor der generellen Stichtagsregelung des Art 2 RÜG; insoweit gehe Art 19 Satz 1 EinigVtr auch der Stichtagsregelung in Art 30 Abs 5 EinigVtr vor. Zumindest aber habe die Beklagte in ihrem Schreiben vom 4. Mai 1992 eine Zusicherung zur Anerkennung des streitgegenständlichen Zeitraums als Berücksichtigungszeit abgegeben.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sächsischen LSG vom 15. März 2000 und das Urteil des SG Chemnitz vom 20. Mai 1998 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 5. Januar 1998 zu verpflichten, der Klägerin Altersrente ab dem 1. Oktober 1997 unter Berücksichtigung der Zeit vom 8. Oktober 1975 bis 30. November 1991 als weiterer Beitragszeit statt der bisher anerkannten Berücksichtigungszeit, hilfsweise unter Anerkennung der Zeit vom 20. März 1984 bis 30. November 1991 als zusätzlicher Berücksichtigungszeit zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
Sie hält die Entscheidung des LSG für zutreffend und trägt ergänzend vor: Wenn die Klägerin ihren Anspruch auf Anerkennung der Zeit vom 8. Oktober 1975 bis 30. November 1991 als Beitragszeit nur noch auf die Bescheinigung des FDGB vom 27. Mai 1986 stütze, erkenne sie offenbar an, daß ihr Anspruch weder aus § 3 Nr 1a SGB VI noch aus Art 2 § 19 Abs 3 Satz 1 Nr 1 RÜG hergeleitet werden könne. Insoweit handele es sich aber nicht um einen nach Art 19 Abs 1 EinigVtr weiterhin gültigen Verwaltungsakt. Es bestünden bereits erhebliche Zweifel, ob dem FDGB als einer nur gesellschaftlichen Organisation Behördeneigenschaft zukomme. Darüber hinaus fehle es hier aber auch an der Entscheidung eines Einzelfalls. Es sei lediglich bestätigt worden, daß auch im Falle der Klägerin das damals geltende Recht angewendet worden sei; ein regelnder Inhalt habe gefehlt. Sei aber die Verwaltungseigenschaft der Erklärung vom 27. Mai 1986 zu verneinen, so könne Art 19 Satz 1 EinigVtr der Klägerin auch nicht zu ihrem Anspruch verhelfen. Im übrigen führe die Auffassung der Klägerin dazu, daß die Stichtagsregelung des Art 2 § 1 Abs 1 Nr 3 RÜG fehl liefe und die eigentlich dadurch ausgeschlossenen Ansprüche durch die „Hintertür” der nach Art 19 Abs 1 EinigVtr fortgeltenden Einzelfallentscheidung wieder auflebten. Was die Begründung des Hilfsantrags auf Anerkennung der weiteren Zeit als Berücksichtigungszeit angehe, sei nicht zu erkennen, worin die Klägerin eine Zusicherung der Beklagten zur Anerkennung des streitgegenständlichen Zeitraums als Berücksichtigungszeit sehen könne.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Rente, bei der die Zeit, in der sie ihre behinderte Tochter gepflegt hat, als Beitragszeit oder teilweise als (weitere) Berücksichtigungszeit zugrunde gelegt werden müßte. Dies hat das LSG zutreffend erkannt. Da die Klägerin sich im Revisionsverfahren nur noch gegen den Rentenbescheid vom 5. Januar 1998 wendet, kann dahinstehen, ob dieser – wie vom LSG angenommen – die Vormerkungsbescheide der Beklagten ersetzt hat (vgl dazu BSG Urteile vom 8. Oktober 1992 – 13 RJ 47/91 mwN – dokumentiert in Juris und vom 25. Juli 2001 – B 5 RJ 22/00 R – nicht veröffentlicht).
1. Der Rentenanspruch der Klägerin richtet sich ausschließlich nach den Vorschriften des SGB VI in der bei Eintritt des Versicherungsfalls geltenden Fassung (§ 300 Abs 1 iVm Abs 2 SGB VI).
Auf rentenrechtliche Regelungen der DDR kann die Klägerin ihr Begehren nicht stützen. Recht der DDR gilt nur weiter, soweit dies im EinigVtr angeordnet ist. Das ist hier nicht der Fall. § 14 der Zweiten Rentenverordnung vom 26. Juli 1984 (2. RentenVO – GBl I, 281) über die Anrechnung von Zeiten der Pflege als versicherungspflichtige Tätigkeit blieb aufgrund des EinigVtr iVm der Ersten Durchführungsbestimmung zur 2. RentenVO vom 8. April 1985 (GBl I, 115) nur bis 31. Dezember 1991 in Kraft (EinigVtr Anlage II Sachgebiet F Abschnitt III Nr 7). Soweit diese Regelung inhaltlich in die Bestimmung der rentenrechtlichen Zeiten nach Art 2 RÜG übernommen wurde (Art 2 § 19 Abs 3 RÜG), kommt sie nur zur Anwendung, wenn ein Rentenanspruch nach Art 2 RÜG besteht. Das setzt insbesondere einen – hier nicht gegebenen – Rentenbeginn in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Dezember 1996 voraus (Art 2 § 1 Abs 1 Nr 3 RÜG).
Der Anspruch der Klägerin ist auch nicht durch einen nach Art 19 Satz 1 EinigVtr weiterhin wirksamen Verwaltungsakt der DDR begründet. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Vermerk des FDGB auf der der Klägerin erteilten Arbeitgeberbescheinigung vom 20. Mai 1986 um einen Verwaltungsakt handelt und – wenn ja – ob dieser inhaltlich mit dem damals geltenden Recht übereinstimmte. Denn er enthielt jedenfalls in seinem Verfügungssatz nur die Feststellung, daß die Zeit der Pflege in der Sozialversicherung der DDR als Zeit der Pflichtversicherung angerechnet, mithin ein Tatbestand des Rentenrechts der DDR erfüllt werde. Eine solche Feststellung kann bundesrechtlich Bedeutung nur insoweit haben, als das Bundesrecht an die Erfüllung eines derartigen Tatbestands anknüpft (vgl BSG Urteile vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 121/95 – SozR 3-2600 § 58 Nr 10 und vom 30. August 2000 – B 5/4 RA 87/97 R – veröffentlicht in Juris – jeweils zur Berücksichtigung von nach DDR-Recht versicherungspflichtigen Zeiten einer Hochschulausbildung). Dies ist jedoch – wie dargelegt – nur in Art 2 § 19 Abs 3 RÜG geschehen. Der zu dessen Anwendung in Art 2 § 1 Abs 1 Nr 3 RÜG festgelegte Stichtag hebt ebenso wie Art 30 Abs 5 EinigVtr den in der DDR ergangenen Verwaltungsakt nicht auf, sondern bestimmt, in welchem zeitlichen Umfang ihm nach Außerkrafttreten des Rechts, für dessen Anwendung der Verwaltungsakt erlassen war, noch Bedeutung für einen Rentenanspruch nach Bundesrecht zukommen kann.
Wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat, kann die Klägerin für ihre Auffassung, daß Art 30 Abs 5 EinigVtr ebensowenig wie Art 2 § 1 Abs 1 Nr 3 RÜG ihren Anspruch aus der ihr erteilten Bescheinigung über die Anrechung der Pflegezeiten beeinträchtigen könnten, auch nicht das Urteil des erkennenden Senats vom 2. Dezember 1999 (B 8 KN 18/97 R – BSGE 85, 186 = SozR 3-8100 Art 19 Nr 6) anführen. In dem dort entschiedenen Fall ging es darum, ob ein Anspruch auf Zahlung von Bergmannsvollrente aufgrund einer – über die damaligen Rechtsvorschriften der DDR hinausgehenden – behördlichen Zusicherung bereits ab Vollendung des 45. Lebensjahres zustand. Eine derartige Zusicherung konnte jedoch nur als Teil des nach Art 30 Abs 5 EinigVtr fortzuführenden DDR-Rentenrechts (das in Art 2 RÜG zusammengefaßt wurde) Bedeutung erlangen, nicht jedoch für eine Rente nach dem SGB VI. Da die betreffende Klägerin ihr 45. Lebensjahr im Februar 1995 vollendet hatte, hätte ihre Rente am 1. März 1995 und damit vor dem Stichtag des Art 2 § 1 Abs 1 Nr 3 RÜG (und jedenfalls innerhalb der Frist des Art 30 Abs 5 EinigVtr) begonnen mit der Folge, daß sich ein Anspruch nach Art 2 RÜG ergeben hätte. Um eine solche den Rentenbeginn und damit auch die Einhaltung des für die Anwendung des Art 2 RÜG maßgeblichen Stichtags beeinflussende Zusicherung geht es im vorliegenden Fall nicht; die Sachverhalte sind daher nicht vergleichbar.
2. Nach 54 Abs 1 Nr 1 iVm § 55 Satz 1 (jetzt Absatz 1 Satz 1) SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, in denen nach Bundesrecht Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Das ist hinsichtlich der Zeit vom 8. Oktober 1975 bis 30. November 1991 nach den für das BSG bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG auszuschließen. Es handelt sich auch nicht um eine Zeit, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten (§ 55 Satz 2 SGB VI).
Auch eine Anrechnung als gleichgestellte Zeit nach § 248 Abs 3 Satz 1 SGB VI scheidet aus. Nach dieser Vorschrift stehen den Beitragszeiten nach Bundesrecht Zeiten nach dem 8. Mai 1945 gleich, für die Beiträge zu einem System der gesetzlichen Rentenversicherung nach vor dem Inkrafttreten von Bundesrecht geltenden Rechtsvorschriften gezahlt worden sind. Voraussetzung der Gleichstellung ist nicht, ob für die betreffende Zeit im Recht der DDR Versicherungspflicht bestand oder die Zeit als Zeit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung behandelt wurde, sondern daß „Beiträge gezahlt” worden sind. Insoweit ist in § 248 Abs 3 Satz 1 SGB VI dieselbe Formulierung verwendet wie in § 55 Satz 1 SGB VI, während eine § 55 Satz 2 SGB VI entsprechende Regelung fehlt; es wird also auf die tatsächliche Beitragszahlung abgestellt (vgl auch BSG Urteile vom 24. Oktober 1996 – 4 RA 121/95 – SozR 3-2600 § 248 Nr 1 und vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 7/98 R – SozR 3-2600 § 248 Nr 3; Polster in Kasseler Komm, § 248 SGB VI RdNr 19, Stand: März 1996; Klattenhoff in Hauck, SGB-Komm, K § 248 RdNr 2, Stand: Juli 1996 ≪der davon spricht, daß die gezahlten Beiträge gleichgestellt werden≫; ferner Schmidt in Kreikebohm, SGB VI-Komm, § 248 RdNr 26; Eicher/Haase/Rauschenbach, Die RV der Arbeiter und Angestellten, § 248 SGB VI, Anm 3 Buchst a, Stand: Juni 2001; von Einem in SGB-GesamtKomm, § 248 Anm 5). Eine solche Beitragszahlung liegt für die fragliche Zeit ebenfalls nicht vor.
3. Was die hilfsweise von der Klägerin begehrte Anerkennung der Zeit vom 20. März 1984 bis 30. November 1991 als zusätzliche Berücksichtigungszeit betrifft – die bei ihr nur im Rahmen der Gesamtleistungsbewertung Wirkung entfalten könnte (vgl § 71 Abs 3 SGB VI) – findet sich für dieses Begehren keine Rechtsgrundlage im Gesetz.
a) § 249b SGB VI erfaßt als Berücksichtigungszeiten überhaupt nur Zeiten der Pflege vom 1. Januar 1992 bis zum 31. März 1995. Diese durch das PflegeVG vom 26. Mai 1994 (BGBl I, 1014) gleichzeitig mit der Versicherungspflicht wegen Pflege (§ 3a SGB VI) ab 1. April 1995 eingefügte Vorschrift knüpft an § 57 Abs 2 SGB VI idF des RRG (SGB VI aF) an. Danach war die Zeit einer nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Pflegebedürftigen unter bestimmten Voraussetzungen auf Antrag eine Berücksichtigungszeit. Die durch das PflegeVG abgelöste Regelung erfaßte allerdings die am 1. Dezember 1991 endenden Pflegezeiten der Klägerin ebenfalls nicht. Dies ergibt sich zum einen daraus, daß der erforderliche Antrag der Pflegeperson nach § 57 Abs 2 Satz 2 SGB VI aF Rückwirkung nur für längstens drei Monate hatte. Zum anderen setzte § 57 Abs 2 Satz 1 SGB VI aF ua voraus, daß die Pflegeperson „wegen der Pflege berechtigt” war, „Beiträge zu zahlen oder die Umwandlung von freiwilligen Beiträgen in Pflichtbeiträge zu beantragen (§ 177 SGB VI)”; die in § 177 SGB VI aF vorgesehene besondere Beitragszahlung wegen Pflege wurde aber ebenfalls erstmals mit dem SGB VI eingeführt. Damit konnte der Tatbestand der Pflegeberücksichtigungszeit – anders als der Tatbestand der Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung (§ 57 Abs 1, § 249a SGB VI) – mit Pflegezeiten vor dem 1. Januar 1992 nicht erfüllt werden (ebenso BSG Urteil vom 1. Februar 2001 – B 13 RJ 37/00 R – SozR 3-2600 § 58 Nr 16, S 89; Niesel in KassKomm § 57 SGB VI RdNr 10, Stand: Oktober 1991; Klattenhoff in Hauck, SGB VI-Komm, K § 249b RdNr 9, Stand: Februar 1996; eingehend LSG Baden-Württemberg Beschluß vom 13. Juli 1994 – L 13 J 397/94 – E-LSG J-029 mwN).
b) Ihr Begehren, die Zeit vom 20. März 1984 bis 30. November 1991 als (weitere) Berücksichtigungszeit anzuerkennen, kann die Klägerin auch nicht auf eine entsprechende Zusicherung der Beklagten stützen. Insoweit begegnet die Auslegung des Schreibens der Beklagten vom 4. Mai 1992 durch das LSG als einer bloßen Auskunft zur Frage einer im Fall der Klägerin bestehenden Möglichkeit nachträglicher Beitragszahlungen keinerlei rechtlichen Bedenken. Selbst wenn aus der Bezugnahme auf § 21 Satz 1 SVG in dieser Auskunft gefolgert werden müßte, die Beklagte sei davon ausgegangen, bei der Klägerin habe im fraglichen Zeitraum keine Versicherungspflicht bestanden, ist nichts dafür ersichtlich, daß diese Annahme Aussagen über das Vorliegen einer Berücksichtigungszeit iS des SGB VI enthalten könnte.
4. Der Ausschluß einer Berücksichtigung von vor dem 1. Januar 1992 liegenden, nicht mit Beiträgen belegten Zeiten einer Pflegetätigkeit als rentenrechtliche Zeiten verletzt weder Art 30 EinigVtr noch Grundrechte der Klägerin, insbesondere auch nicht den rechtsstaatlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes.
a) Nach Art 30 Abs 5 Satz 1 EinigVtr werden die Einzelheiten der Überleitung des SGB VI in einem Bundesgesetz geregelt. Dabei wird für Personen, deren Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in der Zeit vom 1. Januar 1992 bis 30. Juni 1995 beginnt, die Rente grundsätzlich mindestens in der Höhe des Betrags geleistet, der sich am 30. Juni 1990 nach dem bis dahin im Beitrittsgebiet geltenden Rentenrecht ohne Berücksichtigung von Leistungen aus Zusatz- und Sonderversorgungssystemen ergeben hätte (Art 30 Abs 5 Satz 2 Nr 1 EinigVtr), und es wird ihnen eine Rente auch dann bewilligt, wenn nach dem am 30. Juni 1990 im Beitrittsgebiet geltenden Rentenrecht ein Rentenanspruch bestanden hätte (Art 30 Abs 5 Satz 2 Nr 2 EinigVtr). Die Überleitung soll im übrigen von der Zielsetzung bestimmt sein, mit der Angleichung der Löhne und Gehälter im Beitrittsgebiet an diejenigen der übrigen Länder auch eine Angleichung der Renten zu verwirklichen (aaO Satz 3). Die Bestimmung in Art 30 Abs 5 Satz 2 Nr 2 EinigVtr hat hier keine Bedeutung. Im übrigen aber begründet auch Art 30 Abs 5 Satz 2 Nr 1 EinigVtr einen Vertrauensschutz hinsichtlich der Höhe der Rentenleistungen nur für die hiervon erfaßten rentennahen Jahrgänge. Dazu gehört die Klägerin ebensowenig wie sie unter die Stichtagsregelung in Art 2 § 1 Abs 1 Nr 3 RÜG fällt. Daß ihre Pflegetätigkeit nach den Berechnungsvorschriften des SGB VI keinen rentenrechtlichen Tatbestand erfüllt, steht mithin nicht in Widerspruch zu Art 30 Abs 5 EinigVtr, sondern ist eine Folge der dort vorgegebenen Einführung eines bundeseinheitlichen Rentenrechts nach Auslaufen der hierin enthaltenen Übergangsregelung.
b) Der Umstand, daß sich die Pflegezeiten der Klägerin ebensowenig rentensteigernd auswirken wie entsprechende Pflegezeiten in den alten Bundesländern, verletzt auch keine Grundrechte der Klägerin. Insbesondere kann darin, daß das Bundesrecht diese Zeiten – anders als das Recht der DDR – nicht als Beitragszeiten gleichstellt, keine Verletzung der Eigentumsgarantie oder des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes gesehen werden. Die in der DDR erworbenen Rentenanwartschaften sind als Rechtspositionen iS der gesamtdeutschen Rechtsordnung nur insoweit anerkannt, als dies der EinigVtr regelt. Der verfassungsrechtliche Eigentumsschutz, der auch den dem Rechtsstaatsgebot aus Art 20 GG immanenten Vertrauensschutz umfaßt, kommt ihnen nur in der Form zu, die sie aufgrund der Regelungen des EinigVtr erhalten haben (BVerfG Urteil vom 28. April 1999 – 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/96 – BVerfGE 100, 1, 33 ff = SozR 3-8570 § 10 Nr 3). Die verfassungsrechtliche Überprüfung ist dabei darauf beschränkt, ob der Gesetzgeber seinen durch Art 14 Abs 1 Satz 1 GG begrenzten Spielraum zur Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums oder seinen Gestaltungsraum nach Art 3 Abs 1 GG überschritten hat (BVerfG aaO, BVerfGE 100, 1, 38 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3 S 51; vgl auch BSG Urteil vom 20. August 2000 – B 5/4 RA 87/97 R – veröffentlicht in Juris). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Der Gesetzgeber des RÜG war insbesondere nicht verpflichtet, zu Lasten der Versichertengemeinschaft allein für Berechtigte im Beitrittsgebiet Pflegezeiten vor dem 1. Januar 1992 dauerhaft mit Pflichtbeitragszeiten gleichzustellen oder den Tatbestand der Berücksichtigungszeit wegen Pflege für derartige Zeiten auszuweiten.
c) Der Gesetzgeber war auch nicht von Verfassungs wegen verpflichtet, die Übergangsregelung des Art 2 RÜG so weit auszudehnen, daß auch die Klägerin hiervon erfaßt wird. Der in Art 2 § 1 Nr 3 RÜG festgelegte Stichtag (31. Dezember 1996) – der zeitlich sogar über die Vorgabe des Art 30 Abs 5 Satz 1 EinigVtr (30. Juni 1995) hinausgeht – orientiert sich mit dem Zeitpunkt des Rentenbeginns an einem sachlich gerechtfertigten Kriterium. Die damit verbundene Begünstigung von Personen rentennaher Jahrgänge gegenüber jüngeren Personen rechtfertigt sich daraus, daß erstere regelmäßig weniger Möglichkeiten haben, Vorsorge zum Ausgleich von Nachteilen zu treffen, die mit der Rechtsänderung verbunden sein können. Aus der Stichtagsregelung folgende Härten sind hinzunehmen (vgl Senatsurteile vom 6. Mai 1999 – B 8 KN 10/98 R – SozR 3-8575 Art 2 § 44 Nr 1 und vom 16. Mai 2001 – B 8 KN 10/00 R – SozR 3-2600 § 254a Nr 1 – jeweils mwN).
d) Schließlich folgt auch daraus nichts für die Klägerin, daß Pflegepersonen in den alten Bundesländern, die zur selben Zeit wie sie ein behindertes Kind zu versorgen hatten, diese Pflegezeiten durch freiwillige Beiträge belegen konnten, während sie hierzu keinen Anlaß hatte. Es ist einzuräumen, daß die Ausgangssituation für den Erwerb von Beitragszeiten während einer Pflegetätigkeit, derentwegen keine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt werden konnte, für Versicherte im alten Bundesgebiet eine andere war als für Versicherte im Beitrittsgebiet. Versicherte in den alten Bundesländern konnten sich seit Inkrafttreten des RRG 1972 für diese Zeit rentenrechtlich durch Zahlung freiwilliger Beiträge absichern (§ 1233 Abs 1 RVO). Soweit die Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung im Beitrittsgebiet überhaupt gegeben war (vgl § 2 Abs 3 Verordnung über die Neuregelung der freiwilligen Versicherung vom 25. Juni 1953 ≪GBl I, 823≫, ab 1. Juni 1990 iVm §§ 7 und 21 SVG vom 28. Juni 1990 ≪GBl I, 486≫), bestand zu einer entsprechenden Beitragszahlung jedenfalls für Pflegetätigkeiten iS von § 14 der 2. RentenVO vom 26. Juli 1984 (GBl I, 281) seit dem 1. Dezember 1985 aber kein Anlaß, weil nunmehr diese Pflegezeiten wie Pflichtversicherungszeiten behandelt wurden (§ 14 der 2. RentenVO iVm § 3 der 1. DB z 2. RentenVO vom 8. April 1985 ≪GBl I, 115≫).
Der Gesetzgeber war jedoch verfassungsrechtlich weder verpflichtet, diese Ungleichheit dadurch aufzufangen, daß er Personen wie der Klägerin ein Nachentrichtungsrecht für freiwillige Beiträge bezüglich der Pflegezeit eingeräumt hätte, noch dadurch, jene Zeiten ohne Beitragsentrichtung rentensteigernd zu berücksichtigen. Denn der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers war bei der Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Rentenversicherung und der Überführung der im Beitrittsgebiet erworbenen Anwartschaften besonders weit (vgl BVerfG Beschluß vom 12. November 1996 – 1 BvL 4/88 – BVerfGE 95, 143, 157 f und Urteil vom 28. April 1999 – 1 BvL 32/95 und 1 BvR 2105/96 – BVerfGE 100, 1, 37 f = SozR 3-8570 § 10 Nr 3). Die Herstellung der Rechtseinheit liegt im öffentlichen Interesse. In Anbetracht der dafür erforderlichen finanziellen Aufwendungen war es sowohl sachgerecht als auch – angesichts der insgesamt mit der Überleitung des SGB VI für die Versicherten im Beitrittsgebiet verbundenen Vorteile – verhältnismäßig, wenn dabei grundsätzlich nur solche Zeiten berücksichtigt werden, die auch bei Zugrundelegung des Bundesrechts rentenrechtliche Zeiten gewesen wären, und auch keine neuen – verwaltungsaufwendigen – Nachentrichtungsmöglichkeiten eröffnet wurden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 2 SGG.
Fundstellen
NJ 2002, 556 |
SozR 3-2600 § 248, Nr. 9 |