Entscheidungsstichwort (Thema)

Zusammengefaßte Aufhebung. Feststellungs- und Leistungsklage. berechtigtes Feststellungsinteresse

 

Orientierungssatz

1. Begehrt ein Kläger die Gewährung einer Versorgungsrente nach einer MdE um 30 vH und die Anerkennung aller von ihm geltend gemachten Leiden, so ist dieses Begehren als zusammengefaßte Aufhebungs-, Feststellungs- und Leistungsklage im Sinne der §§ 54 Abs 4, 55 Abs 1 Nr 3, 56 SGG anzusehen. Die Feststellungsklage ist in diesem Falle nicht subsidiär, und das Gericht verletzt § 123 SGG, wenn es nur über den erhobenen Leistungsanspruch entscheidet (vgl BSG 1958-10-07 10 RV 573/57).

2. Die Tatsache, daß ein Kläger außer der Anerkennung der geltend gemachten Leiden gleichzeitig die Gewährung einer Rente beantragt hat, ist nicht geeignet, ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung zu verneinen. Die vom Kläger begehrte Anerkennung von Schädigungen kann über den bloßen Rentenanspruch hinausgehende Wirkungen haben. Das gilt besonders, wenn die von der Beklagten bereits anerkannten Schädigungsfolgen nicht zu einer Rentengewährung führen. Solche weitergehenden Rechtsfolgen der "Anerkennung" sind die Ansprüche auf Heilbehandlung wegen der anerkannten Folgen einer Schädigung sowie die Rechtsvermutungen für den Anspruch auf Bestattungsgeld und für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente.

 

Normenkette

SGG §§ 123, 54 Abs. 4, § 55 Abs. 1 Nr. 3, § 56

 

Verfahrensgang

Hessisches LSG (Entscheidung vom 16.09.1959)

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landessozialgericht vom 16. September 1959 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger, der am 3. Januar 1946 aus polnischer Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, beantragte am 22. Februar 1946 Gewährung von Versorgung wegen Durchschusses seines linken Ellenbogens. Mit Bescheid vom 10. August 1946 erkannte das Versorgungsamt (VersorgA) “geringe Versteifung des linken Ellenbogengelenks mit leichter Schwäche des Unterarms„ und “belanglose Narben im Rücken„ als Wehrdienstbeschädigung an, verneinte jedoch Versehrtheit im Sinne des Wehrmachts-Fürsorge- und Versorgungsgesetzes.

Mit Schreiben vom 9. April 1949 beanspruchte der Kläger, den Verlust seines rechten Schneidezahnes als weiteren Leistungsgrund anzuerkennen. Die Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen erteilte dem Kläger am 12. Juli 1949 einen neuen Bescheid nach dem Hessischen Körperbeschädigten-Leistungsgesetz, in dem neben den im Bescheid vom 10. August 1946 bezeichneten Gesundheitsschäden auch noch der Verlust des ersten Zahnes rechts oben als Schädigungsfolge anerkannt wurde. Die Gewährung von Rente wurde abgelehnt, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) nur 10 v. H. betrage.

Am 10. Dezember 1954 beantragte der Kläger, über seinen Versorgungsanspruch nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu entscheiden. Er wies darauf hin, daß sich sein Gesundheitszustand infolge der Verletzung seines linken Ellenbogens verschlimmert habe. Am 1. Oktober 1955 teilte der Kläger dem VersorgA mit, er leide nach dem Kriege und der Gefangenschaft auch an einer Darmträgheit, Magenbeschwerden, zu niedrigem Blutdruck, Schwindelgefühlen, körperlicher Mattigkeit und zeitweise an rheumatischen Schmerzen. Er begehrte, diese Leiden als Schädigungsfolgen anzuerkennen.

Nach Untersuchungen und Begutachtungen des Klägers durch den Facharzt für Chirurgie Dr. H, den Nervenfacharzt Dr. H und den Facharzt für innere Krankheiten Dr. Z erkannte das VersorgA in einem BVG-Bescheid vom 21. März 1956 als Schädigungsfolgen an:

1. Geringe Bewegungseinschränkung des linken Ellenbogengelenks mit leichter Schwächung des Unterarms,

2. belanglose Narben im Rücken,

3. Teilschädigung des linken Ellennerven,

4. Verlust des ersten rechten Zahnes oben.

Die Anerkennung der übrigen geltend gemachten Leiden lehnte das VersorgA ab, weil die ärztlichen Untersuchungen weder eine Magenaffektion noch Blutunterdruck oder Rheumatismus ergeben hätten und die ermittelten leichten Zeichen einer nervösen Unausgeglichenheit nicht auf dem Wehrdienst beruhten. Das VersorgA bewilligte keine Rente, weil es für die anerkannten Gesundheitsstörungen eine MdE von weniger als 25 v. H. annahm.

Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. In der Berufungsinstanz begehrte der Kläger, außer den vom VersorgA als Schädigungsfolgen abgelehnten Gesundheitsstörungen (nervöse Unausgeglichenheit, Magenerkrankung, Blutunterdruck (mit Kreislaufstörungen) und Rheumatismus) auch die von Dr. H ermittelte Bewegungseinschränkung der linken Hand und ihrer Finger als Schädigungsfolgen anzuerkennen. Er beanstandete, daß die Schädigungsfolgen, die der Beklagte nun anerkannt habe (leichte Bewegungseinschränkung im Handgelenk, Einschränkung der Fingerspreizfähigkeit, Verschmächtigung des keinen Fingerballens, des Daumenballens und der Interossei, ferner herabgesetzte Empfindlichkeit sowohl an der Hand als als auch am Unterarm) im Bescheid vom 21. März 1956 nicht vollständig aufgeführt seien. Er beantragte, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts (SG) zu verurteilen, ihm wegen der geltend gemachten Leiden Rente nach einer MdE um 30 v. H. zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) wies durch Urteil vom 16. September 1959 die Berufung des Klägers zurück. Die im angefochtenen Bescheid als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen minderten die Erwerbsfähigkeit des Klägers um weniger als 25 v. H. Durch die Gutachten der Fachärzte Dr. H und Dr. H sei bewiesen, daß die Folgen der Schußverletzung des linken Ellenbogens nur geringfügiger Natur seien. Soweit der Kläger die Anerkennung der von Dr. H ermittelten Beeinträchtigungen im Handgelenk und an der Hand begehre, könne eine Entscheidung nicht getroffen werden. Hierzu hätte es einer Feststellungsklage bedurft, die der Kläger nicht erhoben habe. Eine Feststellung würde aber auch daran scheitern, daß der Kläger kein berechtigtes Interesse an einer baldigen Feststellung im Sinne des § 55 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) habe. In dem angefochtenen Bescheid sei nämlich bezüglich der Verwundungsfolgen der ursächliche Zusammenhang mit einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG bejaht worden. Außerdem habe sich der Beklagte im Schriftsatz vom 17. August 1959 bereit erklärt, die Bezeichnung der Schädigungsfolgen entsprechend dem Gutachten des Dr. H zu erweitern. - In diesem Schreiben habe der Beklagte erklärt, daß mit der Anerkennung der “Teilschädigung des linken Ellennerven„ die von Dr. H ermittelten Beeinträchtigungen im Handgelenk und an der Hand eingeschlossen seien. - Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Anerkennung der übrigen von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen. Die von Dr. Z festgestellte nervöse Unausgeglichenheit könne nicht auf den Wehrdienst oder die Kriegsgefangenschaft zurückgeführt werden. Es habe sich auch kein Anhalt für eine Magenaffektion ergeben. Dr. Z habe nur Zeichen einer Obstipation gefunden. Dieses Leiden sowie die übrigen vom Kläger angegebenen Gesundheitsstörungen - rheumatische Beschwerden, Schwindelgefühl und niedriger Blutdruck - könnten gleichfalls nicht als Schädigungsfolgen anerkannt werden. Abgesehen davon, daß kein schädigendes Ereignis für diese Erkrankung erkennbar sei, fehlten auch die erforderlichen Brückensymptome für die Zeit zwischen der Entlassung aus der Kriegsgefangenschaft (Januar 1946) und der erstmaligen Geltendmachung dieser Gesundheitsstörungen im September 1955.

Mit der nicht zugelassenen Revision beantragte der Kläger, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen, hilfsweise, das angefochtene Urteil abzuändern und der Klage stattzugeben.

Der Kläger rügt Verletzung der §§ 103, 106 und 128 SGG. Das LSG habe zu Unrecht keine Entscheidung über die von ihm begehrte Anerkennung der von Dr. H angegebenen Gesundheitsstörungen im Handgelenk und an der linken Hand getroffen. Es treffe nicht zu, daß er nur eine Leistungsklage, nicht aber eine Feststellungsklage erhoben habe. Zumindest sei aber das Berufungsgericht gemäß § 106 SGG verpflichtet gewesen, ihn auf die Stellung richtiger Anträge und auf die Abgabe eindeutiger Erklärungen hinzuweisen. Darüber hinaus habe das LSG auch gegen seine Sachaufklärungspflicht (§ 103 SGG) verstoßen. Für das Vorliegen von Brückensymptomen der Obstipation, der Herzkreislauf- und Magenbeschwerden und des Schwindelgefühls habe er durch Benennung der ihn seit 1946 behandelnden Ärzte Beweis angetreten. Diese Ärzte habe das LSG nicht gehört. Es habe auch durch Einholung eines weiteren ärztlichen Gutachtens und einer Arbeitgeberauskunft klären müssen, ob und inwieweit er durch die vorhandenen Gesundheitsstörungen in seinem Beruf besonders betroffen sei. Zu diesen Ermittlungen habe sich das LSG gedrängt fühlen müssen, weil er behauptet habe, durch seine ständigen Schmerzen, seine körperlichen Beeinträchtigungen und den Aufwand übermäßiger Energie bei der Ausübung seiner überwiegend geistigen Arbeiten erheblich beeinträchtigt zu sein. Schließlich habe sich das LSG auch näher mit den Gutachten der Ärzte Dr. H und Dr. H auseinandersetzen müssen. Aus diesen Gutachten sei zu entnehmen, wie oberflächlich die Verletzungsfolgen des Ellenbogendurchschusses beurteilt worden seien. Im Gegensatz zu Dr. H habe Dr. H keinerlei Veränderungen im Handgelenk und an der linken Hand gegenüber dem früheren Zustand festgestellt.

Der Beklagte beantragte, die Revision als unzulässig zu verwerfen. Er hält die Revisionsrügen für unbegründet.

Die Revision ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sie ist auch statthaft, weil das Verfahren des Berufungsgerichts an einem von der Revision gerügten wesentlichen Mangel leidet (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG).

Die Rüge, das LSG habe über den Anspruch auf Anerkennung der von Dr. H ermittelten Gesundheitsstörungen im Handgelenk und an der linken Hand entscheiden müssen, ist begründet. Nach § 123 SGG hat das Gericht über alle vom Kläger erhobenen Ansprüche zu entscheiden, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Gegen diese Vorschrift hat das LSG verstoßen. Aus dem schriftsätzlichen Vorbringen des Klägers in der ersten und zweiten Instanz und aus den im Verfahren vor dem SG und dem LSG gestellten Anträgen ist zu entnehmen, daß der Kläger die Gewährung einer Versorgungsrente nach einer MdE um 30 v. H. und die Anerkennung aller von ihm geltend gemachten Leiden begehrte. Dieses Begehren ist als zusammengefaßte Aufhebungs-, Feststellungs- und Leistungsklage im Sinne der §§ 54 Abs. 4, 55 Abs. 1 Nr. 3, 56 SGG anzusehen (vgl. BSG 9, 85 und das nicht veröffentlichte Urteil des 10. Senats vom 7. Oktober 1958 - 10 RV 573/57 -). Der Kläger hat die von Dr. H ermittelten Gesundheitsstörungen nicht lediglich zur Begründung seines Rentenanspruchs angegeben, sondern ausdrücklich die Anerkennung dieser Leiden als Schädigungsfolge verlangt.

Die Verletzung der Vorschrift des § 123 SGG durch das LSG stellt auch einen wesentlichen Mangel des Verfahrens dar. Dem steht nicht entgegen, daß gemäß § 140 SGG ein Urteil, das einen Anspruch übergangen hat, grundsätzlich nur ergänzt werden kann. Um einen solchen Mangel handelt es sich hier nicht, da das LSG von der irrigen Ansicht ausging, daß es über die mit der Aufhebungsklage verbundene Feststellungsklage des Klägers überhaupt nicht zu entscheiden habe.

Diesen Verfahrensmangel hat die Revision auch ausreichend gerügt. Zwar hat sie die Vorschrift des § 123 SGG nicht ausdrücklich bezeichnet; aus ihrem Vorbringen ist jedoch mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß sie die Verletzung dieser Norm rügen will (BSG 1, 227). Der Kläger stützt seine Revision in erster Linie darauf, daß das LSG über sein Feststellungsbegehren keine Entscheidung getroffen hat.

Die Revision ist auch begründet; denn das angefochtene Urteil beruht auf der vom Kläger gerügten Gesetzesverletzung. Es ist nicht auszuschließen, daß das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn das LSG auch über den Feststellungsanspruch des Klägers entschieden hätte. Zwar ist in den Gründen des angefochtenen Urteils ausgeführt, daß die Berufung auch dann zurückzuweisen wäre, wenn der Kläger eine Feststellungsklage erhoben hätte, weil er kein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung im Sinne des § 55 SGG habe. Diese Rechtsauffassung des LSG ist jedoch gleichfalls unzutreffend.

Der Umstand, daß der Beklagte im Schriftsatz vom 17. August 1959 erklärt hat, in der Anerkennung der Schädigungsfolge “Teilschädigung des li. Ellennerven„ seien auch die von Dr. H ermittelten Gesundheitsstörungen im Handgelenk, an der Hand und am Unterarm eingeschlossen, rechtfertigt es nicht, ein rechtliches Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung zu verneinen. Das wäre nur der Fall, wenn die vom Beklagten abgegebene Erklärung eine Anerkennung des geltend gemachten Anspruchs bedeuten würde. Die Erklärung bietet jedoch weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Inhalt einen ausreichenden Anhalt dafür, daß der Beklagte die von Dr. H festgestellten Gesundheitsstörungen im Handgelenk, an der linken Hand und am Unterarm neben der Teilschädigung des linken Ellennerven als selbständige Schädigungsfolgen anerkannt hat oder anerkennen wollte. Aus ihr ist vielmehr nur zu entnehmen, daß der Beklagte die von Dr. H im einzelnen ermittelten Beeinträchtigungen durch die Anerkennung der Schädigungsfolge “Teilschädigung des linken Ellennerven„ für mitumfaßt gehalten, also eine Erweiterung der bestehenden Anerkennung nicht gewollt hat.

Auch die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Anerkennung der Teilschädigung des linken Ellennerven selbst läßt nicht den Schluß zu, daß damit gleichzeitig auch die gesamten von Dr. H festgestellten Gesundheitsstörungen, nämlich eine leichte Bewegungseinschränkung im Handgelenk, eine Einschränkung der Fingerspreizfähigkeit, eine Verschmächtigung des Kleinfingerballens, des Daumenballens und der Interossei, ferner eine Hypästhesie im Ulnarisgebiet sowohl an der Hand als auch am Unterarm, als Schädigungsfolgen nicht besonders anerkannt sind. Zwar sind bei der Auslegung von Bescheiden die gesamten Umstände, die zum Erlaß des Bescheides führten, zu berücksichtigen (vgl. BSG 3, 45, 48; 11, 57 und Urteile des 10. Senats des BSG vom 14. Dezember 1960 - 10 RV 402/57 - und des erkennenden Senats vom 19. Juli 1961 - 9 RV 1170/58 -). Nach dem der Anerkennung der Teilschädigung des linken “Ellennerven„ zugrunde liegenden Gutachten des Dr. H kann zweifelhaft sein, ob die ermittelten Gesundheitsstörungen im Handgelenk, an der Hand und am Unterarm selbständige Schädigungsfolgen darstellen. Denn obwohl Dr. H diese Gesundheitsschädigungen in seinem Gutachten besonders erwähnt, hat er doch nur die Teilschädigung des linken Ellennerven als einzige Schädigungsfolge bezeichnet. Aus welchen Gründen die übrigen Gesundheitsstörungen nicht auch ausdrücklich als Schädigungsfolgen genannt worden sind, hat Dr. H nicht näher dargelegt. Sollte Dr. H die ermittelten Gesundheitsstörungen im Handgelenk, an der Hand und am Unterarm nur als Symptome der Teilschädigung des linken Ellennerven aufgefaßt haben, so brauchte der Beklagte die einzelnen Gesundheitsstörungen nicht als Schädigungsfolge besonders anzuerkennen; denn nach dem Recht der Kriegsopferversorgung sind bei der Anerkennung von Schädigungsfolgen nicht die einzelnen Erscheinungsbilder von Krankheiten, sondern die diese Erscheinungsbilder umfassenden Leiden selbst anzugeben (vgl. Urteil des 10. Senats vom 14. Dezember 1960). Etwas anderes wird zu gelten haben, wenn die Schädigung bereits zu äußerlich sichtbaren organischen Veränderungen geführt hat, was aus den von Dr. H ermittelten Befunden geschlossen werden könnte. Auf jeden Fall hat aber das LSG das Vorliegen eines berechtigten Interesses zu Unrecht deshalb verneint, weil es aus dem Schreiben des Beklagten vom 17. August 1959 irrigerweise geschlossen hat, dieser habe sich damit bereit erklärt, die Bezeichnung der Schädigungsfolgen entsprechend dem Gutachten des Dr. H zu “erweitern„.

Die Tatsache, daß der Kläger außer der Anerkennung der geltend gemachten Leiden gleichzeitig die Gewährung einer Rente beantragt hat, ist nicht geeignet, ein berechtigtes Interesse an der alsbaldigen Feststellung zu verneinen. Die vom Kläger begehrte Anerkennung kann über den bloßen Rentenanspruch hinausgehende Wirkungen haben. Das gilt im vorliegenden Falle besonders, wenn die von der Beklagten bereits anerkannten Schädigungsfolgen nicht zu einer Rentengewährung führen. Solche weitergehenden Rechtsfolgen der “Anerkennung„ sind die Ansprüche auf Heilbehandlung wegen der anerkannten Folgen einer Schädigung (§ 10 Abs. 1 BVG) sowie die Rechtsvermutungen für den Anspruch auf Bestattungsgeld (§ 36 Abs. 1 Satz 3 BVG) und für den Anspruch auf Hinterbliebenenrente (§ 38 Abs. 1 Satz 2 BVG).

Die Verletzung des § 123 SGG durch das LSG mußte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führen. Das gilt auch, soweit das Berufungsgericht über die Leistungsklage des Klägers entschieden hat. Obwohl es sich bei der Feststellungsklage und bei der Leistungsklage um verschiedene prozessuale Ansprüche handelt, wird die vom LSG getroffene Entscheidung im ganzen von der Gesetzesverletzung des § 123 SGG ergriffen, weil sie mit der Zurückweisung der Berufung über alle vom Kläger erhobenen prozessualen Ansprüche vollständig und abschließend geurteilt hat (vgl. BSG Urteil vom 7. Oktober 1958 - 10 RV 573/57 -; BGHZ in MDR 1953, 164 ff). Das angefochtene Urteil war daher mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen in vollem Umfange aufzuheben. Der Rechtsstreit mußte an das LSG zurückverwiesen werden (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG), weil die vom LSG getroffenen Feststellungen nicht ausreichen, um beurteilen zu können, ob es sich bei den von Dr. H ermittelten Gesundheitsstörungen im Handgelenk und an der linken Hand um selbständige Schädigungsfolgen handelt. Diese Frage wird das Berufungsgericht zu klären haben.

Da die vom Kläger gerügte Verletzung des § 123 SGG bereits die Aufhebung des angefochtenen Urteils in vollem Umfang und die Zurückverweisung an das LSG rechtfertigt, brauchte der Senat nicht zu entscheiden, ob und inwieweit auch die übrigen vom Kläger erhobenen Rügen begründet sind. Das LSG wird jedoch im weiteren Verfahren auch noch zu prüfen haben, ob die MdE des Klägers nicht wegen des von ihm geltend gemachten besonderen beruflichen Betroffenseins (vgl. hierzu auch BSG 13, 20) oder wegen der von Dr. H als durchaus glaubhaft erachteten Schmerzen infolge wahrscheinlich vorhandener kleiner Neurombildungen zu erhöhen ist. Es wird auch zu beachten haben, daß die vom Kläger in seinem Schreiben vom 30. September 1955 angegebenen Ärzte dafür benannt wurden, daß er nach dem Kriege und der Gefangenschaft an Magen- und Darmbeschwerden, niedrigem Blutdruck, Schwindelgefühlen, körperlicher Mattigkeit und rheumatischen Schmerzen gelitten hat.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2708103

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