Leitsatz (amtlich)
Ist unklärbar, ob der - tödlich verlaufene - Verkehrsunfall eines Versicherten außer durch dessen alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit auch durch betriebsbezogene Umstände wesentlich verursacht worden ist, so sind die Folgen dieser Ungewißheit von den Hinterbliebenen nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu tragen.
Normenkette
RVO § 548 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1963-04-30; SGG § 103 Fassung: 1953-09-03, § 128 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, Abs. 2 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 14. April 1971 wird aufgehoben.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 17. April 1969 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Der Ehemann der Klägerin zu 1) und Vater der Kläger zu 2) und 3) - Rolf Sch (Sch.) - war als Kraftfahrer bei der P Brauerei GmbH beschäftigt. Am 25. Mai 1967 hatte er mit einem Kombiwagen seiner Arbeitgeberin Kunden zu beliefern. Zu diesem Zweck fuhr er gegen 14.45 Uhr auf der Bundesstraße 252 von K in Richtung B. Bei Kilometerstein 15,3 geriet er mit dem Fahrzeug auf der an dieser Stelle dreispurigen Straße in einer landgezogenen Rechtskurve auf die linke Fahrbahn, stieß dort mit einem entgegenkommenden Pkw zusammen und wurde über die Leitplanke geschleudert. Er starb noch an der Unfallstelle. Seine Blutalkoholkonzentration (BAK) im Todeszeitpunkt betrug 1,83 0 / 00 nach Widmark und 1,86 0 / 00 nach der ADH-Methode.
Die Beklagte lehnte durch Bescheid vom 9. Januar 1968 die Gewährung von Hinterbliebenenrenten ab, da die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Sch. die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen sei.
Das Sozialgericht (SG) Kassel hat - ohne Beweisaufnahme - durch Urteil vom 17. April 1969 die auf Gewährung von Hinterbliebenenentschädigung gerichtete Klage abgewiesen. Es hat - wie die Beklagte - angenommen, der Unfall sei rechtlich allein wesentlich durch die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Sch. verursacht worden.
Das Landessozialgericht (LSG) hat Auskünfte vom chemischen Untersuchungsamt K über die Zuverlässigkeit der BAK-Bestimmung und vom Wetteramt Frankfurt/Main über die Wetterbedingungen zur Unfallzeit eingeholt und von der Staatsanwaltschaft in K die Akten (16 Js 1394/68) beigezogen, die sich auf den am 28. November 1968 gegen 7.40 Uhr eingetretenen Unfall der Lehrerin Ursula M beziehen; Frau M war etwa an derselben Stelle wie Sch. bei leichter Eisglätte von der rechten auf die mittlere Fahrbahn geraten, dort mit einem entgegenkommenden Lkw zusammengestoßen und dabei tödlich verunglückt. Ferner hat das LSG den Landwirt Horst A als Zeugen vernommen, der den Unfall des Sch. aus kurzer Entfernung beobachtet hatte.
Durch Urteil vom 14. April 1971 hat das LSG die Beklagte antragsgemäß verurteilt, den Klägern Hinterbliebenenentschädigung zu gewähren. Zur Begründung hat es ausgeführt: Sch. sei zur Unfallzeit infolge Alkoholgenusses bei einer BAK von 1,83 0 / 00 nach Widmark und 1,86 0 / 00 nach der ADH-Methode fahruntüchtig gewesen. Zu prüfen sei jedoch, ob neben der Alkoholbeeinflussung des Sch. sonstige Mitursachen des Unfalls vorgelegen hätten. Nach der Auskunft des Wetteramts könne mit großer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, daß im Unfallzeitpunkt an der Unfallstelle Gewittertätigkeit geherrscht habe, und es bestehe auch die Möglichkeit, daß Hagel niedergegangen sei. Die Asphaltstraße sei infolge Regens naß gewesen. Der Zeuge A - offensichtlich die einzige noch lebende Person, die den Unfall aus nächster Nähe beobachtet habe - habe bekundet, erst einige Zeit bevor er an die Unfallstelle gekommen sei, habe ein so starker Regenguß eingesetzt, daß sein Scheibenwischer das Wasser kaum bewältigt habe; vielleicht sei der Regen auch mit Hagel durchsetzt gewesen; unmittelbar nach dem Unfall des Sch. habe er festgestellt, daß die Straße von Wasser überströmt gewesen sei; er vermute, daß der Pkw durch das Wasser auf der Straße von seiner Fahrbahn langsam nach links abgekommen sei; jedenfalls habe der Pkw des Sch. nicht geschleudert.
Die Straße habe, so fährt das LSG in seiner Begründung fort, an der Unfallstelle in der von Sch. gefahrenen Richtung nach Berndorf ein Gefälle von 4 % und ein zur Innenkurve hin leicht abfallendes Profil; rechts befinde sich eine hohe Böschung. Wenn ein starker Regen auf die Straße niedergehe, müsse das Wasser somit in Richtung auf die von Sch. benutzte rechte Fahrbahnseite fließen. Es erscheine daher durchaus möglich, daß diese Fahrbahn an der Stelle, an der Sch. nach links abkam, einige Millimeter unter Wasser gestanden habe, wodurch die Haftfähigkeit der Pkw-Reifen auf der Asphaltdecke herabgesetzt zu werden pflege. Da Sch. eine langgestreckte Rechtskurve durchfahren habe, habe sein Pkw möglicherweise dadurch dem Steuer nicht mehr gehorcht, sei in der vorgegebenen Richtung geradeaus weitergefahren und dadurch aus der Kurve getragen worden. Es sei auch möglich, daß der Regenguß für ihn überraschend eingesetzt habe und der Scheibenwischer die Frontscheibe nicht mehr durchsichtig habe halten können. Es sei allerdings nicht erweisbar, ob der Unfall der Lehrerin M am 28. November 1968 durch die Eigenart der Unfallstelle verursacht worden sei und daraus zugunsten der Kläger Folgerungen zu ziehen seien; die Straße habe an diesem Tag an der Unfallstelle eine leichte Eisglätte aufgewiesen, und Frau M, die wahrscheinlich nicht unter Alkoholgenuß gestanden habe, sei von der rechten Fahrbahnseite plötzlich auf die mittlere Fahrbahn geraten und dort mit einem ihr entgegenkommenden Lkw zusammengestoßen. Auch Sch. könne, bedingt durch den plötzlichen Regen und den Straßenzustand, auf die linke Fahrbahnseite geraten sein. Ob er eine für die Verkehrssituation zu hohe Geschwindigkeit fuhr, sei nicht feststellbar; aus dem Abkommen von der rechten Fahrbahnseite allein sei darauf nicht zu schließen, weil hierfür auch andere nicht voraussehbare Umstände maßgebend hätten sein können.
Es sei nach alledem möglich, daß Sch. - bedingt durch die Wetter- und Straßenverhältnisse im Unfallzeitpunkt - auch in nüchternem Zustand tödlich verunglückt wäre.
Es könne aber nicht festgestellt werden, daß diese Verhältnisse rechtlich wesentliche Teilursachen für das Zustandekommen des Unfalls gewesen seien und damit die gleichfalls rechtlich wesentliche Teilursache, die durch den Alkoholgenuß bedingt gewesen sei, nicht die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls gewesen sei. Es sei nämlich auch möglich, daß Sch. den starken Regenguß so rechtzeitig wahrgenommen habe, daß er in nüchternem Zustand wahrscheinlich seine Geschwindigkeit verringert hätte und dann nicht verunglückt wäre.
Eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes sei nicht mehr möglich, weil keine anderen Zeugen vorhanden seien und die Unfallsituation nachträglich auch mit Hilfe eines Sachverständigen nicht mehr zu rekonstruieren sei. Diese Lücke in der Erforschung des Sachverhaltes gereiche der Beklagten zum Nachteil (BSG 7, 249). Die Auffassung, daß in allen Fällen, in denen sich ein Unfall unter Alkoholeinfluß ereignet habe, die objektive Beweislosigkeit von dem Versicherten bzw. dessen Hinterbliebenen zu tragen sei, könne zu unsozialen Konsequenzen führen, die mit dem Sinn und Zweck der Unfallgesetzgebung nicht vereinbar seien. Darunter fielen nämlich auch die Fälle, in denen es an einer Blutalkoholuntersuchung fehle, z. B. weil diese wegen der Schwere der Verletzung ärztlich untersagt worden sei. Obwohl sonst alle Voraussetzungen für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles gegeben wären, würde der Versicherungsschutz auch dann entfallen, wenn nur der nicht ausgeräumte Verdacht eines durch Alkoholeinwirkung beeinflußten Unfallgeschehens bestünde.
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und im wesentlichen wie folgt begründet:
Das LSG habe mit Recht festgestellt, daß die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Sch. den Unfall verursacht habe. Andere Unfallursachen seien lediglich als möglich in Betracht gezogen, nicht jedoch als wenigstens wahrscheinlich angesehen worden. Der Umstand, daß die alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit des Verunglückten nicht die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen sei, gehöre zu den anspruchsbegründenden Tatsachen. Deren Nichterweislichkeit gehe zu Lasten der Kläger. Dies habe das LSG verkannt.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung die Berufung der Kläger gegen das Urteil des SG Kassel vom 17. April 1969 zurückzuweisen, soweit sie Hinterbliebenenrenten betrifft, und sie als unzulässig zu verwerfen, soweit sie einmalige Leistungen betrifft,
hilfsweise,
die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten die Entscheidung des LSG im Ergebnis für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten hatte Erfolg.
Das LSG hat allerdings entgegen der Meinung der Revision im Ergebnis zu Recht die Berufung der Kläger auch insoweit als zulässig angesehen, als sie die zur Hinterbliebenenentschädigung gehörenden, an sich nach § 144 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) von der Berufung ausgeschlossenen Ansprüche auf Überbrückungshilfe und Sterbegeld betraf. Die Kläger haben nämlich im Berufungsverfahren einen wesentlichen Mangel des erstinstanzlichen Verfahrens gerügt (§ 150 Nr. 2 SGG), der auch vorliegt. Sie haben ua auf ihr Vorbringen hingewiesen, unmittelbar vor dem Unfall habe es stark gehagelt, so daß die Straße plötzlich und unvorhersehbar schlüpfrig geworden sei. Nach dem für die Beurteilung von Verfahrensmängeln maßgebenden sachlich-rechtlichen Standpunkt des SG kam es für die Entscheidung des Rechtsstreits ua darauf an, ob diese von den Klägern behaupteten Umstände beim Zustandekommen des Unfalls wesentlich mitgewirkt haben. Das SG hätte sich deshalb - wie schon das LSG ausgeführt hat - gedrängt fühlen müssen, die im Unfallzeitpunkt herrschenden Witterungsverhältnisse - zB durch Einholung einer Auskunft des Wetteramtes - aufzuklären; es hat dadurch, daß es in den Wetterverhältnissen keine Unfallursache gesehen hat, ohne insoweit Ermittlungen anzustellen oder die Behauptung der Kläger als richtig zu unterstellen, seine Sachaufklärungspflicht verletzt (§ 103 SGG).
Der Anspruch der Kläger auf Hinterbliebenenentschädigung aus der Unfallversicherung ist jedoch - entgegen der Auffassung des LSG - nicht begründet, weil sich nicht hat feststellen lassen, daß ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit des Sch. und dem Unfall besteht.
Bei der rechtlichen Beurteilung ist das LSG zutreffend davon ausgegangen, daß für Sch., der sich auf einer Betriebsfahrt befand, der Unfallversicherungsschutz nach § 548 der Reichsversicherungsordnung (RVO) entfallen wäre, wenn seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls darstellte (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats seit seiner Entscheidung vom 30. Juni 1960 - BSG 12, 242 -). Mit Recht hat das LSG angenommen, daß Sch. bei einer BAK von 1,83 0 / 00 bis 1,86 0 / 00 zur Unfallzeit infolge Alkoholeinwirkung fahruntüchtig war. Mit dem Erreichen eines Grenzwertes von 1,3 0 / 00 ist jeder Kraftwagenfahrer - unabhängig von sonstigen Beweisanzeichen - absolut fahruntüchtig (Urteil des erkennenden Senats vom 31. August 1972 in SozR Nr. 36 zu § 548 RVO im Anschluß an BGHSt 21, 157). Die für den Unfallversicherungsschutz in diesem Fall rechtserhebliche Frage, ob neben der alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit auch betriebsbezogene - der im Interesse und im Auftrag des Unternehmens unternommenen Fahrt zuzurechnende - Umstände für das Zustandekommen des Unfalls ursächlich gewesen sind, hat das LSG geprüft und die insoweit in Betracht kommenden Beweismittel ausgeschöpft; es hat jedoch nach eingehender Beweiswürdigung diese Frage als nicht klärbar angesehen. Aufgrund der im Unfallzeitpunkt teils als wahrscheinlich, teils als möglicherweise vorliegend erachteten Witterungs- und Straßenverhältnisse läßt sich nach der Ansicht des LSG nicht feststellen, daß Sch. wahrscheinlich auch ohne Alkoholeinwirkung verunglückt wäre, die Fahruntüchtigkeit mithin nicht als die rechtlich allein wesentliche Unfallursache anzusehen ist (BSG 13, 13, 15; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1. - 7. Aufl., S. 488 f.).
Das LSG ist also insoweit - für das Revisionsgericht bindend (§ 163 SGG) - zu einem non liquet gelangt. Die Entscheidung über den Klageanspruch hängt somit allein davon ab, zu wessen Lasten die Unaufklärbarkeit des Sachverhalts geht. Der Auffassung des LSG, die Folgen der Beweislosigkeit - die objektive Beweislast - habe der Versicherungsträger zu tragen, wenn nicht aufklärbar sei, ob der betrieblichen Tätigkeit zuzurechnende Umstände den Unfall wesentlich mitverursacht haben oder ob die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls war, pflichtet der erkennende Senat nicht bei.
Nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast hat die Folgen der objektiven Beweislosigkeit oder des Nichtfestgestelltseins einer Tatsache derjenige zu tragen, der aus dieser Tatsache günstige Rechtsfolgen für sich herleitet. In seinem Urteil vom 26. Juni 1958 (BSG 7, 249, 254), auf das sich das LSG bezieht, hat der Senat zwar angenommen, bei der alkoholbedingten Verkehrsuntüchtigkeit handele es sich nicht um ein negatives Tatbestandsmerkmal, sondern um eine rechtshindernde Tatsache mit der Folge, daß deren Nichterweislichkeit zu Lasten des Versicherungsträgers gehe, der sich darauf berufe; dabei hat der Senat ua ausgeführt, es könne nicht unbeachtet bleiben, daß die Ausübung einer an sich versicherten Tätigkeit unter Trunkenheit die Ausnahme darstelle gegenüber der von Trunkenheit unbeeinflußten Beschäftigung. Im Anschluß an sein Urteil vom 30. Juni 1960 (BSG 12, 242), das die Grundlage für die neuere - inzwischen ständige - Rechtsprechung zum Versicherungsschutz bei Unfällen unter Alkoholeinfluß bildet, hat der Senat jedoch wiederholt darauf hingewiesen, daß die in diesen Fällen für das Bestehen oder Nichtbestehen des Versicherungsschutzes rechtserhebliche Frage, ob der Alkoholeinfluß rechtlich allein wesentlich den Unfall verursacht hat, den als Voraussetzung für die Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis betrifft (vgl. BSG 13, 13, 15; 27, 40, 42; 30, 121, 123). Der Kausalzusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und dem Unfall aber - die sog. haftungsbegründende Kausalität - gehört zu den anspruchsbegründenden Tatsachen (vgl. BSG 7, 249, 254; 19, 52, 53; Brackmann aaO S. 244 m II). Die daraus abzuleitenden Bedenken gegen die Auffassung, in Fällen der vorliegenden Art habe der Versicherungsträger die Folgen der objektiven Beweislosigkeit zu tragen, hat der Senat bereits gelegentlich angedeutet, ohne allerdings bisher hierzu abschließend Stellung beziehen zu können (vgl. BSG 27, 40, 42; 30, 121, 123).
Die Frage, welcher Beteiligte die Folgen der Unerweislichkeit einer rechtserheblichen Tatsache zu tragen hat, kann sich im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit nur aus dem anzuwendenden materiellen Rechtssatz ergeben, und zwar derart, daß die Unerweislichkeit der Tatsachen, aus denen ein Beteiligter ihm günstige Rechtsfolgen herleiten will, zu seinen Lasten geht (vgl. ua BSG 6, 70, 72; 8, 245, 247; 15, 112, 114; 19, 52, 53; 24, 25, 27; 30, 121, 123; BSG in VersR 1970, 637; Brackmann aaO S. 244 m II mit weiteren Nachweisen). Von der Beweislast des eine Entschädigung erstrebenden Versicherten bzw. seiner Hinterbliebenen werden hiernach alle anspruchsbegründenden Tatsachen umfaßt, zu denen auch das Vorliegen der haftungsbegründenden Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallereignis gehört (vgl. Brackmann aaO S. 244 m II; Ricke, BG 1963, 111, 113 und SGb 1966, 395, 397; Krasney, BG 1967, 312 f mit weiteren Nachweisen). Dieser Kausalzusammenhang ist, wie Ricke (aaO) treffend ausgeführt hat, ein unteilbarer Begriff mit einheitlichem anspruchsbegründendem Charakter.
Die Frage, ob der Unfall eines Versicherten außer durch dessen alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit auch durch betriebsbezogene Umstände wesentlich verursacht worden ist, betrifft ebenfalls die haftungsbegründende Kausalität. Die Folgen einer insoweit bestehenden Ungewißheit sind daher vom Versicherten bzw. seinen Hinterbliebenen nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast zu tragen. Da zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs in Fällen dieser Art feststehen muß, daß die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit nicht die rechtlich allein wesentliche Unfallursache gewesen ist, handelt es sich hierbei um ein negatives Tatbestandsmerkmal. Aus dem Verhältnis von Regel und Ausnahme läßt sich demgegenüber nicht herleiten, daß die alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit eine rechtshindernde Tatsache ist mit der Folge, daß der Versicherungsträger, der sich darauf beruft, die objektive Beweislast trägt. Soweit nämlich die Unterscheidung der rechtsbegründenden Normen von den rechtshindernden auf das Verhältnis von Regel und Ausnahme zurückgeführt wird, entscheidet nicht die Erfahrung des täglichen Lebens, nach der sich bestimmte Tatsachen als anormal darstellen, sondern allein die Regel des Gesetzes (vgl. Rosenberg, Die Beweislast, 5. Aufl., 1965, S. 124, 125, 126, 131). Eine an sich mögliche gesetzliche Regelung (vgl. hierzu Ricke aaO in seiner Kritik an den Ausführungen von Drefahl, SGb 1965, 293 ff), nach der die Alkoholverursachung als eine rechtshindernde Norm zu beurteilen ist, besteht jedoch nicht.
Billigkeitserwägungen sind als Maßstab der Beweislastverteilung nicht geeignet; sie können nur bei der Würdigung der Beweise angewendet werden (vgl. BSG 30, 121, 123 mit weiteren Nachweisen).
Im Einzelfall können schon im Rahmen einer lebensnahen richterlichen Beweiswürdigung - unter Berücksichtigung des Beweises des ersten Anscheins - unbillige Ergebnisse vermieden werden. Dabei kommt dem Umstand, daß im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit die Untersuchungsmaxime gilt, in diesem Zusammenhang besondere Bedeutung zu. Der erkennende Senat hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, daß sich die Frage der Beweislastverteilung erst stellt, wenn der Tatrichter alle Mittel zur Aufklärung des Sachverhalts erschöpft hat, ohne daß es ihm gelungen ist, die bestehende Ungewißheit zu beheben; die Handhabung des Grundsatzes der objektiven Beweislast darf nicht zu einer Vernachlässigung der Pflicht zur eingehenden Erforschung des Sachverhalts und sorgfältigen Würdigung der erhobenen Beweise führen (vgl. BSG 19, 52, 56; 27, 40, 42; 30, 121, 123); dies hat das LSG auch nicht außer acht gelassen. Härtefälle, in denen Entschädigungsansprüche nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast scheitern, sind zwar - wie auch nach der Gegenmeinung - denkbar. In aller Regel dürfte es sich jedoch um Fallgestaltungen handeln, in denen die Verursachung eines Unfalls durch alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit aus einer tatsächlich festgestellten erheblichen Blutalkoholkonzentration des Verunglückten herzuleiten ist. Die Problematik liegt hier im übrigen nicht grundsätzlich anders als in den Fällen, in denen sich die haftungsausfüllende Kausalität nicht nachweisen läßt; die objektive Beweislast, daß eine bestimmte Gesundheitsstörung durch einen Unfall verursacht worden ist, trägt ebenfalls der Versicherte, der den Entschädigungsanspruch geltend macht.
Es ist nicht gerechtfertigt, bei Unfällen unter Alkoholeinfluß hinsichtlich der haftungsbegründenden Kausalität die Beweislast dem Versicherungsträger aufzuerlegen.
Hiernach war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1670125 |
BSGE, 216 |
NJW 1973, 1632 |