Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob dem Kläger Altersruhegeld (ARG) auch für die Zeit vom 1. Januar 1988 bis zum 2. Februar 1990 zu gewähren ist.
Der im April 1927 geborene Kläger wanderte 1978 nach Brasilien aus. Dort war er bis Oktober 1987 selbständiger Landwirt. Seit dem 3. Februar 1990 wohnt er wieder in der Bundesrepublik Deutschland. Im Dezember 1987 beantragte er bei der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) die Gewährung einer Versichertenrente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) oder wegen Berufsunfähigkeit (BU) oder eines ARG wegen Vollendung des 60. Lebensjahres. Mit Bescheid vom 23. Februar 1988, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 12. Juli 1988, lehnte die BfA die Gewährung einer Rente wegen BU oder EU ab, weil der Kläger zwar berufsunfähig sei, § 100 Abs. 1 Satz 1 und 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) aber einem Anspruch auf Rente wegen BU während eines gewöhnlichen Auslandsaufenthaltes entgegenstehe. Mit dem streitigen Bescheid vom 18. Juni 1990, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 14. Februar 1991, lehnte die BfA mit derselben Begründung auch die Gewährung eines ARG wegen Vollendung des 60. Lebensjahres für die Zeit des gewöhnlichen Auslandsaufenthaltes ab; demgemäß bewilligte sie ihm dieses ARG ab 3. Februar 1990 (Bescheide vom 10. Juli 1990 und vom 21. September 1990).
Das Sozialgericht (SG) Lübeck hat der Klage auf Gewährung von ARG auch für die Zeit vom 1. Januar 1988 bis zum 2. Februar 1990 stattgegeben (Urteil vom 19. Januar 1993). Das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) hat auf die - vom SG zugelassene - Berufung der Beklagten das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Das LSG ist folgender Ansicht: Gemäß § 25 Abs. 1 AVG, der gemäß § 300 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) in der ab 1. Januar 1984 gültigen Fassung anzuwenden sei, hänge der Anspruch auf ARG davon ab, daß der Versicherte berufsunfähig i.S. von § 23 AVG sei. Wenn auch der Kläger im umstrittenen Zeitraum berufsunfähig gewesen sei, scheitere sein Begehren an § 100 Abs. 1 AVG. Nach Satz 2 a.a.O. erhalte ein im Ausland lebender Berechtigter die Rente wegen BU nur, wenn sein Anspruch auf diese Rente bereits für die Zeit bestanden habe, in der er seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch in der Bundesrepublik Deutschland gehabt habe. Von dem Wortlaut dieser Vorschrift werde zwar nur die Rente wegen BU erfaßt; nach dem Normzweck sei es aber zumindest vertretbar, sie auch auf das flexible ARG zu erstrekken. Der Gesetzgeber habe die Zahlung von Renten ins Ausland möglichst unterbinden wollen, wenn diese ein vermindertes Leistungsvermögen voraussetzten. Die BU hänge beim Kläger nicht allein von gesundheitlichen Leistungsminderungen, sondern maßgeblich von seiner Einsetzbarkeit unter den Bedingungen des inländischen Arbeitsmarktes ab. Bei einem im Ausland lebenden Versicherten sei die Beurteilung seiner Verwendbarkeit auf dem inländischen Arbeitsmarkt allenfalls spekulativ möglich. Deshalb bestehe eine grundsätzliche Zahlungssperre; hiervon seien nur Renten ausgenommen, auf die Versicherte schon in Zeiten vor ihrem Auslandsaufenthalt Anspruch gehabt hätten.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 25 Abs. 1, 100 Abs. 1 AVG. Er habe im streitigen Zeitraum die Voraussetzungen von § 25 Abs. 1 AVG erfüllt, weil er das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt habe sowie berufsunfähig gewesen sei. Die Beklagte habe die streitigen Bescheide nicht auf § 100 Abs. 1 Satz 1 AVG stützen dürfen, weil seine BU ausschließlich auf seinem Gesundheitszustand beruht habe. Gegen die Anwendbarkeit des § 100 Abs. 1 Satz 2 AVG auch auf das flexible ARG spreche bereits der Wortlaut des Gesetzes. Diese Vorschrift schließe nur die Zahlung einer "Rente wegen BU" in das Ausland aus. Das flexible ARG sei keine Rente wegen EU oder BU (Hinweis auf Grüner/Dalichau, Komm zum Sechsten Buch des Sozialgesetzbuches, 1993, § 37 Anm. II. 2.2.2.). Gleichfalls sei § 100 Abs. 1 Satz 1 a.a.O. als Ausnahmevorschrift eng auszulegen. Das flexible ARG knüpfe an ein Mindestalter an. Die Versichertengemeinschaft werde hierbei nicht durch eine unvorhersehbare vorzeitige Minderung des Leistungsvermögens des Berechtigten belastet. Anders als bei der BU-Rente dürfe der Empfänger von ARG auch im Ausland nur bis zur Hinzuverdienstgrenze nebenher Einkommen erzielen. Das ARG sei keine umgewandelte Rente wegen BU, sondern beruhe auf einem eigenen Versicherungsfall. Vergleichbar sei die Regelung in § 45 Abs. 2 Nr. 2 AVG hinsichtlich der Witwen- und Witwerrente; hierbei sei anerkannt, daß es nicht auf den Bezug einer Rente wegen EU oder BU und im Blick auf das Merkmal der Waisenrentenberechtigung gleichfalls nicht auf die Zahlung einer Rente ankomme (Hinweis auf BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 15). § 100 Abs. 1 AVG sei aber nur anwendbar, wenn es um die Zahlung einer Rente wegen BU ins Ausland gehe, hingegen nicht, wenn die BU lediglich Tatbestandsmerkmal einer anderen Rente sei.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. Oktober 1993 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 19. Januar 1993 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 21. Oktober 1993 zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. § 100 Abs. 1 Satz 2 AVG sei bei wörtlicher Auslegung zwar nur auf BU-Renten anwendbar. Nach Sinn und Zweck der Vorschrift seien aber die darin enthaltenen Einschränkungen bei allen Leistungen zu beachten, bei denen das Vorliegen von EU oder BU zu den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen für die Rentengewährung gehöre (Hinweis auf VdR-Komm, § 1321 RVO, Anm. 4). Hierfür spreche auch die systematische Stellung der Vorschrift. Würde sie auf BU-Renten beschränkt, könnte es bei den verschiedenen Rentenarten zu einer unterschiedlichen Beurteilung von BU oder EU kommen. Satz 1 a.a.O. schreibe bei einem gewöhnlichen Aufenthalt des Versicherten im Ausland die abstrakte Betrachtungsweise vor. Denn der Versicherte stehe dem deutschen Arbeitsmarkt ohnehin nicht zur Verfügung. Satz 2 a.a.O. schaffe kein "Rentnerprivileg", sondern schränke die Zahlung von Renten, die auf einer BU beruhen, zusätzlich ein. Da es bei Renten wegen BU auf die Möglichkeit der Verweisung auf andere Tätigkeiten ankomme, sollten diese nach Satz 2 a.a.O. nur geleistet werden, wenn auf sie bereits beim Wegzug aus dem Bundesgebiet ein Anspruch bestand (Hinweis BT-Drucks. 9/458, S. 40). Diese Rechtslage sei in den §§ 37, 112 SGB VI in das neue Rentenrecht übernommen worden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes SGG ).
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet.
Das LSG hat richtig entschieden, daß er für den streitigen Zeitraum vom 1. Januar 1988 bis zum 2. Februar 1990 keinen Anspruch (§ 194 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches BGB ) gegen die Beklagte auf Zahlung von ARG hat.
Es kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, daß dem Kläger zum 1. Januar 1988 ein Recht auf ARG zugestanden hat:
Gemäß § 25 Abs. 1 Regelung 2 AVG, der gemäß § 300 Abs. 2 SGB VI anzuwenden ist, erhält ARG auf Antrag der Versicherte, der das 60. Lebensjahr vollendet hat und in diesem Zeitpunkt anerkannter Schwerbehinderter i.S. des § 1 des Schwerbehindertengesetzes oder berufsunfähig (§ 23 Abs. 2 AVG) oder erwerbsunfähig (§ 24 Abs. 2 AVG) ist, wenn die Wartezeit nach Abs. 7 Satz 1 erfüllt ist. Zwar hatte der Kläger, der bis August 1958 überwiegend pflichtversichert und seither bis Ende 1987 bei der Beklagten freiwillig versichert war, die vorgenannte Wartezeit erfüllt, den Antrag auf dieses ARG im Dezember 1987 gestellt und das 60. Lebensjahr im April 1987 vollendet. Das Berufungsgericht ist ferner davon ausgegangen, er sei berufsunfähig i.S. von § 23 Abs. 2 AVG gewesen.
Hingegen lassen die tatsächlichen Feststellungen des LSG, die es unter noch ausreichender Verweisung auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten getroffen und die der Kläger mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffen hat (§§ 163, 164 Abs. 2 Satz 2 SGG), keine abschließende Entscheidung darüber zu, ob der Kläger im streitigen Zeitraum überhaupt berufsunfähig oder vielleicht sogar erwerbsunfähig gewesen ist. Das Berufungsgericht hat im Blick hierauf im wesentlichen festgestellt, der Kläger könne in seinem zuletzt ausgeübten Beruf als selbständiger Landwirt nur noch etwa drei Stunden täglich, d.h. zwei Stunden bis unterhalbschichtig arbeiten; im übrigen könnten ihm leichte Arbeiten mit gewissen Einschränkungen noch bis zu sechs Stunden täglich zugemutet werden. Bei dieser Sachlage könnte der Kläger - wenn auch nur unter Berücksichtigung des inländischen Teilzeitarbeitsmarktes (vgl. BSG SozR 3-2200 § 1276 Nr. 4 S. 14 f.) - sogar erwerbsunfähig i.S. von § 24 Abs. 2 AVG gewesen sein. Andererseits kann aufgrund dieser tatsächlichen Feststellungen auch noch nicht abschließend erkannt werden, ob der Kläger überhaupt berufsunfähig i.S. von § 23 Abs. 2 AVG gewesen ist. Das Berufungsgericht hat nämlich nicht geprüft, ob er im Blick auf seine - grundsätzlich maßgebliche (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr. 34) - letzte versicherungspflichtige Beschäftigung in einem die Anspruchsschwelle übersteigenden Umfang gesundheitlich beeinträchtigt, ebensowenig, ob er mit seinem verbliebenen Leistungsvermögen in einem ihm zumutbaren Verweisungsberuf noch mehr als hälftig einsetzbar war. Rechtlich unerheblich ist, daß die Beklagte in den Gründen ihrer Rente ablehnenden Verwaltungsakte den Versicherungsfall der BU angenommen hat. Denn solche Ausführungen in der Begründung von Rentenbescheiden eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung gehören nicht zum Verfügungssatz und nehmen an der Bindungswirkung nicht teil (stellv BSG SozR 2200 § 1276 Nr. 22; SozR 1500 § 77 Nr. 70).
Gleichwohl setzt eine den Rechtsstreit abschließende Entscheidung des Revisionsgerichts hier keine weitere - den Tatsacheninstanzen vorbehaltene - Sachverhaltsaufklärung voraus, weil das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als im Ergebnis richtig darstellt (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dem Kläger steht nämlich ein Anspruch auf monatliche Rentenzahlungen gegen die Beklagte sogar dann nicht zu, wenn zu seinen Gunsten angenommen wird, daß er im vorgenannten Sinne erwerbsunfähig oder berufsunfähig war:
Gemäß § 95 Abs. 1 i.V.m. § 100 Abs. 1 AVG hat anspruchsvernichtende Wirkung, daß der Kläger sich im streitigen Zeitraum gewöhnlich nicht im Geltungsbereich des AVG, sondern in Brasilien aufgehalten und im Zeitpunkt der Verlagerung seines gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland (im Jahre 1978) noch keinen Anspruch auf Rente wegen BU gehabt hat:
Nach § 95 Abs. 1 AVG, der im nachgenannten Umfang die Anwendung von § 30 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) ausschließt, erhält ein Berechtigter, der seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Geltungsbereich des AVG hat, für die Zeit seines gewöhnlichen Auslandsaufenthaltes Leistungen nur insoweit, als die §§ 96 bis 102 a.a.O. dies bestimmen. Keiner Darlegung bedarf, daß der Kläger, der hier - jedenfalls kraft Unterstellung (siehe oben) - "Berechtigter" ist, von 1978 bis zum 2. Februar 1990 seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Brasilien hatte. Denn er hat sich dort unter Umständen aufgehalten, die erkennen lassen, daß er dort nicht nur vorübergehend verweilte (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I). Er hat in Brasilien eine selbständige Existenz als Landwirt aufgebaut und den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse in diesem Land gehabt.
Ein Berechtigter mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland erhält gemäß § 100 Abs. 1 Satz 1 AVG u.a. "eine Rente wegen EU" nur, wenn die EU ausschließlich auf dem Gesundheitszustand des Berechtigten beruht. Nach Satz 2 a.a.O. erhält er "eine Rente wegen BU" nur, wenn auf diese Rente bereits für die Zeit, in der er seinen gewöhnlichen Aufenthalt noch im Geltungsbereich des AVG gehabt hat, ein Anspruch bestanden hat (und wenn diese Rente ausschließlich auf seinem Gesundheitszustand beruht - Satz 1 a.a.O.). Diese Vorschriften enthalten anspruchsvernichtende Einwendungen, die sich aus dem gewöhnlichen Auslandsaufenthalt des Berechtigten ergeben. Soweit nämlich die Entstehung eines Anspruchs von den Verhältnissen im Inland, insbesondere von der Entwicklung auf dem deutschen Arbeitsmarkt, abhängt, soll dies für denjenigen auch rechtlich unbeachtlich bleiben, der sich gewöhnlich im Ausland aufhält und deshalb im Inland tatsächlich nicht zur Verfügung steht.
Das bedeutet: Eine Auslandsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung darf nicht gezahlt werden, wenn sie zumindest auch vom Vorliegen von EU oder BU abhängt, dies nicht ausschließlich auf dem Gesundheitszustand des im Ausland lebenden Berechtigten beruht und - nur bei BU - im Zeitpunkt des Wegzuges ins Ausland kein Anspruch auf eine Rente wegen BU bestand.
§ 100 Abs. 1 AVG beansprucht - entgegen der Ansicht des Klägers - Geltung für alle Rentenleistungen, die "wegen EU" bzw. "wegen BU" zu gewähren sind, also auch für das ARG i.S. von § 25 Abs. 1 Regelung 2 AVG:
Zwar trägt die Revision richtig vor, daß dieses ARG auf dem einheitlichen Versicherungsfall des Alters (dazu BSG SozR 2200 § 1248 Nr. 48; SozR 3-2200 § 1248 Nr. 7 m.w.N.), nicht aber auf den Versicherungsfällen der EU oder BU beruht. Jedoch räumt § 25 Abs. 1 (ähnlich Abs. 2 und Abs. 3 a.a.O.) die Rechtsmacht, den Eintritt des Versicherungsfalles des Alters selbst zu bestimmen, nur deshalb ein, weil diese Versicherten sich der allgemeinen Altersgrenze so weit genähert haben, daß eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit bei Hinzutreten der in der Vorschrift genannten typischen Belastungen (Schwerbehinderung, BU oder EU) im Einzelfall unzumutbar sein kann. Das Wahlrecht, mit einer für die Versichertengemeinschaft rechtsverbindlichen Wirkung zu bekunden, vorzeitig, aber endgültig aus dem Erwerbsleben und aus der Lastengemeinschaft der Versicherten ausscheiden zu wollen (BSG SozR 2200 § 1248 Nr. 48 S. 123 f. m.w.N.), gründet daher auf dem Vorliegen der genannten besonderen Belastungen, ist also u.a. "wegen EU" oder "wegen BU" eingeräumt worden. Dem Versicherten, der das 60. Lebensjahr vollendet und die Wartezeit erfüllt hat, wird dieses vorzeitige ARG somit wegen EU oder wegen BU gewährt. Dem steht - entgegen der Ansicht der Beklagten -der (auslegungsbedürftige) Wortlaut des § 100 Abs. 1 AVG nicht entgegen. Die Bedeutung der Ausdrücke "eine Rente wegen BU" oder "eine Rente wegen EU" ist nämlich nicht von vornherein auf die Namen der in den §§ 23, 24 AVG geregelten Rentenarten beschränkt (vgl. §§ 22 AVG, 23 Abs. 1 Nr. 1 Buchst b aF, 33 Abs. 3 SGB VI). Nach allgemeinem Sprachgebrauch, der nicht durch eine gesetzliche Definition im Anwendungsbereich des AVG eingeschränkt ist, kann darunter jede Rente verstanden werden, die "wegen", d.h. aus dem Rechtsgrund bzw. aufgrund oder unter der Voraussetzung von EU oder BU zu gewähren ist.
Für ein alle derartige Renten umfassendes Verständnis des § 100 Abs. 1 AVG sprechen seine og systematische Stellung im Auslandsrentenrecht, die Gesetzesmaterialien, der Zweck der Vorschrift und die Gesetzgebungsgeschichte. Nach der Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahre 1982 (BT-Drucks. 9/458 S. 40 vgl. auch S. 28 f. ) sollten Renten wegen BU oder EU ins Ausland nur noch geleistet werden, wenn sie ausschließlich auf dem Gesundheitszustand des Berechtigten beruhen, wenn sie also nicht von der Lage auf dem inländischen Arbeitsmarkt abhängig sind. Da es bei Renten wegen BU notwendig auf die Möglichkeit der Verweisung auf andere berufliche Tätigkeiten ankommt, sollten solche Leistungen nur noch gewährt werden, wenn auf sie bereits beim Wegzug aus dem Bundesgebiet ein Anspruch bestand. Weil Berechtigte bei einem nicht nur vorübergehenden Aufenthalt im Ausland für Vermittlungsbemühungen der Leistungsträger, ihnen zumutbare inländische Arbeitsplätze zu vermitteln, von vornherein nicht zur Verfügung stehen, erschien es nicht als gerechtfertigt, ihnen Renten zu gewähren, soweit diese wegen der besonderen Verhältnisse des inländischen Arbeitsmarktes zu gewähren sind. Für den weitgefaßten Geltungsbereich des § 100 Abs. 1 AVG spricht in diesem Zusammenhang auch der Wortlaut seiner Nachfolge-Bestimmung des § 112 SGB VI. Nach dieser Vorschrift erhalten (ab 1. Januar 1992) Berechtigte "wegen verminderter Erwerbsfähigkeit eine Rente nur", wenn der Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht. Für "eine wegen BU zu leistende Rente "… ist zusätzlich erforderlich … . Hier wird schon in der sprachlichen Gestaltung deutlich, daß diese Vorschrift alle Renten erfassen soll, die aufgrund verminderter Erwerbsfähigkeit bzw. aufgrund von BU gewährt werden. In der Begründung zu § 113 des Entwurfs des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung (Rentenreformgesetz 1992 RRG 1992 ) vom 18. Dezember 1989 (= § 112 SGB VI) heißt es: "Die Vorschrift entspricht dem geltenden Recht".
Gegen den weitgefaßten thematischen Geltungsbereich des § 100 Abs. 1 AVG spricht nicht durchgreifend, daß § 53 Abs. 1 AVG (vgl. § 102 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB VI) solchen Berechtigten, deren BU oder EU auch auf der Arbeitsmarktlage beruht, nicht die Rente auf Zeit, sondern die Dauerrente zuerkennt, wenn sie innerhalb von zwei Jahren nach Rentenbeginn das 60. Lebensjahr vollenden. Denn auch diese Versicherten mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland stehen weiterhin für berufsfördernde Maßnahmen (vgl. § 64 SGB I) und für Vermittlungsbemühungen der Leistungsträger zur Verfügung, welche im Erfolgsfall zur Aufnahme einer zumutbaren Beschäftigung und damit ggf zum Fortfall des Rentenanspruches führen können. § 100 Abs. 1 AVG gilt also für alle Renten der Rentenversicherung der Angestellten, welche zumindest auch auf EU oder BU beruhen (so auch: Harthun-Kindel/Fichte in Koch/Hartmann, Das Angestelltenversicherungsgesetz, Komm, § 100 Anm. II. 1. und 2., Stand: April 1989; Zweng/Scheerer/Buschmann, Handbuch der Rentenversicherung, 2. Aufl., Stand: Juli 1991, § 1321 RVO Anm. I. 1.; VDR-Komm zur RVO, Band III, Stand: Juli 1984, § 1321 Anm. IV; VDR-Komm zum Recht der gesetzlichen Rentenversicherung, SGB VI, Band 2, Stand: April 1993, § 112 Anm. V, Eicher/Haase/Rauschenbach, Die Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, Komm, § 1321 RVO, Anm. IV, KassKomm-Niesel, § 1321 RVO Anm. II; Grotzer DRV 1987, 86; alle m.w.N.).
Durchgreifende Bedenken gegen die Gültigkeit des § 100 Abs. 1 AVG sind weder dargetan noch ersichtlich. Die Vorschrift trifft eine sachgerechte Differenzierung im Blick auf die Bedeutung der Arbeitsmarktlage für den Bestand der Rentenansprüche wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Sie beläßt dem Berechtigten, der ausschließlich wegen gesundheitlicher Umstände erwerbsunfähig ist, diesen Anspruch. Für BU-Rentner, deren Anspruch typischerweise von den Bedingungen des inländischen Arbeitsmarktes abhängt, gewährt sie einen hinreichenden Bestandsschutz bei Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthaltes ins Ausland (vgl. Beschluß der 1. Kammer des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Februar 1987 - 2 BvR 924/85).
Keiner weiteren Begründung bedarf, daß § 100 Abs. 1 AVG nach Wortlaut und Zweck nicht lediglich eine den Zahlungsverkehr ins Ausland regelnde Ordnungsvorschrift, sondern anspruchsvernichtende Einwendungen enthält. Gleichfalls ist nicht darauf einzugehen, daß der Kläger zutreffend vorträgt, für das Recht auf vorzeitiges ARG i.S. von § 25 Abs. 1 Reglung 2 AVG komme es nicht auf den Bezug einer Rente wegen EU oder BU an. War der Kläger im streitigen Zeitraum - wie hier zu seinen Gunsten angenommen wird -, erwerbsunfähig, obwohl er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch bis zu sechs Stunden mit Einschränkungen tätig sein konnte, steht ihm ein Anspruch (§ 194 Abs. 1 BGB) auf die streitigen monatlichen Rentenleistungen nach § 100 Abs. 1 Satz 1 Regelung 2 AVG nicht zu. In diesem Fall beruhte nämlich die Rente nicht ausschließlich auf seinem Gesundheitszustand, sondern auch auf der Situation auf dem (Teilzeit-) Arbeitsmarkt (BSG SozR 3-2200 § 1276 Nr. 4 m.w.N.). War der Kläger hingegen berufsunfähig und wird zu seinen Gunsten außerdem vorausgesetzt, die BU habe ausschließlich auf dem Gesundheitszustand beruht, steht ihm der streitige Anspruch nach § 100 Abs. 1 Satz 2 AVG nicht zu. Denn nach dieser Vorschrift kann Rente wegen BU für Zeiten des gewöhnlichen Auslandsaufenthaltes nur verlangt werden, wenn die Rente bereits für Zeiten des gewöhnlichen Aufenthaltes noch im Inland bezogen oder beantragt worden war (BSG SozR 2200 § 1321 Nr. 17). Der Kläger hat aber bei seiner Umsiedlung nach Brasilien im Jahre 1978 eine Rente wegen BU, die als Anknüpfungspunkt für ein vorzeitiges ARG wegen BU i.S. von § 25 Abs. 1 Regelung 2 AVG ausgereicht hätte (Grotzer DRV 1987, 86), weder bezogen noch beantragt.
Nach alledem mußte die Revision des Klägers gegen das im Ergebnis zutreffende Urteil des Berufungsgerichts zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen