Leitsatz (amtlich)
Hat ein Arbeitsloser eine Geldsumme als Schmerzensgeld erhalten, so wird "mit Rücksicht auf das Vermögen" die Gewährung von Unterstützung (Alhi) als "offenbar nicht gerechtfertigt" nur dann und insoweit ausgeschlossen, als die wesensgemäße (zweckgebundene) Verwendung jenes Betrages sachlich nicht geboten ist.
Normenkette
AVAVG § 149 Abs. 2 Fassung: 1957-04-03; BGB § 847 Fassung: 1896-08-18
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 29. September 1959 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger hatte seit November 1953 mit Unterbrechungen bis Oktober 1955 Arbeitslosenfürsorgeunterstützung (Alfu) bezogen. Am 26. Oktober 1955 wurde er von einem Kraftwagen angefahren und verletzt. Danach war er arbeitsunfähig krank; vom 8. November 1955 bis zum 15. Februar 1956 befand er sich in stationärer Behandlung. Die Allgemeine Ortskrankenkasse (AOK) gewährte ihm Krankengeld bis zur Aussteuerung am 28. April 1956. Zur Abgeltung seiner Ansprüche aus jenem Verkehrsunfall erhielt der Kläger durch außergerichtlichen Vergleich von der A...- Versicherungsgruppe eine Entschädigung von insgesamt 5.000,-- DM. Dieser Betrag war nach der Vergleichs- und Abfindungserklärung vom 22. Oktober 1956 aufgegliedert in 4.000,-- DM Schmerzensgeld, 500,-- DM Verdienstausfall und 500,-- DM Sachschaden. Die Vergleichssumme war am 4. Juni 1956 mit 1.000,-- DM, Ende Oktober 1956 mit 4.000,-- DM an den Kläger ausgezahlt worden. Seinen Angaben nach hatte er die erste Rate im wesentlichen für seinen Lebensunterhalt nach der Aussteuerung durch die AOK verbraucht.
Auf Arbeitslosmeldung und Antrag vom 10. Oktober 1956 hin bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosenhilfe (Alhi) von demselben Tage an. Als sie jedoch von den Geldleistungen der A...-Versicherung erfahren hatte, entzog sie die Unterstützung mit Bescheid vom 28. November 1956 rückwirkend vom 6. November 1956 an, weil der Kläger im Hinblick auf die Abfindungssumme den Lebensunterhalt selbst bestreiten könne. Sein Widerspruch hiergegen wurde zurückgewiesen; im Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 1957 erklärte die Beklagte indessen - unter Mitteilung des Rechenwerks im einzelnen -, daß sie bei der Bedürftigkeitsprüfung aus der dem Kläger zugeflossenen Entschädigungssumme nur das Schmerzensgeld anteilig heranziehe und hiervon wiederum lediglich einen Betrag von 611,11 DM anrechne, der eine Gewährung von Alhi für 13 Wochen (6. November 1956 bis 4. Februar 1957) mangels Bedürftigkeit ausschließe.
II.
Im Klagewege hob das Sozialgericht - SG - (Urteil vom 22. Januar 1958) die Bescheide der Beklagten vom 28. November 1956 und 13. Februar 1957 auf und verurteilte sie, Alhi für die Zeit vom 6. November 1956 bis 4. Februar 1957 an den Kläger zu zahlen. Das Schmerzensgeld sei bei der Prüfung der Bedürftigkeit außer Acht zu lassen. Es handele sich dabei nicht um einen Vermögenszuwachs, der zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts dienen müßte, sondern um den Ausgleich erlittener körperlicher und seelischer Schmerzen, also um eine hinsichtlich ihres Verwendungszwecks gebundene Geldleistung. Berufung wurde zugelassen.
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen hob (Urteil vom 29. September 1959) auf die Berufung der Beklagten hin das sozialgerichtliche Urteil auf und wies die Klage ab. Der Kläger sei tatsächlich durch die Auszahlung des Schmerzensgeldes in den Besitz eines Barguthabens von 4.000,-- DM gelangt. Dieses müsse zu seinem Vermögen im Sinne von § 141 e Abs. 2 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) aF gerechnet werden. Auf die Herkunft des Vermögens komme es nach dieser gesetzlichen Vorschrift nicht an. Die für einen immateriellen Schaden gezahlte billige Entschädigung in Geld (§ 847 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) sei von Rechts wegen Vermögen des Verletzten. Bei der Schmerzensgeldsumme handele es sich auch nicht um anrechnungsfreies Einkommen im Sinne des § 141 f Abs. 3 Nr. 6 AVAVG aF, denn hierunter seien laufende Einkünfte, nicht aber eine einmalige Zahlung zu verstehen. Zudem werde dort (2. Halbsatz) das Vermögen ausdrücklich von der Ausnahmevorschrift ausgenommen. Überdies sei die Beklagte bei der Anrechnung des Schmerzensgeldes mit nur 611,11 DM nicht kleinlich verfahren; sie habe dem Kläger die sich aus den Verwaltungsvorschriften ergebende günstigste Regelung zugute kommen lassen. Revision wurde zugelassen.
III.
Der Kläger legte gegen das am 4. November 1959 zugestellte Urteil am 4. Dezember 1959 Revision ein und begründete sie in demselben Schriftsatz. Seiner Auffassung nach stellt das Schmerzensgeld keinen Vermögenszuwachs im Sinne der Bedürftigkeitsvorschriften der Alhi dar, da es zweckgebunden sei. Der Verletzte solle durch das Schmerzensgeld in die Lage versetzt werden, sich Erleichterung und andere Annehmlichkeiten anstelle jener zu verschaffen, deren Genuß ihm durch die Verletzung unmöglich gemacht wurde. Der Ausgleichscharakter stehe somit im Vordergrund. Das Schmerzensgeld würde seines immateriellen Charakters entkleidet, wenn es als Vermögen bewertet und zur Bestreitung des notwendigen Lebensunterhalts dienen müßte. Die Nichtanrechenbarkeit des Schmerzensgeldes ergebe sich ferner daraus, daß es nicht pfändbar, nicht verpfändbar und nicht aufrechenbar sei sowie nicht Konkursgegenstand sein könne. Auch gehe es nicht im Falle von Schadensersatzansprüchen auf die Versicherungsträger über. Schließlich müsse über die geltend gemachten sozialpolitischen Gesichtspunkte hinaus dem Kläger das Schmerzensgeld deswegen ungeschmälert belassen werden, weil er noch unter den Folgen des Unfalles leide und seine volle Arbeitskraft noch nicht zurückgewonnen habe.
Der Kläger beantragte,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 22. Januar 1958 zurückzuweisen,
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragte,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Sie bringe keine Gesichtspunkte vor, mit denen sich das LSG nicht bereits auseinandergesetzt habe. Die Beklagte verweist daher auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.
IV
Die Revision ist statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und deswegen zulässig.
Die Revision ist auch begründet.
Angefochten ist der Bescheid der Beklagten vom 28. November 1956 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13. Februar 1957. Wenngleich im Tenor des Widerspruchsbescheids der Rechtsbehelf des Klägers zurückgewiesen wird, ergibt seine Begründung doch eine Abänderung des Erstbescheides der Beklagten im Verwaltungswege dahingehend, daß die zunächst nicht befristete Entziehung der Alhi alsdann auf 13 Wochen bemessen worden ist. Zu Recht ist demzufolge das LSG davon ausgegangen, daß Gegenstand der Klage (Streitgegenstand) damit die Entziehung der Alhi für die Zeit vom 6. November 1956 bis 4. Februar 1957 ist (§ 95 SGG).
Zutreffend hat das LSG seiner Entscheidung hierzu auch die Vorschriften des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung vom 16. April 1956 (BGBl. I 243) - AVAVG aF - zugrunde gelegt, da die angefochtenen Bescheide der Beklagten während der Geltung dieses Gesetzes erlassen worden sind. Im übrigen haben die hier maßgeblichen §§ 141 e und 141 f AVAVG aF durch die Neufassung des Gesetzes in den seit 1. April 1957 geltenden §§ 149 und 150 AVAVG nF inhaltlich Änderungen nicht erfahren (vgl. Bekanntmachung der Neufassung des AVAVG vom 3. April 1957 - BGBl. I 321).
Die Entziehung der dem Kläger bewilligten Alhi wurde auf § 177 AVAVG in der Fassung des Gesetzes vom 12. Oktober 1929 (RGBl I 162) gestützt, der gemäß § 141 Abs. 1 Satz 2 AVAVG aF auch für den Bereich der Arbeitslosenhilfe galt. Nach § 177 Abs. 1 Satz 1 aaO war die Unterstützung von Amts wegen zu entziehen, "sobald die Voraussetzungen zum Bezuge nicht mehr vorliegen oder sich herausstellt, daß sie schon bisher nicht vorgelegen haben". Diese waren bezüglich der Gewährung von Alhi in den §§ 141 ff AVAVG aF geregelt. Nach § 141 a Abs. 1 Nr. 3 aaO hat Anspruch auf Unterstützung - von sonstigen, hier nicht strittigen Voraussetzungen abgesehen -, "wer bedürftig ist". Als bedürftig im Sinne dieser Vorschrift gilt der Arbeitslose "soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Unterstützung aus der Arbeitslosenhilfe bestreitet oder bestreiten kann und das Einkommen, das nach § 141 f AVAVG aF zu berücksichtigen ist, den Tabellensatz nicht erreicht" (§ 141 e Abs. 1 aaO). Als Einkommen kann im vorliegenden Fall das dem Kläger gezahlte Schmerzensgeld wegen der Ausnahmeregelung in Abs. 3 Nr. 6 erster Halbsatz des § 141 f aaO nicht gelten, weil es sich dabei (vgl. § 847 BGB) um einen Schadensausgleich handelt, der nicht für entgangenes oder entgehendes Einkommen oder für den Verlust gesetzlicher Unterhaltsansprüche gewährt wird. Dagegen bestimmt der zweite Halbsatz aaO weiterhin ausdrücklich: "die Vorschriften über die Berücksichtigung von Vermögen bleiben unberührt". Diese wiederum finden sich in § 141 e AVAVG aF. Nach Abs. 2 des § 141 e aaO besteht Bedürftigkeit im Sinne des § 141 a Abs. 1 Nr. 3 nicht, "solange mit Rücksicht auf das Vermögen des Arbeitslosen und das Vermögen seines im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegatten oder seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Verwandten in gerader Linie Arbeitslosenhilfe offenbar nicht gerechtfertigt ist. "Ferner besagt Abs. 6 aaO:" Der Bundesminister für Arbeit kann nach Anhörung des Verwaltungsrats und mit Zustimmung der Bundesminister des Inneren und der Finanzen durch Rechtsverordnung bestimmen, inwieweit Vermögen zu berücksichtigen... ist". Wortlaut und Inhalt der Absätze 2 und 6 des § 141 e AVAVG aF lassen erkennen, daß bei der Bedürftigkeitsprüfung zwar die Berücksichtigung von Vermögen grundsätzlich vorgesehen ist, daß aber für dessen Heranziehung (Anrechnung) Grenzen gesetzt sind. Letztere ergeben sich einmal daraus, daß durch Rechtsverordnung das Ausmaß der Berücksichtigung bestimmt werden kann, zum anderen dadurch, daß die Bedürftigkeit dem Gesetz selbst zufolge jeweils nur dann entfällt, wenn im Verhältnis zum Vermögen Alhi "offenbar nicht gerechtfertigt" ist.
V.
Das dem Kläger zugeflossene Schmerzensgeld ist Vermögen im Sinne des § 141 e Abs. 2 AVAVG aF. Zutreffend hat das LSG ausgeführt, daß sich der Vermögensbegriff dieser Vorschrift nicht von dem sonst im Rechts- und Wirtschaftsleben allgemein geltenden unterscheidet (vgl. §§ 310, 311, 419 BGB). Er hat in gleicher Weise auch bereits im Recht der Arbeitslosenfürsorge - bis zum 31. März 1956 - gegolten (vgl. § 7 des Anhangs zur MRVO 117 für die ehemalige brit. Zone). Unter Vermögen sind insbesondere Barguthaben sowie alle Geld- und Sachwerte, aber auch schuldrechtliche und dingliche Forderungen zu verstehen (vgl. Schmidt, Die Arbeitslosenhilfe, 1956, 122). Infolgedessen gehört hierzu auch das Schmerzensgeld. Diesbezüglich ist weder im bürgerlichen Recht (§ 847 BGB) noch anderweit in einem kodifizierten Rechtsbereich eine Sonderregelung getroffen. Mithin waren durch die Vergleichszahlung der Versicherung zuletzt 4.000,-- DM in das Vermögen des Klägers (§ 141 e Abs. 2 AVAVG aF) gelangt. Ihm ist nicht zu folgen, wenn er dem Schmerzensgeld allein einen "immateriellen Charakter" zuschreiben will. Zwar ist der Schaden, zu dessen Ausgleich das Schmerzensgeld bestimmt ist, nicht vermögensrechtlicher Art; die "billige Entschädigung in Geld" (§ 847 BGB) hierfür aber ist materieller Natur. Der Anspruch auf Schmerzensgeld wurde gerade zu dem Zweck geschaffen, auch ideelle Schäden abzugelten, bei denen eine Naturalrestitution (ideeller Ersatz) nicht möglich ist. Ebensowenig ändern seine Nichtübertragbarkeit und die hieran geknüpften Folgen etwas an der vermögensrechtlichen Natur. Davon abgesehen handelt es sich vorliegend nicht um die Berücksichtigung des Anspruchs als Vermögen, sondern einer bereits empfangenen Geldleistung, die ihrerseits den Einschränkungen des Anspruchs selbst nicht unterliegt.
Die Rechtsprechung zu § 847 BGB hatte das Wesen des Schmerzensgeldanspruchs dahin gekennzeichnet, daß er dem Geschädigten einen angemessenen Ausgleich für diejenigen Schäden, die nicht vermögensrechtlicher Art sind, bieten und zugleich dem Gedanken Rechnung tragen solle, daß der Schädiger dem Geschädigten Genugtuung schulde für das, was er ihm angetan hat (vgl. Beschluß des Großen Zivilsenats des Bundesgerichtshofes vom 6. Juli 1955 - BGHZ 18, 149 = NJW 1955, 1675 ff). Damit sind die verschiedenen Motive und Komponenten für die Bemessung des Schmerzensgeldes umrissen, nicht jedoch wurde seine Rechtsnatur als Schadensersatzanspruch - wenn auch besonderer Art - verändert (vgl. Lieberwirth, Das Schmerzensgeld, 1960, 16 ff); die aus ihm herstammende Geldleistung stellt also rechtlich und wirtschaftlich einen Vermögenszuwachs für den Empfänger dar. Hätte der Gesetzgeber das Schmerzensgeld von der Berücksichtigung als Vermögen bei der Alhi generell ausnehmen wollen, wäre eine ausdrückliche Regelung erforderlich gewesen. Aus dem 2. Halbsatz des § 141 f Abs. 3 Nr. 6 AVAVG aF, der ansonsten bei keiner der anderen nicht als Einkommen geltenden Leistungen des § 141 f Abs. 3 eingefügt ist, muß indessen entnommen werden, daß, wie das Vermögen allgemein, auch vereinnahmtes Schmerzensgeld bei der Bedürftigkeitsprüfung zu berücksichtigen ist, In diesem Zusammenhang sei - um ein anderes Rechtsgebiet vergleichsweise heranzuziehen - darauf verwiesen, daß sogar im Armenrechtsverfahren der Zivilprozeßordnung (§ 114 ZPO) bei der Prüfung der Vermögenslage empfangenes Schmerzensgeld angerechnet wird (OLG Karlsruhe in Versicherungsrecht 1957, 256; desgleichen in NJW 1959, 1373; OLG Bremen in NJW 1957, 1931 ff).
VI.
Nach alledem ist dem LSG beizupflichten, daß die Beklagte bei der Bedürftigkeitsprüfung im Grundsatz von einem Vermögen des Klägers in Höhe der Schmerzensgeldzahlung (4.000,-- DM) ausgehen durfte. Ohne Rechtsirrtum hat der Vorderrichter ferner festgestellt, daß die Beklagte bezüglich des Ausmaßes der Heranziehung (Anrechnung) von Vermögen für den vorliegenden Fall die Vorschriften des Erlasses des Präsidenten des Zentralamtes für Arbeit zur Durchführung der Verordnung Nr. 117 der Militärregierung über Arbeitslosenfürsorge vom 22. Dezember 1947 (ArBL für die Britische Zone 1948, 4 ff) zutreffend angewendet hat, die nach Art. II § 4 des Gesetzes vom 16. April 1956 (BGBl I, 243) bis zum Erlaß von Vorschriften nach § 141 e Abs. 6 AVAVG aF in Kraft bleiben. Diesbezügliche Vorschriften sind bis zur Gegenwart jedoch nicht ergangen. Die dem Kläger zugebilligte Freigrenze (2.500,-- DM) ist die nach Nr. 13 des weitergeltenden Erlasses zur MRVO Nr. 117 höchst zulässige; nach dessen Nr. 14 sind von der Anrechnung des Barvermögens nur "Wiedergutmachungsleistungen sowie Entschädigungen nach dem Kriegsschädenrecht" ausgenommen, nicht dagegen das Schmerzensgeld. Im übrigen war auch außerhalb der früheren britischen Besatzungszone in keinem der damals geltenden Alfugesetze und -Verordnungen für das Schmerzensgeld eine Ausnahme zugelassen.
Andererseits hat das LSG nicht genügend gewürdigt, daß § 141 e Abs. 2 AVAVG aF das Nichtbestehen von Bedürftigkeit im Sinne des § 141 Abs. 1 Nr. 3 davon abhängig macht, daß mit Rücksicht auf das Vermögen des Arbeitslosen (und seiner Angehörigen im gemeinsamen Haushalt) Arbeitslosenhilfe "offenbar nicht gerechtfertigt" ist. Für die Beurteilung dieses gesetzlichen Merkmals reicht das von der Beklagten aufgestellte Zahlenwerk (Anrechnungsmodus) allein nicht aus. Ein unbestimmter Rechtsbegriff solcher Art legt der Verwaltung das Recht und die Pflicht auf, jeweils die besonderen Umstände des Einzelfalles zu beachten (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts 1958, 76 ff). Richtig ausgeübt ist diese vom AVAVG bei der Bedürftigkeitsprüfung eröffnete Rechtsabwägung in Ansehung eines aus empfangenem Schmerzensgeld erwachsenen Vermögens jedenfalls nur dann, wenn dessen Wesen und Zweckbestimmung nicht übergangen sind. § 847 BGB spricht von einer billigen (d. h. auf die individuelle Sachlage abgestellten) Geldentschädigung nicht "für" den Schaden, sondern "wegen" des Schadens, weil ein ideeller (immaterieller) Schaden schon begrifflich keinen Ersatz, sondern lediglich einen Ausgleich finden kann. Demzufolge hätten, zumal nicht ein richterlich festgesetztes Schmerzensgeld, sondern eine im Vergleichswege außergerichtlich vereinbarte Entschädigungssumme in Frage stand, umfassende tatsächliche Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen (Gesundheitszustand, Grad der Verletzung, Art und Dauer der Folgen, Berufsaussichten u. a.) des Klägers getroffen werden müssen; insbesondere auch, weil dieser Nachwirkungen auf seine Leistungsfähigkeit und Arbeitskraft behauptet hat. Soweit danach die durch Verletzung seiner Gesundheit verursachten körperlichen Schmerzen und seelischen Unbilden (zB auch verminderte Lebensfreude, Sorge um Beruf und Fortkommen) auszugleichen waren, ist die Verwendung des entsprechenden Schmerzensgeldbetrages als notwendig und zweckgebunden anzuerkennen. Dabei hat für den Ausgleichsumfang auch seine bisherige Lebensführung mit maßgebend zu sein. Dagegen rechtfertigen Bestandteile jener "billigen Entschädigung in Geld", die über die vom Gesetz vorgesehene Ausgleichsfunktion hinausgehen oder die aus anderen Motiven (etwa: Buß- oder Abschreckungsmaxime, Schweigegeld oä.) in die Entschädigungssumme aufgenommen wurden, nicht die Außerachtlassung als Vermögen. Dies bedingt der für die Arbeitslosenhilfe geltende Grundsatz, daß die Unterstützung aus öffentlichen Mitteln subsidiären Charakter hat. Die soziale Rücksichtnahme auf das Vermögen des Arbeitslosen endet nach dem Willen des Gesetzgebers auch beim Schmerzensgeld, sobald Arbeitslosenhilfe "offenbar nicht gerechtfertigt" ist. Die Aufwendung von Mitteln der Gemeinschaft darf nicht in einem unbegründeten Mißverhältnis zur privaten Vermögenslage stehen.
Der Rechtsähnlichkeit halber sei hierzu noch erwähnt, daß das Schmerzensgeld auch im Fürsorgerecht keine Sonderbehandlung genießt; sein Verbrauch darf dort nur insoweit nicht gefordert werden, als dies eine "besondere Härte" bedeuten würde (vgl. OVG Münster in DVBl 1959, 34 ff).
VII.
Das Urteil des LSG mußte auf die Revision des Klägers hin aufgehoben werden, weil die Entscheidung mangels ausreichender Würdigung eines gesetzlichen Merkmals nicht der durch § 141 e Abs. 2 AVAVG aF geschaffenen Rechtslage entspricht. Es ist letztlich nicht erwiesen, daß die Voraussetzungen für die Entziehung der Unterstützung nach § 177 Abs. 1 Satz 1 AVAVG aF erfüllt waren. Da noch tatsächliche Feststellungen nachzuholen sind, konnte der Senat nicht selbst entscheiden; die Sache war deshalb an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 und 4 SGG).
Für die künftige Beurteilung wird das LSG davon auszugehen haben, daß bei einem Arbeitslosen, der eine Geldsumme als Schmerzensgeld erhalten hat, "mit Rücksicht auf das Vermögen" die Gewährung von Unterstützung (Alhi) als "offenbar nicht gerechtfertigt" nur dann und insoweit ausgeschlossen wird, als die wesensgemäße, zweckgebundene Verwendung jenes Betrages sachlich nicht geboten ist.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen