Leitsatz (redaktionell)
1. Durch den in einem Umanerkennungsbescheid enthaltenen Vermerk "eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht mehr beabsichtigt", der einen begünstigenden Verwaltungsakt darstellt, entfällt die Möglichkeit einer Neufeststellung nach BVG § 86 Abs 3.
Dagegen wird durch eine solche Erklärung eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse (BVG § 62 Abs 1) nicht ausgeschlossen.
2. Ein auf BVG § 86 Abs 3 gestützter Neufeststellungsbescheid kann auch durch die Vorschrift des BVG § 62 getragen werden.
3. Bei einem Umanerkennungsbescheid, der ohne ärztliche Nachuntersuchung ergangen ist, ist für die Frage, ob und seit wann eine wesentliche Änderung eingetreten ist, auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem der frühere Bescheid, also der dem Umanerkennungsbescheid vorhergehende Bescheid nach altem Recht, erlassen worden ist.
Normenkette
BVG § 86 Abs. 3 Fassung: 1956-06-06, § 62 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen in Celle vom 21. September 1959 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger war im ersten Weltkrieg Soldat und bezog nach den Vorschriften des Reichsversorgungsgesetzes (RVG) zuletzt und bis zum Ende des zweiten Weltkrieges wegen "Eiweißausscheidung nach Nierenentzündung, schwerem asthmatischem Dauerzustand bei chronischem Bronchialkatarrh mit allgemeiner Schwächung der Konstitution und stark beschleunigter Herztätigkeit", hervorgerufen durch Dienstbeschädigung, eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 v.H. und eine Pflegezulage von RM 50,-- monatlich (Stufe I). Nach vorübergehendem, allgemein durch die Militärregierung angeordnetem Wegfall der Versorgungsbezüge wurden diese nach den Vorschriften der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD 27) wieder zahlbar gemacht, vom 1. August 1949 an wurde wegen der bestehenden Hilflosigkeit eine Pflegezulage der Stufe II (monatlich DM 40,--) bewilligt. Durch Umanerkennungsbescheid vom 5. Oktober 1951 - ohne vorherige ärztliche Nachuntersuchung des Klägers - stellte der Beklagte unter Übernahme der früheren Leidensbezeichnungen und des anerkannten Grades des MdE (100 v.H.) sowie der Pflegezulage der Stufe II (DM 75,-- monatlich) die Versorgungsbezüge nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) fest; der Umanerkennungsbescheid enthielt den Vermerk: "Eine ärztliche Nachuntersuchung ist nicht mehr beabsichtigt".
Trotz dieses Vermerks ließ die Versorgungsverwaltung den Kläger dennoch am 11. April 1953 in der Medizinischen Universitätsklinik Göttingen nachuntersuchen, wobei die untersuchenden Ärzte Dr. F... und Dr. V... zu dem Ergebnis kamen, daß das beim Kläger bestehende allergische Asthma bronchiale unter Berücksichtigung von Alter und Asthmafolgen (Lungenemphysem, reduzierter Allgemeinzustand) noch eine MdE um 70 v.H. bedinge, zumal beim Asthma bronchiale erfahrungsgemäß relativ beschwerdefreie Perioden mit solchen starker Atemnot abwechselten. Am Nieren- und ableitenden Harnweg-System sei kein krankhafter Befund erhoben worden, ebensowenig eine wesentliche Beeinträchtigung des Herz- und Kreislaufsystems. Eine besondere und ständige Pflegebedürftigkeit liege nicht vor. Daraufhin erteilte die Versorgungsbehörde unter Bezugnahme auf § 86 Abs. 3 BVG einen neuen Bescheid (vom 21. November 1953), entzog die Pflegezulage und setzte unter Änderung der Leidensbezeichnung in "Bronchialasthma mit Lungenblähung" die bisherige Rente des Klägers nach einer MdE um 100 v.H. mit Wirkung vom 1. Januar 1954 an auf eine solche nach einer MdE um 70 v.H. herab. In ihrer Begründung hob die Versorgungsbehörde hervor, daß insofern eine wesentlich Besserung beim Kläger eingetreten sei, als eine Eiweißausscheidung nach Nierenentzündung nicht mehr bestehe und eine Beschleunigung der Herztätigkeit nicht mehr festzustellen sei. Der vom Kläger gegen diesen Bescheid unter Vorlegung einer ärztlichen Bescheinigung des Dr. K... in Clausthal-Zellerfeld vom 26. September 1953 eingelegte Widerspruch wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 5. Januar 1955 zurückgewiesen.
Im Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim hat der Kläger zwei weitere ärztliche Bescheinigungen des Dr. K... (vom 17. Mai 1955 und 15. August 1956) vorgelegt; das SG hat von sich aus eine erneute Stellungnahme der Ärzte der Medizinischen Universitätsklinik Göttingen (vom 25. Juni 1956) und auf Veranlassung des als ärztlichen Sachverständigen am 15. August 1956 gehörten Chirurgen Dr. B... in Göttingen ein weiteres ärztliches Sachverständigengutachten vom Krankenhaus Nordstadt der Stadt Hannover (Prof. Dr. T...-d... und Dr. M... H...) vom 22. März 1957 eingeholt. Dabei haben Prof. Dr. T... und Dr. M... H... die von den Ärzten der Medizinischen Universitätsklinik in Göttingen erhobenen Befunde im wesentlichen bestätigt, die MdE des Klägers ebenfalls mit 70 v.H. bewertet und eine Pflegebedürftigkeit verneint. Das SG hat mit Urteil vom 22. Mai 1957 den Bescheid vom 21. November 1953 und den Widerspruchsbescheid vom 5. Januar 1955 insoweit aufgehoben, als es den Beklagten verurteilt hat, dem Kläger Rente nach einer MdE um 100 v.H. und Pflegezulage nach der Stufe II über den Entziehungsmonat hinaus weiter zu zahlen. Die Erklärung der Versorgungsverwaltung im Umanerkennungsbescheid vom 5. Oktober 1951, daß eine Nachuntersuchung des Klägers nicht mehr beabsichtigt sei, stelle einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt dar, der eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge nach § 86 Abs. 3 BVG ausschließe. Das Urteil enthält folgende Rechtsmittelbelehrung: "Die Berufung ist ungeachtet des § 148 SGG zulässig, da die Rechtslage grundsätzliche Bedeutung hat ....".
Auf die Berufung des Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen in Celle mit Urteil vom 21. September 1959 das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Die Berufung des Beklagten sei durch Zulassung (§ 150 Nr. 1 SGG) zulässig; sie sei auch begründet. Zwar treffe zu, daß es sich bei der Erklärung des Beklagten im Umanerkennungsbescheid vom 5. Oktober 1951, eine ärztliche Nachuntersuchung sei nicht mehr beabsichtigt, um einen rechtsgestaltenden, den Kläger begünstigenden Verwaltungsakt handele, der eine Neufeststellung nach § 86 Abs. 3 BVG nicht zulasse; denn die Erklärung schaffe rechtlich die gleiche Lage, als wenn die Umanerkennung auf Grund einer ärztlichen Untersuchung stattgefunden hätte. Das SG habe jedoch übersehen, daß der Bescheid vom 21. November 1953 auch durch die Vorschrift des § 62 Abs. 1 BVG getragen werde, da in den Verhältnissen des Klägers, die für die frühere Feststellung maßgebend gewesen seien, eine wesentliche Änderung eingetreten sei. Die Neufeststellung im Rahmen des § 62 Abs. 1 BVG werde durch den Vermerk, daß eine Nachuntersuchung nicht mehr beabsichtigt sei, nicht berührt. Denn der Beklagte werde durch diesen Vermerk im Umanerkennungsbescheid lediglich im Rahmen des § 86 Abs. 3 BVG gebunden, er gebe dem Beschädigten lediglich die Gewißheit, daß die Versorgungsbehörde von ihrem Ermessen, im Zusammenhang mit der Umanerkennung eine ärztliche Untersuchung anzuordnen, keinen Gebrauch machen werde, wenn eine wesentliche Änderung der Verhältnisse (§ 62 Abs. 1 BVG) nicht vorliege. Im Falle einer Änderung der Verhältnisse müsse jedoch die Verwaltungsbehörde jederzeit das Recht haben, in dem gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen das formelle Recht mit der materiellen Rechtslage in Einklang zu bringen. Was im übrigen die Vorschrift des § 62 Abs. 1 BVG betreffe, so seien seine Voraussetzungen im vorliegenden Falle gegeben. Denn nach den Gutachten der Medizinischen Universitätsklinik Göttingen und des Krankenhauses Nordstadt in Hannover seien beim Kläger eine Eiweißausscheidung im Urin, ein Harnwegsleiden oder sonstige auf eine Nieren- oder Nierenbeckenentzündung bzw. auf eine Funktionseinschränkung der Nieren hinweisende Befunde nicht mehr feststellbar. Damit sei gegenüber den Vorbefunden (Gutachten des Versorgungsamts Braunschweig vom 17. Juli 1935 und der Versorgungsärztlichen Untersuchungsstelle Hannover vom 16. September 1925) eine wesentliche Besserung nachgewiesen. Eine weitere Besserung gegenüber dem im Gutachten vom 17. Juli 1935 erhobenen Befunde liege darin, daß außer den emphysembedingten pulmonalen Insuffizienzen eine wesentliche Beeinträchtigung des Herz-Kreislaufsystems nicht mehr vorliege. Die wesentliche Besserung im Gesamtzustand des Klägers rechtfertige nach den vorliegenden Gutachten den Entzug der Pflegezulage und die Herabsetzung der MdE auf 70 v.H. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen dieses am 14. November 1959 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Schriftsatz vom 9. Dezember 1959, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 11. Dezember 1959, Revision eingelegt. In seiner im selben Schriftsatz vorgetragenen Revisionsbegründung rügt er die Verletzung der §§ 54, 77 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und 62, 86 BVG und trägt vor, das LSG habe zu Unrecht angenommen, daß der im Streit stehende Bescheid seine rechtliche Begründung in der Vorschrift des § 62 Abs. 1 BVG finden könne. Die rechtliche Bedeutung der Erklärung des Beklagten im Bescheid vom 5. Oktober 1951, daß eine Nachuntersuchung nicht mehr beabsichtigt sei, beschränke sich nicht darauf, eine Nachuntersuchung nur nach § 86 Abs. 3 BVG auszuschließen. Die in dem Bescheid uneingeschränkt enthaltene Erklärung habe vielmehr zur Folge, daß alle Nachuntersuchungen, welcher Zweck damit auch immer verfolgt werde, unstatthaft seien. Aus dem eindeutigen, nicht auf die Vorschrift des § 86 Abs. 3 BVG beschränkten Verzicht des Beklagten auf eine Nachuntersuchung folge zwingend auch die Unmöglichkeit, eine Neufeststellung nach § 62 Abs. 1 BVG vorzunehmen, denn eine solche sei ohne ärztliche Nachuntersuchung gar nicht möglich. Deshalb sei schon die vom Beklagten trotz seines ausdrücklichen Verzichts vorgenommene Nachuntersuchung unrechtmäßig erfolgt und dürfe nicht die Grundlage für die Erteilung eines Bescheides nach § 62 Abs. 1 BVG bilden. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß er (der Kläger) in Unkenntnis der rechtlichen Lage die Nachuntersuchung habe vornehmen lassen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des LSG Niedersachsen vom 21. September 1959 die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Hildesheim vom 22. Mai 1957 zurückzuweisen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Auf den Schriftsatz des Klägers vom 9. Dezember 1959 und den des Beklagten vom 16. Februar 1960 wird verwiesen.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Klägers ist durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) und deshalb zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.
Bei Prüfung der Prozeßvoraussetzungen war dem Berufungsgericht zuzustimmen, daß es sich bei der Berufung des Beklagten gegen das Urteil des SG Hildesheim vom 22. Mai 1957 um eine nach § 150 Nr. 1 SGG zulässige Berufung gehandelt hat. In der Rechtsmittelbelehrung des sozialgerichtlichen Urteils ist zwar nicht von einer ausdrücklichen "Zulassung" der Berufung die Rede, aus den Worten "Die Berufung ist ungeachtet des § 148 SGG zulässig, da die Rechtslage grundsätzliche Bedeutung hat", kann jedoch ohne weiteres entnommen werden, daß das SG die Frage der Zulassung im Sinne des § 150 Nr. 1 SGG geprüft hat und diese wegen der "grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache" auch hat zulassen wollen. Das LSG hat deshalb zu Recht eine Sachentscheidung getroffen.
In der Sache hat das LSG zunächst zutreffend entschieden, daß der Beklagte sich zur Rechtfertigung des angefochtenen Bescheides vom 21. November 1953 in Anbetracht des in dem Bescheid vom 5. Oktober 1951 enthaltenen Vermerks, eine ärztliche Nachuntersuchung sei nicht mehr beabsichtigt, nicht auf § 86 Abs. 3 BVG berufen kann. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSG 6, 175 ff) und insbesondere auch des erkennenden Senats (vgl. BSG 11, 237, 238, 239) zu dieser Frage soll die Erklärung in einem ohne vorherige ärztliche Untersuchung erteilten Umanerkennungsbescheid, eine ärztliche Nachuntersuchung sei nicht mehr beabsichtigt, zum Ausdruck bringen, daß die Verwaltung sich entschlossen hat, von ihrem Ermessen, im Zusammenhang mit der Umanerkennung eine Untersuchung vorzunehmen, keinen Gebrauch zu machen. Sie werde also, wenn sich die Verhältnisse nicht wesentlich ändern. (§ 62 Abs. 1 BVG), keine Maßnahmen einleiten, die möglicherweise zu einer anderen ärztlichen Beurteilung und damit zu einer Neufeststellung der Versorgungsbezüge führen könnten. Der Erklärung kommt deshalb eine unmittelbar rechtliche Bedeutung zu; sie schließt mit gestaltender Wirkung in einem bestimmten Rahmen die Möglichkeit aus, das zwischen der Versorgungsverwaltung und dem Berechtigten bestehende Rechtsverhältnis durch Nachuntersuchung und daraus abzuleitende Folgerungen zu ändern. Die Erklärung ist ein gestaltender, den Betroffenen begünstigender Verwaltungsakt, durch den die Möglichkeit einer Neufeststellung nach § 86 Abs. 3 BVG auch dann entfällt, wenn später eine ärztliche Nachuntersuchung ergibt, daß die frühere Bewertung der MdE den tatsächlichen Verhältnissen und den Grundsätzen des BVG nicht entspricht.
Die Revision beanstandet jedoch, daß das LSG den angefochtenen Bescheid mit § 62 Abs. 1 BVG gerechtfertigt hat. Bei dieser sog. Umdeutung durch das Berufungsgericht handelt es sich in Wirklichkeit um das Nachschieben einer anderen rechtlichen Begründung, dessen Zulässigkeit - seitens der Behörde und auch seitens des Gerichts (vgl. hierzu BSG 7, 8, 12) - grundsätzlich bejaht werden muß; sie wird lediglich insoweit eingeschränkt, als der Bescheid hierdurch in seinem Wesen nicht verändert und die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt werden darf (vgl. BSG 3, 209, 216; 7, 8, 12; 11, 237, 239).
Diese nachträgliche Änderung der Rechtsgrundlage begegnet jedoch im vorliegenden Falle keinen Bedenken, da der angefochtene Bescheid hierdurch in seinem Wesen, insbesondere in seinem Ausspruch, nicht geändert worden ist. Bei beiden Vorschriften, § 86 Abs. 3 und § 62 Abs. 1 BVG, handelt es sich um die rechtliche Grundlage einer Neufeststellung mit Wirkung nur für die Zukunft. Im Falle des § 62 Abs. 1 BVG wird die Neufeststellung damit begründet, daß sich die Verhältnisse, die für die bisherige Feststellung maßgebend gewesen sind, inzwischen wesentlich geändert haben. Im Falle des § 86 Abs. 3 BVG kann die Neufeststellung auch erfolgen, wenn eine wesentliche Änderung nicht eingetreten ist oder sich nicht nachweisen läßt; das bedeutet, daß gerade dieser Grund nicht vorzuliegen braucht, er kann jedoch vorliegen. Es ist also durchaus möglich, daß die gleiche Maßnahme sowohl von der einen als auch von der anderen Vorschrift getragen wird (z.B. in Fällen, in denen seit der ohne ärztliche Nachuntersuchung erfolgten Umanerkennung innerhalb der im § 86 Abs. 3 BVG bestimmten Frist eine wesentliche Änderung in den Schädigungsfolgen eingetreten ist). Der Bescheid - ob nun auf § 86 Abs. 3 BVG oder auf § 62 Abs. 1 BVG gestützt - hat die völlig gleiche Maßnahme zum Inhalt und für den Kläger die gleichen Rechtswirkungen. Unter diesen Umständen kann von einer Änderung des Bescheides in seinem wesentlichen Gehalt, insbesondere von einer wesentlichen Verschiedenheit in der Wirkung, nicht gesprochen werden. Das gilt im vorliegenden Falle um so mehr, als schon in dem Bescheid vom 21. November 1953 zur Begründung auch auf eine wesentliche Besserung hingewiesen worden ist.
Durch das Nachschieben der neuen Begründung wird auch die Rechtsverteidigung des Klägers nicht erschwert; denn die nachgeschobene Vorschrift stellt größere Anforderungen an die Neufeststellung, da im Gegensatz zu § 86 Abs. 3 BVG eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nachgewiesen werden muß. Insoweit bedeutet die neue Begründung nur für den Beklagten eine Erschwerung, für den Kläger aber eine Erleichterung seiner Rechtsverteidigung.
Die Voraussetzungen, unter denen nach § 62 Abs. 1 BVG eine Neufeststellung vorzunehmen ist, liegen beim Kläger auch vor. Zunächst war festzustellen, daß durch den Vermerk, eine Nachuntersuchung sei nicht mehr beabsichtigt, eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Veränderung der Verhältnisse nicht ausgeschlossen ist. Diese Erklärung bezieht sich nur auf die durch § 86 Abs. 3 BVG gewährte Möglichkeit. Das ergibt sich ohne weiteres aus der vorstehend schon wiedergegebenen Auslegung der Erklärung, der Versorgungsberechtigte solle durch diesen Vermerk wissen, daß die Versorgungsverwaltung von ihrem Ermessen, im Zusammenhang mit der Umanerkennung eine Nachuntersuchung anzuordnen, keinen Gebrauch machen werde, daß sie also, wenn die Verhältnisse sich nicht wesentlich ändern (§ 62 Abs. 1 BVG), keine Maßnahmen einleiten werde, die zu einer Neufeststellung führen könnten. Es läßt sich auch nicht einwenden, die Beschränkung des Vermerks auf Nachuntersuchungen im Sinne des § 86 Abs. 3 BVG komme in dem Wortlaut der Erklärung nicht hinreichend zum Ausdruck und die Versorgungsverwaltung müsse sie so gegen sich gelten lassen, als ob sie habe erklären wollen, daß für alle Zukunft jede Nachuntersuchung, welcher Zweck auch immer verfolgt werde, unterbleiben werde. Die Erklärung ist in dem Umanerkennungsbescheid enthalten und kann deshalb nur auf eine Untersuchung im Zusammenhang mit der Umanerkennung, also im Rahmen des § 86 Abs. 3 BVG, bezogen werden. Schließlich kann in diesem Zusammenhang die Revision auch nicht damit gehört werden, daß der Kläger der Aufforderung zur Nachuntersuchung folge geleistet habe, ohne dazu - nach der Erklärung des Beklagten im Umanerkennungsbescheid vom 5. Oktober 1951 - nach seiner Auffassung verpflichtet zu sein, deshalb sei die Nachuntersuchung unrechtmäßig erfolgt und könne nicht die Grundlage für die Erteilung eines Bescheides nach § 62 Abs. 1 BVG bilden. Wenn, wie dargelegt, der Beklagte durch die infragestehende Erklärung sich nur im Rahmen des § 86 Abs. 3 BVG gebunden hat und unabhängig davon berechtigt gewesen ist, einen neuen Bescheid nach § 62 Abs. 1 BVG zu erteilen, so ergibt sich daraus auch seine Berechtigung im Rahmen dieser Vorschrift, eine ärztliche Nachuntersuchung des Klägers zu veranlassen. Die vorgenommene Nachuntersuchung war deshalb entgegen der Auffassung der Revision nicht unrechtmäßig, so daß der Kläger sich ihr mit Erfolg auch nicht hätte entziehen können. Deshalb kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger zu Recht in der Tatsache, daß er der Aufforderung zur Nachuntersuchung Folge geleistet hat, (subjektiv) einen - nicht erforderlichen - Verzicht auf sein Recht aus der Erklärung des Beklagten erblickt hat oder erblickt, oder ob, wie das LSG ausgeführt hat, allein durch die Tatsache der erfolgten Nachuntersuchung ein neuer Tatbestand gesetzt worden ist, der den Beklagten berechtigt, nun auch Folgerungen daraus zu ziehen.
Hinsichtlich der Frage, ob in den Verhältnissen, die für frühere Feststellungen maßgebend gewesen sind, eine wesentliche Änderung eingetreten ist, hat das LSG, gestützt auf die Gutachten der Medizinischen Universitätsklinik Göttingen vom 11. April 1953 (mit ergänzender Stellungnahme vom 25. Juni 1956) und des Krankenhauses Nordstadt in Hannover vom 22. März 1957, festgestellt, daß beim Kläger eine Eiweißausscheidung im Urin, ein Harnwegsleiden oder sonstige auf eine Nieren- oder Nierenbeckenentzündung bzw. auf eine Funktionsbeeinträchtigung der Nieren hinweisende Befunde nicht mehr vorliegen; außer einer emphysembedingten pulmonalen Insuffizienz seien auch wesentliche Beeinträchtigungen des Herz- und Kreislaufsystems nicht mehr festzustellen. Die MdE des Klägers betrage deshalb, wie von den Gutachtern geschätzt, nur noch 70 v.H., eine zur Gewährung einer Pflegezulage berechtigende Hilfs- und Pflegebedürftigkeit könne nicht mehr angenommen werden. Gegen diese Feststellungen hat der Kläger Einwendungen nicht erhoben, so daß sie für das Revisionsgericht bindend sind (§ 163 SGG).
Der erkennende Senat brauchte deshalb nur noch zu prüfen, ob das LSG bzw. der Beklagte berechtigt gewesen ist, die im April 1953 erhobenen - und im März 1957 bestätigten - Befunde den in den Jahren 1925 und 1935 erhobenen Befunden gegenüberzustellen, um eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG festzustellen. Denn grundsätzlich wird mit Hilfe des § 62 Abs. 1 BVG nur die Rücknahme solcher Verwaltungsakte ermöglicht, die bei ihrem Erlaß rechtmäßig gewesen sind und erst - durch Änderung der Sach- und Rechtslage - nach ihrem Erlaß fehlerhaft geworden sind (vgl. BSG 7, 8, 11 ff). Auf den vorliegenden Fall angewendet würde das bedeuten, daß der Umanerkennungsbescheid auf Grund des § 62 Abs. 1 BVG nur dann zurückgenommen werden könnte, wenn er durch eine Änderung, die nach seinem Erlaß eingetreten ist, fehlerhaft geworden wäre. Im vorliegenden Falle handelt es sich jedoch bei dem zurückzunehmenden Verwaltungsakt um einen Umanerkennungsbescheid, der nach § 86 Abs. 3 BVG ohne ärztliche Nachuntersuchung ergangen ist und in dem der Leidenszustand, die Pflegebedürftigkeit und der Grad der MdE aus dem vorhergehenden, noch nach dem RVG erteilten Bescheid übernommen worden sind. Für solche ganz besonderen Fälle hat der Senat bereits entschieden (BSG 11, 237, 241), daß es unter ihren ganz besonderen Umständen für die Frage, ob und seit wann eine wesentliche Änderung eingetreten ist, auf den Zeitpunkt abgestellt werden muß, zu dem der frühere Bescheid, also der dem Umanerkennungsbescheid vorhergehende Bescheid nach altem Recht, erlassen worden ist. Das ist vorliegend der nach den Vorschriften des RVG erlassene Bescheid vom 13. August 1935, denn während der Geltungsdauer der dem BVG vorausgehenden SVD 27 sind unter Übernahme der Leidensbezeichnungen, der Pflegebedürftigkeit und des Grades der MdE die früheren Leistungen - nach neuen Sätzen - lediglich wieder zahlbar gemacht worden, ohne daß eine ärztliche Untersuchung mit neuen Befunderhebungen stattgefunden hat. Das LSG hat bei Anwendung des § 62 Abs. 1 BVG deshalb zu Recht die im Jahre 1953 erhobenen - und im Jahre 1957 bestätigten - Befunde den in den Jahren 1925 und 1935 erhobenen Befunden gegenübergestellt (vgl. dazu auch Urteil des erkennenden Senats vom 17. August 1961 im SozR BVG § 62 Bl. Ca 12 Nr. 12).
Da endlich mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. November 1953 auch die im § 62 Abs. 1 BVG vorgeschriebene Zweijahresfrist (vgl. BSG 12, 16 ff) eingehalten worden ist - der Umanerkennungsbescheid vom 5. Oktober 1951 war dem Kläger im Laufe des Oktober 1951 zugestellt worden - liegt ein Verstoß des LSG gegen die als verletzt gerügten Vorschriften nicht vor. Dieses hat zu Recht das Urteil des SG vom 22. Mai 1957 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Berufungsgerichts war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen