Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung eines Ermächtigungsvertrags. Wegfall des Bedürfnisses für eine Ermächtigung
Orientierungssatz
1. Der Wegfall des Bedürfnisses für die Ermächtigung eines Anästhesisten, anästhesiologische Leistungen im Rahmen der stationären kassenärztlichen (belegärztlichen) Versorgung auszuführen, mit der Klärung der Rechtslage durch die Rechtsprechung rechtfertigt, die Frage der Ermächtigung neu zu prüfen. Das Bedürfnis war und ist eine Voraussetzung der erteilten Ermächtigung.
2. Haben sich die Verhältnisse, die für die Ermächtigung maßgebend waren, zwischenzeitlich so wesentlich geändert, daß ein Festhalten an der vertraglichen Regelung nicht mehr zumutbar ist, ist die Kündigung nach § 59 SGB 10 berechtigt.
3. Die kassenärztlichen Vereinigungen sind den Krankenkassen gegenüber verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 368n Abs 1 RVO). Es widerspräche diesem gesetzlichen Auftrag, einen Krankenhausarzt zur Erbringung von Leistungen zu ermächtigen und ihm für diese Leistungen eine gesonderte Vergütung zu gewähren, wenn die Leistungen vom Krankenhaus selbst im Rahmen des Pflegesatzes bereitzustellen sind.
4. Leistungen, die ein am Krankenhaus angestellter Anaesthesist auf Belegabteilungen mit kleinem Pflegesatz erbringt, sind keine gesondert berechenbaren Leistungen eines Belegarztes iS von § 3 Abs 2 BPflV und können grundsätzlich nicht Gegenstand einer Ermächtigung sein (Anschluß an BSG vom 15.9.1977 6 RKa 4/77 = BSGE 44, 244 ff).
Normenkette
SGB 10 § 59 Fassung: 1980-08-18; KHG § 17 Fassung: 1972-06-29; BPflV § 3 Abs 2 Fassung: 1973-04-25; RVO § 368a Abs 8
Verfahrensgang
Tatbestand
Umstritten ist die Fortgeltung der vertraglichen Ermächtigung eines Krankenhausarztes, anästhesiologische Leistungen im Rahmen der stationären kassenärztlichen (belegärztlichen) Versorgung auszuführen.
Der Kläger ist seit 1972 Chefarzt der Anästhesie-Abteilung im K.-H. in A.. Ihm obliegt, soweit sein Fachgebiet berührt wird, die Beratung und Behandlung der Kranken aller Abteilungen dieses Krankenhauses und des am gleichen Ort befindlichen St. J.-H.. In den mit den Trägerinnen beider Krankenhäuser abgeschlossenen Verträgen ist ihm für seine Leistungen auf den Belegabteilungen bei allen Patienten das Liquidationsrecht eingeräumt worden. Von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) wurde ihm sowohl für den Bereich der gesetzlichen Krankenkassen (RVO-Bereich) als auch für den Ersatzkassenbereich in zwei getrennten Verträgen die Ermächtigung erteilt, gemäß § 10 Abs 2 des Bundesmantelvertrages-Ärzte (BMV-Ä) aF bzw nach der Vereinbarung zwischen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Ersatzkassenverbänden vom 5. April 1972 tätig zu werden. Die Ermächtigung erstreckte sich auf die Ausführung von Leistungen, die im Rahmen der stationären kassenärztlichen bzw vertragsärztlichen (belegärztlichen) Versorgung erbracht werden. Der zuletzt für den RVO-Bereich im November 1974 abgeschlossene Vertrag bestimmte in § 5, daß die Beklagte - unbeschadet des Rechts zur fristlosen Kündigung aus einem wichtigen Grunde gemäß § 626 BGB - die auf unbestimmte Zeit abgeschlossene Vereinbarung mit einer Frist von 3 Monaten zum Ende eines Kalendervierteljahres kündigen kann, wenn Umstände eintreten, die bei einem Kassenarzt zur Entziehung der Zulassung führen. Im übrigen wurden nur noch sonstige Beendigungsgründe (die Einstellung der stationären kassenärztlichen Versorgung in den beiden Krankenhäusern sowie die Zulassung oder Beteiligung des Klägers zur bzw an der Kassenpraxis) und ein ausschließlich dem Kläger zustehendes Kündigungsrecht vereinbart.
Im Januar 1982 widerrief die Beklagte die erteilten Ermächtigungen, weil diese aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts -BSG- (Urteil vom 7. Oktober 1981 -6 RKa 5/78-) nicht mehr aufrechterhalten bleiben könnten. Mit Schreiben vom 29. März 1982 erklärte sie, daß der Widerruf als Kündigung zum 30. Juni 1982 aufzufassen sei. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Das Sozialgericht (SG) hat die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die vom Kläger im Rahmen der Ermächtigungsverträge ausgeführten oder noch auszuführenden Leistungen über den 30. Juni 1982 hinaus zu vergüten. Es hat die Auffassung vertreten, daß die Verträge keine Vereinbarung enthielten, die einen Widerruf oder eine Kündigung rechtfertigen könnte. Es käme als Auflösungsgrund, wie neuerdings in § 59 des Sozialgesetzbuches-Verwaltungsverfahren (SGB X) normiert, nur der Wegfall der Geschäftsgrundlage in Betracht. Davon könne hier aber schon deshalb nicht gesprochen werden, weil die (der herangezogenen Rechtsprechung des BSG zugrunde liegende) Bundespflegesatzverordnung (BPflV) vom 25. April 1973 bei Abschluß der Verträge schon gegolten habe. Zudem falle die Geschäftsgrundlage der Verträge erst weg, wenn ein Pflegesatz ausgehandelt werde, der ein Entgelt für die Leistungen des Klägers berücksichtige. Das Landessozialgericht (LSG) ist der Entscheidung des SG nur hinsichtlich der Ermächtigung für den RVO-Bereich gefolgt. Es hat insoweit die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Hinsichtlich der Kündigung des den Ersatzkassenbereich betreffenden Ermächtigungsvertrages hat es auf die Berufung der Beklagten und des beigeladenen Verbandes der Angestellten-Krankenkassen (VdAK) das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen. Es hat sich dabei auf eine Sonderregelung dieses Ermächtigungsvertrages gestützt.
Gegen das Urteil des LSG hat nur die Beklagte Revision eingelegt. Sie macht geltend: Die Ermächtigung für den RVO-Bereich müsse als nicht rechtswirksam angesehen werden. Nach § 3 BPflV habe das Krankenhaus auch anästhesiologische Leistungen auf Belegabteilungen bereitzustellen. Ein Vertrag, der davon abweiche, verstoße gegen ein gesetzliches Verbot, er sei daher nichtig (§ 58 Abs 1 SGB X iVm § 134 BGB). Im Hinblick auf die Schutzwirkung, die § 3 BPflV für die Krankenkassen habe, könne es nicht möglich sein, zu Lasten der Krankenkassen Ermächtigungsverträge abzuschließen. Eine Änderung der Verhältnisse, die die Kündigung des Vertrages rechtfertige, bestehe darin, daß der Inhalt des § 3 BPflV erst durch die Entscheidungen des BSG vom 15. September 1977 und 7. Oktober 1981 konkretisiert worden sei. Das LSG lege insoweit § 59 SGB X zu eng aus. In jedem Falle sei der Vertrag über § 626 BGB kündbar.
Die Beklagte beantragt, in Abänderung des Urteils des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 29. Juni 1983 die Klage in vollem Umfange abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält den Teil der Berufungsentscheidung, gegen den sich die Revision der Beklagten richtet, für zutreffend. Er widerspricht der Revisionsbegründung im einzelnen, vor allem aber wendet er ein: Eine Änderung der Rechtsprechung löse nicht die Rechtsfolgen des § 59 SGB X aus. Zudem sei der Beklagten bereits beim Abschluß der Verträge die Bedeutung der BPflV bekannt gewesen, habe sie doch eine Vielzahl von weiteren Ermächtigungsverträgen nur mit einer Vorbehaltsklausel abgeschlossen. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß die zitierten Entscheidungen des BSG nicht auf den vorliegenden Fall zuträfen; Gegenstand jener Entscheidungen sei nicht die Entziehung, sondern das Begehren auf Erteilung einer Ermächtigung gewesen. Ebenfalls schieden die Grundsätze vom Fehlen bzw Wegfall der Geschäftsgrundlage aus, denn es habe kein gemeinsamer Parteiirrtum vorgelegen. Wenn entgegen der Auffassung des LSG eine Kündigung nach § 626 BGB zulässig wäre, so hätte sie innerhalb von 2 Wochen nach Kenntnis der mutmaßlichen Tatsachen erklärt werden müssen.
Die Beigeladenen zu 1) bis 4) schließen sich dem Antrag der Beklagten an. Der Beigeladene zu 1) meint, das Fehlen der Voraussetzungen für die Ermächtigung müsse in jedem Falle zu einer Korrektur - jedenfalls für die Zukunft - führen, dabei könne es keinen Unterschied machen, ob die Ermächtigung durch Verwaltungsakt oder durch Vertrag erteilt worden sei. Aus der Rechtsprechung des BSG zum Widerruf der Beteiligung (Urteile vom 14. Dezember 1982 -6 RKa 23/81 und 6 RKa 24/81-) folge, daß es auch nicht auf die Frage ankomme, ob die Ermächtigung etwa schon von vornherein rechtswidrig gewesen sei. Das vom LSG gefundene Ergebnis sei auch völlig unpraktikabel, denn die RVO-Kassen müßten danach die Anästhesie-Leistungen auf den Belegabteilungen nach wie vor über die Beklagte an den ermächtigten Arzt bezahlen, während dieselben Leistungen für die Ersatzkassen vom Krankenhausträger an den Arzt gezahlt werden müßten, also den Pflegesatz belasten würden. Die RVO-Kassen hätten dann die für die Ersatzkassen eintretende Ersparnis über den Pflegesatz mitzufinanzieren.
Die Beigeladene zu 5) hat sich nicht am Revisionsverfahren beteiligt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Entscheidung des LSG ist abzuändern, soweit der Klage stattgegeben worden ist. Die Klage ist in vollem Umfange unbegründet.
Die mit der Klage angefochtene Kündigung der zwischen den Beteiligten im Jahre 1974 zustande gekommenen Ermächtigungsverträge ist auch insoweit rechtlich nicht zu beanstanden, als sie sich auf den für den Bereich der gesetzlichen Krankenkassen abgeschlossenen Vertrag bezieht. Die Beklagte war zur Kündigung nach § 59 SGB X berechtigt. Die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen waren, hatten sich seit Abschluß des Vertrages so wesentlich geändert, daß der Beklagten das Festhalten an der vertraglichen Regelung nicht zuzumuten war. Den geänderten Verhältnissen konnte auch nicht durch eine Anpassung des Vertragsinhalts Rechnung getragen werden, der Beklagten blieb daher nur die Möglichkeit, den Vertrag zu kündigen.
Bei Abschluß des Vertrages gingen die Parteien offensichtlich davon aus, daß die anästhesiologischen Leistungen, die im Rahmen der stationären kassenärztlichen (belegärztlichen) Behandlungen im K.-H. und im St. J.-H. in A. zu erbringen waren, nicht von den beiden Krankenhäusern zur Verfügung gestellt werden. Nur unter dieser Voraussetzung ist die dem Kläger erteilte Ermächtigung verständlich; nur unter dieser Voraussetzung war es erforderlich, die Leistungen auf andere Weise zu beschaffen. Deshalb wurde der Kläger ermächtigt, die Leistungen in den Behandlungsfällen auszuführen, in denen die Krankenkasse den "kleinen Pflegesatz" zu zahlen hatte; die Beklagte verpflichtete sich, die Leistungen unter Anwendung der zwischen ihr und der Krankenkasse des jeweiligen Patienten vereinbarten Gebührenregelung zu vergüten.
Zwischenzeitlich hat der Senat entschieden, daß Leistungen, die ein am Krankenhaus angestellter Anästhesist auf Belegabteilungen mit kleinem Pflegesatz erbringt, keine gesondert berechenbaren Leistungen eines Belegarztes iS des § 3 Abs 2 BPflV sind und deshalb grundsätzlich nicht Gegenstand einer Ermächtigung sein können (BSGE 44, 244 ff = SozR 7323 § 3 Nr 1). Die auf § 17 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) beruhende Regelung des § 3 BPflV besagt, daß die Krankenhäuser innerhalb der - allerdings je nach ihrer Leistungsfähigkeit abgestuften - medizinischen Standardversorgung den Umfang ihrer (durch den Pflegesatz abgegoltenen) Leistungen nicht frei bestimmen können, sondern alle medizinisch notwendigen Leistungen entweder selbst (durch ihre angestellten Ärzte oder eigenen Untersuchungseinrichtungen) bereitstellen oder sich auf ihre Kosten beschaffen müssen (BSGE aaO S 250). Die Ausnahmevorschrift des § 3 Abs 2 Satz 1 BPflV findet auf angestellte Krankenhausärzte keine Anwendung, da diese keine Belegärzte sind (BSGE aaO S 251). Im kassenärztlichen und vertragsärztlichen Bereich kann sich eine Einschränkung der Leistungspflicht des Krankenhauses auch nicht aus § 3 Abs 2 Satz 2 BPflV ergeben, denn diese Vorschrift bezieht sich auf ärztliche Wahlleistungen iS des § 6 Abs 4 BPflV; diese werden gegenüber den Versicherten nicht erbracht, da deren Kostenträger keinen Anlaß haben, mit liquidationsberechtigten Krankenhausärzten über das medizinisch notwendige Maß hinaus (§ 184 Abs 1 Satz 2 iVm § 182 Abs 2 der Reichsversicherungsordnung -RVO-) besondere Behandlungsverträge zu schließen (BSGE aaO S 251).
Das K.-H. und das St. J.-H. sind also selbst verpflichtet, die anästhesiologischen Leistungen auch in ihren Belegabteilungen zur Verfügung zu stellen. Gründe, die ausnahmsweise eine Freistellung von dieser Verpflichtung rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich. Der Senat hat eine solche Ausnahme bei reinen Belegkrankenhäusern in Erwägung gezogen (BSGE aaO S 251) bzw anerkannt (BSGE 52, 187 ff = SozR 7323 § 3 Nr 5). Im vorliegenden Fall übersteigen die fraglichen Leistungen nicht die Leistungsfähigkeit der beiden Krankenhäuser. Nach den Feststellungen des LSG hat das K.-H. eine Anästhesie-Abteilung. Der Kläger ist Chefarzt dieser Abteilung. Ihm obliegt auch die Beratung und Behandlung der Kranken des St. J.-H..
Obwohl die beiden Krankenhäuser aus heutiger Sicht schon bei Abschluß des (letzten) Ermächtigungsvertrages im Jahre 1974 verpflichtet waren, die anästhesiologischen Leistungen auch auf den Belegabteilungen bereitzustellen - das KHG und die BPflV waren schon damals geltendes Recht (§ 32 KHG, § 23 BPflV) -, hat die erst später erfolgte Klärung der Rechtslage durch die Rechtsprechung zu einer die Kündigung rechtfertigenden Änderung der Verhältnisse geführt. Es kann dahingestellt bleiben, ob in einer geänderten oder einer die Rechtslage klärenden Rechtsprechung für sich allein eine Änderung der Verhältnisse in dem hier fraglichen Sinne gesehen werden kann und ob ein für den Inhalt eines Vertrages maßgebend gewesener gemeinsamer Parteiirrtum später eine Anpassung oder Kündigung des Vertrages zu rechtfertigen vermag (bejahend die Rechtsprechung auf privatrechtlichem Gebiet zur Frage des Fehlens und des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, vgl Palandt/Heinrichs, BGB, 41. Aufl, Anm 6 zu § 242; Alff in BGB-RGRK, 12. Aufl, RdNr 52 ff zu § 242; - im bejahenden Sinne für den öffentlich-rechtlichen Vertrag: Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, Komm, 1978, RdNr 12 zu § 60; anderer oder einschränkender Auffassung: Knack, Verwaltungsverfahrensgesetz, Komm, 2. Aufl, RdNr 3 zu § 60; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz mit Erläuterungen, 3. Aufl, RdNr 8 zu § 60). Die Klärung der Rechtslage hat nämlich im vorliegenden Fall nicht nur hinsichtlich der subjektiven Verhältnisse (zB der Rechtsauffassung der Vertragsparteien), sondern auch hinsichtlich der objektiven Verhältnisse eine Änderung bewirkt. Aufgrund der zunächst ungeklärten Rechtslage war die anästhesiologische Versorgung auf Belegstationen infrage gestellt. So gingen ersichtlich auch das K.-H. und das St. J.-H. in A. davon aus, daß die in ihren Belegabteilungen erforderlichen anästhesiologischen Leistungen nicht von ihnen im Rahmen des kleinen Pflegesatzes (§ 3 Abs 2 BPflV) zu erbringen waren und deshalb insoweit den angestellten Ärzten ein eigenes Liquidationsrecht (auch gegenüber den Trägern der gesetzlichen Krankenversicherung) eingeräumt werden konnte bzw mußte. Solange die Unrichtigkeit dieser Auffassung nicht feststand, hatte für eine Ermächtigung ein gewisses Bedürfnis bestanden. Die KÄVen, die der Ungewißheit im Rahmen der belegärztlichen Versorgung durch Erteilung einer Ermächtigung Rechnung trugen, berücksichtigten nicht nur eine inzwischen als unrichtig erkannte Rechtsauffassung, sondern auch tatsächliche Verhältnisse, nämlich eine durch das Verhalten der Krankenhäuser geschaffene Bedürfnislage.
Das Bedürfnis entfiel mit der Klärung der Rechtslage. Die Krankenhäuser konnten die anästhesiologischen Leistungen auf den Belegstationen nicht mehr vorenthalten. Die belegärztliche Behandlung der in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Patienten war nun sichergestellt. Der Wegfall des Bedürfnisses rechtfertigte, die Frage der Ermächtigung neu zu prüfen. Das Bedürfnis war und ist eine Voraussetzung der dem Kläger erteilten Ermächtigung. Die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung oblag im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und obliegt auch heute noch in erster Linie den zugelassenen Kassenärzten (§ 368 Abs 1, § 368a Abs 2 und 4, § 368n Abs 1 RVO). Angestellte und im Beamtenverhältnis stehende leitende Krankenhausärzte sind an der kassenärztlichen Versorgung nur zu beteiligen, sofern dies notwendig ist (§ 368a Abs 8 RVO). Darüber hinaus kommt eine Ermächtigung von Nichtkassenärzten, die 1974 im Gesetz überhaupt noch nicht erwähnt wurde, dann in Betracht, wenn und solange die kassenärztliche Versorgung durch zugelassene und beteiligte Ärzte nicht ausreichend sichergestellt ist. Daran hat sich durch die Einbeziehung der Ermächtigung in die gesetzliche Regelung durch das Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz vom 28. Dezember 1976 (BGBl I 3871) im Grunde nichts geändert (§ 368c Abs 2 Nr 12 RVO iVm § 31 ZO-Ärzte, §§ 14 ff BMV-Ä). Die Erteilung einer Ermächtigung setzt voraus, daß sie aus bestimmten Gründen veranlaßt ist (vgl Urteil des Senats vom 8. Juli 1980 -6 RKa 10/79- KVRS 6000/1; bei Früherkennungsmaßnahmen s. jedoch Urteil des Senats vom 19. Juli 1983 -6 RKa 26/81-). Im vorliegenden Fall konnte für die Erteilung der Ermächtigung nur die besondere Bedürfnislage maßgebend gewesen sein. Da sich diese, wie dargelegt, nach Abschluß des Ermächtigungsvertrages wesentlich geändert hatte, kommt es nicht mehr darauf an, ob durch das Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz und die davon ausgehenden die Ermächtigung betreffenden Regelungen in der ZO-Ärzte und dem BMV-Ä ebenfalls eine die Ermächtigung des Klägers berührende Änderung der Verhältnisse eingetreten war.
Der Beklagten kann ein Festhalten an dem umstrittenen Ermächtigungsvertrag nicht zugemutet werden. Die KÄVen sind den Krankenkassen gegenüber verpflichtet, dafür zu sorgen, daß die kassenärztliche Versorgung den gesetzlichen und vertraglichen Erfordernissen entspricht (§ 368n Abs 1 RVO). Es widerspräche diesem gesetzlichen Auftrag, einen Krankenhausarzt zur Erbringung von Leistungen zu ermächtigen und ihm für diese Leistungen eine gesonderte Vergütung zu gewähren, wenn die Leistungen vom Krankenhaus selbst im Rahmen des Pflegesatzes bereitzustellen sind. Die Beklagte kann nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen Vergütungen gewähren, die nicht gerechtfertigt sind. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, daß die Versichertengemeinschaft von der Neuregelung der Krankenhausbehandlung durch das KHG und die BPflV nicht ausgeschlossen bleiben. Im vorliegenden Fall würde ein Festhalten an dem Ermächtigungsvertrag zu einer groben Benachteiligung der gesetzlichen Krankenkassen und ihrer (beitragspflichtigen) Versicherten führen. Abgesehen davon, daß die gesetzlichen Krankenkassen die anästhesiologischen Leistungen für ihre Versicherten und deren Angehörigen dem Kläger gesondert vergüten müßten, würden sie mit dem kleinen Pflegesatz auch die Kosten der entsprechenden Leistungen für andere Patienten mittragen, denn diese dem Krankenhaus entstehende Kosten (zB nach der vom LSG bestätigten Beendigung der Ermächtigung im Ersatzkassenbereich die Kosten für Patienten der Ersatzkassen) beeinflussen die Höhe des kleinen Pflegesatzes. Dem Kläger ist demgegenüber die Beendigung des Ermächtigungsverhältnisses zuzumuten. Sollte dadurch, daß die ihm vom Krankenhaus eingeräumte Liquidationsbefugnis infolge des Wegfalls der Ermächtigung gegenstandslos geworden ist, seine Vergütungsregelung mit dem Krankenhaus nicht mehr seiner Arbeitsleistung entsprechen, käme eine Anpassung der Vergütungsregelung an die geänderten Verhältnisse in Betracht (vgl Bundesarbeitsgericht -BAG- vom 4. Mai 1983 -5 AZR 389/80-).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen