Leitsatz (amtlich)
Ist der Verlust der Zeugungsfähigkeit Schädigungsfolge im Sinne des BVG, so ist im Zweifel anzunehmen, daß aus diesem Verlust auch "seelische Begleiterscheinungen" im Sinne des BVG § 30 Abs 1 S 1 erwachsen.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1956-06-06
Tenor
Das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 24. Oktober 1956 wird aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger, der am 4. Januar 1913 geboren wurde, war vom 23. August 1939 an Soldat; im April 1944 wurde er durch Splitter einer Handgranate verwundet; im Januar 1952 beantragte er, ihm wegen Verlusts des linken Hodens und der Zeugungsfähigkeit sowie wegen Stecksplittern und chronischen Ohrensausens Versorgung zu gewähren. Das Versorgungsamt Wiesbaden ließ den Kläger durch den Facharzt für Hals-, Nasen- und Ohrenleiden Prof. Dr. K und durch den Facharzt für Chirurgie Dr. K untersuchen und begutachten; es erkannte darauf mit Bescheid vom 28. Juni 1954 "1) Verlust des linken Hodens, Splitternarben an beiden Ober- und Unterschenkeln, kleinster Stecksplitter in der Haut der rechten Ellenbeuge, 2) minimale Höreinschränkung rechts mit subjektiven Ohrgeräuschen" als Schädigungsfolgen an; die Gewährung einer Rente lehnte es ab: die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE.) wegen der anerkannten Gesundheitsstörungen betrage nur 10 v. H.; auf die Bedeutung des Verlusts der Zeugungsfähigkeit ging es dabei nicht ein. Mit dem Widerspruch machte der Kläger geltend, er fühle sich durch seine Kriegsverletzung körperlich behindert, durch die Hodenverletzung sei "fast zu 100 v. H. seine Männlichkeit in Frage gestellt". Das Versorgungsamt holte darauf ein Gutachten des Facharztes für Hautkrankheiten Dr. D ein. Dr. D vertrat die Auffassung, daß bei dem Kläger ein Zustand bestehe, der über den Verlust eines Hodens hinausgehe; bezüglich der Potentia generandi (Zeugungsfähigkeit) komme dieser Zustand dem Verlust beider Hoden praktisch gleich; die Potentia coeundi (Fähigkeit, den Geschlechtsverkehr auszuüben) sei gemindert; klinische Erscheinungen ließen sich nicht in dem Maße feststellen, daß sie einen Ausfall der inkretorischen Hodenfunktion beweisen; der Kläger sei durch die Kriegsverletzung zeugungsunfähig geworden.
Dr. D schätzte die MdE. des Klägers auf 20 v. H., er hielt aber eine weitere Untersuchung des Klägers nach einem Jahr zur Prüfung der Entwicklung der Sexualfunktion für notwendig. Das Landesversorgungsamt wies mit Bescheid vom 30. Dezember 1954 den Widerspruch zurück: Ein ursächlicher Zusammenhang des Verlustes der Zeugungsfähigkeit mit der Kriegsverletzung sei nicht "mit ausreichender Wahrscheinlichkeit" nachzuweisen. Der Kläger erhob gegen diesen Bescheid Klage beim Sozialgericht (SG.) Wiesbaden. Das SG. holte ein Gutachten des Facharztes für Urologie Dr. K ein. Dr. K hielt "in hohem Maße" für wahrscheinlich, daß der Verlust der Zeugungsfähigkeit des Klägers in ursächlichem Zusammenhang mit der Verwundung stehe; zu dem Verlust des linken Hodens komme, daß auch der rechte Hoden nicht voll funktionsfähig sei; die Ursache hierfür könne sein, daß der rechte Samenstrang durch Splitterverletzung durchtrennt worden sei, es könne sich aber auch um einen angeborenen oder durch eine frühere Krankheit verursachten Verschluß des rechten Samenleiters handeln. Dr. K schätzte die MdE. "durch den völligen Verlust der Zeugungsfähigkeit" auf 25 v. H. Mit Urteil vom 2. Dezember 1955 entschied das SG. nach dem Antrag des Klägers: "Unter Abänderung des angefochtenen Bescheides wird der Beklagte verurteilt, dem Kläger ab Antragsmonat eine Rente von 30 v. H. zu zahlen". Mit der Berufung machte der Beklagte wiederum geltend, der Verlust der Zeugungsfähigkeit des Klägers sei nicht Schädigungsfolge, die MdE. für die anerkannten Schädigungsfolgen betrage nur 10 v. H.
Das Hessische Landessozialgericht (LSG.) hob mit Urteil vom 24. Oktober 1956 das Urteil des SG. Wiesbaden auf und wies die Klage ab: Es sei zwar wahrscheinlich, daß der Kläger die Zeugungsfähigkeit durch die Kriegsverwundung verloren habe, der Verlust der Zeugungsfähigkeit allein könne aber bei der Bewertung der MdE. nicht berücksichtigt werden; über den Verlust des linken Hodens und der Zeugungsfähigkeit hinausgehende körperliche Veränderungen seien bei dem Kläger nicht festzustellen, klinische Folgeerscheinungen seien nicht vorhanden; auch über das Vorliegen hormonaler Ausfälle und seelischer Veränderungen hätte die Gutachten nichts ergeben; der Verlust der Zeugungsfähigkeit führe auch nicht zu seelischen Begleiterscheinungen, die sich im Erwerbsleben des Klägers "beeinträchtigend" auswirkten. Das LSG. ließ die Revision zu. Das Urteil des LSG. wurde dem Kläger am 5. Februar 1957 zugestellt. Der Kläger legte am 2. März Revision ein und beantragte,
das Urteil des LSG. aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Er begründete die Revision am 1. April 1957: Das LSG. habe nicht feststellen dürfen, daß bei ihm über den Verlust ein Hodens und der Zeugungsfähigkeit hinaus körperliche Veränderungen nicht vorliegen; mit dieser Feststellung habe es sich über die Gutachten der Sachverständigen Dr. K und Dr. D hinweggesetzt; das LSG. habe auch nicht berücksichtigt, daß er vorgetragen habe, durch die Schädigung sei er in seinem gesamten körperlichen Wohlbefinden und in seinem seelischen Gleichgewicht gestört und damit auch in seinem Erwerbsleben erheblich beeinträchtigt, er leide insbesondere an Ermüdungserscheinungen, Körperschwäche und Ernährungsstörungen; das LSG. habe insoweit den Sachverhalt nicht genügend geklärt und damit den § 103 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) verletzt; das LSG. habe auch zu Unrecht die seelische Belastung durch den Verlust der Zeugungsfähigkeit nicht als seelische Begleiterscheinung im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) gewertet.
Der Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision ist zulässig (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG); sie ist auch begründet.
1. Nach dem angefochtenen Bescheid vom 28. Juni 1954 und dem Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1954 ist - neben Splitternarben, einem kleinen Stecksplitter im Arm und einer geringen Höreinschränkung, deren Bewertung für den Grad der MdE. ohne wesentliche Bedeutung ist, - "Verlust des linken Hodens" als Schädigungsfolge anerkannt. Das LSG. hat außerdem festgestellt, daß der Kläger seine Zeugungsfähigkeit verloren habe und daß auch dieser Verlust Schädigungsfolge sei; die Gewährung der begehrten Rente hat es jedoch abgelehnt, weil über den Verlust des linken Hodens und der Zeugungsfähigkeit hinausgehende körperliche Veränderungen nicht vorlägen und der Verlust der Zeugungsfähigkeit für sich allein keine Minderung der Erwerbsfähigkeit bedinge; es hat dazu ausgeführt, die "Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit" begründe nach §§ 29, 30 BVG nur insoweit einen Anspruch auf eine Versorgungsrente, als sie sich im Erwerbsleben des Beschädigten auswirke. Das LSG. ist damit von zutreffenden rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Nach § 29 Abs. 1 BVG hat nur der Beschädigte Anspruch auf eine Rente, dessen Erwerbsfähigkeit infolge seiner Schädigung um wenigstens 25 v. H. gemindert ist; nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG, 1. Halbsatz, ist die MdE. nach der körperlichen Beeinträchtigung im allgemeinen Erwerbsleben zu beurteilen; wenn dabei nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG, 2. Halbsatz, seelische Begleiterscheinungen und Schmerzen in ihrer Auswirkung zu berücksichtigen sind, so liegt darin eine Erweiterung und Ergänzung des Begriffes "Beeinträchtigung"; es handelt sich hier nicht um eine Ausnahme von der Vorschrift des 1. Halbsatzes des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG, daß die Beeinträchtigung nach dem Maße ihrer Bedeutung für des allgemeine Erwerbsleben zu bewerten ist (vgl. auch Urteil des BSG. vom 29.10.1958 - 11/9 RV 280/57). Die Tatsachen, die das LSG. festgestellt hat, reichen indes nicht aus, um die Entscheidung, eine MdE. in einem rentenberechtigenden Grade liege nicht vor, zu rechtfertigen.
2. Das LSG. hat festgestellt, bei dem Kläger seien über den Verlust des linken Hodens und der Zeugungsfähigkeit hinausgehende körperliche und psychische Veränderungen und seelische Begleiterscheinungen, die sich in seinem Erwerbsleben auswirken, nicht vorhanden. Der Kläger rügt zu Recht, daß die medizinischen Beweisunterlagen, die dem LSG. vorgelegen haben, diese Feststellung nicht tragen, daß insbesondere das LSG. die Gutachten der Sachverständigen Dr. D und Dr. K nicht richtig und erschöpfend ausgewertet und gewürdigt und daß es damit gegen die §§ 103 und 128 SGG verstoßen hat. Das LSG. hat ausgeführt, nach den Gutachten des Prof. Dr. K und des Dr. K denen es sich angeschlossen habe, liege bei dem Kläger nur eine MdE. von 10 v. H. vor, dabei sei der Verlust des linken Hodens mitberücksichtigt; indessen hat aber der Facharzt für Hals-, Nasen-, Ohrenleiden Prof. Dr. K in seinem Gutachten vom 30. April 1954 einen Befund an den Geschlechtsorganen überhaupt nicht erhoben; der Facharzt für Chirurgie Dr. K hat zwar in seinem Gutachten vom 24. März ... als krankhaften Befund "Verlust des linken Hodens" angegeben und mitgeteilt, daß - am Tage der Untersuchung - "Klage über Potenzstörungen heute nicht vorgebracht wurden", er hat sich aber nicht dazu geäußert, ob der Kläger zeugungsfähig ist oder welche Ursachen der etwaige Verlust der Zeugungsfähigkeit hat; er ist davon ausgegangen, daß "rechter Hoden und Nebenhoden normal entwickelt und rechter Samenstrang o. B." seien, insoweit ist indessen auch das LSG. diesem Sachverständigen nicht gefolgt. Für die Würdigung des Sachverhalts, soweit die Bewertung der MdE. wegen der krankhaften Befunde an den Geschlechtsorganen und ihrer Folgen in Betracht kommt, sind deshalb nur die Gutachten des Facharztes für Hautkrankheiten Dr. D vom 25. November 1954 und des Facharztes für Urologie Dr. K vom 30. Juni 1955 von Bedeutung. Dr. D hat neben dem Verlust des linken Hodens eine Azoospermie (Fehlen der beweglichen Spermien in der Samenflüssigkeit) und dadurch bedingt den Verlust der Zeugungsfähigkeit (Impotentia generandi) festgestellt; er hat aber auch eine Minderung der Potentia coeundi bejaht; die Frage, inwieweit ein Ausfall der inkretorischen Hodenfunktion vorliegt, hat Dr. D auf Grund der ihm zur Verfügung stehenden Untersuchungsmethoden nicht abschließend beurteilen können; klinische Erscheinungen ("Dickerwerden; Ausfall der männlichen Sexualität") seien "nicht in dem Maße gegeben", daß sie einen Ausfall der inkretorischen Hodenfunktion beweisen. Dr. D hat zusammenfassend festgestellt, daß ein Zustand besteht, der über den Verlust eines Hodens hinausgeht; er hat eine MdE. von 20 v. H. vorgeschlagen, gleichzeitig aber eine Nachuntersuchung - nach einem Jahr - zur Prüfung der weiteren Entwicklung der Sexualfunktion als notwendig angesehen. Dr. K hat die Auffassung vertreten, zu dem Verlust des linken Hodens komme, daß auch der rechte Samenstrang funktionsunfähig sei; es sei allerdings nicht zu klären, ob der rechte Samenstrang durch eine Granatsplitterverletzung durchtrennt worden sei oder ob er von der Geburt an oder infolge einer früheren Krankheit verschlossen sei. Dr. K hat die MdE. des Klägers "durch den völligen Verlust der Fähigkeit, Kinder zu erzeugen", auf 25 v. H. geschätzt.
Bei dieser Sachlage hat das LSG. nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, daß für die Bewertung der MdE. des Klägers nur der Verlust des linken Hodens und der Verlust der Zeugungsfähigkeit zu berücksichtigen seien. Es hat dem Gutachten des Dr. D nicht entnehmen dürfen, daß die krankhaften Befunde an den Geschlechtsorganen keine klinischen Folgeerscheinungen zeitigen, es hat auch nicht ohne weiteres annehmen dürfen, daß keine hormonalen Ausfälle vorliegen; zu dieser Frage hat sich Dr. D offensichtlich nicht eindeutig und vor allem nicht abschließend äußern können und wollen. Dr. K hat zwar bei der Schätzung der MdE. des Klägers auf 25 v. H. nicht im einzelnen dargelegt, inwieweit sich der krankhafte Zustand des Klägers durch körperliche oder psychische Beschwerden oder Ausfallerscheinungen - abgesehen von dem Verlust der Zeugungsfähigkeit - äußert; daraus ist aber noch nicht zu schließen, daß Dr. K solche Beschwerden und Ausfallerscheinungen nicht festgestellt hat. Das LSG. hätte insoweit klären müssen, ob Dr. K nur "den Zustand der körperlichen Versehrtheit" beurteilt hat, oder ob er auch Folgeerscheinungen im Erwerbsleben festgestellt und berücksichtigt hat. Das LSG. hätte auch beachten müssen, daß Verletzungsfolgen in der Genitalsphäre, wenn sie - wie hier - über einen einseitigen Hodenverlust hinausgehen, den Gesamtorganismus beeinträchtigen können; es hätte daher das Krankheitsbild nicht nur in Bezug auf den allgemeinen äußeren Körperbefund, auf die äußeren Genitalien, die sekundären Geschlechtsmerkmale, sondern auch hinsichtlich der Psyche, des vegetativen Nervensystems und der allgemeinen körperlichen und seelischen Leistungsfähigkeit klären müssen; dies um so mehr, als nach dem Gutachten des Dr. D jedenfalls der Verdacht auf eine Unterfunktion der inneren Sekretion der Keimdrüsen, also auf hormonale Ausfälle, besteht (vgl. auch Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen, Neuausgabe 1958 S. 114, Bürkle de la Camp-Rostock, Handbuch der Unfallheilkunde, 2. Aufl., Bd. II S. 492, 493); eine solche Klärung des Krankheitsbildes ist auch nicht deshalb entbehrlich gewesen, weil der Kläger früher einmal angegeben hat, daß er an Ermüdungserscheinungen, Konzentrationsschwäche und Verstimmungszuständen nicht leide. Das LSG. hat daher auf Grund der vorliegenden medizinischen Unterlagen den Grad der MdE. des Klägers noch nicht mit genügender Sicherheit beurteilen können; es hat nicht überzeugt sein dürfen, daß die Schädigungsfolgen des Klägers nicht eine MdE. von wenigstens 25 v. H. bedingen, es hat sich vielmehr gedrängt fühlen müssen, den medizinischen Sachverhalt in der dargelegten Richtung durch Einholung fachärztlicher Gutachten weiter zu klären; es hat jedenfalls die von Dr. D im November 1954 als notwendig erachtete Nachuntersuchung des Klägers zur Prüfung der Entwicklung der Sexualfunktion und etwaiger Folgeerscheinungen veranlassen und auswerten müssen, zumal Dr. K in seinem späteren Gutachten auf diese Fragen nicht mehr eingegangen ist.
3. Das LSG. hat auch festgestellt, "seelische Begleiterscheinungen", die nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG, 2. Halbsatz, bei der Festsetzung der MdE. zu berücksichtigen seien, lägen nicht vor; es sei weder dargelegt noch ersichtlich, daß der Verlust der Zeugungsfähigkeit bei dem Kläger zu seelischen Begleiterscheinungen geführt habe, die sich in seinem Erwerbsleben "beeinträchtigend" auswirkten. Auch für diese Feststellung fehlt es aber an ausreichenden Unterlagen. Der Verlust der Zeugungsfähigkeit beeinträchtigt die Integrität der Persönlichkeit in ihrem Kern; diese Beeinträchtigung ist durchaus geeignet, seelische Begleiterscheinungen hervorzurufen; davon ist auch das LSG. ausgegangen; denn es hat "dem Kläger zugestanden", daß sein "seelisches Gleichgewicht" gestört sei. Die seelische Reaktion auf den Verlust der Zeugungsfähigkeit mag, je nach Persönlichkeit und Gestaltung der Lebensverhältnisse im einzelnen verschieden sein, auf jeden Fall kann aber ein normal empfindender Mann einen solchen Verlust und seine Folgen nur als einen schweren, ihn immer wieder beschäftigenden und zu inneren Auseinandersetzungen veranlassenden Schicksalsschlag betrachten. Das Gefühl, im Kern seiner Persönlichkeit getroffen und geschädigt zu sein und in den Augen seiner Umwelt nicht als vollwertig zu erscheinen, drängt sich dabei dem Betroffenen zwangsläufig auf und nimmt seine Gedanken in Anspruch; auch der Kläger bringt dies zum Ausdruck, indem er sagt, daß er sich "in seiner Männlichkeit in Frage gestellt" fühle. Solche "inneren Konfliktsituationen" beeinflussen in der Regel auch die äußere Lebensführung, insbesondere auch den Kontakt mit der "Umwelt" und die Reaktion der "Umwelt"; sie beeinflussen das Verhalten des Betroffenen in der "Gesellschaft" und gegenüber Arbeitskameraden und Vorgesetzten, damit aber auch deren Verhalten gegenüber dem Betroffenen und so - insgesamt gesehen - auch Leistung und Erfolg des Betroffenen im "Erwerbsleben". Dies alles liegt, auch wenn die Auswirkungen im einzelnen nur schwer "faßbar" sind, so nahe, daß es der Darlegung besonderer Tatsachen hierfür und ihres Nachweises nicht bedarf; es handelt sich insoweit um einen "typischen Geschehensablauf" (vgl. Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts, 7. Aufl., § 111 IV 3 a, S. 524); die Regel des Lebens spricht für diese Tatsache, das Gericht darf sie ohne weitere Beweiserhebung als erwiesen ansehen (Rosenberg a. a. O. u. § 114 III 3 d, S. 539). In den Fällen, in denen der Verlust der Zeugungsfähigkeit Schädigungsfolge im Sinne des BVG ist, ist deshalb im Zweifel anzunehmen, daß aus diesem Verlust auch "seelische Begleiterscheinungen" im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG erwachsen. Das LSG. hätte deshalb, wenn es seelische Begleiterscheinungen im Sinne des § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG verneinen wollte, besondere Umstände darlegen müssen, die ausnahmsweise eine solche Feststellung rechtfertigten; insoweit hat aber das LSG. keine Tatsachen festgestellt.
4. Das LSG. hat sonach über die Berufung des Beklagten entschieden und die Klage abgewiesen, obwohl der Sachverhalt noch nicht genügend geklärt ist. Die Revision ist daher begründet. Da die Möglichkeit besteht, daß das LSG., wenn es weitere Erhebungen anstellt, zu einem anderen Ergebnis kommt, ist das Urteil aufzuheben, gleichseitig ist die Sache an das LSG. zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Schlußurteil vorbehalten.
Fundstellen