Leitsatz (amtlich)
Ist aus Anlaß des Übergangs einer aktiven (Lungen-) Tbc in eine inaktive die Minderung der Erwerbsfähigkeit "wegen wesentlicher Änderung der Verhältnisse" herabgesetzt worden und dauert die Inaktivität der Tbc längere Zeit - etwa 5 Jahre - ohne Rückfälle an, so kann die damit eingetretene klinische Heilung eine weitere wesentliche Änderung der Verhältnisse iS des BVG § 62 darstellen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse iS von BVG § 62 liegt nur vor, wenn sich die Verhältnisse, die beim Erlaß des Verwaltungsaktes in Wirklichkeit (objektiv) vorlagen, geändert haben; es kommt nicht darauf an, von welchen Verhältnissen die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, ausgegangen ist, was also subjektiv für sie beim Erlaß des Verwaltungsaktes maßgebend gewesen ist.
Konnte der Kläger sein Studium trotz des Leidens (Lungen-Tbc) durchführen und gestattet es ihm die Tätigkeit als Bankangestellter, dann kann nicht angenommen werden, daß es ihn daran gehindert hätte, den Vorbereitungsdienst für den höheren Justiz-und Verwaltungsdienst zu leisten und das Assessorenexamen abzulegen; die Annahme besonderen beruflichen Betroffenseins (BVG § 30) ist daher nicht gerechtfertigt.
2. Eine Änderung der Verhältnisse kann nicht nur in abweichenden ärztlichen Befunden liegen, sondern ebenso in der wesentlichen Änderung jedes Umstandes, der für den Erlaß des Verwaltungsaktes maßgebend war.
Die Änderung von Einzelbefunden oder Änderungsformen eines Leidens genügt dann nicht zur Anwendung des BVG § 62, wenn der Leistungszustand im ganzen der gleiche geblieben ist; es ist stets auf den Gesamtzustand des Leidens abzustellen. Eine andere Beurteilung des Leidenszustandes rechtfertigt die Annahme einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse dann nicht, wenn bei objektiv gleichbleibenden Befunden lediglich eine unrichtige Beurteilung richtiggestellt wird.
Nach Erlaß des Leistungsbescheides müssen Umstände eintreten, die eine Änderung des Leidenszustandes selbst bedeuten und deshalb auch eine Änderung der ärztlichen Beurteilung des Leidenszustandes begründen; der bloße Zeitablauf, etwa das Altern des Beschädigten, genügt hierzu regelmäßig nicht, sofern dadurch das Leiden als solches nicht berührt wird.
Normenkette
BVG § 62 Fassung: 1950-12-20, § 30 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1956-06-06
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Schleswig vom 20. Januar 1959 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Der Kläger wurde unmittelbar nach seiner Entlassung aus russischer Gefangenschaft wegen Lungentuberkulose von April bis September 1947 im Krankenhaus behandelt. Mit Bescheid vom 6. Februar 1948 wurde ihm auf Grund des Gutachtens des Lungenfacharztes Dr. G ab 1. Oktober 1947 Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H. wegen zu stationärem Verlauf neigender, produktiv-infiltrativer, vorwiegend linksseitiger Lungentuberkulose gewährt. Nach Untersuchung durch den Lungenfacharzt Dr. S am 30. September 1949, der eine "sicher aktive Tuberkulose" annahm, wurde die Rente durch Bescheid vom 9. November 1949 ab 1. Dezember 1949 nach einer MdE um 70 v. H. gewährt, durch Bescheid vom 24. Oktober 1950 aber ab 1. Dezember 1950 wieder auf den einer MdE um 50 v. H. entsprechenden Betrag gesenkt, weil die Nachuntersuchung durch den Lungenfacharzt Dr. G am 5. April 1950 keine Zeichen einer aktiven Tuberkulose mehr ergeben hatte. Im Umanerkennungsbescheid vom 23. Oktober 1952 wurden ohne weitere Untersuchung der Bescheid vom 24. Oktober 1950 aufgehoben, die MdE um 50 v. H. und die Begründung hierfür jedoch übernommen. Als Schädigungsfolgen wurden beiderseitige, wenig ausgedehnte, vorwiegend produktive Obergeschoßtuberkulose ohne nachweisbare Aktivität und ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Granatsplitterverwundung am linken Unterschenkel anerkannt.
Bei einer weiteren Nachuntersuchung am 18. Mai 1955 sah Dr. G die Lungentuberkulose als nunmehr völlig ausgeheilt an, weil die Blutsenkung normal sei, die wenigen Herdschatten in den beiden Lungenobergeschossen hart seien und mit Sicherheit als ruhend bezeichnet werden könnten und auch eine ausreichende zeitliche Sicherung bestehe. Da die Folgen der Granatsplitterverletzung am linken Unterschenkel belanglos seien, betrage die MdE nur noch 30 v. H. Durch Neufeststellungsbescheid vom 18. August 1955 wurde wegen zwischenzeitlicher Ausheilung der Lungentuberkulose die Rente ab 1. Oktober 1955 auf den einer MdE um 30 v. H. entsprechenden Betrag herabgesetzt. Als Schädigungsfolgen wurden beiderseitige, wenig ausgedehnte produktive Obergeschoßtuberkulose und Narben nach Granatsplitterverwundungen am linken Unterschenkel anerkannt.
Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Die Klage wurde nach Anhörung des Obermedizinalrats Dr B durch Urteil des Sozialgerichts vom 4. Juni 1957 mit der Begründung abgewiesen, eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 Bundesversorgungsgesetz (BVG) sei gegeben, weil auf Grund des Gutachtens von Dr. G feststehe, daß die Lungentuberkulose inzwischen völlig ausgeheilt sei.
Mit der Berufung wandte sich der Kläger gegen die Annahme einer wesentlichen Änderung seines Gesundheitszustandes. Das Landessozialgericht (LSG) holte Befundberichte von dem praktischen Arzt Dr. B, dem Fachinternisten Dr. B und von den Lungenfachärzten Dr. P und Dr. L ein. Der Beklagte legte ein Gutachten des Lungenfacharztes Dr. H vom 28. Juli 1958 vor; das LSG hörte den Chefarzt des Krankenhauses und Tuberkulose-Forschungsinstituts B, Lungenfacharzt Dr. B als Sachverständigen. Dieser sah die Lungentuberkulose des Klägers als mit Sicherheit seit 1950 völlig inaktiv an. Das LSG wies mit Urteil vom 20. Januar 1959 die Berufung zurück. Wenn auch die objektiven Befunde der Lungentuberkulose bei der Umanerkennung im Oktober 1952 von den zur Zeit der Neufeststellung im August 1955 nicht wesentlich abwichen, so sei doch die sichere Inaktivität der Lungentuberkulose bei der im April 1950 erfolgten letzten Begutachtung vor der Umanerkennung nur "angenommen" und erst im Mai 1955 "festgestellt" worden. Das ergebe sich aus einem Vergleich des Wortlauts des Umanerkennungsbescheides mit dem des Neufeststellungsbescheides: Während es dort heiße, die Tuberkulose sei "ohne nachweisbare Aktivitätszeichen", sei hier die Tuberkulose als ausgeheilt bezeichnet. Eine wesentliche Änderung im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG sei deshalb gegeben. Das LSG ließ die Revision zu.
Die Revision des Klägers rügt zunächst Verfahrensverstöße. Zu Unrecht habe das LSG die Diagnose des Dr. S "aktive Lungentuberkulose" als irrig angesehen. Geirrt habe sich vielmehr Dr. G, wie sich aus dem Vergleich seiner Gutachten mit denen des Dr. S und des Dr. B ergebe. Ein zweiter Verfahrensmangel liege darin, daß der Beklagte Dr. G mit der Nachuntersuchung beauftragt habe, obwohl dessen erstes Gutachten durch Dr. S entkräftet worden sei. Verletzt sei weiter § 62 Abs. 1 BVG. Die Voraussetzungen dieser Bestimmung seien vom LSG zu Unrecht bejaht worden, denn auf Grund des gleichen Befundes habe der Beklagte zweimal die Rente herabgesetzt. Die Ausheilung der Lungentuberkulose des Klägers habe im Neufeststellungsbescheid nicht sicher festgestellt werden können, wie das LSG meine. Das LSG stütze sich daher auf ein nachträgliches Gutachten von Dr. B, der sich in der Hauptsache auf das Gutachten des Dr. H beziehe. Dieses Gutachten sei aber anzuzweifeln, weil nach dem Gutachten von Dr. L Verdacht auf Bronchiektasen und damit auf Aktivität der Tuberkulose bestehe. Selbst wenn jetzt, nach einigen Jahren Heilbewährung, eine gewisse Besserung im Zustand des Klägers angenommen werden könne, rechtfertige dies - ausgehend von der MdE um 70 v. H. - höchstens die Herabsetzung der Rente auf den einer MdE um 50 v. H. entsprechenden Betrag. Die im Dezember 1950 erfolgte Herabsetzung der MdE von 70 auf 50 v. H. sei verfrüht gewesen, die nunmehr erneut vorgenommene Herabsetzung von 50 auf 30 v. H. selbst unter Berücksichtigung der Heilbewährung nicht gerechtfertigt. Der Kläger habe auch weder behauptet, nur aus beruflichen Gründen an der MdE um 50 v. H. und damit an der Schwerbeschädigteneigenschaft festzuhalten, noch könne davon gesprochen werden, daß er wegen seiner Lungentuberkulose nur noch in ärztlicher Beobachtung und nicht mehr in ärztlicher Behandlung stehe. Diese sei in keinem Zeitpunkt unterbrochen worden. Bloße Kontrolluntersuchungen habe nur das Gesundheitsamt durchgeführt. Die Lungentuberkulose schwäche ihm so, daß er nur auf Kosten seiner Gesundheit überhaupt arbeiten könne. Arbeitsleistungen, wie sie zur Vorbereitung auf das Assessorenexamen oder die Promotion nötig seien, könne er nicht erbringen, weshalb ihm der Zugang zum höheren Dienst verschlossen sei.
Der Kläger beantragt, den Beklagten in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen zur Weitergewährung der Rente nach einer MdE um 50 v. H. über den 1. Oktober 1955 hinaus zu verurteilen.
Der Beklagte hält unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme von Prof. Dr. H zum Begriff der Heilbewährung das angefochtene Urteil für zutreffend und beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG) und daher zulässig. Sie erweist sich sachlich jedoch nicht als begründet.
Die Verfahrensrügen gehen fehl. Soweit die Revision beanstandet, das LSG habe angenommen, die Diagnose des Dr. S "aktive Lungentuberkulose" sei irrig, während sich in Wahrheit Dr. G mit der Beurteilung "ohne nachweisbare Aktivität" geirrt habe, greift sie die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts an (§ 128 SGG). Die Rüge ist jedoch nicht begründet, denn aus den Gutachten des Dr. S und des Dr. B ergibt sich nicht, daß Dr. S irrtümlich Aktivitätszeichen der Lungentuberkulose des Klägers verneinte. Aus dem Gutachten des Dr. S kann dies schon deshalb nicht gefolgert werden, weil dieses Gutachten vor der von der Revision als irrig bezeichneten Diagnose des Dr. G erstattet wurde, und auch aus dem Befundbericht des Dr. B ist kein Anhalt für eine zeitlich nach der Diagnose des Dr. G festgestellte aktive Lungentuberkulose zu gewinnen. Gestützt auf die Gutachten des Lungenfacharztes Dr. H und des Chefarztes des Krankenhauses B, Dr. B, konnte das LSG ohne Verstoß gegen § 128 SGG auch feststellen, daß kein Anhalt für Bronchiektasien vorhanden ist. Die weitere Rüge, es stelle einen Verfahrensmangel dar, daß Dr. G mit der Nachuntersuchung beauftragt wurde, obwohl sein erstes Gutachten von Dr. S entkräftet worden sei, bezieht sich nicht auf das Verfahren des LSG, sondern auf das der Versorgungsverwaltung. Sie kann deshalb die Revision nicht begründen (vgl. SozR SGG § 162 Bl. Da 8 Nr. 40 und Nr. 41).
Das angefochtene Urteil hält aber auch der materiell-rechtlichen Nachprüfung stand. Unter den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit des Neufeststellungsbescheides vom 18. August 1955 streitig. Der Kläger begehrt der Sache nach die Aufhebung dieses Bescheids, denn allein daraus würde sich schon die Verpflichtung des Beklagten zur Rentenzahlung nach der im Umanerkennungsbescheid festgestellten MdE um 50 v. H. über den 1. Oktober 1955 hinaus ergeben. Streitgegenstand ist somit nur die durch den Bescheid vom 18. August 1955 erfolgte Änderung des zwischen den Beteiligten bindend gewordenen Umanerkennungsbescheides zum Nachteil des Klägers. Die Einwendungen der Revision gegen die Bindungswirkung des Umanerkennungsbescheides sind nicht begründet, denn dieser Bescheid war mit der nach § 66 SGG vorgeschriebenen fehlerfreien Rechtsbehelfsbelehrung versehen und wurde deshalb nach Ablauf der Anfechtungsfrist gemäß § 77 SGG bindend. Selbst wenn man aber mit der Revision diese Rechtsbehelfsbelehrung als unvollständig ansehen wollte, so ist jedenfalls der Umanerkennungsbescheid nach §§ 66 Abs. 2, 77 SGG ein Jahr nach Zustellung bindend geworden, weil kein Anhalt dafür ersichtlich ist, daß die Einlegung des Rechtsbehelfs infolge höherer Gewalt unmöglich gewesen wäre und der Bescheid auch keine schriftliche Belehrung dahin enthielt, ein Rechtsbehelf sei nicht gegeben.
Den bindend gewordenen Umanerkennungsbescheid durfte der Beklagte zum Nachteil des Klägers nur ändern, wenn dafür eine gesetzliche Grundlage bestand. Das LSG hat dies zutreffend bejaht. Da der Neufeststellungsbescheid erst am 18. August 1955 erging und deshalb nicht mehr auf § 86 Abs. 3 BVG gestützt werden konnte, kam als gesetzliche Grundlage für die Herabsetzung der MdE nur § 62 BVG in Betracht. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift hielten der Beklagte wie die Vorinstanzen mit Recht für gegeben. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liegt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 62 BVG nur vor, wenn sich die Verhältnisse, die beim Erlaß des Verwaltungsakts in Wirklichkeit (objektiv) vorlagen, geändert haben. Es kommt nicht darauf an, von welchen Verhältnissen die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, ausgegangen ist, was also subjektiv für sie beim Erlaß des Verwaltungsaktes maßgebend gewesen ist (BSG 7, 8). Wären unter dem Begriff der Verhältnisse, die für die Feststellung der Versorgungsbezüge maßgebend sind, nur die ärztlichen Befunde zu verstehen, so könnte hier das Vorliegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zweifelhaft sein, denn der Befund "beiderseitige, wenig ausgedehnte vorwiegend produktive Obergeschoßtuberkulose ohne nachweisbare Aktivität", den der Umanerkennungsbescheid wiedergibt, weicht nicht wesentlich von dem Befund des Neufeststellungsbescheides "beiderseitige, wenig ausgedehnte produktive Obergeschoßtuberkulose" ab. Indessen kann eine Änderung der Verhältnisse nicht nur in abweichenden ärztlichen Befunden liegen, sondern ebenso in der wesentlichen Änderung jedes Umstandes, der für den Erlaß des Verwaltungsakts maßgebend war (vgl. für die Änderung der rechtlichen Grundlagen des Versorgungsanspruchs BSG 10, 202, für die Änderung der Einkommensverhältnisse BSG 13, 56). Die Änderung von Einzelbefunden oder Äußerungsformen eines Leidens genügt jedoch dann nicht zur Anwendung des § 62 BVG, wenn der Leidenszustand im ganzen der gleiche geblieben ist (BSG 13, 230). Es ist also stets auf den Gesamtzustand des Leidens abzustellen. Eine andere Beurteilung des Leidenszustandes rechtfertigt allerdings die Annahme einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse dann nicht, wenn bei objektiv gleichbleibenden Befunden lediglich eine unrichtige Beurteilung richtig gestellt wird (BSG 6, 25; 8, 241). Es müssen vielmehr nach Erlaß des Leistungsbescheides Umstände eintreten, die eine Änderung des Leidenszustandes selbst bedeuten und deshalb auch eine Änderung der ärztlichen Beurteilung des Leidenszustandes begründen. Der bloße Zeitablauf, etwa des Altern des Beschädigten, genügt hierzu regelmäßig nicht (BSG 13, 89; 14, 172), sofern dadurch das Leiden als solches nicht berührt wird. Bei der Lungentuberkulose spielt indes der Zeitfaktor für die Beurteilung des Leidenszustandes eine wesentliche Rolle, nämlich dann, wenn Aktivitätszeichen der Tuberkulose für längere Zeit ausbleiben. Wie Prof. Dr. M, Leiter der Tuberkulose-Heilstätte T, in seiner Stellungnahme zum Begriff der Heilungsbewährung darlegt, wird bei einer zur Ruhe gekommenen Tuberkulose (inaktive Tuberkulose) ein rückfallfreier Zeitraum von fünf Jahren als "Bewährungsfrist" zur Sicherstellung der Heilung vom Deutschen Zentralkomitee zur Bekämpfung der Tuberkulose gefordert. Nach medizinischer Erfahrung erlaubt es also der Charakter der Tuberkuloseerkrankung regelmäßig erst bei fünfjähriger Inaktivität, die klinische Heilung, d. h. das "zum Stillstand-Kommen" der in ihren verkapselten Herden erkennbar bleibenden Krankheit mit genügender Sicherheit festzustellen. Diese Erfahrung bewirkt die unterschiedliche Beurteilung des Leidenszustandes einer inaktiven Lungentuberkulose, je nachdem, ob die Aktivitätszeichen erst seit kurzer Zeit oder bereits seit fünf Jahren fehlen, und rechtfertigt nach längerer Inaktivität auch die Annahme einer geringeren MdE (vgl. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen, Neuausgabe 1958 S. 82 zu d und h). Die wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG gegenüber dem Stadium des Übergangs von Aktivität zur Inaktivität liegt hier in dem jahrelangen Inaktivbleiben einer vorher aktiven und ihrer Natur nach zu Rückfällen neigenden Krankheit. Die Anwendung des § 62 BVG auf den vorliegenden Fall begegnet daher keinen rechtlichen Bedenken. Wollte man der Versorgungsverwaltung die Befugnis verwehren, die fünfjährige Inaktivität bei einer Lungentuberkulose als wesentliche Änderung der Verhältnisse zu berücksichtigen, so wäre sie gezwungen, nicht nur Besserung, sondern schon klinische Heilung anzunehmen, sobald Aktivitätszeichen der Lungentuberkulose erstmals ausbleiben, weil sie andernfalls Gefahr liefe, die klinische Heilung der Tuberkulose mit § 62 BVG nicht mehr erfassen zu können. Dies würde der Natur dieses Leidens, das längere Zeit nach Abheilung noch Rückfälle befürchten läßt und dessen endgültige Heilung nur in Abschnitten - zuerst Übergang von Aktivität zur Inaktivität, dann erst Anhalten der Inaktivität - festgestellt werden kann, wie auch den berechtigten Interessen der Tuberkulosekranken zuwiderlaufen. Unter Würdigung dieser Gesichtspunkte ist bei der Tuberkulose ein inaktiver Zeitablauf von fünf Jahren regelmäßig als wesentliche Änderung der Verhältnisse (klinische Heilung) anzusehen.
Die Versorgungsverwaltung und die Vorinstanzen konnten daher ohne Rechtsirrtum in der klinischen Heilung eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 BVG erblicken, weil nach dem Übergang der aktiven Lungentuberkulose in eine inaktive Tuberkulose der Zustand der Inaktivität im Zeitpunkt der Neufeststellung fünf Jahre angedauert hatte.
Der Sachverhalt bietet auch keinen Anhalt dafür, daß etwa der Kläger durch die Tuberkulose in seinem Beruf wesentlich mehr beeinträchtigt wird als im allgemeinen Erwerbsleben, zumal er im Beruf keinen besonderen körperlichen Anstrengungen ausgesetzt ist. Konnte er sein Studium trotz des Leidens durchführen und gestattet es ihm die Tätigkeit als Bankangestellter, so kann nicht angenommen werden, daß es ihn daran gehindert hätte, den Vorbereitungsdienst für den höheren Justiz- und Verwaltungsdienst zu leisten und das Assessorenexamen abzulegen. Die Annahme besonderen beruflichen Betroffenseins (§ 30 BVG) ist daher nicht gerechtfertigt.
Die Revision mußte somit als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen