Leitsatz (redaktionell)
1. Zum Begriff der beruflichen Fortbildung - Abgrenzung zur Umschulung.
2. Zur Frage, ob es sich bei einem Lehrgang "Kaufmännisches Grundwissen für technische Berufe" um eine Maßnahme der Fortbildung oder der Umschulung handelt.
Orientierungssatz
Das Erweitern vorhandener Kenntnisse im Rahmen beruflicher Fortbildung iS des AFG § 41 Abs 1 ist sowohl in qualitativer als auch in quantitativer Hinsicht zu verstehen.
Normenkette
AFG § 41 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25, § 43 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1969-06-25, § 47 Abs. 1 Fassung: 1969-06-25; AFuU § 3 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 30.09.1975; Aktenzeichen L 5 Ar 807/72) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 21.04.1972; Aktenzeichen S 7b Ar 971/71) |
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 30. September 1975 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der 1943 geborene Kläger ist gelernter Werkzeugmacher und hat diesen Beruf von 1962 bis 1973 - mit Unterbrechung durch den Wehrdienst - in der Firma D AG ausgeübt. Seit 1. Juli 1973 ist er bei der Firma S in S als Sachbearbeiter in der Marketing-Abteilung beschäftigt.
In der Zeit vom 21. September 1970 bis 24. Juli 1971 nahm der Kläger an einem Abendkurs "Kaufmännisches Grundwissen" teil, der vom Berufsfortbildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Stuttgart veranstaltet wurde. Der Lehrgang umfaßte 320 Unterrichtsstunden und schloß mit einer Prüfung durch den Maßnahmeträger ab.
Den Antrag des Klägers vom 22. September 1970, seine Teilnahme an diesem Lehrgang zu fördern, lehnte die Beklagte ab, weil die Maßnahme nicht mit einem qualifizierenden Abschluß im Sinne von § 3 Abs. 3 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit (BA) über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 9. September 1971 - AFuU 1971 - (ANBA 1971, 797) ende (Bescheid vom 23. Februar 1971; Widerspruchsbescheid vom 17. März 1971).
Die Klage hiergegen hat das Sozialgericht (SG) Stuttgart durch Urteil vom 21. April 1972 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg durch Urteil vom 30. September 1975 zurückgewiesen. Das LSG hat die Revision zugelassen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG, das eine schriftliche Auskunft der Firma S vom 6. August 1975 und der Industrie- und Handelskammer Stuttgart vom 25. August 1975 eingeholt hatte, insbesondere ausgeführt: Bei dem vom Kläger besuchten Lehrgang habe es sich um eine Maßnahme der beruflichen Umschulung gehandelt. Obwohl es ein gesetzlich festgelegtes Berufsbild des technischen Kaufmanns nicht gebe, liege der Schwerpunkt der vom Kläger angestrebten Betätigung in einem derartigen Beruf generell im kaufmännischen Bereich, während seine bisherige berufliche Tätigkeit ihn ausschließlich als gewerblichen Arbeitnehmer ausweise. Nach den vom Arbeitgeber des Klägers erhaltenen Auskünften habe seine Tätigkeit im wesentlichen kaufmännischen Charakter. Für eine Förderung dieser Maßnahme fehle es jedoch an den Voraussetzungen des § 36 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Danach dürften Leistungen zur individuellen Förderung der beruflichen Bildung nur gewährt werden, wenn die Förderung unter Berücksichtigung der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes sowie der beruflichen Eignung des Antragstellers zweckmäßig erscheine. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) komme es bei der Prüfung der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit einer Umschulungsmaßnahme zwar grundsätzlich auf die Verhältnisse in dem angestrebten Beruf an, nicht aber auf einen Vergleich mit den Verhältnissen im bisherigen Beruf. Dieser Auffassung könne das LSG nicht im vollen Umfang folgen. Es könne nicht angenommen werden, daß der Gesetzgeber mit seinem Anliegen, die berufliche Beweglichkeit von Arbeitnehmern zu stärken, jede Umschulungsmaßnahme ohne Rücksicht auf die bisherige berufliche Situation des Umschülers gefördert wissen wollte, sofern sie nur zu einer Verbesserung bzw. Erweiterung der Beschäftigungsmöglichkeiten des Arbeitnehmers führe. Hierbei sei insbesondere an solche Arbeitnehmer zu denken, die im bisherigen Beruf ein hinreichendes Maß an beruflicher Beweglichkeit und Sicherheit erreicht hätten. Die Zweckmäßigkeit im Sinne von § 36 AFG habe sich deshalb auch an der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes im Ausgangsberuf zu orientieren. Entsprechend sei die Beklagte in § 8 AFuU 1971 vorgegangen. Für den vorliegenden Fall bedeute dies, daß durch die Umschulung des Klägers arbeitsmarkt- oder sozialpolitischen Bedürfnissen nicht besser entsprochen werden könne, als es ohne diese Maßnahme möglich wäre. Der Arbeitsplatz des Klägers als Werkzeugmacher sei offenbar nicht gefährdet gewesen. Bei dem bisherigen Beruf des Klägers handele es sich, wie allgemeine bekannt sei und darüber hinaus der in der ersten Instanz gehörte Förderungsberater K. auch ausdrücklich bekundet habe, um einen ausgesprochenen Mangelberuf. Der gegenteilige Vortrag des Klägers sei nicht stichhaltig. Bei der Tätigkeit des Klägers habe es sich auch nicht um eine unterwertige Beschäftigung gehandelt, die die Beklagte gemäß § 2 Abs. 1 AFG zum Eingreifen verpflichten würde. Ferner habe es dem Kläger nicht an Aufstiegsmöglichkeiten im bisherigen Beruf gefehlt. Das LSG führt schließlich mit näherer Begründung an, daß auch keine gesundheitlichen Gründe den Kläger veranlassen mußten, einen Berufswechsel vorzunehmen und diesen demgemäß als zweckmäßig erscheinen zu lassen.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 103, 128 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie der §§ 36, 41, 43 und 47 AFG durch das LSG. Er trägt insbesondere vor: Das LSG sei zu Unrecht davon ausgegangen, daß der vom Kläger absolvierte Lehrgang "Kaufmännisches Grundwissen für technische Berufe" für ihn eine Maßnahme der beruflichen Umschulung gewesen sei; hierbei habe es sich vielmehr um eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung gehandelt. Die Teilnahme an der Maßnahme habe zum Ziel gehabt, die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten des Klägers zu erweitern und ihm einen beruflichen Aufstieg zu ermöglichen; der Zugang zu der Maßnahme sei von einer abgeschlossenen Berufsausbildung abhängig gewesen. Wie der Kläger dem LSG zur Kenntnis gebracht habe, sei der Lehrgang von der Beklagten bereits 1966 in die Leistungsförderung einbezogen worden. Der Kläger sei nur mit Hilfe der Teilnahme an dem Lehrgang in die Lage versetzt worden, eine besser bezahlte Angestelltentätigkeit auszuüben. Dies ergebe sich auch aus den Bescheinigungen seines jetzigen Arbeitgebers, wonach der Arbeitsbereich des Klägers Tätigkeiten umfasse, die kaufmännische und technische Kenntnisse zwingend voraussetzten. Entsprechendes ergebe sich auch aus den Angaben des vom SG gehörten Förderungsberaters K. Danach reiche für den Beruf "Technischer Kaufmann" eine kaufmännische Lehre nicht aus; vielmehr sei eine zusätzliche technische Ausbildung für denjenigen erforderlich, der eine kaufmännische Lehre durchlaufen habe und eine zusätzliche kaufmännische Ausbildung für denjenigen, der eine technische bzw. handwerkliche Ausbildung absolviert habe. Diesen Erfordernissen einer Zusatzausbildung trage das Berufsfortbildungswerk des DGB mit seinen Maßnahmeangeboten entsprechend Rechnung. Das LSG habe es versäumt, sich mit der Aussage des Förderungsberaters K. und den Bescheinigungen des Arbeitgebers des Klägers in dieser Richtung auseinanderzusetzen. Mit seiner Feststellung, der Schwerpunkt der vom Kläger angestrebten Betätigung liege generell im kaufmännischen Bereich, habe das LSG die Grenzen der freien richterlichen Beweiswürdigung überschritten, da es entsprechende Tatsachen nicht festgestellt habe. Es würden auch keine Gründe angegeben, die in diesem Punkt des Urteils für die Überzeugungsbildung leitend gewesen sind. Das LSG habe demgemäß § 128 Abs. 1 Satz 2 SGG verletzt. Richtig sei vielmehr, daß der Kläger bei der Firma S als technischer Angestellter beschäftigt und entlohnt werde. Das ergebe sich aus seinem Anstellungsvertrag, der dem LSG bei der ersten mündlichen Verhandlung zur Einsicht vorgelegen habe. Danach werde der Kläger in der Tarifgruppe T 4 geführt. Nach dem Manteltarifvertrag für die Angestellten der Metallindustrie in Nordwürttemberg-Nordbaden vom 14. Juli 1973 würden der Gehaltsgruppe T nur die technischen Angestellten zugeordnet, die kaufmännischen Angestellten aber der Gehaltsgruppe K. Aus den Beispielen zu den Tätigkeitsmerkmalen der Gruppe T 4, in die der Kläger eingruppiert sei, gehe hervor, daß das Ausarbeiten von Angeboten, technische Kalkulationen, von technischen Angestellten ausgeführt würden. Es sei infolgedessen nicht erwiesen, daß die vom Kläger vorzunehmenden Kalkulationen und Feststellungen von Verkaufspreisen, wie sie der Arbeitgeber angegeben habe, vom Inhalt her typische kaufmännische Tätigkeiten seien. Das LSG teile im Urteil nicht mit, woher es sein gegenteiliges Wissen bezogen habe.
Selbst wenn man jedoch davon ausgehe, daß der Lehrgang für den Kläger eine berufliche Umschulung gewesen sei, stehe deren Förderung § 36 AFG nicht entgegen. Dem angefochtenen Urteil könne schon deshalb nicht gefolgt werden, weil es ohne überzeugende Begründung von der Rechtsprechung des erkennenden Senats abweiche. Das LSG habe insbesondere nicht den bedeutsamen beruflichen Aufstieg beachtet, den der Kläger durch die Maßnahme erlangt habe. Es habe es nicht einmal für nötig befunden, Feststellungen über das Ausmaß des beruflichen Aufstiegs zu treffen. Das AFG kennzeichne aber den beruflichen Aufstieg ausdrücklich als ein erstrebenswertes und förderungswürdiges Ziel im Sinne der beruflichen Fortbildung. Nach der Arbeitsplatzbeschreibung des Arbeitgebers des Klägers in Verbindung mit der tariflichen Eingruppierung nach T 4 laut Anstellungsvertrag vom 23. Mai 1973 werde jedoch hinreichend deutlich, daß der Kläger eine wesentlich höhere soziale Stellung einnehme als er sie früher als Werkzeugmacher innegehabt habe.
Der Förderungsfähigkeit stehe es ferner nicht entgegen, daß für den Kläger auch die Möglichkeit zur Ablegung der Meisterprüfung in dem Beruf als Werkzeugmacher bestanden hätte. Das Gesetz schreibe nicht vor, welche Bildungsmaßnahme der Berechtigte zu ergreifen habe; es stelle gerade auf die berufliche Neigung des Antragstellers ab. Durch die mit der Maßnahme erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten hätten sich die beruflichen Einsatzmöglichkeiten des Klägers erweitert und verbessert, wobei er sein durch die abgeschlossene Werkzeugmacherlehre erworbenes Wissen in die neue Tätigkeit eingebracht habe und dieses Wissen dort weiter nutzen könne.
Der Kläger beantragt,
|
1. |
|
das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 21. April 1972 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 1971 in der Fassung ihres Widerspruchsbescheides vom 17. März 1971 aufzuheben, |
|
2. |
|
die Beklagte zu verurteilen, den vom Kläger in der Zeit vom 21. September 1970 bis 24. Juli 1971 beim Berufsfortbildungswerk des DGB Stuttgart absolvierten Lehrgang "Das kaufmännische Grundwissen" nach dem AFG zu fördern, |
hilfsweise,
den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Beide Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet.
Die bisherigen Feststellungen des LSG rechtfertigen nicht den Schluß, daß der vom Kläger berufsbegleitend besuchte Lehrgang "Kaufmännisches Grundwissen für technische Berufe" (nachfolgend nur als "Lehrgang" bezeichnet) für ihn eine Maßnahme der beruflichen Umschulung im Sinne von § 47 AFG war. Es spricht vieles dafür, daß es sich dabei für den Kläger vielmehr um eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung im Sinne von §§ 41 Abs. 1, 43 Abs. 1 Nr. 1 AFG gehandelt hat. Für eine abschließende Entscheidung fehlt es jedoch an ausreichenden Feststellungen des LSG.
Nach § 41 Abs. 1 AFG fördert die Beklagte als berufliche Fortbildung die Teilnahme an Maßnahmen, die das Ziel haben, berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten festzustellen, zu erhalten, zu erweitern oder der technischen Entwicklung anzupassen, oder einen beruflichen Aufstieg zu ermöglichen und die eine abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung voraussetzen. Wie der Senat schon mehrfach entschieden hat, ergibt sich aus den genannten Zielen einer Fortbildungsmaßnahme im Zusammenhang mit den - für eine Förderung objektiv notwendigen Zugangsvoraussetzungen, daß eine Fortbildungsmaßnahme stets an ein bestimmtes Berufswissen des einzelnen Teilnehmers anknüpfen muß. Maßgebend für ihre Charakterisierung ist demnach der berufliche Werdegang, aber auch die zukünftige Fortentwicklung in dem bisherigen Beruf. Bildungsbemühungen in derselben Berufsrichtung, dem Berufsfeld, sind der beruflichen Fortbildung zuzuordnen (vgl. BSG SozR 4100 § 41 Nrn. 11 und 19). Hieraus ergibt sich die inhaltliche Abgrenzung zu der im Ansatzpunkt gleichfalls an einen vorhandenen Beruf anknüpfenden beruflichen Umschulung. Während die Fortbildung nach dem oben Gesagten den Zweck hat, den Bildungswilligen in seinem bisherigen Beruf, gegebenenfalls im Sinne eines Aufstiegs, weiter zu qualifizieren, zielt die Umschulung nach § 47 Abs. 1 AFG darauf ab, "eine andere geeignete berufliche Tätigkeit" nach Abschluß der Umschulungsmaßnahme ergreifen zu können. Für die Einordnung als berufliche Fortbildung oder Umschulung ist damit letztlich entscheidend, ob die in dem bisherigen Beruf erlernten Fertigkeiten und Kenntnisse ihrem wesentlichen Inhalt nach in den mit der Weiterbildung angestrebten Status mit übernommen werden (Fortbildung) oder diese Fertigkeiten und Kenntnisse entweder nicht oder nur unwesentlich für die "andere geeignete berufliche Tätigkeit" im Sinne des § 47 Abs. 1 AFG Bedeutung haben (Umschulung), insoweit also ein Beruf mit "neuem Inhalt" (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 AFuU 1971) erlernt wird (BSGE 36, 48; BSG SozR 4100 § 41 Nr. 11, § 47 Nr. 12; Urteil des 12. Senats vom 19. Februar 1976 - 12/7 RAr 126/74 - und Urteile des Senats vom 6. März 1975 - 7 RAr 68/72 -, vom 11. Mai 1976 - 7 RAr 127/74 - und vom 22. September 1976 - 7 RAr 24/75 -).
Eine Maßnahme der beruflichen Bildung im Sinne des AFG verliert auch nicht dadurch den Charakter einer beruflichen Fortbildung, daß der Teilnehmer nach deren Abschluß befähigt wird, nunmehr Tätigkeiten desselben Berufsbereichs mit höherer Qualität auszuüben (vgl. BSG SozR 4100 § 41 Nr. 12; Urteil des Senats vom 22. Oktober 1974 - 7 RAr 69/72 -). Maßgebend bleibt auch hier, ob die in dem bisherigen Beruf erlernten Kenntnisse und Fertigkeiten in den angestrebten Beruf inhaltlich übernommen werden; nur wenn dies nicht der Fall ist oder die bisherigen beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten für den mit der beruflichen Bildung angestrebten Beruf ganz unwesentlich sind, kann es sich bei ihm gegenüber dem bisherigen Berufsstand um einen Beruf mit neuem Inhalt handeln, mithin bei der dazu führenden Maßnahme der beruflichen Bildung um eine berufliche Umschulung im Sinne des § 47 Abs. 1 AFG (vgl. BSGE 38, 174). Nicht entscheidend ist dabei, ob und in welcher Weise das übernommene Bildungsgut dem neuen beruflichen Status das Gepräge gibt. Der Fortbildungscharakter einer Maßnahme wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die darin vermittelten Kenntnisse und Fertigkeiten inhaltlich möglicherweise umfangreicher und bedeutender sind als die bereits eingebrachten. Entscheidend ist auch nicht der größere oder geringere Abstand von der beruflichen Ausgangsposition zum Ausbildungsziel, sondern die in beiden Fällen gleiche - vertikale - Zielrichtung. Ein beruflicher Aufstieg führt regelmäßig dazu, daß der Teilnehmer an der Bildungsmaßnahme künftig in einen anderen, gehobenen Aufgabenkreis seines Berufes und damit auf eine höhere Berufsebene gelangt. Das bedeutet aber nicht den Übergang in einen anderen Beruf im Sinne des § 47 Abs. 1 AFG, sondern berufliche Weiterbildung (Fortbildung) im Sinne des § 41 Abs. 1, § 43 Abs. 1 Nr. 1 AFG (vgl. BSG SozR 4100 § 41 Nr. 12 und Urteil des Senats vom 15. Juni 1976 - 7 RAr 107/74 -).
So hat der Senat in den Urteilen vom 6. Mai 1975 - 7 RAr 74/73 und 7 RAr 98/73 - entschieden, daß die Teilnahme eines Diplomingenieurs an einem arbeits- und wirtschaftswissenschaftlichen Aufbaustudium ebenso berufliche Fortbildung im Sinne von § 41 Abs. 1 AFG ist wie die Teilnahme eines graduierten Ingenieurs an einem Aufbaustudium in Wirtschafts- und Betriebstechnik; ebenso hat er die Weiterbildung eines Programmierers zum praktischen Betriebswirt der beruflichen Fortbildung zugerechnet (vgl. Urteil vom 4. November 1975 - 7 RAr 12/74 -). Nach dieser Rechtsprechung (vgl. insbesondere 7 RAr 74/73 -) lassen weder Wortlaut noch Sinn und Zweck des § 41 Abs. 1 AFG eine Einschränkung dahin zu, daß mit dem Begriff "erweitern" lediglich eine qualitative Verbesserung bestimmter, schon vorhandener Berufskenntnisse gemeint ist. Für die berufliche Fortbildung ist auch eine Erweiterung des beruflichen Bildungsstandes - gleichsam in horizontaler Richtung - durch im wesentlichen neuartige Kenntnisse typisch, wenn diese die bisherige berufliche Qualifikation nicht ersetzen, sondern zu ergänzen bestimmt sind. Maßgebend ist in diesen Fällen, daß es sich um die Vermittlung zusätzlicher Kenntnisse handelt, die insgesamt nur im Zusammenhang mit der beruflichen Vorqualifikation zum Ziel der beruflichen (Fort-) Bildung führen (vgl. in diesem Sinne auch BSG SozR 4100 § 41 Nr. 19 und Urteil des Senats vom 6. März 1975 - 7 RAr 68/72 -).
Das LSG hat diese Rechtslage verkannt, wenn es davon ausgeht, daß der Lehrgang für den Kläger deswegen eine Maßnahme der beruflichen Umschulung war, weil der Schwerpunkt der Betätigung im Beruf des technischen Kaufmannes "generell im kaufmännischen Bereich" liege. Auf dieser Grundlage allein ist noch keine ausreichende Aussage darüber zu treffen, ob der Kläger die in seinem bisherigen Beruf erlernten Fertigkeiten und Kenntnisse ihrem wesentlichen Inhalt nach in den mit Hilfe des Lehrgangs angestrebten Beruf des technischen Kaufmannes mit übernommen hat oder ob jene Fertigkeiten und Kenntnisse für die Tätigkeit als technischer Kaufmann keine oder nur eine unwesentliche Bedeutung haben. Bereits die Bezeichnung des vom Kläger angestrebten Berufs als "technischer Kaufmann" spricht gegen die Auffassung des LSG. Für die Frage der beruflichen Fortbildung im Sinne des AFG ist es ferner nicht entscheidend, daß es für den Bereich "technischer Kaufmann" ein festgelegtes Berufsbild, etwa im Sinne einer Berufsordnungsregelung (noch) nicht gibt. Die Vorschriften der §§ 41 ff AFG beschränken die Förderung nicht auf Berufe mit festgelegten Berufsbildern. Eine derartige Einschränkung enthält nur § 2 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung vom 31. Oktober 1969 (ANBA 1970 S. 213) für den Bereich der Förderung nach § 40 AFG. Im übrigen wird in die berufliche Gestaltungsfreiheit des Einzelnen nicht eingegriffen. Ziel der beruflichen Bildung ist es nicht, den einzelnen Teilnehmer auf bestimmte Berufsausübungsformen festzulegen, sondern - wie auch den im Gesetz genannten Zielen der Fortbildung zu entnehmen ist - eine bestimmte berufliche Qualifikation zu vermitteln, die u.a. bereits in der Erweiterung des beruflichen Wissens liegen kann. Aus diesem Grund ist es auch nicht erforderlich, daß das Ergebnis einer Bildungsmaßnahme für die berufliche Tätigkeit des Einzelnen notwendig ist oder sich unmittelbar vorteilhaft auswirkt. Die Beschränkung auf notwendige Maßnahmen würde bedeuten, daß alle Bildungsbemühungen außerhalb geregelter Bildungsgänge von der Förderung überhaupt weitgehend ausgeschlossen wären. Ausreichend ist vielmehr, daß sie unter Berücksichtigung des vorhandenen beruflichen Status für das spätere Berufsleben des Teilnehmers als nützlich erscheinen, seine berufliche Beweglichkeit verbessern und ihm unter Umständen einen beruflichen Aufstieg ermöglichen.
Hinzu kommt, daß der Kläger gegen die Auffassung des LSG, der Schwerpunkt der Tätigkeit eines technischen Kaufmannes liege generell im kaufmännischen Bereich, zulässig und begründet eine Verletzung des § 128 SGG gerügt hat. Das LSG ist nicht darauf eingegangen, daß die Tätigkeiten des Klägers nach der vom LSG eingeholten Auskunft des Arbeitgebers des Klägers vom 6. August 1975 kaufmännische und technische Kenntnisse zwingend voraussetzten, ferner, daß nach der Auskunft des Förderungsberaters K. vor dem SG für die Tätigkeit des technischen Kaufmannes eine kaufmännische Ausbildung allein nicht ausreiche, sondern eine zusätzliche technische Ausbildung erforderlich sei. Das LSG hat seine Schlußfolgerung damit unter Verletzung von § 128 SGG nicht aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gezogen. Das LSG wird dies nachzuholen haben. Es wird dabei neben den Auskünften des Arbeitgebers des Klägers und des Förderungsberaters K. auch die Auskunft der Industrie- und Handelskammer vom 25. August 1975 einzubeziehen haben, in der es u.a. heißt, daß beim technischen Kaufmann Verständnis für technische Probleme erforderlich ist und technische Grundkenntnisse erwartet werden. Ebenso kann die vom Kläger vorgebrachte tarifliche Eingruppierung seiner Tätigkeit von Bedeutung sein. Anhaltspunkte für die Entscheidung des LSG können sich ferner aus einer Würdigung der mit dem Lehrgang allgemein verfolgten Ziele ergeben, wie sie sich in den bei den Akten befindlichen, vom Inhalt her durch das LSG aber nicht festgestellten, Lehrgangsprospekten darstellen.
Sofern das LSG bei seiner neuen Entscheidung zu dem Ergebnis kommt, daß der Lehrgang für den Kläger eine berufliche Fortbildung war, wird es auch die für die Beurteilung der übrigen Anspruchsvoraussetzungen erforderlichen weiteren Feststellungen zu treffen haben, insbesondere zur Frage der Zugangsvoraussetzungen im Sinne des § 41 Abs. 1 AFG.
Zur Eignung des Klägers im Sinne des § 36 AFG und zur Erfolgserwartung im Sinne des § 42 AFG sind allerdings keine weiteren Feststellungen mehr erforderlich; denn diese hat der Kläger mit dem Bestehen der Abschlußprüfung des Lehrgangs zum technischen Kaufmann bewiesen (vgl. BSG SozR 4100 § 42 Nr. 2). Auch hat er als Werkzeugmacher vor der Maßnahme eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung ausgeübt. Ferner ist von der Zweckmäßigkeit der Förderung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes gemäß § 36 AFG auszugehen, wenn es sich um eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung handelt, weil die dort beschriebene Zielrichtung - Festigung oder Verbesserung der beruflichen Beweglichkeit im gleichen Berufsbereich - auch in bezug auf Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes grundsätzlich nicht unzweckmäßig sein kann (vgl. BSG vom 11. Mai 1976 - 7 RAr 127/74 -). Im übrigen entspricht dies der Auffassung des Senats, die er zur Auslegung des § 36 AFG in Verbindung mit § 8 AFuU 1971 für den Bereich der beruflichen Umschulung schon mehrfach geäußert hat (vgl. SozR 4100 § 36 Nrn. 4, 7, 11). Die insoweit anderweitige Auffassung des LSG gibt dem erkennenden Senat keine Veranlassung, seine bisherige Rechtsprechung aufzugeben. Sofern das Berufungsgericht jedoch die Teilnahme des Klägers an der streitigen Maßnahme als Umschulung einordnet, wird es hinsichtlich der arbeitsmarktpolitischen Zweckmäßigkeit i.S. des § 36 AFG von den vom Senat entwickelten Grundsätzen auszugehen haben.
Das LSG wird auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu treffen haben.
Fundstellen