Entscheidungsstichwort (Thema)
Rentenanpassung. Berechnungsfehler
Orientierungssatz
Der Versicherungsträger darf bei der Anpassungsberechnung die Berechnungsfaktoren, die ohne Zweifel unrichtig festgestellt worden sind, durch die richtigen ersetzen, er ist bei der Anpassungsberechnung an eindeutig falsch berechnete Berechnungsfaktoren nicht gebunden (vgl BSG 1966-02-15 11 RA 289/65 = BSGE 24, 236).
Normenkette
RAG 8 §§ 1-2
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 16.09.1966) |
SG Hannover (Entscheidung vom 19.04.1966) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 16. September 1966 und des Sozialgerichts Hannover vom 19. April 1966 aufgehoben.
Die Klage gegen den Anpassungsbescheid vom 9. Juni 1966 wird abgewiesen.
Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Rechtsstreit zur Hälfte zu erstatten.
Gründe
I
Die Beklagte bewilligte der Klägerin durch Bescheid vom 15. Oktober 1958 eine Witwenrente nach §§ 41, 45 Abs. 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) ab 1. Februar 1958. Bei der Berechnung dieser Rente berücksichtigte sie zu Unrecht eine pauschale Ausfallzeit von 40 Monaten, während nach der hierfür maßgeblichen Vorschrift des Art. 2 § 14 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) die richtig berechnete Ausfallzeit nur 27 Monate beträgt, weil als erste und letzte Beiträge im Sinne dieser Vorschrift nur Pflichtbeiträge anzusehen sind (BSG 19, 223). Die Rentenberechnung ergab bei Zugrundelegung von 39,5 - statt richtig 38 - anrechnungsfähigen Versicherungsjahren einen Zahlbetrag von 185,70 DM. Die Rente wurde mehrfach den Änderungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage angepaßt, im Jahre 1965 (nach dem 7. Rentenanpassungsgesetz RAG-) betrug sie 274,60 DM.
Am 5. Februar 1965 erteilte die Beklagte der Klägerin einen "Ergänzungsbescheid", in dem sie die richtige Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre zugrunde legte und die Rente für die ganze Bezugszeit hinsichtlich der Höhe neu feststellte. Die Rente betrug danach im Jahre 1958 178,60 DM-statt 185,70 DM - (und lag damit noch höher als 6/10 der letzten Versichertenrente); sie betrug im Jahre 1965 264,10 DM statt 274,60 DM. Die Beklagte forderte die überzahlten Beträge nicht zurück, sie zahlte die Rente auch in der bisherigen Höhe weiter, behielt sich jedoch vor, sie in Zukunft erst anzupassen, wenn der wirklich zustehende Betrag den Zahlbetrag übersteige.
Auf die Klage hob das Sozialgericht (SG) Hannover den Ergänzungsbescheid vom 5. Februar 1965 auf (Urteil vom 19. April 1966). Die Beklagte legte Berufung ein. Sie erließ am 9. Juni 1966 einen weiteren Bescheid; darin teilte sie mit, durch die Anpassung nach dem 8. RAG übersteige die richtig berechnete Rente in Höhe von 286,10 DM nunmehr den bis zum 31. Dezember 1965 gezahlten zu hohen Betrag von 274,60 DM. Die Rente betrage ab 1. Januar 1966 monatlich 286,10 DM.
Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen entschied mit Urteil vom 16. September 1966: "Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Hannover vom 19. April 1966 wird zurückgewiesen. Auf die Klage wird auch der Bescheid der Beklagten vom 9. Juni 1966 aufgehoben".
Das LSG führte aus, daß die Ausfallzeit zwar in dem Bescheid vom 15. Oktober 1958 unrichtig berechnet sei; deshalb habe die Beklagte aber diesen Bescheid nicht in der Weise berichtigen dürfen, daß sie die Rente auf dem im Jahre 1965 gezahlten Betrag "einfrieren ließ"; da nach den Anpassungsvorschriften des 8. RAG die persönlichen Berechnungsfaktoren nicht geändert werden dürften, müsse die Beklagte auch bei den Rentenanpassungen weiterhin von 39,5 anrechnungsfähigen Versicherungsjahren ausgehen.
Mit der zugelassenen, frist- und formgerecht eingelegten Revision beantragte die Beklagte,
die Entscheidungen der Vorinstanzen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Sie rügte die Verletzung der §§ 54, 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) und der Anpassungsvorschriften des 8. RAG.
Die Klägerin war im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Durch Erklärung vom 7. Juli 1967 nahm die Beklagte den Ergänzungsbescheid vom 5. Februar 1965 zurück.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG).
Da die Beklagte den Ergänzungsbescheid vom 5. Februar 1965 inzwischen zurückgenommen hat, hat sich die Klage gegen diesen Bescheid erledigt. Zu entscheiden ist daher nur noch über die Anpassung der Rente nach dem 8. RAG in dem Bescheid vom 9. Juni 1966. Insoweit ist die Revision der Beklagten begründet.
Die Anpassung richtet sich nach den §§ 1 und 2 im ersten Abschnitt des 8. RAG. Danach ist die Rente der Klägerin für das Jahr 1966 so anzupassen, daß sich die Rente ergibt, wie sie sich nach Anwendung der Kürzungs- und Ruhensvorschriften ergeben würde, wenn die Rente ohne Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren unter Zugrundelegung der allgemeinen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1965 berechnet werden würde. Die Zahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre ist einer der Faktoren der Rentenberechnung. Insoweit schließen jedoch entgegen der Ansicht des LSG die Worte "ohne Änderung" nicht schlechthin jede Änderung der übrigen Berechnungsfaktoren aus. Vielmehr darf der Versicherungsträger bei der Anpassungsberechnung die Berechnungsfaktoren, die ohne Zweifel unrichtig festgestellt worden sind, durch die richtigen ersetzen, er ist bei der Anpassungsberechnung an eindeutig falsch berechnete Berechnungsfaktoren nicht gebunden. Das hat das BSG schon im Urteil vom 15. Februar 1966 (BSG 24, 236) entschieden. Der Senat hat seine Auffassung in dem zur Veröffentlichung vorgesehenen Urteil vom 23. Mai 1967 (11 RA 280/65) überprüft und daran festgehalten. Die Darlegungen des LSG geben keinen Anlaß, von dieser in beiden Urteilen eingehend begründeten Rechtsansicht abzuweichen. In dem Rentenbescheid vom 15. Oktober 1958 ist bei der Rentenberechnung zu Unrecht nach Art. 2 § 14 AnVNG idF vor dem RVÄndG vom 9. Juni 1965 eine Ausfallzeit von 40 Monaten berücksichtigt und infolgedessen die Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre zu hoch festgesetzt worden (39,5 statt 38 Jahre). Daß die Rentenberechnung insoweit unrichtig gewesen ist, weil als erste und letzte Beiträge im Sinne des Art. 2 § 14 Satz 2 AnVNG aF nur Pflichtbeiträge zu werten sind, ergibt sich eindeutig aus den Urteilen des BSG vom 27. Juni 1963 (BSG 19, 223) und vom 18. September 1963 (SozR Nr. 5 der gleichlautenden Vorschrift des Art. 2 § 14 ArVNG). Die Beklagte hat daher bei der Anpassungsberechnung für das Jahr 1966 nunmehr die richtige Anzahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre zugrunde legen dürfen. Daran ändert nichts, daß die Beklagte selbst die Berechnung im Bescheid vom 15. Oktober 1958 früher für gesetzmäßig gehalten hat. Die Berechnung in dem Anpassungsbescheid nach dem 8. RAG ist daher rechtmäßig. Die Urteile der Vorinstanzen sind somit aufzuheben. Die Klage gegen den Anpassungsbescheid der Beklagten nach dem 8. RAG ist abzuweisen.
Bei der Kostenentscheidung (§ 193 SGG) hat der Senat berücksichtigt, daß die Beklagte während des Verfahrens den ursprünglich allein angefochtenen Ergänzungsbescheid zurückgenommen hat.
Fundstellen