Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge steht den Versicherten die Wahl der Beitragsklasse frei. Da auch AVG § 129 Abs 2 (= RVO § 1407) für jeden Monat nur ein Beitrag entrichtet werden darf, können die einmal nachentrichteten Beiträge später nicht aufgestockt werden.

2. Auch für die Beitragsentrichtung nach AnVNG Art 2 § 50 Abs 1 S 2 (= ArVNG Art 2 § 52) gilt AVG § 129 Abs 2 (= RVO § 1407), wonach für jeden Kalendermonat nur ein Beitrag entrichtet werden darf.

3. SGG § 123 Halbs 2 besagt nur, daß die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht an die Form gebunden sind, in die der Kläger seine Prozeßbitte kleidet insbesondere deshalb nicht, weil im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit - anders als im Zivilprozeß (vergleiche ZPO § 253 Abs 2 Nr 2) die Klageschrift zwar den Streitgegenstand (den erhobenen Anspruch) bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten soll, aber nicht muß (SGG § 92). Daraus folgt aber nicht, daß die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über einen anderen Anspruch entscheiden dürfen als über den, den der Kläger erhoben hat; sie dürfen nicht den Inhalt des Klagebegehrens ändern.

 

Normenkette

AVG § 129 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1407 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; AnVNG Art. 2 § 50 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1957-02-23; ArVNG Art. 2 § 52 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1957-02-23; SGG § 123 Hs. 2 Fassung: 1953-09-03

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 23. Oktober 1964 aufgehoben, soweit die Beklagte verurteilt worden ist die Nachentrichtung von 49 Höherversicherungsbeiträge der Klasse A durch den Kläger für die Monate Dezember 1940 bis Dezember 1944 zuzulassen und diese Beiträge bei der Berechnung des Altersruhegeldes seit dem 1. März 1957 zu berücksichtigen; ferner wird die Kostentscheidung des Landessozialgerichts aufgehoben.

Die Revision des Klägers wird zurückgewiesen. Kosten sind dem Kläger für alle Instanzen nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Der Kläger, geboren ... 1891, früher selbständige Landwirt in G (Landkreis R), kam im Dezember 1945 als Vertriebener in die Bundesrepublik. Vom 1. Januar 1946 an war er versicherungspflichtig beschäftigt und entrichtete laufend Beiträge zur Angestelltenversicherung und zur Arbeiterrentenversicherung. Nachdem er seit März 1957 mehrfach mit der Beklagten wegen der Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 50 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) verhandelt hatte, teilte ihm die Beklagte im März 1958 mit, die Wartezeit für das Altersruhegeld sei bisher nicht erfüllt. Der Kläger entrichtete darauf im April 1958 unter Bezugnahme auf Art. 2 § 50 Abs. 1 AnVNG 49 Beiträge der Klasse A (zu 14.- DM) an die Beklagte, die sodann mit einem Bescheid vom 29. Juli 1959 Altersruhegeld ab 1. März 1957 gewährte. Die 49 Beiträge der Klasse A wurden auf die Zeit vom 1. Dezember 1940 bis 31. Dezember 1944 verbucht. In der Folge entrichtete der Kläger nach Art. 2 § 50 AnVNG weitere freiwillige Beiträge der Klasse H (jeweils 105.- DM), die zur wiederholten Neufeststellung seiner Rente - zuletzt mit Bescheid vom 4. April 1961 - führten. In einem "Zusatz" zu dem Bescheid vom 4. April 1961 lehnte die Beklagte das Begehren des Klägers ab, die von ihm "nachentrichteten Beiträge durch weitere Zahlungen zu erhöhen". Mit der Klage machte der Kläger u.a. geltend, er sei berechtigt, die 49 Beiträge zu je 14.- DM durch weitere Zahlungen auf Beiträge zu je 105.- DM zu erhöhen. Das Sozialgericht (SG) Braunschweig wies die Klage ab (Urteil vom 13. Februar 1962). Der Kläger legte Berufung ein. In einem "Erörterungstermin" wurde am 2. Juni 1964 festgestellt, der Streit beziehe sich allein auf die Nachentrichtung des Unterschiedsbetrags zwischen Klasse A und Klasse H = 91.- DM für die Zeit - vom 1. Dezember 1940 bis 31. Dezember 1944. Dementsprechend beantragte der Kläger, "... die Beklagte zu verurteilen, die Nachentrichtung des Unterschiedsbetrags zwischen der Klasse H und A für die Zeit vom 1. Dezember 1940 bis zum 31. Dezember 1944 entgegenzunehmen und bei der Berechnung des Altersruhegeldes zu berücksichtigen". In dem - nachgeholten - Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21. August 1964 wurde dieser Antrag weiterhin abgelehnt. Am 23. Oktober 1964 erließ das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen folgendes Urteil:

1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 13. Februar 1963, der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 21. August 1964 und der Rentenbescheid der Beklagten vom 4. April 1961 geändert.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Nachentrichtung von 49 Höherversicherungsbeiträgen der Beitragsklasse A durch den Kläger für die Monate Dezember 1940 bis Dezember 1944 zuzulassen und bei der Berechnung des Altersruhegeldes seit dem 1. März 1957 zu berücksichtigen.

3. Im übrigen wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 13. Februar 1963 zurückgewiesen.

4. Die Beklagte hat dem Kläger zwei Zehntel der außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.

5. Die Revision wird zugelassen.

Es führte aus: Der Kläger habe das ihm durch Art. 2 § 50 Abs. 1 AnVNG eingeräumte "Wahlrecht" hinsichtlich der Beitragsklasse durch die Entrichtung der 49 Beiträge in der Klasse A verbraucht, er habe dieses Ergebnis auch nicht durch einen etwaigen Vorbehalt (der späteren "Aufstockung" dieser Beiträge) abwenden können. Bei der Nachentrichtung von Beiträgen nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG könne ebenso wie bei der Weiterversicherung nach § 10 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) für jeden Kalendermonat nur ein Beitrag entrichtet werden. Die Beklagte habe aber übersehen, daß bei der Weiterversicherung nach § 10 AVG neben dem freiwilligen Beitrag noch ein Höherversicherungsbeitrag bis zur Höhe des freiwilligen Grundbeitrags entrichtet werden dürfe, das gleiche gelte für die Beitragsnachentrichtung nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG. Deshalb dürfe der Kläger zwar nicht den Unterschiedsbetrag zwischen den Beiträgen der Klasse A und H für die streitigen 49 Monate nachentrichten, wohl aber 49 Höherversicherungsbeiträge der Klasse A. Das LSG ließ die Revision zu.

Beide Beteiligte legten frist- und formgerecht Revision ein.

Der Kläger beantragte,

die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu Ziff. 3) auch insoweit zu verurteilen, als gegenüber dem Antrag in der Berufungsinstanz die Zurückweisung der Klage erfolgte.

Zur Begründung trug er vor: Er habe von der Beklagten sich widersprechende Auskünfte darüber erhalten, wie sich die Beitragsnachentrichtung auf seinen Rentenanspruch nach Grund und Höhe auswirke; deshalb habe er, um jedenfalls einmal die Wartezeit für das Altersruhegeld zu erfüllen, für die bei Vollendung des 65. Lebensjahres noch fehlenden 49 Beitragsmonate zunächst den niedrigsten Beitragssatz gezahlt. Das ihm eingeräumte Wahlrecht habe er damit noch nicht endgültig ausgeübt, er habe es auch "in Stufen" ausüben können. Da die Beklagte selbst ihm gegenüber ihre Rechtsansicht hinsichtlich seiner Anspruchsberechtigung mehrfach gewechselt habe, sei sie nach Treu und Glauben verpflichtet, nach Klärung der Voraussetzungen des Rentenanspruchs eine "Aufstockung" der geleisteten Beiträge zuzulassen, wobei der "Grundbeitrag" der Klasse A und der (aufzustockende) Zusatzbetrag für die streitigen Monate als ein Beitrag anzusehen seien. § 129 (Abs. 2 Satz 1) AVG beziehe sich nicht auf die Sonderfälle des Art. 2 § 50 AnVNG und gelte auch nur für das Markenverfahren.

Die Beklagte beantragte,

1. das Urteil des LSG Niedersachsen vom 23. Oktober 1964 abzuändern und die Berufung des Klägers auch insoweit zurückzuweisen, als die Beklagte verurteilt worden ist, die Nachentrichtung von 49 Höherversicherungsbeiträgen der Beitragsklasse A durch den Kläger für die Monate Dezember 1940 bis Dezember 1944 zuzulassen und bei der Berechnung des Altersruhegeldes seit dem 1. März 1957 zu berücksichtigen,

2. die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Verfahrensrechtlich rügte sie die Verletzung des § 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG): Der Kläger habe in keiner Weise zum Ausdruck gebracht, daß er, falls seinem "Aufstockungsbegehren" nicht entsprochen werde, für die streitige Zeit nach Art. 2 § 50 Abs. 1 AnVNG Höherversicherungsbeiträge nachentrichten wolle; das LSG habe dem Kläger nicht etwas zusprechen dürfen, was er nicht beantragt habe und was auch nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei. Materiell-rechtlich beanstandete sie die unrichtige Anwendung des Art. 2 § 50 Abs. 1 AnVNG. Die Nachentrichtung von Höherversicherungsbeiträgen nach Art. 2 § 50 Abs. 1 AnVNG sei mit Rücksicht auf § 6 des Gesetzes über die Höherversicherung in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten vom 14. März 1951 nur insoweit zulässig, als Vertriebene, Flüchtlinge und Evakuierte vor ihrer Vertreibung, jedoch nach dem 31. Mai 1949 selbständig erwerbstätig waren und im übrigen die Voraussetzungen des Art. 2 § 50 erfüllen. Da auch einheimische Versicherte für Beitragszeiträume vor dem 1. Juni 1949 zusätzliche Höherversicherungsbeiträge nicht entrichten dürften, könne für Vertriebene nichts anderes gelten. Es fehle auch jede rechtliche Möglichkeit, nachträglich ein "freiwilliges Konto" in ein anderes "freiwilliges Konto" mit verändertem Gehalt zu überführen. Dies ergebe sich auch aus § 129 Abs. 2 Satz 1 AVG, der auf die Beitragsnachentrichtung nach Art. 2 § 50 AnVNG ebenfalls anzuwenden sei.

Der Kläger beantragte,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Mit Bescheid vom 18. Juni 1965 berechnete die Beklagte das Altersruhegeld neu, wobei sie die während des Verfahrens gemäß Art. 2 § 50 AnVNG für 1945 nachentrichteten freiwilligen Beiträge zusätzlich berücksichtigte. Eine weitere Neuberechnung aufgrund der Neufassung des Art. 2 § 50 AnVNG durch das RVÄndG (Bescheid vom 28. Juni 1966) führte zu keiner Erhöhung des damaligen Rentenzahlbetrags. Diese beiden Bescheide wurden aber nach § 171 Abs. 2 SGG nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.

II

Beide Revisionen sind zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG). Begründet ist jedoch nur die Revision der Beklagten. Die Revision des Klägers ist unbegründet.

Das Urteil des LSG kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil das LSG, soweit es unter Aufhebung des erstinstanzlich-Urteils und der streitbefangenen Bescheide die Beklagte verurteilt hat, "die Nachentrichtung von 49 Höherversicherungsbeiträgen der Beitragsklasse A für die Monate Dezember 1940 bis Dezember 1944 zuzulassen ..." über einen Anspruch entschieden hat, den der Kläger nicht erhoben hat. Die Beklagte sieht hierin zu Recht einen Verstoß gegen § 123 SGG. Der "vom Kläger erhobene Anspruch", der Klaganspruch, ist das Begehren auf rechtskräftigen Ausspruch bestimmter Rechtsfolgen, die sich nach Meinung des Klägers aus dem Sachverhalt ergeben; dieser prozeßrechtliche Anspruchsbegriff deckt sich mit dem Streitgegenstand und richtet sich nach dem Ziel der Klage (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 9. Februar 1963, BSG 18, 266, 267; Urteil des erkennenden Senats vom 14. April 1964, BSG 21, 13, 15). Das Ziel der Klage - so wie es in dem "Erörterungstermin" zur Beseitigung aller etwaigen Unklarheiten formuliert worden ist - hat im vorliegenden Falle darin bestanden, "die Nachentrichtung des Unterschiedsbetrags zwischen Klasse H und A für die Zeit vom 1. Dezember 1940 bis zum 31. Dezember 1944 entgegenzunehmen" (und bei der Berechnung des Altersruhegeldes zu berücksichtigen). Hierauf hat der Kläger sein Begehren begrenzt; er hat nicht allgemein - unbeschadet der Frage, ob dies zulässig wäre - etwa beantragt, ihm die Entrichtung weiterer Beiträge nach Art. 2 § 50 AnVNG zu gestatten. Der Kläger hat damit eindeutig zum Ausdruck gebracht, inwiefern er von der Beklagten die Zulassung der Nachentrichtung von Beiträgen (und eine sich hieraus ergebende Erhöhung der Rente) beansprucht. Über dieses Begehren hat das LSG zwar auch entschieden, es hat dieses Begehren als unbegründet zurückgewiesen. Es hat aber außerdem noch eine weitere Entscheidung getroffen, indem es die Beklagte verurteilt hat, die Nachentrichtung von Höherversicherungsbeiträgen der Klasse A für die fragliche Zeit zuzulassen und dem Kläger eine entsprechend höhere Rente zu gewähren. Einen solchen Anspruch hat der Kläger aber nicht geltend gemacht; dieser Anspruch ist nicht Streitgegenstand und auch nicht etwa - als "minus" - in dem geltend gemachten Anspruch enthalten gewesen. Die 49 Höherversicherungsbeiträge der Klasse A wären zwar in ihrem Gesamtbetrag niedriger als der Unterschiedsbetrag zwischen den vom Kläger für die Monate Dezember 1940 bis Dezember 1944 bereits entrichteten Beiträgen der Klasse A und den Beiträgen der Klasse H für die gleiche Zeit (§ 115 Abs. 1, Abs. 3 AVG), sie hätten aber, falls sie hätten entrichtet werden dürfen, für die Höhe der Rente eine wesentlich andere - teils günstigere, teils ungünstigere - Wirkung als die nach Art. 2 § 50 AnVNG entrichteten freiwilligen Beiträge; vor allem werden für Beiträge der Höherversicherung feste, der allgemeinen Bemessungsgrundlage nicht folgende Steigerungsbeträge gewährt (§ 38 AVG), Renten oder Rententeile aus der Höherversicherung nehmen daher auch nicht an den jährlichen Rentenanpassungen teil (§ 49 Abs. 3 AVG), andererseits unterliegen sie, wenn sie mit anderen Leistungen der Sozialversicherung zusammentreffen, nicht den Vorschriften über die Kürzung oder das Ruhen der Renten (vgl. hierzu Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 23. November 1966 - 3 RK 90/63 -). Das LSG ist auch nicht deshalb zu der von ihm getroffenen Entscheidung berechtigt gewesen, weil es an die "Fassung" des Antrag des Klägers nicht gebunden gewesen ist (§ 123 SGG, letzter Satzteil). Dies besagt nur, daß die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht an die Form gebunden sind, in die der Kläger seine Prozeßbitte kleidet, insbesondere deshalb nicht weil im Verfahren der Sozialgerichtsbarkeit - anders als im Zivilprozeß (vgl. § 253 Abs. 2 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung) die Klageschrift zwar den Streitgegenstand (den erhobenen Anspruch) bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten soll, aber nicht muß (§ 92 SGG). Daraus folgt aber nicht, daß die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit über einen anderen Anspruch entscheiden dürfen als über den, den der Kläger erhoben hat; sie dürfen nicht den Inhalt des Klagebegehrens ändern. Auf die Revision der Beklagten ist daher das Urteil des LSG, soweit es über die Zurückweisung der Berufung des Klägers hinausgeht, aufzuheben (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG). Auf die Revision des Klägers ist nur darüber zu entscheiden, ob das LSG - ebenso wie das SG - zu Recht den Bescheid vom 4. April 1961, mit dem die Beklagte die Berechtigung des Klägers verneint hat, "die nach Art. 2 § 50 Abs. 1 AnVNG (für die Zeit vom Dezember 1940 bis Dezember 1944) nachentrichteten Beiträge zu erhöhen", für rechtmäßig gehalten hat. Dies ist zu bejahen.

Der Kläger, der Vertriebener und vor der Vertreibung als Selbständiger erwerbstätig gewesen ist sowie alsbald nach der Vertreibung eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen hat, gehört unstreitig zu dem Kreis der Personen, die Beiträge für die Zeit vor Vollendung des 65. Lebensjahres bis zum 1. Januar 1924 zurück nachentrichten dürfen (Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG). Er hat von dieser Möglichkeit bis zu dem Erörterungstermin am 2. Juni 1964 für die Zeit zwischen 1. Januar 1924 und 31. Dezember 1944 in vollem Umfang Gebrauch gemacht; nach der Niederschrift in dem "Erörterungstermin" hat er für diese Zeit (252 Monate) 203 Beiträge der Klasse H und 49 Beiträge der Klasse A nachentrichtet; diese Beiträge sind bei der Feststellung der Rente ab 1. März 1957 in dem angefochtenen Bescheid vom 4. April 1961 angerechnet worden. Nach einer Mitteilung der Beklagten sind in dem späteren Bescheid vom 18. Juli 1965 weitere 12 Beiträge der Klasse H, die der Kläger für das Jahr 1945 nach dem Erörterungstermin noch entrichtet hat, ebenfalls angerechnet worden. Das Begehren, das der Kläger in allen Instanzen verfolgt hat, geht dahin, die Beklagte müsse ihm gestatten, daß er die 49 Beiträge der Klasse A, die er - um die Wartezeit für das Altersruhegeld zu erfüllen - im April 1958 nachentrichtet hat, nachträglich auf Beiträge der Klasse H erhöhe. Diesen Anspruch haben die Vorinstanzen zu Recht für unbegründet gehalten. Für die hier streitige Zeit haben weitere Versicherungsbeiträge nicht mehr entrichtet werden dürfen, weil diese Zeit bereits mit den rechtsgültig verwendeten Beiträgen der Klasse A voll belegt ist und das Gesetz zusätzliche Zahlungen weder in der Form zuläßt, daß die Beiträge der Klasse A in solche der Klasse H "umgewandelt", diese Beiträge damit also "aufgestockt" werden, noch in der Form, daß - wie der Klagantrag allenfalls noch ausgelegt werden könnte - weitere Beiträge für die gleiche Zeit entrichtet werden dürften. Dies hat bereits der 1. Senat des BSG in seinem Urteil vom 28. September 1966 - SozR Nr. 10 zu Art. 2 § 52 AnVNG - entschieden; der erkennende Senat hält diese Entscheidung für zutreffend und schließt sich ihr an. Das Urteil des 1. Senats hat zwar einen Fall betroffen, in dem die freiwilligen Beiträge, die der Kläger nachträglich durch zusätzliche Zahlungen hat erhöhen wollen, nach altem Recht an einen nicht mehr bestehenden Versicherungsträger entrichtet worden sind, während im vorliegenden Fall der Kläger Beiträge, die er bereits nach einer Vorschrift des neuen Rechts (Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG) an die Beklagte entrichtet hat, durch weitere Zahlungen an die Beklagte erhöhen will. Für die rechtliche Beurteilung macht dies jedoch keinen Unterschied. Auch für die Beitragsnachentrichtung nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG gilt die Regelung in § 129 Abs. 2 AVG, wonach für jeden Kalendermonat nur ein Beitrag entrichtet werden darf. Wie sich aus dem Hinweis auf die Abweichung von § 10 AVG (in Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 1, letzter Halbsatz) für den Fall der Weiterversicherung und auf die Abweichung von § 140 AVG (in Abs. 1 Satz 2) für den sonst nicht im Gesetz vorgesehenen Fall der Begründung eines Versicherungsverhältnisse durch freiwillige Beitragsnachentrichtung ergibt, handelt es sich bei Art. 2 § 50 AnVNG um Sonderfälle gegenüber den allgemeinen Regeln des Beitragsrechts (vgl. BSG aaO); das allgemeine Beitragsrecht ist maßgebend, soweit es durch die Sonderregelung nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Auch für die Beitragsnachentrichtung nach Art. 2 § 50 Abs. 1 Satz 2 AnVNG stehen den Berechtigten nur die in § 115 Abs. 1 AVG genannten Beitragsklassen zur Verfügung. Die Berechtigten sind zwar in der Wahl der Beitragsklasse für die einzelnen Monate der Nachentrichtung frei, sie können aber die einmal entrichteten Monatsbeiträge nicht, wie der Kläger dies will, später erhöhen (aufstocken), den einzelnen Beitrag also gewissermaßen "in Raten" entrichten, und sie können auch nicht etwa für den gleichen Monat, für den sie bereits einen Beitrag entrichtet habe, später noch einen weiteren freiwilligen Beitrag entrichten, auch dann nicht, wenn beide Beiträge zusammen einer der in § 115 Abs. 1 genannten Beitragsklassen entsprechen würden. Einer solchen nachträglichen Veränderung des Beitragskontos steht, wie der 1. Senat aaO zutreffend dargelegt hat, die durch die Rentenversicherungs-Neuregelungsgesetze eingeführte neue Rentenformel entgegen. Nach ihr kommt es für die Feststellung des Jahresbetrags der Rente (neben der Zahl der anrechnungsfähigen Versicherungsjahre und weiteren Berechnungsfaktoren) vor allem auf die für den Versicherten maßgebende Rentenbemessungsgrundlage an; diese sog. persönliche Bemessungsgrundlage ist der Vomhundertsatz der allgemeinen Bemessungsgrundlage, der dem Verhältnis entspricht, in dem "während der zurückgelegten Beitragszeiten" der Bruttoarbeitsentgelt des Versicherten zu dem Bruttoarbeitsentgelt aller rentenversicherten Angestellten und Arbeiter gestanden hat (§ 32 AVG, § 1255 der Reichsversicherungsordnung - RVO -); bei der Ermittlung dieses Verhältnisses kommt es auch auf die Zahl der zu berücksichtigenden Beitragsmonate an (vgl. § 2 der Verordnung über das Verfahren bei Anwendung des § 1255 RVO und des § 32 AVG vom 9. Juli 1957 - BGBl I 696 -), die Veränderung der Zahl der Beitragsmonate durch "Doppelbelegung" würde also die persönliche Rentenbemessungsgrundlage verfälschen (ebenso BSG aaO); sie ist daher mit dem Gesetz nicht vereinbar.

An diesem Ergebnis ändert auch der besondere Charakter der Vorschrift des Art. 2 § 50 Abs. 1 AnVNG nichts. Zwar liegt die Bedeutung dieser Vorschrift - wie das BSG mehrfach ausgeführt hat (vgl. das Urteil des 1. Senats mit weiteren Hinweisen) - nicht nur in ihrem versicherungsrechtlichen Gehalt, sie ist auch von dem Gedanken des Lastenausgleichs und der Vertriebenenfürsorge mitbestimmt. Den früheren Selbständigen, die ihren Tätigkeitsbereich und die durch ihn begründete wirtschaftliche Sicherung infolge Vertreibung, Flucht oder Evakuierung verloren haben, ist die Berechtigung eingeräumt worden, sich durch die Nachentrichtung von Beiträgen in die Sozialversicherung gewissermaßen "einzukaufen". Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang sie dies tun wollen, ist ihnen überlassen worden. Es ist auch nicht übersehen worden, daß sie von dieser Berechtigung nur insoweit Gebrauch machen können, als ihnen Mittel für die Beitragsnachentrichtung zur Verfügung stehen; deshalb wäre es unerheblich, wenn der Kläger, wie er vorträgt, die zur Erfüllung der Wartezeit für das Altersruhgeld erforderlichen 49 Beiträge im April 1958 nur deshalb in der niedrigsten Beitragsklasse entrichtet hätte, weil ihm damals die Mittel für die Entrichtung höherer Beiträge (noch) nicht zur Verfügung gestanden haben, oder wenn er sich über die Wirkung, die der einmal gewählten Beitragsklasse für die Höhe der Rente zukommt, im unklaren gewesen wäre oder sich die Erhöhung der entrichteten Beiträge in einem späteren Zeitpunkt hätte "vorbehalten" wollen. Soweit die Höhe der Altersrente, die dem Kläger aufgrund der von ihm entrichteten Pflichtbeiträge und der zunächst nachentrichteten 49 Beiträge der Klasse A von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid gewährt worden ist, nicht seinen Erwartungen entsprochen hat, hat er - wie er dies auch getan hat die Höhe der Rente durch Entrichtung weiterer Beiträge für Zeiten vor dem 1. Dezember 1940 und nach dem 31. Dezember 1944 noch verbessern können. Seine Situation ist damit die gleiche wie die von einheimischen Versicherten, die als Weiterversicherte oder als Selbstversicherte freiwillige Beiträge leisten und damit die Höhe ihrer künftigen Rentenansprüche ganz oder teilweise selbst bestimmen dürfen; auch bei ihnen spielt es keine Rolle, wenn sie - möglicherweise aus wirtschaftlichen Gründen - Beiträge nur in einer niedrigen Beitragsklasse entrichten; auch sie müssen sich damit abfinden, daß sie später möglicherweise nur eine den entrichteten Beiträgen entsprechende Rente erhalten.

Das LSG hat daher zu Recht die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG, soweit dieses Urteil den im Berufungsverfahren noch streitigen Anspruch betroffen hat, zurückgewiesen. Die Revision des Klägers ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380347

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