Leitsatz (amtlich)
Bei der Umwandlung der Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit in ein Altersruhegeld ist der Leistungsanspruch ohne Bindung an den bisherigen Rentenbescheid neu zu prüfen und festzustellen (Bestätigung von BSG 1974-03-27 1 RA 157/73 = SozR 2200 § 1254 Nr 1).
Leitsatz (redaktionell)
Die bei der Feststellung der Rente wegen Berufsunfähigkeit als beitragslose Beschäftigungszeiten iS des FRG § 16 berücksichtigten Zeiten einer Beschäftigung im Sudetenland während der Zeit der Geltung des Reichsrechts können bei der Umwandlung der Rente in das Altersruhegeld nicht angerechnet werden.
Normenkette
SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; VuVO § 11 Abs. 2 Fassung: 1960-03-03, Abs. 3 Fassung: 1965-06-09; FRG § 16
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Juni 1975 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die weitere Berücksichtigung einer Beschäftigungszeit gemäß § 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) nach der Umwandlung der bisher gewährten Berufsunfähigkeitsrente in das Altersruhegeld.
Die Beklagte teilte mit Schreiben vom 17. November 1966 der Klägerin mit, daß nach Überprüfung der Sachlage im Hinblick auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30. August 1966 (BSGE 25, 177) die im zunächst erteilten "Vorschuß-Bescheid" vom 25. August 1966 nicht angerechnete Beschäftigungszeit im Sudetenland vom 1. April 1940 bis 30. April 1945 nach § 16 FRG bei der endgültigen Rentenberechnung zu berücksichtigen sei. Entsprechend wurde im endgültigen Rentenbescheid vom 26. April 1967 verfahren. Dabei gab die Beklagte in Anlage 6 des Bescheides folgende ergänzende Begründung: "Die Beschäftigungszeit vom 1. April 1940 bis 30. April 1945 wurde nunmehr bei der Berechnung berücksichtigt".
Mit Bescheid vom 15. April 1971 wurde die Berufsunfähigkeitsrente in das Altersruhegeld umgewandelt. Bei der Bemessung der Rente blieb die Zeit vom April 1940 bis April 1945 mit der Begründung außer Betracht, daß diese aufgrund einer gewandelten Rechtsprechung (BSGE 31, 88) nicht mehr als Beschäftigungszeit berücksichtigt werden könne.
Das Sozialgericht (SG) gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Das Landessozialgericht (LSG) hob das Urteil des SG auf und wies die Klage ab: In dem Schreiben vom 17. November 1966 könne kein Verwaltungsakt im Sinne des § 11 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) gesehen werden. Es handele sich hierbei lediglich um die Beantwortung einer Anfrage der Klägerin, in der auf den beabsichtigten Weg der Rentenberechnung hingewiesen werde. Ebensowenig könne der Bescheid vom 26. April 1967 die Beklagte binden, den streitigen Zeitraum bei der Berechnung des Altersruhegeldes weiterhin zu berücksichtigen. Nach der Entscheidung des BSG in SozR 2200 § 1254 Nr. 1 erstrecke sich die Bindungswirkung eines früheren Bescheides nicht auf die Berechnungsfaktoren einer Rente, so daß bei der erstmaligen Feststellung des Altersruhegeldes die früher unrichtig festgestellten Berechnungsfaktoren durch die richtigen zu ersetzen seien. Auch die in der Anlage 6 des Bescheides vom 26. April 1967 mitgeteilte ergänzende Begründung führe zu keinem günstigeren Ergebnis. Hierbei handele es sich lediglich um einen Erläuterungssatz, der von der Bindungswirkung des § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht erfaßt werde (Urteil vom 10. Juni 1975).
Die Klägerin hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt Verletzungen der §§ 16 FRG, 11 Abs. 2 und 3 VuVO sowie des § 77 SGG.
Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Regensburg vom 20. März 1974 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs. 2 SGG) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision ist nicht begründet.
Das LSG hat zu Recht entschieden, daß bei der Bemessung des Altersruhegeldes die von der Klägerin von April 1940 bis April 1945 im Sudetenland zurückgelegten Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG nicht rentensteigernd berücksichtigt werden können.
Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 27. März 1974 (SozR 2200 § 1254 Nr. 1) bereits entschieden, daß der Umwandlung einer Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeitsrente in Altersruhegeld ein neuer Versicherungsfall zugrunde liegt, so daß der darauf beruhende Leistungsanspruch nach Grund und Höhe neu zu prüfen und festzustellen ist. Dabei richtet sich die für die Berechnung maßgebende allgemeine Bemessungsgrundlage nach dem Zeitpunkt des Eintritts des neuen Versicherungsfalles (hier des Altersruhegeldes). Da bei der Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente noch nichts über das Altersruhegeld und dessen Voraussetzungen gesagt wird, können schon deswegen die für den Bescheid über die Berufsunfähigkeitsrente maßgeblichen Berechnungsfaktoren keine bindende Wirkung für das Altersruhegeld haben.
Aus der Tatsache, daß die Beklagte in dem Bescheid über die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente die von der Klägerin geltend gemachte Zeit als Beschäftigungszeit berücksichtigt hat, kann die Klägerin somit nichts zu ihren Gunsten herleiten. Aufgrund der gewandelten Rechtsprechung des BSG können Zeiten, die im Sudetenland zurückgelegt sind und für die - wie hier - Beitragszahlungen nicht glaubhaft gemacht worden sind, nicht rentensteigernd angerechnet werden (vgl. BSGE 31, 88). Dies hat die Beklagte bei der Umwandlung der Berufsunfähigkeitsrente in das Altersruhegeld zutreffend beachtet.
Wie der Senat in der Entscheidung vom 27. März 1974 aaO weiter ausgeführt hat, könnte etwas anderes nur dann gelten, wenn bereits ein bindender Bescheid (§ 77 SGG) vorgelegen hätte, in welchem die geltend gemachte Beschäftigungszeit von April 1940 bis April 1945 in einem Verfahren zur Wiederherstellung von Versicherungsunterlagen gemäß § 11 VuVO außerhalb eines Leistungsfeststellungsverfahrens endgültig, d. h. unabhängig von der Leistungsfeststellung im jeweiligen Versicherungsfall, als anrechenbar anerkannt worden wäre. Dies ist indes hier nicht geschehen.
Der Hinweis auf die "Berücksichtigung der Beschäftigungszeit vom 1.4.1940 bis 30.4.1945" in Anlage 6 zu dem Bescheid über die Gewährung der Berufsunfähigkeitsrente vom 26. April 1967 kann schon deswegen nicht als ein derartiger eigenständiger und sämtliche Versicherungsfälle umfassender Verwaltungsakt angesehen werden, weil er bereits nach seinem Wortlaut nur ein Bestandteil der Begründung der Beklagten allein für die Gewährung von Berufsunfähigkeitsrente ist. Schließlich kommt auch das Schreiben der Beklagten vom 17. November 1966 nicht als eigenständiges Anerkenntnis über die streitige Beschäftigungszeit in Betracht. Dies schon deswegen, weil das LSG diesbezüglich angenommen hat, die Beklagte habe mit diesem Schreiben nur auf den von ihr beabsichtigten Weg der Berechnung der Berufsunfähigkeitsrente hinweisen wollen. Diese vom LSG als Tatsachengericht vorgenommene Auslegung der Willenserklärung der Beklagten ist eine das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG bindende Tatsachenfeststellung, weil hiergegen von der Klägerin keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen vorgebracht worden sind (vgl. hierzu Urteil des BSG vom 24.10.1975 in SozR 1500 § 163 Nr. 2 mit weiteren Nachweisen).
Nach alledem muß der Revision der Klägerin der Erfolg versagt bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen