Leitsatz (amtlich)

Bei einem Pächterwechsel bringt der bisherige Pächter keine Flächen in das Unternehmen des neuen Pächters ein, selbst wenn er dem Pächterwechsel zustimmen muß.

 

Orientierungssatz

Verfassungsmäßigkeit des Ruhens von Geldleistungen nach § 10 Abs 6 S 1 GAL:

Darin, daß ein Versicherter aufgrund des § 10 Abs 6 S 1 GAL idF des KELG die Anwartschaft auf Altersgeld verliert, liegt keine Verletzung der Eigentumsgarantie aus Art 14 GG oder ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

 

Normenkette

GAL § 1 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1976-05-13; KVLG § 2 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1976-05-13; GAL § 10 Abs. 6 S. 1 Fassung: 1976-05-13; GG Art. 14 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23

 

Verfahrensgang

SG Mainz (Entscheidung vom 31.03.1980; Aktenzeichen S 6 Lw 32/78)

 

Tatbestand

Streitig sind ein Anspruch auf Altersgeld und eine Beitragspflicht nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL).

Der Kläger ist am 2. November 1912 geboren und seit 1965 einer der Gesellschafter und einer der Geschäftsführer der F P W - W GmbH, B I - im folgenden FP GmbH -. Von 1951 bis 1971 bewirtschaftete er mit anderen in einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts das Weingut N - Hof, das von seinem Vater gepachtet war. Am 30. Juni 1971 trat die FP GmbH in den Pachtvertrag ein. Das Weingut wurde am 3. Mai 1977 von einer Erbengemeinschaft, der der Kläger angehörte, unter gleichzeitiger Auflassung an die Firma N - Hof W - W GmbH, S, verkauft, deren Geschäftsanteile überwiegend die FP GmbH hält.

Die Beklagte erteilte dem Kläger im Juli 1978 zwei Bescheide. Der eine (vom 27.) lehnte den im November 1977 gestellten Antrag auf Altersgeld ab; der andere (vom 24.) stellte ab dem 1. Juli 1976, dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten und den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters (KELG, BGBl I, 1197), eine Beitragspflicht des Klägers fest (Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 1978). Das Sozialgericht (SG) Mainz hat die dagegen gerichteten Klagen abgewiesen und ausgeführt: Ein Altersgeld stehe dem Kläger nicht zu, weil er sein landwirtschaftliches Unternehmen bislang nicht abgegeben habe. Gem § 1 Abs 3 Satz 2 GAL idF des KELG gelte er wegen seiner Beteiligung an der FP GmbH als landwirtschaftlicher Unternehmer, so daß er beitragspflichtig sei. Diese GmbH betreibe ua ein Weinbauunternehmen, das eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bilde. Es könne offen bleiben, ob der Kläger im landwirtschaftlichen Unternehmensbereich hauptberuflich tätig sei. Er habe jedenfalls mit dem Pachtvertrag vom 30. Juni 1971 das bis dahin selbst bewirtschaftete Weingut N Hof in die FP GmbH eingebracht, an die es dadurch weiterverpachtet worden sei.

Mit der vom SG zugelassenen Revision rügt der Kläger, das SG habe § 1 Abs 3 Satz 2 GAL verletzt. Die FP GmbH bilde, obwohl sie auch Weinbau betreibe, ein gewerbliches Unternehmen. Er übe weder im landwirtschaftlichen Betriebszweig Funktionen aus noch habe er Flächen des Weingutes N Hof in die GmbH eingebracht; sie hätten als Pachtflächen nicht zum Anlagevermögen gezählt und seien zudem durch den Verkauf an die N Hof GmbH wieder ausgebracht worden. Es sei verfassungswidrig, § 1 Abs 3 GAL idF des KELG so auszulegen, daß ihm die schon erworbene Altersgeldanwartschaft entzogen werde, auf die er sich wirtschaftlich eingerichtet habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG vom 31. März 1980 und die

Bescheide der Beklagten aufzuheben und diese

zu verurteilen, ihm ab November 1977 Altersgeld

zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Sprungrevision des Klägers ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen ist (§ 170 Abs 2 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).

Das SG hat in seinem Urteil ua festgestellt, daß der Kläger sich beim Verkauf des Weingutes N Hof an die Firma N Hof GmbH Sch im Mai 1977 an 5,85 ha die Forstnutzung vorbehalten habe. Daraus hat es jedoch offenbar nicht ableiten können, daß der Kläger - schon oder auch - deswegen landwirtschaftlicher Unternehmer iS des § 1 Abs 3 Satz 1 GAL ist. Das SG hat vielmehr die Beitragspflicht des Klägers bejaht und dessen Altersgeldanspruch verneint, weil der Kläger 1971 das Weingut N Hof in die FP GmbH eingebracht habe und deshalb gem § 1 Abs 3 Satz 2 GAL ab dem 1. Juli 1976 als landwirtschaftlicher Unternehmer gelte. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

§ 1 Abs 3 Satz 2 GAL beruht auf dem am 1. Juli 1976 in Kraft getretenen KELG. Er erfaßt von da an auch bereits gegebene Tatbestände (vgl BSGE 49, 126, 128), gilt mithin auch für damals schon bestehende juristische Personen und damals schon vollzogene Flächeneinbringungen. § 1 Abs 3 Satz 2 GAL regelt ua den Fall, daß eine juristische Person ein landwirtschaftliches Unternehmen betreibt (das eine Existenzgrundlage bildet); er bestimmt, daß dann die Mitglieder der juristischen Person als landwirtschaftliche Unternehmer gelten, wenn sie - erster Fall - hauptberuflich außerhalb eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Unternehmen tätig sind oder - zweiter Fall - in das Unternehmen Flächen eingebracht haben, die im Zeitpunkt der Einbringung eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildeten und von ihnen bis zu diesem Zeitpunkt mindestens ein Jahr als landwirtschaftliches Unternehmen selbst bewirtschaftet worden sind.

Nach den tatsächlichen Feststellungen des SG betreibt die FP GmbH, die eine juristische Person ist, in der ab 1. Juli 1976 streitigen Zeit - zumindest ua - auf den gepachteten Flächen des Weingutes N Hof ein landwirtschaftliches Unternehmen iS des § 1 GAL. Daß sich durch den Verkauf des Weingutes im Mai 1977 an die N Hof GmbH an diesem Sachverhalt etwas geändert habe, läßt sich aus dem Urteil des SG nicht erkennen; der Senat muß also davon ausgehen, daß die FP GmbH auch nach diesem Verkauf weiterhin (als Pächterin mit gegebenenfalls nunmehr neuem Verpächter) das Weingut "betreibt", dh auf eigenes Risiko bewirtschaftet. Dementsprechend gilt für die Mitglieder (Gesellschafter) der FP GmbH § 1 Abs 3 Satz 2 GAL, wenn sie die Voraussetzungen einer der dortigen beiden Fallgruppen erfüllen. Dabei ist es unerheblich, ob die FP GmbH überwiegend gewerblich tätig ist und ob ihre landwirtschaftliche Betätigung - wie der Kläger vorbringt - nur einen geringfügigen Anteil am Gesellschaftsumsatz ausmacht (BSGE 49, 126, 129).

Aus dem vom SG festgestellten Sachverhalt muß der Senat jedoch im weiteren entnehmen, daß die FP GmbH ihre Nutzungsbefugnis an den Flächen des Weingutes N Hof im Jahre 1971 nicht aufgrund einer Unterverpachtung durch die es bis dahin bewirtschaftende BGB-Gesellschaft erlangt, sondern daß damals ein Pächterwechsel stattgefunden hat. Einige Äußerungen in den Akten und im Urteil des SG erwecken zwar Zweifel hieran; die Feststellung des SG, daß die FP GmbH in den Pachtvertrag eingetreten sei, läßt sich jedoch nicht anders deuten. Hat sich aber damals ein Pächterwechsel vollzogen, so hat das SG, auch wenn dieser Pächterwechsel mit Zustimmung des Klägers geschehen ist, diesen Vorgang nicht als eine Flächeneinbringung des Klägers in die FP GmbH werten dürfen.

In den am selben Tage wie diese Entscheidung ergangenen Urteilen 11 RK 9/80 und 11 RLw 5/80 hat der Senat zwar dargelegt, daß die §§ 1 Abs 3 Satz 2 GAL, 2 Abs 2 Satz 2 KVLG das Einbringen von Flächen nicht auf Sacheinlagen und Sachbeiträgen im gesellschaftsrechtlichen Sinne beschränken; durch einen bisherigen Unternehmer könnten Flächen in das von einer in diesen Vorschriften bezeichneten Gruppierungen betriebene Unternehmen vielmehr in jeder Form eingebracht werden, die ihnen die Bewirtschaftung auf eigenes Risiko ermöglicht; deshalb könne ein Einbringen von Flächen auch durch einen Pachtvertrag erfolgen; das Einbringen durch den bisherigen Bewirtschafter werde dabei durch die notwendige Mitwirkung eines Dritten nicht ausgeschlossen. Nach diesen Grundsätzen wäre wohl bei einer Unterverpachtung, an der alle Gesellschafter der BGB-Gesellschaft mitwirken mußten, eine Flächeneinbringung iS des § 1 Abs 3 Satz 2, 2. Fall GAL zu bejahen gewesen; beim Pächterwechsel dagegen ist dies zu verneinen. Denn in diesem Falle ist es nicht der bisherige Unternehmer (bisherige Pächter), der aus seiner Rechtsmacht (Rechtsposition) der in § 1 Abs 3 Satz 2 GAL bezeichneten Gruppierung das Nutzungsrecht verschafft oder mitverschafft, sondern der Verpächter, dem der bisherige Pächter - wenn er aus diesem Anlaß der Beendigung seines Pachtvertrages zustimmen mußte - lediglich den Weg dafür freigegeben hat. Ein solcher Sachverhalt kann den Tatbestand der Flächeneinbringung nicht erfüllen.

Unter diesen Umständen muß der Senat den Rechtsstreit an das SG zurückverweisen, damit dieses nun prüft, ob und gegebenenfalls wie lange der Kläger seit dem 1. Juli 1976 hauptberuflich außerhalb eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in dem landwirtschaftlichen Unternehmen tätig ist, das die FP GmbH betreibt (vgl BSGE 49, 126) und das möglicherweise außer dem Weingut N Hof noch sonstige bewirtschaftete Flächen umfaßt. Sollte eine solche hauptberufliche Tätigkeit zu bejahen sein, so wäre der Kläger beitragspflichtig und könnte ihm kein Altersgeld gezahlt werden. Er hätte zwar 1971 aufgrund des damals durch Pächterwechsel beendeten Pachtvertrages das damalige Unternehmen iS des § 2 GAL abgegeben gehabt; Altersgeld steht jedoch nur zu, wenn bei Eintritt der Altersvoraussetzungen keine Unternehmereigenschaft mehr gegeben ist; bei späterem Wiedererwerb gilt § 10 Abs 6 Satz 1 GAL idF des KELG. Darin, daß der Kläger dann aufgrund des KELG eine Anwartschaft auf Altersgeld verloren hätte, läge keine Verletzung der Eigentumsgarantie aus Art 14 des Grundgesetzes (GG) oder ein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot. Inhalt und Schranken verfassungsrechtlichen Eigentums bestimmt der Gesetzgeber (Art 14 Abs 1 Satz 2 GG). Dabei kommt ihm bei sozialversicherungsrechtlichen Positionen insbesondere dann eine weite Gestaltungsfreiheit zu, wenn die Regelung - wie im Falle des KELG - dazu dient, die Funktion und Leistungsfähigkeit eines Sozialversicherungszweiges im Interesse aller zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen (BVerfGE 53, 257, 293). Dieser Rahmen wäre hier eingehalten. Der Inhalt der Anwartschaft wäre durch das KELG lediglich in einer Weise neugestaltet worden, daß dem Kläger nach wie vor die Möglichkeit zum Erwerb des Altersgeldanspruches verbleibt. Wenn er eine hauptberufliche Tätigkeit in dem landwirtschaftlichen Unternehmen ausübt, brauchte er sich lediglich davon zu lösen, was er nach seinen eigenen Angaben überdies getan hat. Das gleiche Ergebnis würde übrigens eintreten, wenn die FP GmbH die Bewirtschaftung des Weingutes aufgäbe. Eine verfassungsrechtlich unzulässige echte Rückwirkung wäre nicht gegeben, weil ein Altersgeldanspruch am 1. Juli 1976 noch nicht erworben war. Angesichts des überwiegenden Interesses der Allgemeinheit an der Neuregelung wäre auch eine unzulässige unechte Rückwirkung zu verneinen.

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung des SG vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1659096

Breith. 1982, 404

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