Leitsatz (amtlich)
1. Das Einbringen landwirtschaftlicher Flächen iS der § 1 Abs 3 S 2 GAL und § 2 Abs 2 S 2 KVLG umfaßt jede Zuführung zur künftigen Bewirtschaftung, somit auch eine Verpachtung.
2. Dabei genügt es, daß der bisherige Einzel- oder Mitunternehmer aus eigener Rechtsmacht - zB als Mitverpächter - an der Zuführung wesentlich mitgewirkt hat.
Normenkette
GAL § 1 Abs 3 S 2 Fassung: 1976-05-13; KVLG § 2 Abs 2 S 2 Fassung: 1976-05-13
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über Altersgeld und Beitragspflicht nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL).
Der Kläger bewirtschaftete bis einschließlich Juni 1971 einen landwirtschaftlichen Betrieb, der eine Existenzgrundlage iS des § 1 Abs 4 GAL bildete. Ab Juli 1971 verpachteten er und seine Ehefrau den Betrieb an die Ökologische Wirtschaftsgemeinschaft H S (ÖWG), eine eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftung. Der Kläger war Genosse und Mitglied des Vorstands. Diese bewirtschaftete nur den gepachteten Betrieb.
Mit der Verpachtung des Betriebes entfiel die Beitragspflicht des Klägers zum 1. Juli 1971, wie die Beklagte mit bindendem Bescheid festgestellt hat. Für die Zeit ab 1. Juli 1976 nahm die Beklagte den Kläger als beitragspflichtiges Mitglied wiederum in Anspruch, weil er nach § 1 Abs 3 GAL idF des zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Gesetzes über die Kaufmannseigenschaft von Land- und Forstwirten und den Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters (KELG) wegen seiner Zugehörigkeit zur ÖWG wieder als landwirtschaftlicher Unternehmer gelte. Den Antrag auf Altersgeld ab Mai 1977 lehnte die Beklagte aus demselben Grunde ab. Zum 15. Juli 1977 schied der Kläger aus der Genossenschaft aus. Daraufhin gewährte ihm die Beklagte Altersgeld ab 1. Juli 1977, stellte den Wegfall der Beitragspflicht zum 1. August 1977 fest und bezifferte ihre Beitragsforderung für die Zeit vom 1. Juli 1976 bis 31. Juli 1977 mit 771,-- DM.
Das Sozialgericht (SG) hat dem Kläger Altersgeld auch für die Zeit vom 1. Mai bis zum 30. Juni 1977 zugesprochen und die Beitragsbescheide hinsichtlich der Zeit vom 1. Juli 1976 bis zum 31. Juli 1977 aufgehoben (Urteil vom 15. Januar 1979). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten hinsichtlich des Altersgeldes verworfen, hinsichtlich der Beitragspflicht zurückgewiesen. Es hat die Berufung hinsichtlich des Altersgeldes als unzulässig angesehen, da dieses nur für bereits abgelaufene Zeiträume streitig sei. Eine Beitragspflicht hat das LSG verneint, weil der Kläger in der ÖWG nicht hauptberuflich tätig gewesen sei und auch keine zuvor selbst bewirtschafteten Flächen in das Unternehmen eingebracht habe. Die Verpachtung erfülle den Tatbestand des Einbringens nicht, weil diese auf keine gesellschaftsrechtliche Verpflichtung zurückgehe und sich nicht auf die Beteiligung des Klägers am wirtschaftlichen Erfolg ausgewirkt habe; vielmehr erhalte der Kläger einen Pachtzins, wie wenn er als Dritter der Genossenschaft nie angehört habe.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte, die Berufung sei schon deshalb uneingeschränkt zulässig gewesen, weil der Anspruch des Klägers auf Altersgeld und seine Beitragspflicht von derselben materiellen Rechtsfrage abhängig seien. Wenn es dennoch hinsichtlich des streitigen Altersgeldes einer Zulassung der Berufung bedurft hätte, so bilde jedenfalls das Unterlassen dieser Zulassungsentscheidung einen wesentlichen Verfahrensmangel. Bei der Verneinung der Beitragspflicht habe das LSG § 1 Abs 3 Satz 2 GAL verletzt. Für eine hauptberufliche Tätigkeit genüge, daß der Kläger in der ÖWG als Vorstandsmitglied Leistungsfunktionen erfüllt habe. Im übrigen habe er entgegen der Auffassung des LSG den Hof durch Verpachtung in das Unternehmen eingebracht; hierzu genüge nach Entstehungsgeschichte und Zweck der Vorschrift jedes tatsächliche Zuführen landwirtschaftlicher Flächen.
Die Beklagte beantragt,
unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile
die Klage abzuweisen.
Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.
Beide Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten konnte hinsichtlich des Altersgeldes keinen Erfolg haben. Die Revision ist zwar auch insoweit statthaft, da das LSG in der Urteilsformel die Revision uneingeschränkt zugelassen und die Zulassung nicht - wie dies geboten gewesen wäre - auf die Beitragspflicht beschränkt hat. Die Revision ist insoweit jedoch unbegründet. Das LSG hat die Berufung hinsichtlich des Altersgeldes mit zutreffender Begründung in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verworfen.
Im übrigen war der Revision stattzugeben. Die Beklagte hat zu Recht die Beitragspflicht des Klägers für die Zeit vom 1. Juli 1976 bis zum 31. Juli 1977 festgestellt. Der Kläger galt in der Zeit vom Inkrafttreten des KELG am 1. Juli 1976 an bis zu seinem Ausscheiden als Genosse am 31. Juli 1977 gem § 1 Abs 3 Satz 2 GAL idF dieses Gesetzes als landwirtschaftlicher Unternehmer.
Vorgenannte Vorschrift greift ein, wenn ein landwirtschaftliches Unternehmen von mehreren Personen gemeinsam (Mitunternehmern), einer Personenhandelsgesellschaft oder einer juristischen Person betrieben wird; sie bestimmt, daß dann die Mitunternehmer, die Gesellschafter und die Mitglieder der juristischen Person unter zwei (nicht kumulativen) Voraussetzungen als landwirtschaftliche Unternehmer gelten: Sie müssen hauptberuflich außerhalb eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses im Unternehmen tätig sein oder in das Unternehmen Flächen eingebracht haben, die im Zeitpunkt der Einbringung eine auf Bodenbewirtschaftung beruhende Existenzgrundlage bildeten und von ihnen bis zu diesem Zeitpunkt mindestens ein Jahr als landwirtschaftliches Unternehmen selbst bewirtschaftet worden sind. Die ÖWG ist als eingetragene Genossenschaft eine juristische Person (§ 17 des Gesetzes betreffend die Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften vom 1. Mai 1889 - GenG -). Diese bewirtschaftete in der strittigen Zeit als landwirtschaftlicher Unternehmer den vom Kläger und dessen Ehefrau gepachteten Betrieb, der eine Existenzgrundlage darstellte, und der Kläger war in dieser Zeit als Genosse Mitglied der juristischen Person. Darüber hinaus sind auch die Voraussetzungen der zweiten Alternative erfüllt, so daß ungeprüft bleiben kann, ob das LSG eine hauptberufliche Tätigkeit iSd ersten Alternative zu Recht verneint hat.
Der Ansicht des LSG, die Verpachtung könne den Tatbestand des Einbringens schon deshalb nicht erfüllen, weil diese auf keine gesellschaftsrechtliche Verpflichtung zurückgehe, vermochte der Senat nicht zuzustimmen. Der Gesetzgeber erläutert in § 1 Abs 3 Satz 2 GAL (und auch in der entsprechenden Vorschrift des § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG, jeweils idF des KELG) nicht, was er unter dem Einbringen von Flächen versteht. Wie der Senat jedoch in dem am selben Tage wie diese Entscheidung ergangenen Urteil 11 RK 9/80 dargelegt hat, sind beide Vorschriften dahin auszulegen, daß landwirtschaftliche Flächen in jeder Form eingebracht werden können, die den Mitunternehmern, der Gesellschaft oder der juristischen Person die Bewirtschaftung auf eigenes Risiko ermöglicht; entscheidend dafür sind nicht die Form und der Rechtsgrund, sondern allein die wirtschaftliche Zuführung zur künftigen Bewirtschaftung durch eine der bezeichneten Gruppierungen. Dafür spricht schon, daß die Vorschriften auch Zusammenschlüsse erfassen, bei denen eine Sacheinlage (Sachbeitrag) unzulässig ist; dies trifft gerade bei der eingetragenen Genossenschaft zu, an der sich die Genossen allein durch Einzahlung von Geschäftsanteilen beteiligen können (§§ 7 Nr 1, 50 GenG). Davon abgesehen wird vom Gesetz die Einbringung der Flächen in das landwirtschaftliche "Unternehmen" verlangt, das die Mitunternehmer, die Personenhandelsgesellschaft oder die juristische Person betreiben. Der Unternehmensbegriff des GAL und des KVLG umfaßt aber alle auf eigenes Risiko bewirtschafteten Flächen ungeachtet dessen, ob es sich um Eigen- oder Pachtland handelt.
Deshalb kann ein Einbringen von Flächen in das Unternehmen auch durch einen Pachtvertrag oder sonstigen "Austauschvertrag" erfolgen. Dem steht nicht entgegen, daß dem Mitunternehmer, Gesellschafter oder Mitglied der juristischen Person dafür eine besondere Vergütung gewährt wird und daß er diese Zuführung befristen oder durch Kündigung beenden kann. § 1 Abs 3 Satz 2 GAL verlangt weder für die dort genannten Zusammenschlüsse noch für die Einbringung von Flächen in das von ihnen betriebene landwirtschaftliche Unternehmen eine bestimmte Dauer. Die Vorschrift soll Mitunternehmern, Gesellschaftern und Mitgliedern einer juristischen Person sozialrechtlich die gleiche Rechtsstellung wie landwirtschaftlichen Einzelunternehmern verschaffen (vgl BT-Drucks 7/3918), wenn sie entweder wie solche tätig sind (hauptberufliche Tätigkeit im Unternehmen) oder ein früher von ihnen im Umfang einer Existenzgrundlage bewirtschaftetes Unternehmen nun mit anderen in einer Gruppierung bewirtschaften lassen, die sie weiterhin am Gewinn und Verlust der Bewirtschaftung teilnehmen läßt. Letzteres ist auch bei der Nutzungsüberlassung durch einen Pachtvertrag der Fall; die Pachtvergütung hindert nicht die gleichzeitige weitere Beteiligung am Risiko der Bewirtschaftung durch die nunmehr als Pächter fungierende Gruppierung.
Die Verpachtung scheidet hier als Form des Einbringens auch nicht deshalb aus, weil der Kläger nicht allein, sondern nach den Feststellungen des LSG zusammen mit seiner Ehefrau den Betrieb an die Genossenschaft verpachtet hat. Diese Feststellung besagt wohl, daß die verpachtete Fläche im Miteigentum beider Ehegatten stand, wobei offen bleibt, ob die Ehefrau zugleich Mitunternehmerin, als solche nach § 14 Abs 6 GAL aber nicht beitragspflichtig war. § 1 Abs 3 Satz 2 GAL fordert für die Flächeneinbringung nicht, daß der einbringende Unternehmer ein Einzelunternehmer war, auch wenn der Gesetzgeber in erster Linie an diesen Fall gedacht hat. Die Vorschrift ist ebenso anwendbar, wenn die eingebrachten Flächen von mehreren Personen bewirtschaftet worden sind. Es genügt, daß der bisherige Unternehmer oder Mitunternehmer zur Übertragung der Nutzungsbefugnis an den bisher bewirtschafteten Flächen auf eine der in § 1 Abs 3 Satz 2 GAL bezeichneten Gruppierungen aus eigener Rechtsmacht jedenfalls einen wesentlichen Beitrag geleistet hat. Dann schließt die notwendige Mitwirkung eines Dritten den Tatbestand der Flächeneinbringung nicht aus. Dieser Tatbestand kann beim Kläger deshalb nicht mit der Begründung verneint werden, daß seine Ehefrau an der Verpachtung habe mitwirken müssen.
Unerheblich ist ferner, daß die Vorgänge, die zur Entstehung der Beitragspflicht des Klägers ab dem 1. Juli 1976 geführt haben, schon vorher eingetreten sind. § 1 Abs 3 Satz 2 GAL setzt nicht voraus, daß seine Tatbestandsmerkmale sich erst nach dem 1. Juli 1976 verwirklicht haben, wie der Senat ua unter Hinweis auf die Übergangsregelung in Art 5 KELG zu der entsprechenden Vorschrift des § 2 Abs 2 Satz 2 KVLG für früher bestehende Personenhandelsgesellschaften bereits entschieden hat (SozR 5420 § 2 Nr 15).
Die Klage war daher hinsichtlich der Beitragspflicht abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen