Leitsatz (amtlich)
Die Vergleichsberechnung des ArVNG Art 2 § 42 findet nur statt, wenn im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles die Wartezeit ohne diejenigen Beiträge erfüllt ist, deren Anwartschaft zum 1956-12-31 nicht mehr erhalten war (Anschluß BSG 1961-11-23 12/4 RJ 102/61 = BSGE 15, 271).
Normenkette
ArVNG Art. 2 § 42 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. Mai 1961 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 26. Mai 1959 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin war invaliden- bzw. arbeiterrentenpflichtversichert beschäftigt vom Januar 1936 bis zum März 1942, vom September 1944 bis zum Februar 1945 und vom 28. Juli 1955 bis zum 20. Februar 1957. Auf ihren am 10. Oktober 1957 gestellten Antrag gewährte ihr die Beklagte durch Bescheid vom 23. Juli 1958 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 1. Oktober 1957 ab; die Rente berechnete sie nach den Vorschriften des neuen Rechts.
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht (SG), die Beklagte zur Gewährung einer höheren, unter Anwendung der Vergleichsberechnung des Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) sich ergebenden Rente zu verurteilen, hatte die Klägerin keinen Erfolg. Das SG wies durch Urteil vom 26. Mai 1959 die Klage ab, weil für die Anwendung der Vergleichsberechnung sämtliche versicherungsrechtlichen Voraussetzungen am 31. Dezember 1956 erfüllt gewesen sein müßten, damals jedoch einerseits die Anwartschaft dieser Versicherungszeit von 1938 bis 1945 nicht erhalten und zum anderen die erforderliche Wartezeit nicht erfüllt gewesen sei.
Das Landessozialgericht (LSG) verurteilte demgegenüber am 31. Mai 1961 die Beklagte zur Durchführung der begehrten Berechnung.
Es vertritt die Auffassung, daß es für die Anwendung des § 42 aaO ausreiche, wenn am 31. Dezember 1956 die Anwartschaft aus irgendwelchen Beiträgen überhaupt erhalten sei, während die Erfüllung der Wartezeit nicht zu diesem Zeitpunkt, sondern erst bei Eintritt des Versicherungsfalles gefordert werden könne; für die Wartezeit seien unter alleiniger Anwendung des neuen Rechts sämtliche jeweils gezahlten Beiträge zu berücksichtigen. Diese Auslegung folgert das LSG aus dem Sinn der Bestimmung, in der es im wesentlichen eine reine Berechnungsvorschrift erblickt, die für eine Übergangszeit von fünf Jahren für alle nach altem Recht am 31. Dezember 1956 Versicherten eine Vergünstigung vorsehe, gleichgültig, ob im Einzelfall der Versicherte bei Fortgeltung des alten Rechts tatsächlich besser gestanden hätte.
Das LSG hat die Revision gegen sein Urteil zugelassen.
Während des Verfahrens vor dem LSG hat die Beklagte der Klägerin die Rente wegen Eintritts wesentlicher Besserung durch Bescheid vom 7. Oktober 1960 wieder entzogen; die Klägerin hat insoweit vor dem LSG keine Einwände erhoben. Das LSG hat in seinem Urteil ausdrücklich die Rechtmäßigkeit dieses nach § 96 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Verfahrens gewordenen Bescheids geprüft und bejaht.
Die Beklagte hat am 4. September 1961 gegen das ihr am 4. August 1961 zugestellte Urteil des LSG unter Antragstellung Revision eingelegt und diese am 22. September 1961 begründet.
Sie hält eine Vergleichsberechnung nur dann für zulässig, wenn die Wartezeit auch dann erfüllt ist, wenn auf die von den vor dem 31. Dezember 1956 entrichteten Beiträgen nur diejenigen angerechnet werden, deren Anwartschaft zu jenem Zeitpunkt noch nicht erloschen war.
Die Beklagte hat beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht ordnungsmäßig vertreten.
Beide Parteien - die Klägerin persönlich - haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist frist- und formgerecht unter Antragstellung eingelegt und begründet worden; sie ist vom LSG zugelassen und daher statthaft.
Eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung darf auch dann ergehen, wenn die Zustimmung von einer nicht vertretenen Partei erklärt ist, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 25. Oktober 1962 - 4 RJ 85/60 -, auf das hier verwiesen werden kann, im einzelnen ausgeführt hat.
Die Revision ist auch begründet.
Für die Klägerin, die insgesamt mit ihren Beiträgen bei Eintritt des Versicherungsfalles die Wartezeit erfüllt hatte und daher von der Beklagten zutreffend als rentenberechtigt angesehen worden ist, kommt die begehrte günstigere Vergleichsberechnung nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 2 § 42 ArVNG in Frage.
Im vorliegenden Fall ist - gleichgültig, wie man die für die Zeit vor dem 21. Januar 1957 entrichteten Beiträge verrechnen will - eindeutig stets die Anwartschaft aus den für die Zeit vor 1945 entrichteten Beiträgen nicht mehr erhalten. Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat in seinem Urteil vom 23. November 1961 (BSG 15, 271, 279) ausführlich dargelegt, daß die günstigere Vergleichsberechnung nach altem Recht gemäß Art. 2 § 42 ArVNG nicht in Frage kommt, wenn die Wartezeit bei Eintritt des Versicherungsfalles nur unter Anrechnung solcher vor dem 1. Januar 1957 entrichteten Beiträge erfüllt ist, aus denen zum 31. Dezember 1956 die Anwartschaft nicht erhalten war. Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat in seinem Urteil vom 25. Oktober 1962 - 4 RJ 99/61 - angeschlossen. Allein mit den seit 1945 bis zum Eintritt des Versicherungsfalles entrichteten Beiträgen ist die Wartezeit jedoch eindeutig nicht erfüllt.
Da § 42 aaO demnach vorliegend nicht angewendet werden kann, war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen