Beteiligte
Kläger und Revisionskläger |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Der 1909 geborene Kläger arbeitete von 1952 an als Elektroschweißer. Er war bei den H…werken in Hamburg an Einzelschweißgeräten im Schiffsneubau beschäftigt. Die bei den Schweißarbeiten verwendeten Elektroden führten zu einer starken Schweißrauchentwicklung. Erstmals bei einer vertrauensärztlichen Untersuchung im April 1968 sowie bei anschließenden Untersuchungen wurden bei dem Kläger Veränderungen im Lungengewebe festgestellt, die in den ärztlichen Gutachten im wesentlichen übereinstimmend als Elektroschweißerlunge bezeichnet worden sind. Nach Auffassung der Gutachter ist darunter ein fibrotischer Restzustand nach einer abgeheilten Entzündung des Lungenparenchyms zu verstehen, der bei Elektroschweißern beobachtet wird. Dieser Zustand geht über den einer Siderose hinaus, der sich bei einer - überwiegend reaktionslosen - Einlagerung von Eisenstaub ergibt, ist aber im Vergleich zur Quarzstaublunge im allgemeinen als weniger schwerwiegend anzusehen. Die pathogenetischen Zusammenhänge sind noch unklar. Die Veränderungen im Lungengewebe des Klägers, die nur geringfügig zunahmen, sind auf seine von 1952 bis 1968 ausgeübte Tätigkeit als Elektroschweißer zurückzuführen. Eine meßbare Minderung der Erwerbsfähigkeit (M.d.E.) wurde nicht erreicht. Die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung bestand nicht. Der Kläger wurde wegen des fest gestellten Befundes seit Mai 1968 von seinem Arbeitgeber als Lagerarbeiter und als Bote eingesetzt. Der Arbeitgeber zeigte die Lungenerkrankung des Klägers unter dem 1. Juni 1968 an. Der Staatliche Gewerbearzt beim Amt für Arbeitsschutz der Freien und Hansestadt Hamburg führte in einer Stellungnahme vom 22. September 1970 aus, daß die Erkenntnisse, nach denen bei Elektroschweißern Mischstaub Pneumokoniosen als Dauerschäden auftreten würden, bei der Abfassung der 7. Berufskrankheitenverordnung (BKVO) noch nicht ausreichend bekannt gewesen, also neu seien. Die Krankheit sei daher nach § 551 Abs. 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) zu entschädigen. Mit Bescheid vom 25. Mai 1971 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung an den Kläger ab. Die Erkrankung, an welcher der Kläger leide, sei in der 7. BKVO nicht enthalten. Eine Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO sei ebenfalls nicht möglich, da die Erkenntnisse über die Elektroschweißerlunge sowohl beim Erlaß der 6. als auch der 7. BKVO bekannt gewesen seien.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage des Klägers hat das Sozialgericht (SG) Hamburg durch Urteil vom 11. Januar 1973 abgewiesen. Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte das wegen der in Frage stehenden Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO erforderliche Widerspruchsverfahren durchgeführt und mit Bescheid vom 18. Juni 1974 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 25. Mai 1971 zurückgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) Hamburg hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 12. Februar 1976). Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Krankheit Elektroschweißerlunge, an welcher der Kläger leide, gehöre nicht zu den Berufskrankheiten i.S. des § 551 Abs. 1 RVO, da sie nicht in den Berufskrankheitenkatalogen der 6. und 7. BKVO enthalten sei und auch nicht einer der dort bezeichneten Krankheiten entspreche. § 551 Abs. 1 RVO sei auch nicht wegen eines Verstoßes gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig, weil nur diejenigen Krankheiten als Berufskrankheiten entschädigt würden, die in der aufgrund des § 551 Abs. 1 RVO zu erlassenden Rechtsverordnung als solche bezeichnet würden. Die gesetzliche Regelung mit der Festlegung des Enumerationsprinzips in § 551 Abs. 1 Satz 2 RVO sei nicht willkürlich. Sie gewährleiste vielmehr ein erhebliches Maß an Gleichbehandlung. Zudem werde § 551 Abs. 1 RVO durch den Abs. 2 ergänzt, der die Entschädigung von nicht in der Liste aufgenommenen Krankheiten ermögliche. Zumindest seit Einführung dieses "Mischsystems" liege ein Verstoß gegen Art. 3 GG nicht mehr vor. Die Erkrankung des Klägers sei aber auch nicht nach § 551 Abs. 2 RVO zu entschädigen, nach dem, wie das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 20. März 1973 - 8/7 RU 11/70 (BSGE 35, 267) dargelegt habe, in Härtefällen eine Entschädigung zu gewähren sei. Die Anwendung dieses Grundsatzes führe hier zu einer sachgerechten Lösung. Die Krankheit Elektroschweißerlunge zeige in der Mehrzahl der Fälle nur eine geringfügige oder keine Progredienz. In derartigen Fällen werde regelmäßig keine besondere Härte durch die Versagung einer unfallrechtlichen Entschädigung trotz der durch die berufliche Exposition erworbenen Veränderungen im Lungengewebe gegeben sein. Der Kläger sei kein nach § 551 Abs. 2 RVO zu entschädigender Härtefall, da bei ihm die fibrotischen Veränderungen des Lungengewebes nur geringfügig zugenommen hätten, eine meßbare M.d.E. nicht erreicht worden sei und auch nicht die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung bestanden habe.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat das Rechtsmittel eingelegt und zur Begründung ausgeführt: Das Urteil des LSG habe § 551 Abs. 2 RVO verletzt. Bei der Elektroschweißerlunge handele es sich um eine Fibrose der Lunge. Diese sei zwar nicht in den Katalog der entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten aufgenommen worden, obwohl das Krankheitsbild dem der Nr. 33 der Anlage zur 7. BKVO (Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metallstäube bei der Herstellung oder Verarbeitung von Hartmetallen) entspreche. Die Krankheit müsse aber nach § 551 Abs. 2 RVO entschädigt werden. Die Vorschrift sei keine Härteklausel, die nur bei Vorliegen einer besonderen Härte durch die Nichtanerkennung als Berufskrankheit zur Anwendung komme. Diese Auffassung widerspreche dem Gesetz und könne auch nicht auf die Entscheidung BSGE 35, 267 gestützt werden. Das LSG habe verkannt, daß ein Rechtsanspruch auf die Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO bestehe, wenn die Voraussetzungen der Vorschrift erfüllt seien. Das Urteil des LSG sei weiterhin fehlerhaft, weil es keine Feststellungen enthalte, ob über die Berufskrankheit Elektroschweißerlunge neue Erkenntnisse i.S. des § 551 Abs. 2 RVO vorliegen. Neue medizinische Forschungsarbeiten seit Erlaß der 7. BKVO hätten aber ergeben, daß bei Elektroschweißern nicht nur reaktionslose Eisenablagerungen in der Lunge in der Form der Siderose vorzufinden seien. Es komme vielmehr auch zu Eisenablagerungen mit fibrotischen Reaktionen. Maßgeblich sei, daß noch nicht feststehe, wodurch die fibroisierenden Veränderungen des Lungengewebes hervorgerufen würden. Seiner Meinung nach verstoße bei Vorliegen neuer Erkenntnisse die Nichtaufnahme der Elektroschweißerlunge in die 7. BKVO durch den Verordnungsgeber gegen Art. 3 GG. Es sei deshalb eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 GG über die Verfassungsmäßigkeit der BKVO einzuholen. Nach der italienischen Berufskrankheitenliste zählten durch Metalle schlechthin hervorgerufene Lungenfibrosen zu den entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten.
Der Kläger beantragt,das Urteil des LSG Hamburg vom 12. Februar 1976, das Urteil des SG Hamburg vom 11. Januar 1973, den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 1971 sowie den Widerspruchsbescheid vom 18. Juni 1974 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, die bei ihm bestehende "Elektroschweißerlunge" als Berufskrankheit anzuerkennen, ihm dafür unfallversicherungsrechtliche Leistungen zu erbringen und ihm darüber einen neuen Bescheid zu erteilen,hilfsweise,den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Hamburg zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.
Der Kläger sei, was hier allein in Betracht komme, nicht nach § 551 Abs. 2 RVO zu entschädigen. Es lägen insoweit keine neuen Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vor, da der Verordnungsgeber die Elektroschweißerlunge nicht in die neue BKVO aufgenommen habe. § 551 Abs. 2 RVO sei zudem nicht als Härteklausel zu verstehen. Die Bezugnahme des Berufungsurteils auf die Entscheidung des BSG - Urteil vom 20. März 1973 - 8/7 RU 11/70 (BSGE 35, 267) sei unzutreffend, da das BSG die Vorschrift nicht als Härteklausel angesehen habe. Eine derartige Auslegung brächte die Gefahr mit sich, daß in Zukunft alle Härtefälle, die durch das moderne Arbeitsleben bedingt seien, von der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigt werden müßten. Eine Entschädigung des Klägers käme aber bereits deshalb nicht in Betracht, weil bei ihm eine Behandlungsbedürftigkeit der Elektroschweißerlunge und damit eine Krankheit im sozialrechtlichen Sinne nicht vorgelegen habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nicht begründet.
Die beim Kläger bestehende Erkrankung an einer Elektroschweißerlunge ist von der Beklagten weder nach § 551 Abs. 1 RVO noch nach § 551 Abs. 2 RVO zu entschädigen.
Nach § 551 Abs. 1 S. 1 RVO gilt eine Berufskrankheit als Arbeitsunfall. Berufskrankheiten sind gemäß § 551 Abs. 1 S. 2 RVO die Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO bezeichneten Tätigkeiten erleidet. Durch § 551 Abs. 1 S. 3 RVO wird die Bundesregierung ermächtigt, beim Vorliegen von im einzelnen festgelegten Voraussetzungen in der Rechtsverordnung Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen. Dies geschieht in der BKVO, der eine Liste der entschädigungspflichtigen Berufskrankheiten angefügt ist.
Nach der Gesamtkonzeption des § 551 RVO wird der Entschädigungstatbestand des Abs. 1 durch den des Abs. 2 ergänzt. § 551 RVO enthält somit ein "Mischsystem" (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.- 8. Aufl., S. 492u II) aus der Vorschrift des Abs. 1 (Entschädigung bei in der Berufskrankheitenliste enthaltenen Krankheiten) und des Abs. 2 (Entschädigung bei Krankheiten, die noch nicht in die Liste aufgenommen worden sind oder die Voraussetzungen der BKVO nicht erfüllen). Aufgrund der letztgenannten Vorschrift soll eine Krankheit im Einzelfall unter bestimmten Voraussetzungen "wie eine Berufskrankheit" entschädigt werden, auch wenn sie nicht in der gemäß § 551 Abs. 1 RVO erlassenen BKVO bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen. § 551 Abs. 2 RVO, eingefügt durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) vom 30. April 1963 (BGBl. I 241), soll, wie sowohl aus der amtlichen Begründung (vgl. BT-Drucks. IV/120, S. 55, zu § 552) als auch aus Sinn und Zweck der Norm folgt, Härten beseitigen helfen, die sich vor Inkrafttreten des UVNG aus dem reinen Listensystem des § 545 RVO a.F. ergaben, nachdem nur die in der BKVO aufgeführten Krankheiten entschädigungspflichtig waren (BSGE 22, 63, 67). Härten für den einzelnen konnten dann entstehen, wenn zwar die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Krankheit als Berufskrankheit vorlagen, der Verordnungsgeber, der die BKVO in Abständen von jeweils mehreren Jahren ergänzt, sie nicht unmittelbar nach der Erkenntnis anpaßte. Diese Lücke bei der Entschädigung von Berufskrankheiten ist durch § 551 Abs. 2 RVO, wonach noch nicht in die Liste aufgenommene Krankheiten in den Zeiträumen zwischen den einzelnen Anpassungen der BKVO "wie eine Berufskrankheit" entschädigt werden können, geschlossen worden. § 551 Abs. 2 RVO ermächtigt die Rechtsprechung aber nicht, über die Entscheidungen des Verordnungsgebers hinweg eine weitere Berufskrankheitenliste zu schaffen (kritisch gegenüber der Rechtsprechung zu § 551 Abs. 2: Muhr, SozSich 1976, 37; Konstanty, SozSich 1976, 167, 168). Die Rechtsprechung kann in diesem Zusammenhang lediglich überprüfen, ob der Verordnungsgeber den Verpflichtungen, die ihm aus dem Gesetzesauftrag des § 551 Abs. 1 S. 3 RVO erwachsen, unter Beachtung anderweitigen höherrangigen Rechts nachgekommen ist. Eine nach § 551 Abs. 1 RVO zu entschädigende Berufskrankheit liegt bei dem Kläger nicht vor. Eine als Elektroschweißerlunge aufzufassende Krankheit ist in keiner der in Betracht kommenden Berufskrankheitenverordnungen (6. BKVO vom 28. April 1966 - BGBl. I 505 -; 7. RVO vom 20. Juni 1968 - BGBl. I 721 -) und auch nicht in der am 1. Januar 1977 in Kraft getretenen Verordnung zur Änderung der 7. BKVO vom 8. Dezember 1976 (BGBl. I 3329) enthalten. Auch der Kläger behauptet das nicht.
Die Nichtaufnahme der Krankheit Elektroschweißerlunge in die 7. BKVO, deren Verfassungsmäßigkeit der erkennende Senat in eigener Zuständigkeit zu prüfen hat (vgl. u.a. BVerfGE 31, 357, 362; BSGE 22, 63, 65) verstößt nicht, wie von der Revision geltend gemacht, gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dieser ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts erst verletzt, wenn sich ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlicher Grund nicht finden läßt, die Entscheidung sich also als willkürlich darstellt (BVerfGE 31, 212, 218).
Die Bundesregierung hat eine Aufnahme der Krankheit Elektroschweißerlunge in die 7. BKVO aus sachlichen Gründen unterlassen. Eine Krankheit kann nach § 551 Abs. 1 S. 3 RVO vom Verordnungsgeber erst beim Vorliegen gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse über die dort bestimmten Voraussetzungen in die Berufskrankheitenliste aufgenommen werden. Beim Erlaß der 7. BKVO vom 20. Juli 1968 (a.a.O.) waren dem Verordnungsgeber keine entsprechenden Erkenntnisse bekannt, die zur Anerkennung der Elektroschweißerlunge als Berufskrankheit führen konnten. Dies wird dadurch bestätigt, daß selbst beim Erlaß der BKVO vom 8. Dezember 1976 (a.a.O.) die Voraussetzungen für die Aufnahme der Elektroschweißerlunge nach Ansicht des zuständigen Unterausschusses des beim Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung bestehenden Ärztlichen Sachverständigenbeirats noch nicht gegeben waren (Wagner, BG 1976, S. 4, 5; Freischmidt, BArbBl. 1977, S. 52). Ausreichendes medizinisches und statistisches Material über die Krankheit war - im Gegensatz zu anderen Krankheiten wie etwa der Farmer-(Drescher-)Lunge und der Byssinose, die bereits vor Erlaß der BKVO vom 8. Dezember 1976 (a.a.O.) auf Empfehlung der Bundesregierung nach § 551 Abs. 2 RVO entschädigt wurden (Wagner/Zerlett, Berufskrankheiten der 7. BKVO, 2. Aufl. 1973, S. 208 f.) - nicht vorhanden. Die Aufnahme von Erkrankungen an Lungenfibrose durch Metalle in die italienische Berufskrankheitenliste (vgl. auch Merkblätter zu der Berufskrankheitenliste der Europäischen Gemeinschaft, 1972, S. 209, Merkblatt Nr. C 1d, Erkrankungen des Atemtraktes bei Lichtbogenschweißern) läßt keine Rückschlüsse auf eine etwaige Sachfremdheit der Entscheidung des deutschen Verordnungsgebers zu.
Eine Entschädigung nach § 551 Abs. 2 RVO entfällt, weil keine neuen Erkenntnisse i.S. der Vorschrift vorliegen. Nach § 551 Abs. 2 RVO sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit wie eine Berufskrankheit entschädigen, auch wenn sie nicht in der aufgrund des § 551 Abs. 1 RVO erlassenen BKVO enthalten ist oder, was hier nicht in Betracht kommt, die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen. Es müssen nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs. 1 RVO erfüllt sein(§ 551 Abs. 2 letzter Halbsatz RVO). Danach muß die Krankheit durch besondere Einwirkungen verursacht sein, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.
§ 551 Abs. 2 RVO stellt nicht, wie etwa § 85 BVG, eine "Härteklausel" dar, nach der nur deshalb zu entschädigen wäre, weil die Nichtentschädigung für den Betroffenen eine individuelle Härte bedeutete. Dies ergibt sich aus der eindeutigen Fassung der Vorschrift, ihrer Zielbestimmung und ihrer bereits oben dargestellten Entstehungsgeschichte. Ein derartiges Verständnis der Norm kann auch nicht auf das Urteil des BSG vom 20. März 1973 - 8/7 RU 11/70 (BSGE 35, 267) gegründet werden. Wie aus dem Gesamtzusammenhang dieser Entscheidung ersichtlich ist, hält es das BSG auch beim Bestehen individueller Härtelagen als Voraussetzung für die Gewährung einer Entschädigung immer für erforderlich, daß alle Merkmale der Vorschrift erfüllt sind, also auch neue Erkenntnisse im oben beschriebenen Sinne vorliegen. Neu im Sinne des § 551 Abs. 2 RVO sind medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse dann, wenn sie erst nach Erlaß der letzten BKVO bekanntgeworden sind (BSGE 21, 296, 298) oder sich erst nach diesem Zeitpunkt zur Berufskrankheitenreife verdichtet haben (LSG Niedersachsen, RdL 1974, S. 245, 247; LSG Baden-Württemberg, Breithaupt 1976, S. 27, 29; Brackmann, a.a.O., S. 492v; Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl., § 551 Anm. 19). Wie oben dargelegt, eröffnet § 551 Abs. 2 RVO die Möglichkeit, in den Zeiträumen zwischen den einzelnen Anpassungen der BKVO eine Krankheit "wie eine Berufskrankheit" zu entschädigen, bei der nach neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnissen die Voraussetzungen für die Anerkennung als Berufskrankheit erfüllt sind. Lehnt der Verordnungsgeber nach der erkennbaren Prüfung der medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse über eine Krankheit ihre Aufnahme in die BKVO ab, weil die Erkenntnisse nicht ausreichen, sind diese nicht mehr neu i.S. des § 551 Abs. 2 RVO.
Für die Frage, ob bei der Krankheit Elektroschweißerlunge neue Erkenntnisse vorliegen, ist die BKVO vom 8. Dezember 1976 (a.a.O.) zu berücksichtigen. Bei der Untersuchung, inwieweit der Verordnungsgeber Erkenntnisse über eine Krankheit geprüft hat, ist, wie aus der Systematik des § 551 Abs. 2 RVO folgt, jeweils auf die neueste Fassung der BKVO abzustellen. Durch die Nichtaufnahme der Elektroschweißerlunge in die BKVO vom 8. Dezember 1976 (a.a.O.) steht verbindlich fest, daß vor ihrem Erlaß keine neuen Erkenntnisse i.S. des § 551 Abs. 2 RVO vorgelegen haben.
Der Verordnungsgeber der BKVO vom 8. Dezember 1976 (a.a.O.) hat sich erkennbar mit der Krankheit Elektroschweißerlunge auseinandergesetzt. Das ergibt sich aus den Ausführungen der mit der Vorbereitung der Verordnung befaßten Angehörigen des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung (Wagner, BG 1976, S. 4, 5; Freischmidt, BArbBl. 1977, S. 52). Danach ist die Krankheit Elektroschweißerlunge, wie der vom Ärztlichen Sachverständigenbeirat beim BMA gebildete Unterausschuß "Berufskrankheiten" festgestellt hat, wissenschaftlich und statistisch noch nicht mit ausreichender Sicherheit nachgewiesen. Weitere Untersuchungsergebnisse seien abzuwarten.
Die Revision des Klägers war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen