Leitsatz (amtlich)
1. Die Anfertigung einer für das Schlußexamen notwendigen Diplomarbeit (Reinschrift) im häuslichen Bereich steht nicht nach RVO § 539 Abs 1 Nr 14 Buchst d unter Unfallversicherungsschutz.
2. Zur Frage des Vorliegens einer "Familienwohnung" oder "zweier Teilbereiche des häuslichen Wirkungskreises" bei Fahrten eines Studenten zu seinen Eltern und zu seiner in einem anderen Ort wohnenden Braut.
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nr. 14 Buchst. d Fassung: 1971-03-18, § 550 S. 3 Fassung: 1971-03-18, § 550 Abs. 3 Fassung: 1974-04-01
Tenor
Auf die Revision des Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. September 1976 und des Sozialgerichts Mannheim vom 7. November 1974 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger unter Unfallversicherungsschutz stand, als er als Maschinenbaustudent auf der Fahrt von seinem Studienort zum Wohnort seiner Verlobten, die mit dem Schreiben seiner Diplomarbeit befaßt war oder werden sollte, verunglückte.
Der 1945 geborene Kläger studierte an der Universität K. Er wohnte in K in einem möblierten Zimmer. Seine Eltern hatten ihren Wohnsitz in M. Zu diesen fuhr er in regelmäßigen Abständen an den Wochenenden, zum Teil mit seiner Verlobten, die er zu diesem Zweck zuvor an ihrem Wohnort in S abholte. Seine Mutter wusch seine Wäsche und hielt seine Kleidung in Ordnung. An den übrigen Wochenenden und Mittwoch-Nachmittag fuhr der Kläger regelmäßig zu seiner Verlobten, gelegentlich übernachtete er dort auch im Wohnzimmer.
Im Dezember 1972 erhielt der Kläger die Aufgabenstellung seiner Diplomarbeit, deren Erstellung zwingende Voraussetzung für das Bestehen des Examens war. Die Arbeit war spätestens am 1. April 1973 abzuliefern. Sie sollte von seiner Verlobten mit der Schreibmaschine in Reinschrift gefertigt werden. Am 19. Januar 1973 erlitt der Kläger bei einem Unfall mit seinem Pkw auf der Fahrt von K nach S zu seiner Verlobten erhebliche Verletzungen.
Mit Bescheid vom 27. August 1973 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Unfallentschädigung ab, da sich der Unfall nicht auf einem zum Wohnort der Eltern des Klägers führenden Weg, sondern auf einem Umweg ereignet habe. Hiergegen hat der Kläger mit der Begründung Klage erhoben, er habe am Unfalltage mit seiner Verlobten alle Fragen besprechen wollen, die mit dem Schreiben seiner Diplomarbeit zusammengehangen hätten. Außerdem habe sich der Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse ohnehin bei seiner Verlobten befunden. Aus beiden Gründen habe die Fahrt nach S in einem wesentlichen Zusammenhang mit seinem Studium gestanden. Das Sozialgericht (SG) Mannheim hat mit Urteil vom 7. November 1974 der Klage mit der Begründung stattgegeben, der Kläger habe in S den Mittelpunkt seiner Lebensverhältnisse gehabt, so daß die Fahrt dorthin unfallversicherungsrechtlich geschützt gewesen sei. Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 29. September 1976). Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt: Es könne dahinstehen, ob angesichts des festgestellten Sachverhalts von einer Familienwohnung des Klägers in Speyer auszugehen sei. Die Fahrt sei - außer aus persönlichen, eigenwirtschaftlichen Gründen - auch im Interesse des Hochschulstudiums des Klägers erfolgt, denn seine Verlobte sei z.Zt. des Unfalls damit beschäftigt gewesen, seine Diplomarbeit zu schreiben, wobei offen bleiben könne, ob sie mit dieser Tätigkeit bereits begonnen hatte oder ob am Unfalltag erst die Vorbereitungen hierzu getroffen werden sollten. Die Anfertigung der Diplomarbeit und die damit im Zusammenhang stehenden Verrichtungen hätten unter Unfallversicherungsschutz gestanden, denn zur Aus- und Fortbildung an Hochschulen gehöre auch die Abschlußprüfung, zu der die notwendigen Vorbereitungen und damit hier die Erstellung der zwingend notwendigen Diplomarbeit zu rechnen seien.
Der Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er meint, das Anfertigen einer Diplomarbeit einschließlich ihrer Reinschrift im privaten häuslichen Bereich sei nicht versichert, weil es an dem erforderlichen unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zur Hochschule fehle.
Der Unfallversicherungsschutz könne nicht auf den häuslichen Bereich bzw die Privatsphäre ausgedehnt werden, auch wenn dort studienbezogene Tätigkeiten verrichtet würden. Es müsse dasselbe gelten wie für die Hausaufgaben und den privaten Nachhilfeunterricht von Schülern, die ebenfalls unversichert seien. Im übrigen habe das SG zu Unrecht angenommen, daß sich die Familienwohnung des Klägers zur Unfallzeit in S befunden habe. Der vor dem SG gestellte Feststellungsantrag sei zudem unzulässig gewesen, weil eine Leistung begehrt worden sei. Insoweit - wie auch in weiterer Hinsicht - leide das Verfahren des SG an wesentlichen Mängeln. Das gelte auch für das Verfahren des LSG.
Der Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. September 1976 und des Sozialgerichts Mannheim vom 7. November 1974 aufzuheben und die Klage abzuweisen;
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 29. September 1976 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Die Diplomarbeit sei eine unerläßliche Voraussetzung für die Diplom-Schlußprüfung. Dem LSG-Urteil sei zuzustimmen. Im übrigen habe der Lebensmittelpunkt bei der Verlobten in S gelegen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil das LSG zu Unrecht die Berufung des Beklagten gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zurückgewiesen hat. Der Bescheid des Beklagten vom 27. August 1973 ist rechtmäßig, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß des am 19. Januar 1973 erlittenen Unfalls. Bei der Fahrt von K zu seiner damaligen Verlobten nach Speyer stand der Kläger weder nach §§ 539 Abs 1 Ziff 14 d, 548 Satz 1, 550 Satz 1 aF (gleichlautend jetzt § 550 Abs 1 idF des § 15 Nr 1 des 17. Rentenanpassungsgesetzes vom 1.4.1974) der Reichsversicherungsordnung (RVO) noch nach § 550 Satz 3 (jetzt § 550 Abs 3) iVm §§ 550 Satz 1 aF, 539 Abs 1 Ziff 14 d RVO unter Unfallversicherungsschutz.
Es kann dahinstehen, ob die zum Unfall führende Fahrt bei Bejahung der sonstigen Voraussetzungen als sogenannter Betriebsweg anzusehen wäre (vgl hierzu Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand Dezember 1976, S. 482 f II, 482 g), so daß die §§ 548 Satz 1, 539 Abs 1 Ziff 14 d RVO unmittelbar zur Anwendung kämen, oder ob ein Versicherungsschutz nach § 550 Satz 1 aF iVm §§ 548 Satz 1, 539 Abs 1 Ziff 14 d RVO in Betracht kommt, wie das LSG meint. Auch im letzteren Fall ist für einen Leistungsanspruch erforderlich, daß der Verletzte sich auf dem Weg von oder zu einer versicherten Tätigkeit befand, denn § 550 Satz 1 RVO aF stellt nur einen abgeleiteten Anspruch dar (BSG SozR 2200 § 539 RVO Nr 16). Ferner bedarf es keiner - eine Aufhebung und Zurückverweisung bedingenden - Nachholung der vom LSG nicht getroffenen Feststellung, ob die damalige Verlobte des Klägers im Unfallzeitpunkt bereits mit dem Schreiben der Diplomarbeit befaßt war, oder ob am Unfalltag Vorbereitungen in Form einer Besprechung schreibtechnischer Fragen getroffen werden sollten. Entgegen der Auffassung des LSG stand das Anfertigen der Diplomarbeit im häuslichen Bereich der damaligen Braut des Klägers (für den häuslichen Bereich des Klägers selbst würde nichts anderes gelten) nicht unter Unfallversicherungsschutz nach den §§ 539 Abs 1 Ziff 14 d, 548 Satz 1 RVO, so daß auch etwaige bloße Vorbereitungen hierzu nicht versichert waren.
Nach § 539 Abs 1 Ziff 14 d RVO sind Studierende während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen gegen Arbeitsunfall versichert. Das LSG hat zwar richtig ausgeführt, daß hierunter grundsätzlich auch das Ablegen des Examens und die damit zusammenhängenden Tätigkeiten fallen (vgl BSGE 37, 98, 100). Wie der Beklagte zu Recht ausgeführt hat, kann der Versicherungsschutz sich aber nur auf solche Verrichtungen erstrecken, die in einem unmittelbaren zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Hochschule getätigt werden. Arbeiten in der privaten Sphäre - sei es des Studierenden, sei es eines Dritten - sind nicht versichert, auch wenn es sich um studienbezogene Tätigkeiten handelt.
Für den Unfallversicherungsschutz von Schülern nach § 539 Abs 1 Ziff 14 b RVO hat der erkennende Senat bereits entschieden, daß ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang zur Schule gewahrt sein muß, um eine versicherte Tätigkeit annehmen zu können. Aus diesem Grunde sind sowohl das Anfertigen von Schulaufgaben zu Hause (SozR 2200 § 549 RVO Nr 2 S. 9 oben) als auch der im privaten Bereich stattfindende Nachhilfeunterricht (SozR 2200 § 539 RVO Nr 16) grundsätzlich unversichert. In beiden Fällen besteht zwar ein mittelbarer Zusammenhang mit dem Schulbesuch, denn Hausaufgaben werden von der Schule verlangt und der Nachhilfeunterricht bezweckt die notwendige Verbesserung schulischer Leistungen. Dieser Zusammenhang reicht nach den genannten Entscheidungen des erkennenden Senats aber nicht aus, den Unfallversicherungsschutz auf die private Sphäre auszudehnen. Der 2. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) hat für den Bereich der Lernenden an Fachschulen (§ 539 Abs 1 Ziff 14 RVO idF des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, jetzt § 539 Abs 1 Ziff 14c RVO) ebenfalls ausgesprochen, daß Versicherungsschutz nicht anzunehmen ist für Unfälle, die sich außerhalb des Bereichs jeder Einwirkungsmöglichkeit einer ordnungsgemäßen betrieblichen oder schulischen Aufsicht ereignen (BSGE 35, 207, 209f). Das BSG hatte sich mit dem Umfang der Studentenversicherung bisher noch nicht abschließend zu befassen. In seinem Urteil vom 31. Januar 1974 (BSGE 37, 98) konnte der 2. Senat offenlassen, "ob Studenten an Hochschulen nur ... beim Besuch einer zur Hochschule gehörenden Einrichtung versichert sind" (aaO S. 100/101). Diese Entscheidung betraf die Fahrt einer Studentin vom Studienort zur Familienwohnung, so daß für sie der Umfang des Versicherungsschutzes am Hochschulort selbst ohne Bedeutung war. Der erkennende Senat ist der Ansicht, daß auch bei Studenten nur die studienbezogenen Tätigkeiten unter Unfallversicherungsschutz stehen, die in unmittelbarem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Hochschule und deren Einrichtungen verrichtet werden.
Der Wortlaut des § 539 Abs 1 Ziff 14 d RVO mag zwar Anlaß geben, bei Studenten einen wesentlich umfassenderen Versicherungsschutz in Erwägung zu ziehen als bei den in § 539 Abs 1 Ziff 14 a - c RVO genannten Versicherten. Während Kinder und Schüler "während des Besuchs" von Kindergärten bzw Schulen und Lernende während der beruflichen Aus- und Fortbildung in Betriebsstätten und Einrichtungen versichert sind, wird bei Studierenden von Versicherungsschutz "während der Aus- und Fortbildung an Hochschulen" gesprochen. Die unterschiedlichen Formulierungen sind jedoch einmal vom Sprachgebrauch her zu erklären. Allgemein wird davon gesprochen, daß jemand "an" einer Hochschule studiert, aber "in" eine Schule geht. Zum anderen ergibt sich ein Grund für die unterschiedliche Formulierung aus den Materialien zum Gesetz über Unfallversicherung für Schüler und Studenten sowie Kinder in Kindergärten vom 18. März 1971 (BGBl I S. 237 ff), durch das § 539 Abs 1 Ziff 14 RVO aF neu gefaßt worden ist und die Buchstaben a - d erhalten hat. In der Begründung des Gesetzentwurfes der Bundesregierung heißt es ua (BT-Drucks VI/1333 S 4 zu Buchstabe c): "Zwar ist nicht zu verkennen, daß die Feststellung, ob ein Arbeitsunfall vorliegt, gerade bei ihnen (den Studierenden) im Einzelfall schwierig sein mag, weil sie eine größere Freiheit beim Besuch von Unterrichtsveranstaltungen haben. Dieser Umstand dürfte es aber nicht rechtfertigen, sie von einem Versicherungsschutz auszuschließen, den alle anderen Personen während ihrer beruflichen Aus- und Fortbildung genießen." Mit der Gesetz gewordenen Formulierung wollte der Gesetzgeber offenbar verdeutlichen, daß nicht nur der unmittelbare Besuch von Unterrichtsveranstaltungen an der Hochschule versichert sein soll, da sich das Studium an der Hochschule nicht hierin erschöpft und oftmals - je nach der persönlichen Ausrichtung des Studiums des einzelnen Studenten - die Teilnahme an solchen Veranstaltungen nicht einmal den wesentlichen Teil des Aufenthalts an der Hochschule ausmacht. Die Studierenden sollen deshalb auch versichert sein, wenn sie anstelle von Unterrichtsveranstaltungen oder daneben andere Hochschuleinrichtungen wie Universitäts- (Staats-)Bibliotheken, Seminare und Institute zu Studienzwecken aufsuchen oder sich an Exkursionen beteiligen. Hierin soll sich der Versicherungsschutz aber erschöpfen, denn nur bei diesem Umfang kommt er dem gleich, "den alle anderen Personen während ihrer beruflichen Aus- und Fortbildung genießen." Aus den Materialien sind dagegen - soweit ersichtlich - keine Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, daß der Unfallversicherungsschutz über den Hochschulbereich hinaus auch auf die private Sphäre übertragen werden sollte. Um eine solche Ausdehnung der gesetzlichen Unfallversicherung annehmen zu können, die eine Durchbrechung der diese Versicherung tragenden Grundsätze und eine erhebliche Begünstigung der Studierenden im Vergleich zu den sonstigen Versicherten darstellen würde, hätte es eindeutiger Aussagen des Gesetzgebers bedurft (vgl zu alledem Wickenhagen Sgb 1975, 26 f). Solche sind nicht zu finden.
In der Begründung zu dem genannten Gesetzentwurf wird weiter ausgeführt, aus verfassungsrechtlichen Gründen sei es geboten, alle Hochschulstudenten in der gesetzlichen Unfallversicherung gleich zu behandeln. Bereits nach geltendem Recht (§ 539 Abs 1 Ziff 14 RVO aF) seien Studierende an höheren Fachschulen unfallversichert. Es sei mit Rücksicht auf den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Grundgesetz (GG) nicht zu vertreten, wenn man den Studierenden wissenschaftlicher Hochschulen weiterhin den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung versagen würde (vgl BT-Drucks VI/1333 A. S. 3, 4. Abs; B.S. 4 zu Buchst c). Hieraus ist zu entnehmen, daß der bisherige Versicherungsschutz des § 539 Abs 1 Ziff 14 RVO aF in seinem sich aus dieser Vorschrift ergebenden Umfang ua auch auf alle Studierenden erweitert werden sollte (so ausdrücklich BT-Drucks VI/1333 S. 3/4 zu § 1 Nr 1). Der Kreis der Versicherten sollte sonach ausgedehnt werden; dagegen spricht nichts dafür, daß auch der Umfang des Versicherungsschutzes ausgeweitet und bisher nicht versicherte Bereiche wie diejenigen, die nach hergebrachten Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung der Privatsphäre des Verletzten zuzurechnen sind, ausnahmsweise bei Studierenden erfaßt werden sollten. In dem oben erwähnten Teil der Begründung des Entwurfs zu Buchst c wird nur die größere Freiheit "beim Besuch von Unterrichtsveranstaltungen" genannt. Auch hier ist offensichtlich als Anknüpfungspunkt für den Versicherungsschutz nur an die räumlich und zeitlich mit der Hochschule im Zusammenhang stehende Betätigung der Studierenden gedacht (vgl auch die Ausführungen des Abgeordneten Dr. F in der 90. Sitzung des Bundestages, Protokoll S. 4978, der auf die schwierige Frage hinweist, "ob ein Unfall mit einer Lehrveranstaltung in Verbindung steht"). Hiernach sollen zwar Studenten neben der Teilnahme an Unterrichtsveranstaltungen wegen ihrer "größeren Freiheit" auch bei dem Besuch solcher Veranstaltungen versichert sein, die dem Besuch von Unterrichtsveranstaltungen entsprechen. Entsprechende Tätigkeiten sind aber nur solche, die ebenfalls im Bereich der Hochschule und den ihr zuzurechnenden Instituten verrichtet werden, nicht jedoch Studien oder Arbeiten in der privaten oder häuslichen Sphäre, seien diese auch als Vorbereitung für das mündliche Examen erforderlich.
Letzteres ist von Bedeutung für das auch bei der Schaffung des Gesetzes vom 18. März 1971 eine wichtige Rolle spielende und in den Gesetzesmaterialien immer wieder angesprochene Problem der Unfallverhütung. Die Einbeziehung eines neuen Personenkreises in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung für näher umschriebene Tätigkeiten hat immer auch Maßnahmen der Unfallversicherungsträger zur Folge, die vorrangig darauf gerichtet sind, in diesem Bereich Arbeitsunfälle zu verhüten (§ 537 Ziff 1 RVO). Grundsätzlich kann deshalb der Versicherungsschutz auch nur die Tätigkeiten und Bereiche umfassen, für die Unfallverhütungsmaßnahmen durch Unternehmen und Unfallversicherungsträger ergriffen und unterhalten werden können. Hierauf hat der erkennende Senat in einem seiner, die Schülerunfallversicherung betreffenden Urteile bereits hingewiesen (SozR 2200 § 539 RVO Nr 16 S. 41 oben). Er hat an dieser Stelle weiter ausgeführt, daß auch bei einem Wegeunfall nichts anderes gelten könne, da der entsprechende Leistungsanspruch nur abgeleiteter Natur sei. Auch im obengenannten Gesetzentwurf und in den späteren Beratungen ist mehrfach ausgeführt worden, das Gesetz ziele nicht nur darauf ab, den Kreis der Versicherten zu erweitern und die Leistungen zu verbessern, sondern auch die Unfallverhütung erheblich zu verstärken. Die Versicherungsträger würden besondere Maßnahmen und Methoden der Unfallverhütung in Schulen und Hochschulen zu entwickeln haben (BT-Drucks VI/1333 S. 3, 7. Abs; vgl auch: Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung BT-Drucks VI/1644 S 2). Auch nach den Ausführungen des Berichterstatters dieses Ausschusses sollten nicht primär die Versicherungsleistungen in den Vordergrund gestellt werden, sondern alle Fraktionen des Bundestages hätten bei den Beratungen im Ausschuß die Erwartung zum Ausdruck gebracht, daß die Träger der schulischen Einrichtungen mit ihren Berufsgenossenschaften durch gezielte Maßnahmen Unfälle verhüten helfen würden (Abgeordneter Killat-von Coreth in der 90. Sitzung des Bundestages, Protokoll S. 4977). Diesem Grundgedanken würde es widersprechen, wenn nicht nur die im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Hochschule und ihren Veranstaltungen verrichteten Tätigkeiten der Studierenden versichert wären, sondern auch solche im privaten Bereich, der sich solcher Unfallverhütungsmaßnahmen völlig entzieht. Denn insoweit bestünde keine Möglichkeit der Hochschule und der Unfallversicherungsträger, durch geeignete Maßnahmen Unfälle zu verhüten.
Nach alledem war die Anfertigung der Reinschrift der Diplomarbeit außerhalb der Hochschule im privaten Bereich für den Kläger keine versicherte Tätigkeit, so daß auch die damit zusammenhängende Fahrt unter diesem Gesichtspunkt nicht unfallversicherungsrechtlich geschützt war.
Der Kläger kann einen Leistungsanspruch auch nicht aus § 550 Satz 3 iVm § 550 Satz 1 RVO aF herleiten. Danach ist bei einem Wegeunfall von und nach dem Ort der Tätigkeit durch den Umstand, daß der Versicherte wegen der Entfernung seiner ständigen Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesen eine Unterkunft hat, die Versicherung auf dem Weg von und nach der Familienwohnung nicht ausgeschlossen. Der Kläger befand sich - wie das LSG festgestellt hat - nicht auf dem direkten Weg nach Mannheim zu seinen Eltern, sondern auf dem Weg zu seiner Verlobten nach Speyer. Dort befand sich nicht seine Familienwohnung, diese war vielmehr bei seinen Eltern. Das LSG hat diese Frage trotz "erheblicher Zweifel" dahingestellt sein lassen, jedoch durch die Worte "angesichts des festgestellten Sachverhalts" zum Ausdruck gebracht, daß diese Zweifel die rechtliche Würdigung des Sachverhalts durch das SG betrafen. Aufgrund der vom LSG selbst getroffenen und der von ihm in Bezug genommenen Feststellungen des SG kann der Senat diese Rechtsfrage abschließend entscheiden. Ständige Familienwohnung ist eine Wohnung, die für nicht unerhebliche Zeit den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet. Ein lediger Versicherter behält seine Familienwohnung bei seinen Eltern, wenn er seine Freizeit regelmäßig bei ihnen verlebt, die Bindung zu ihnen nicht gelockert ist und er an dem Beschäftigungsort keinen neuen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen gefunden hat (vgl BSGE 37, 98, 99 mwN). Nach den getroffenen Feststellungen und den eigenen Angaben des Klägers (vgl SG-Akte Bl 30/31) war das Verhältnis zu seinen Eltern gut, er besuchte sie regelmäßig - oft sogar zusammen mit seiner damaligen Verlobten - an den Wochenenden; in Mannheim hatte er einen großen Freundeskreis, mit dem er die Freizeit verbrachte; seine Mutter wusch seine Wäsche und hielt sie in Ordnung; er nahm von Mannheim auch Lebensmittel mit nach Karlsruhe. Hiernach ist davon auszugehen, daß sein Lebensmittelpunkt in Mannheim war; sein möbliertes Zimmer in Karlsruhe war demnach nur als Unterkunft im Sinne von § 550 Satz 3 RVO aF anzusehen.
Es kann nicht angenommen werden, daß auch die Wohnung seiner damaligen Verlobten bzw deren Eltern, in der sie ein eigenes Zimmer hatte, wegen Vorliegens ganz besonderer Umstände etwa ein mindestens ebenso wesentlicher Teil seiner Familienwohnung war wie die Wohnung seiner Eltern. Nur dann könnte von "zwei Teilbereichen des häuslichen Wirkungskreises" gesprochen werden (vgl hierzu BSGE 19, 257 ff; Urteil des erkennenden Senats vom 28. Oktober 1976 - 8 RU 24/76 -), so daß auch die Fahrt nach Speyer unter Unfallversicherungsschutz hätte stehen können. Der Kläger ist zwar regelmäßig Mittwoch nachmittags zu seiner Braut gefahren und hat auch die Wochenenden zusammen mit ihr verbracht. Abgesehen davon, daß letzteres in gewissen Abständen (abwechselnd) bei seinen Eltern in Mannheim erfolgte, hat er angegeben, bei seinen Wochenendfahrten nach Speyer dort nur "gelegentlich" übernachtet zu haben, und zwar dann meistens im Wohnzimmer der Eltern seiner Braut. Bei solchen Fahrten kann nicht von einer Heimkehr zur Familienwohnung gesprochen werden. Sie hatten lediglich Besuchscharakter; es ergeben sich jedenfalls im Vergleich zu dem Lebensmittelpunkt in Mannheim keine Anhaltspunkte für die Schaffung eines daneben bestehenden zweiten Lebensmittelpunktes des Klägers auch in Speyer. Den für eine enge Verbindung mit Mannheim sprechenden Umständen - Freundeskreis, Versorgung durch die Eltern, regelmäßiges Wohnen bei ihnen - standen für die Fahrten nach Speyer weder einigermaßen gleichgewichtige Lebensumstände gegenüber, noch handelte es sich um eine Notsituation, die - wie im Falle der Entscheidung vom 28.10.1976 - ausnahmsweise die Annahme zweier gleichwertiger Lebensmittelpunkte gestattete. Die persönlichen Beziehungen des Klägers zu seiner Verlobten allein reichen nicht aus, um deren Wohnung zum Lebensmittelpunkt machen zu können. Bei einem Versicherten im Alter des Klägers hat sich naturgemäß die Art der Bindung zu seinen Eltern geändert, der Kontakt mit der Freundin oder Verlobten steht im Vordergrund des Interesses, so daß er seine Freizeit häufiger mit ihr verbringt als bei den Eltern. Dadurch wird ihre Wohnung aber nicht zur "Familienwohnung". Liegen keine weiteren objektiven Kriterien vor, aus denen sich die Schaffung eines neuen oder zweiten Lebensmittelpunktes entnehmen läßt, bleibt der Versicherte im wesentlichen "Besucher" bei seiner Verlobten oder Freundin. Diesen - unversicherten - Besuchen des Klägers bei seiner Braut standen die - versicherten - Fahrten zu seiner Familienwohnung in Mannheim gegenüber.
Der Revision mußte somit in vollem Umfang stattgegeben werden. Auf die von ihr erhobenen Verfahrensrügen, die im übrigen zu einem großen Teil das erstinstanzliche Verfahren betreffen, kommt es nach alledem nicht mehr an.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Fundstellen