Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherungsschutz. Erfüllung mitgliedschaftlicher Verpflichtung. Leiterin einer Pfadfindergruppe. Zeltlager
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des Unfallversicherungsschutzes bei der Erfüllung von Aufgaben, die einer Leiterin einer Pfadfindergruppe während eines Zeltlagers obliegen.
Stand: 24. Oktober 2002
Normenkette
RVO § 539 Abs. 1 Nrn. 1, 13, Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Januar 1997 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin wegen der Folgen des Unfalls vom 9. August 1993 zu entschädigen.
Die im Jahre 1967 geborene Klägerin gehörte seit Herbst 1991 dem Leitungsteam der Jungpfadfinderstufe des Stammes St. Augustinus B. … der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) an. In der Zeit vom 31. Juli bis 19. August 1993 leitete sie zusammen mit drei männlichen Betreuern ein von der DPSG veranstaltetes Sommerlager der Gruppe am Bodensee. Da auch drei Mädchen teilnahmen, war eine weibliche Betreuerin erforderlich. Die Leiterinnen anderer Gruppen des Stammes standen nicht zur Verfügung. Daher wurde, um der Klägerin die Teilnahme zu ermöglichen, ihr vom Vorstand des Stammes auch die üblicherweise von den Betreuern zu tragenden Verpflegungskosten in Höhe von 180,00 DM erlassen. Eine Vergütung erhalten die Betreuer solcher Freizeitveranstaltungen nicht.
Bei einem Ausflug der Pfadfindergruppe während dieses Sommerlagers zog sich die Klägerin am 9. August 1993 bei einem Fahrradunfall erhebliche Verletzungen zu.
Die Beklagte lehnte es ab, den Unfall zu entschädigen. Ein Unfallversicherungsschutz gemäß § 539 Abs 1 Nr 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses zur DPSG habe nicht vorgelegen. Auch ein Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs 2 RVO habe nicht bestanden, weil die Tätigkeit der Klägerin Ausfluß ihrer Mitgliedschaft in der DPSG gewesen sei (Bescheid vom 8. Dezember 1993 idF des Widerspruchsbescheides vom 16. Mai 1994).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, den Unfall vom 9. August 1993 als Arbeitsunfall zu entschädigen (Urteil vom 5. September 1995). Die Klägerin habe nach § 539 Abs 2 RVO iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO unter Versicherungsschutz gestanden. Für sie habe aufgrund der Satzung der DPSG keine rechtliche Verpflichtung bestanden, an der Freizeit teilzunehmen. Nach der Aussage des Zeugen K. … sei die Teilnahme an einer Freizeit als Leiterin freiwillig gewesen. Es habe sich um eine Tätigkeit gehandelt, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stünden. Wenn die Klägerin nicht mitgefahren wäre, wäre die DPSG unter Umständen gezwungen gewesen, eine entsprechende weibliche Betreuungskraft einzustellen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 21. Januar 1997). Aus § 539 Abs 1 Nr 13 RVO lasse sich ein Versicherungsschutz nicht herleiten, denn die Klägerin habe kein Ehrenamt in der katholischen Kirche bzw ihrer Kirchengemeinde bekleidet. Auch ein Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO oder § 539 Abs 2 RVO iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO habe im Unfallzeitpunkt nicht bestanden, da die Klägerin bei der Betreuung der Pfadfindergruppe im Zeltlager in Erfüllung mitgliedschaftlicher Vereinspflichten gehandelt habe. Eine solche Verpflichtung habe zwar nicht aufgrund der Satzung oder von Organbeschlüssen bestanden. Sie habe sich jedoch aufgrund allgemeiner Vereinsübung ergeben.
Mit der – vom LSG – zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 539 RVO. Außerdem rügt sie, daß das LSG es versäumt habe, Auskünfte über das Verhältnis der DPSG zur katholischen Kirche einzuholen. Nach den vorliegenden Umständen handele es sich bei der DPSG um einen Verband der katholischen Kirche, so daß ein Versicherungsschutz gemäß § 539 Abs 1 Nr 13 RVO vorliegen dürfte. Ferner habe es die Ausführungen des Zeugen K. … zu freizügig interpretiert. Die Feststellungen des LSG, wonach die Klägerin überwiegend in Erfüllung mitgliedschaftlicher Vereinspflichten tätig gewesen sei, seien unzutreffend.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Januar 1997 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 5. September 1995 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch, wegen des Unfallereignisses vom 9. August 1993 aus der gesetzlichen Unfallversicherung entschädigt zu werden. Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, da der von ihr als Arbeitsunfall geltend gemachte Unfall vor dem Inkrafttreten des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz ≪UVEG≫, § 212 SGB VII).
Wie das LSG zutreffend entschieden hat, erlitt die Klägerin keinen Arbeitsunfall, als sie auf dem Ausflug der Pfadfindergruppe mit dem Fahrrad verunglückte.
Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist Arbeitsunfall ein Unfall, den eine Versicherte bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten und danach versicherten Tätigkeiten erleidet. Das LSG hat zutreffend erkannt, daß die Klägerin weder zu dem nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO noch zu dem nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO oder § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO versicherten Personenkreis gehörte.
Die Klägerin hat im Unfallzeitpunkt nicht gemäß § 539 Abs 1 Nr 13 RVO unter Unfallversicherungsschutz gestanden. Nach dieser Vorschrift sind ua gegen Arbeitsunfall versichert, die für eine Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ehrenamtlich Tätigen, wenn ihnen nicht durch Gesetz eine laufende Entschädigung zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts gewährt wird.
Die Klägerin gehörte nicht zu dem in dieser Vorschrift genannten ehrenamtlich tätigen Personenkreis. Bei der römisch-katholischen Kirche in der Bundesrepublik Deutschland handelt es sich zwar um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts iS des § 539 Abs 1 Nr 13 RVO (BSG SozR 2200 § 539 Nr 10). Die Klägerin ist aber weder unmittelbar noch mittelbar für die römisch-katholische Kirche ehrenamtlich tätig gewesen. Zutreffend ist das LSG zu dem Ergebnis gelangt, daß die Klägerin in der römisch-katholischen Kirche bzw in der Kirchengemeinde Bochum-Querenburg kein Ehrenamt bekleidet hat. Dies war auch nicht mittelbar aufgrund ihrer Mitgliedschaft bei der DPSG der Fall. Nach den Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫) ist die DPSG zwar der katholische Pfadfinderbund in der Bundesrepublik Deutschland, aber rechtlich kein Teil der römisch-katholischen Kirche (Abschn 1 Nr 1 der Satzung der DPSG). Er ist ein nicht rechtsfähiger Verein (Abschn 1 Nr 6 der Satzung der DPSG). Wie das LSG im einzelnen rechtlich zutreffend ausführt, bestehen lediglich organisatorische Verbindungen zur katholischen Kirche. Nach der „Ordnung” der DPSG hat diese ihren Platz in der katholischen Kirche (Abschn 3 S 13 der Ordnung der DPSG) mit Laienverbandscharakter (Abschn 3 S 15 der Ordnung der DPSG). Auch der Pfadfinderstamm St. Augustinus der DPSG, dem die Klägerin im Unfallzeitpunkt angehörte, ist, wie das LSG zu Recht ausführt, rechtlich unabhängig von der Kirchengemeinde. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß ein Pfadfinderstamm für mehrere Kirchengemeinden bestehen kann. Das Sommerlager der Pfadfinderschaft ist nach den Feststellungen des LSG in eigener Zuständigkeit und Verantwortung der DPSG durchgeführt worden. Damit hat die Klägerin auch nicht mittelbar eine ehrenamtliche Tätigkeit in der katholischen Kirchengemeinde ausgeübt. Ehrenamtlich in privatrechtlich organisierten Vereinen tätige Personen werden nicht vom Versicherungsschutz nach § 539 Abs 1 Nr 13 RVO erfaßt (BSG Urteil vom 24. Januar 1992 – 2 RU 23/91 – USK 9204). Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift kommt nicht in Betracht, da eine Regelungslücke nicht besteht. Diese Vorschrift ist vielmehr bewußt nicht auf privatrechtliche – rechtsfähige oder nicht rechtsfähige – Vereine erstreckt worden (BSG aaO).
Zu Unrecht rügt die Klägerin insoweit, daß das LSG es versäumt habe, Auskünfte über das Verhältnis der DPSG zur katholischen Kirche einzuholen. Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht durch das LSG (§ 103 SGG) liegt aber nur vor, wenn das Gericht eine Beweiserhebung nicht durchführt, obwohl es sich aus seiner Sicht dazu hätte gedrängt fühlen müssen (BSG SozR Nr 40 zu § 103 SGG; BSGE 40, 49; BVerwG Buchholz 310 § 86 Nr 100; Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 103 RdNr 20). Es ist davon auszugehen, daß das LSG die zu dem aufzuklärenden Sachverhalt bereits eingeholten Beweise gewürdigt hat. Aus seiner Sicht brauchte sich das LSG danach nicht gedrängt zu fühlen, weitere Beweise zu erheben. Zur Beweiswürdigung gehört auch die Entscheidung, mit welchen Grundlagen sich das Tatsachengericht bei seiner Entscheidung in der Sache begnügt. Aus der Sicht des LSG war das rechtliche Verhältnis der DPSG zur katholischen Kirche geklärt.
Nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO sind die aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses Beschäftigten gegen Arbeitsunfall versichert. Ferner sind nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO Personen gegen Arbeitsunfall versichert, die wie ein in einem Beschäftigungsverhältnis stehender Versicherter tätig werden.
Die Klägerin war jedoch, wie das LSG zutreffend entschieden hat, im Unfallzeitpunkt weder nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO noch nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO gegen Arbeitsunfall versichert. Denn sie hat an dem Sommerlager der DPSG in Erfüllung mitgliedschaftlicher Vereinspflichten in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Leitungsteams der Jugendgruppe teilgenommen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) schließt die Mitgliedschaft in einem – rechtsfähigen oder nicht rechtsfähigen – Verein die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO nicht von vornherein aus und damit auch nicht schlechthin eine versicherte Tätigkeit wie eine Beschäftigte iS von § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO aus (BSGE 14, 1; 17, 211; 52, 11; BSG SozR 2200 § 539 Nrn 101, 114, 123; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 18; BSG Urteil vom 26. Januar 1982 – 2 RU 43/80 – USK 8252; Urteil vom 19. Mai 1983 – 2 RU 55/82 – USK 8366; Urteil vom 24. Januar 1992 – 2 RU 23/91 – USK 9204, jeweils mwN). Die Anwendung dieser Vorschriften setzt aber voraus, daß das Vereinsmitglied als eine bzw wie eine in einem Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnis Stehende tätig wird. Ist für ein Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnis kein Raum, weil die Tätigkeit nicht aufgrund eines solchen Verhältnisses, sondern aufgrund von Mitgliedspflichten ausgeübt worden ist, so entfällt die Anwendung des § 539 Abs 1 Nr 1 RVO und damit auch des § 539 Abs 2 RVO (vgl BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 18 mwN). Es ist somit zu unterscheiden zwischen Arbeitsleistungen, die nur auf Mitgliedspflichten beruhen, und Arbeitsleistungen, die außerhalb dieses Rahmens verrichtet werden. Nur im letzteren Fall kann, wenn die erforderliche Abhängigkeit gegeben ist, ein Arbeits- oder Dienstverhältnis angenommen werden (BSG SozR 2200 § 539 Nrn 114 und 123).
Hinsichtlich des Versicherungsschutzes nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO fehlt es für das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses bereits an einer persönlichen Abhängigkeit zwischen der Klägerin und der DPSG, wie das LSG rechtlich zutreffend festgestellt hat.
Es sind aber auch die Voraussetzungen des § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO nicht gegeben. Ein Vereinsmitglied kann zwar grundsätzlich nicht nur – wie dargelegt – „als”, sondern dementsprechend auch „wie” ein nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO Beschäftigter für den Verein tätig und nach § 539 Abs 2 RVO versichert sein (BSG SozR 2200 § 539 Nr 123; BSG Urteil vom 22. September 1988 – 2/9b RU 78/87 – HV-Info 1988, 2178). Danach sind gegen Arbeitsunfall Personen versichert, die wie ein nach Abs 1 des § 539 RVO Versicherter tätig werden. Die Anwendung der Vorschrift erfordert eine ernsthafte, dem Unternehmen zu dienen bestimmte und seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprechende Tätigkeit, die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen, und die unter solchen Umständen geleistet wird, daß sie einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses ähnlich ist. Die hier zu beurteilende Betreuung der Pfadfinder in der Freizeit stellt zwar eine ernsthafte, dem Willen des Pfadfinderstammes entsprechende Arbeitsleistung dar. Eines persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeitsverhältnisses bedarf es bei einem Tätigwerden nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO nicht (BSGE 5, 168; 17, 211; BSG SozR 2200 § 539 Nr 123; BSG Urteil vom 22. September 1988 – 2/9b RU 78/87 – aaO; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, S 475m ff mwN).
Der Versicherungsschutz ist im vorliegenden Fall aber ausgeschlossen, weil sich die Tätigkeit der Klägerin entgegen ihrer Auffassung in der Revision als Betreuerin im Sommerlager als Ausfluß ihrer Mitgliedschaft im Verein darstellt. Denn maßgebend ist, daß die Tätigkeit aufgrund ihrer Mitgliedspflichten im Rahmen des Vereinszweckes verrichtet wurde.
Diese Mitgliedspflichten können sich aus der Satzung des Vereins, den Beschlüssen der zuständigen Vereinsorgane oder aufgrund allgemeiner Vereinsübung ergeben. Nach den Feststellungen des LSG war im vorliegenden Fall eine Verpflichtung der Klägerin zur Teilnahme am Sommerlager als Betreuerin durch einen entsprechenden Beschluß des dafür zuständigen Vereinsorgans nicht festgelegt.
Die Satzung der DPSG fordert zwar im Abschn 1 Nr 16, daß die Mitglieder zur Mitarbeit an den Veranstaltungen des Verbandes berechtigt, aber auch verpflichtet sind. Ob aus dieser allgemeinen Formulierung eine Verpflichtung, aktiv im Rahmen des Vereinszwecks mitzuwirken und daraus eine spezielle Teilnahmepflicht der Klägerin an der Sommerfreizeit als Betreuerin abgeleitet werden kann, kann dahingestellt bleiben. Denn für die Klägerin bestand – wie das LSG zu Recht entschieden hat – eine Verpflichtung zur Teilnahme an der Freizeit als Betreuerin aufgrund der Vereinsübung. Zu den auf allgemeiner Vereinsübung beruhenden Mitgliedspflichten zählen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG im allgemeinen Tätigkeiten, die ein Verein von jedem seiner Mitglieder erwarten kann und die von den Mitgliedern dieser Erwartung entsprechend auch verrichtet werden (BSGE 14, 1; 17, 211; BSG Urteil vom 22. September 1988 – 2/9b RU 78/87 – aaO; BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 18; Brackmann/Wiester, Handbuch der Sozialversicherung, SGB VII, § 2, RdNr 862; Schlegel in Schulin, HS-UV, § 14 RdNr 56), wie zB regelmäßige Arbeiten zur Herrichtung und Reinigung von Sportplätzen, Verkauf von Eintrittskarten und Ordnungsdienste bei Veranstaltungen. Gekennzeichnet sind diese geringfügigen Tätigkeiten im allgemeinen dadurch, daß sie nach Art und Umfang nur wenig zeitlichen oder sachlichen Arbeitsaufwand erfordern.
Nach der Rechtsprechung des BSG fielen in diesen Rahmen Arbeiten in einem Umfang von drei bis vier Stunden (BSG SozR 2200 § 539 Nr 123; BSG Urteil vom 22. September 1988 – 2/9b RU 78/87 – aaO) oder von sieben Stunden (BSG Urteil vom 19. Mai 1983 – 2 RU 55/82 – USK 8366). Dagegen wurden über diesen Rahmen hinausgehende umfangreichere Arbeitsleistungen (zB Bau eines Vereinsheims s BSGE 14, 1 und BSG Urteil vom 26. Januar 1982 – 2 RU 43/80 – USK 8252; Errichtung eines Vereinshauses eines Kleingartenvereins s BSG Urteil vom 24. Januar 1992 – 2 RU 3/91 –, USK 9204; Neubau des Sportplatzgeländes und des Vereinshauses s BSG Urteil vom 9. Dezember 1993 – 2 RU 54/92 – HV-Info 1994, 413) nicht mehr als geringfügig angesehen. Die Grenze der Geringfügigkeit überschreiten kann eine Tätigkeit sowohl hinsichtlich ihres Umfangs als auch ihrer Art nach (BSG SozR 2200 § 539 Nr 101). Ferner kann die Geringfügigkeitsmarke je nach Verein verschieden sein. Wenn die Bereitschaft der Vereinsmitglieder, Arbeiten für den Verein zu verrichten, größer ist, wird auch die Grenze, von der an der Verein diese Arbeiten allgemein aufgrund einer sich so entwickelten Vereinsübung von seinen Mitgliedern erwarten kann und die von den Mitgliedern entsprechend dieser Erwartung verrichtet werden, höher liegen. Allgemein betrachtet ist die Grenze der Geringfügigkeit dort überschritten, wo sich eine Arbeitsleistung von wirtschaftlichem Wert deutlich erkennbar von dem Maß an vergleichbarer Aktivität abhebt, das die Vereinsmitglieder üblicherweise aufwenden (BSG aaO). Damit ergibt sich hinsichtlich des Maßstabes dafür, ob auch umfangreichere Tätigkeiten noch aufgrund allgemeiner Vereinsübung und damit aufgrund mitgliedschaftlicher Vereinszugehörigkeit erbracht werden können, keine eindeutige Grenzziehung. Hinzukommt, daß der Maßstab für die allgemeine Vereinsübung, Mitglieder zu Arbeitsleistungen heranzuziehen, nicht notwendig für alle Mitglieder gleich ist (vgl Schlegel in Schulin, HS-UV, § 14 RdNr 55). Hebt der Verein bestimmte Personen dadurch aus dem Kreis seiner Mitglieder heraus, daß er ihnen ehrenamtliche Vereinsfunktionen überträgt, so treffen diese Funktionäre auch qualitativ und quantitativ andere Mitgliedspflichten als „einfache Vereinsmitglieder”. Gleiches gilt dann, wenn der Verein von bestimmten „einfachen Mitgliedern” die Ausführung gefährlicher und besonderer Fachkunde erfordernder Arbeiten verlangt (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 123; BSG Urteil vom 22. September 1988 – 2/9b RU 78/87 – aaO; Schlegel in Schulin aaO). Daraus ergibt sich, daß hinsichtlich der Vereinsübung allein wesentlich ist, ob der Verein erwarten kann, daß bestimmte Aufgaben von geeigneten Mitgliedern wahrgenommen werden und geeignete Mitglieder regelmäßig der Erwartung des Vereins auch nachkommen (vgl BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 18). Damit spricht hier der Umstand, daß die Leitung der Freizeit der Pfadfindergruppe einen erheblichen zeitlichen Aufwand von fast drei Wochen erforderte, nicht von vornherein gegen die Annahme, daß dies aufgrund einer Verpflichtung aufgrund der Vereinsübung erfolgte. Denn die Klägerin war seit Herbst 1991 im Leitungsteam der die Altersgruppe der 11 bis 13 Jahre alten Mitglieder umfassenden Jungpfadfinderstufe des Stammes St. Augustinus B. … der DPSG. Kraft Annahme dieses Amtes zur Jugendgruppenleiterin gehörte es damit zu den vorgesehenen Aufgaben/Pflichten der Klägerin gegenüber dem Pfadfinderstamm, an der Sommerfreizeit teilzunehmen. Denn der Verein hatte die Mitglieder des Leitungsteams aus dem Kreis seiner Mitglieder dadurch herausgehoben, daß er ihnen Leitungsfunktionen übertrug. Dazu gehörte auch, das Sommerlager des Pfadfinderstammes durchzuführen. Bei der Teilnahme am Sommerlager erfüllte die Klägerin damit typische Aufgaben, die ihr als ehrenamtliche Funktionärin des Pfadfinderstammes oblagen. Damit ist die Arbeitsleistung, die die Klägerin gegenüber ihrem Pfadfinderstamm erbracht hat, als unmittelbarer Ausfluß ihrer Mitgliedschaft zu werten. Als ehrenamtliche Funktionärin des Vereins hat sie nach allgemeiner Vereinsübung Aufgaben wahrgenommen, die gewöhnlich von Funktionären aufgrund ihrer Mitgliedschaft zum Verein verrichtet werden (vgl BSG SozR 3-2200 § 539 Nr 18).
Von diesen Rechtsgrundsätzen ausgehend hat das LSG eingehend und überzeugend dargelegt, daß die Klägerin mit der Betreuung der Pfadfindergruppe im Zeltlager ihre Leitungsfunktion als Gruppenleiterin erfüllt hat. Wegen des Zusammengehörigkeitsgefühls der Gruppe war es allgemein üblich, an der Freizeit möglichst teilzunehmen, wenn nicht besondere Gründe dem entgegenstanden. Diese Verpflichtung ergab sich aufgrund der „Ordnung” der DPSG im Hinblick auf das Ziel der pfadfinderischen Erziehung der Mitglieder. Gerade das Hervorheben des Zeltlagers und das damit verbundene Zusammenleben in der Natur zeigt seine besondere Bedeutung für die pfadfinderische Erziehung. Deren Ziele können nach der „Ordnung” der DPSG nur erreicht werden, wenn Erwachsene die Leitung einer Gruppe übernehmen. Wie das LSG überzeugend darlegt, war zur Wahrnehmung der Leitungsfunktion die Teilnahme eines Leitungsmitgliedes der DPSG an der Freizeit der Pfadfindergruppe erforderlich. Zu Recht weist das LSG darauf hin, daß auch die Klägerin es als selbstverständlich angesehen hat, im Rahmen ihrer Leitungsfunktion an der Freizeit teilzunehmen.
Damit ging die Aktivität der Klägerin nicht über das hinaus, was die DPSG von den Mitgliedern ihres Leitungsteams erwartete, um die Ziele des Pfadfindertums zu erreichen. Die Teilnahme der Klägerin ging auch nicht über das hinaus, was in der Regel andere Gruppenleiter der DPSG für den Pfadfinderstamm leisteten.
Da somit ein Tätigwerden der Klägerin aufgrund mitgliedschaftlicher Verpflichtung vorgelegen hat, hat das LSG zu Recht auch den Versicherungsschutz nach § 539 Abs 2 iVm Abs 1 Nr 1 RVO verneint.
Die Revision war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1175411 |
NJW 1999, 446 |
ArbuR 1998, 206 |
NZS 1998, 531 |
SozR 3-2200 § 539, Nr.41 |
VersR 1999, 1563 |
SozSi 1998, 439 |