Leitsatz (amtlich)
Zur rechtlichen Bedeutung von Vorschriften und Bescheiden über das Ruhen von Bezügen.
Leitsatz (redaktionell)
1. Bescheide über die "Bewilligung" einer Rente sind begünstigende und feststellende Verwaltungsakte; sie werden nach SGG § 77 und KOV-VfG § 24 ebenso wie nach den Grundsätzen in dem Zeitpunkt, in dem sie dem Begünstigten zugehen, in der Sache bindend, soweit durch Gesetze nichts anderes bestimmt ist.
Bescheide über einen Versorgungsanspruch dürfen weder allgemein mit einem Vorbehalt versehen werden, noch darf unterstellt werden, daß sie stets als unter Vorbehalt ergangen zu verstehen seien.
2. Die Versorgungsbehörde darf die Bewilligung von Leistungen nur zurücknehmen, wenn sie auf Grund einer Ausnahmevorschrift hierzu ermächtigt ist. Eine Ermächtigung zur Rücknahme eines solchen Bescheides enthält die Vorschrift des BVG § 65 Abs 1 Nr 2 nicht; sie bestimmt lediglich, daß unter bestimmten Voraussetzungen der Versorgungsanspruch nach dem BVG ruht, dh Leistungen insoweit nicht gewährt werden dürfen, als der Ruhenstatbestand erfüllt ist.
Hat die Versorgungsbehörde in einem Bescheid einen Anspruch auf Rente festgestellt, obwohl ein solcher Anspruch nach BVG § 65 Abs 1 Nr 2 nicht gegeben ist, dann kann sie auch in diesem Falle die Bindung an ihren Bescheid nur beseitigen, wenn sie sich auf eine gesetzliche Ermächtigung für die Rücknahme des - entweder von Anfang an rechtswidrigen (KOV-VfG § 41) oder später infolge Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtswidrig gewordenen (BVG § 62) - begünstigenden Verwaltungsakt stützen kann und auch einen entsprechenden Bescheid erläßt. Daran ändert nichts, daß das Ruhen des Versorgungsanspruchs nach BVG § 65 Abs 1 Nr 2 "kraft Gesetzes" eintritt; der "gesetzwidrige Inhalt" eines begünstigenden Verwaltungsaktes beseitigt seine Bindungswirkung nicht, es sei denn, er habe - was aber praktisch nur ausnahmsweise der Fall ist - die Nichtigkeit des Bescheides zur Folge.
Normenkette
BVG § 65 Abs. 1 Nr. 2 Fassung: 1955-01-19; KOVVfG § 24 Fassung: 1955-05-02; SGG § 77 Fassung: 1953-09-03; KOVVfG § 41 Fassung: 1955-05-02; BVG § 62 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 1. Juli 1960 wird, soweit darin die Klage gegen die Rückforderung überzahlter Witwenrente von 1391,10 DM abgewiesen wird, aufgehoben; das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17. April 1956 und der Bescheid des Versorgungsamts Landshut vom 23. November 1953 werden, auch soweit sie die Rückforderung überzahlter Witwenrente betreffen, aufgehoben.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Klägerin ist die Witwe des am 5. August 1944 gefallenen Steuersekretärs Georg M (M.). Die Klägerin und ihre Kinder bezogen Witwen- und Waisenrente nach dem Bayerischen Körperbeschädigtenleistungs-Gesetz (KBLG) und nach dem Bundesversorgungsgesetz - BVG - (Bescheid der Landesversicherungsanstalt - LVA - Niederbayern-Oberpfalz vom 8. Mai 1950 und Bescheid des Versorgungsamtes - VersorgA - Landshut vom 16. Juli 1951); die Klägerin erhielt ferner von der Pensionsregelungsstelle der Oberfinanzdirektion München Witwengeld nach den beamtenrechtlichen Vorschriften.
Mit Schreiben vom 12. Februar 1952 teilte die Pensionsregelungsstelle dem VersorgA mit, daß die (beamtenrechtlichen) Versorgungsbezüge der Klägerin nach § 27 a des Einsatzwehrmachtfürsorge- und Versorgungsgesetzes vom 6. Juli 1939 (EWFVG) neu festgestellt worden seien. Mit Bescheid vom 29. Februar 1952 stellte das VersorgA die Versorgungsbezüge der Klägerin neu fest. Es rechnete dabei zwar wie bisher die beamtenrechtlichen Bezüge der Klägerin als Einkommen an, bewilligte aber der Klägerin - erneut - die volle Witwengrundrente von monatlich 40 DM ab 1. Oktober 1950. Anläßlich einer Änderung des Besoldungsrechts teilte die Pensionsregelungsstelle dem VersorgA am 29. Oktober 1953 mit, daß sich "die Versorgungbezüge (der Klägerin) nach den Unfallfürsorgebestimmungen des deutschen Beamtengesetzes von 1937 gemäß § 27 a EWFVG" ab 1. April 1953 entsprechend der übersandten Kassenanweisung geändert hätten, gleichzeitig gab die Pensionsregelungsstelle bekannt, wie sich die Bezüge der Klägerin ab 1. April 1953 nach den allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften berechnen würden. Darauf forderte das VersorgA auch für die vorangehende Zeit eine Gegenüberstellung der Versorgungsbezüge der Klägerin nach den Unfallfürsorgebestimmungen und den allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften an. Das VersorgA erließ sodann den "Zuungunstenbescheid" vom 23. November 1953. Es hob darin nach Art. 30 Abs. 4 KBLG i. V. m. § 84 BVG den Bescheid vom 29. Februar 1952 auf, weil sich die Voraussetzungen dieses Bescheides insofern als unzutreffend erwiesen hätten, als angenommen worden sei, die Klägerin erhalte Witwengeld nach den allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften, tatsächlich seien aber der Klägerin von der Pensionsregelungsstelle Bezüge nach den Grundsätzen der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge bewilligt worden, es habe deshalb die Ruhensvorschrift des § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG angewandt werden müssen; der Klägerin habe danach in der Zeit vom 1. Oktober 1950 bis 31. Dezember 1952 lediglich eine Witwenrente von insgesamt 208,92 DM zugestanden; das VersorgA forderte von der Klägerin 1391,10 DM "überzahlte" Witwenrente - und daneben einen Betrag "überzahlter" Waisenrente - zurück. Mit der Klage machte die Klägerin geltend, die Rückforderung widerspreche Treu und Glauben, da das VersorgA über die Art der beamtenrechtlichen Versorgung der Klägerin unterrichtet gewesen sei. Das Sozialgericht (SG) Landshut wies die Klage mit Urteil vom 17. April 1956 ab. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) entschied mit Urteil vom 1. Juli 1960; es hob das Urteil des SG teilweise auf (es gab der Klage insoweit statt, als sich die Klägerin gegen die Rückforderung der überzahlten Waisenrente gewandt hat); im übrigen (hinsichtlich der Rückforderung der überzahlten Witwenrente von 1391,10 DM) wies das LSG die Berufung der Klägerin zurück. Das LSG führte aus, der angefochtene Bescheid vom 23. November 1953 sei kein Zuungunstenbescheid nach Art. 30 Abs. 4 KBLG, sondern ein "Ruhensbescheid"; die Versorgungsbehörde sei berechtigt gewesen, die Ruhensvorschrift des § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG rückwirkend anzuwenden, weil Bescheide, die über einen Versorgungsanspruch entscheiden, stets unter dem Vorbehalt der Kürzung erlassen werden. Der Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 29. Februar 1952 stehe entgegen, daß die Versorgungsbehörde auf Grund der Mitteilung der Pensionsregelungsstelle vom 12. Februar 1952 schon bei Erteilung des Bescheides vom 29. Februar 1952 Anlaß gehabt habe, die Ruhensvorschrift des § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG anzuwenden. Rechtsgrundlage für die Rückforderung sei § 47 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG); die Rückforderung der Witwenrente sei nach § 47 Abs. 2 rechtmäßig, weil die Rückforderung für die Klägerin wirtschaftlich vertretbar sei. Das LSG stützte seine Rechtsauffassung auf Urteile des 8. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) (BSG 4, 281; Urteil vom 13. November 1958 - 8 RV 811/56 -, Kriegsopferversorgung - KOV - 1959 S. 54); es ließ die Revision zu, "weil zweifelhaft sein kann, ob die vom BSG im Urteil vom 13. November 1958 entwickelten Grundsätze auch dann gelten, wenn die Versorgungsbehörde - wie hier - trotz Kenntnis des Ruhenstatbestandes einen sachlich unrichtigen Bescheid erläßt und das Ruhen der Versorgungsbezüge erst später feststellt." Das Urteil des LSG wurde der Klägerin am 21. Juli 1960 zugestellt.
Die Klägerin legte am 3. August 1960 Revision ein. Sie beantragte,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 1. Juli 1960 abzuändern, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 17. April 1956 sowie den Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 23. November 1953 aufzuheben und festzustellen, daß dem Beklagten ein Rückforderungsanspruch gegen die Klägerin auch in Höhe von DM 1391,10 nicht zusteht.
Die Klägerin begründete die Revision - nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist - am 21. Oktober 1960. Sie machte geltend, das LSG habe zu Unrecht die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 29. Februar 1952 als rechtmäßig und die Rückforderung der überzahlten Witwenrente als begründet angesehen; das LSG habe den Umstand, daß die Fehlerhaftigkeit des Bescheides vom 29. Februar 1952 in den "Verantwortungsbereich" der Versorgungsbehörde gefallen sei, weil die Versorgungsbehörde den sachlich unrichtigen Bescheid trotz Kenntnis des Ruhenstatbestandes erlassen habe, rechtlich nicht zutreffend gewürdigt.
Der Beklagte beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG - in Verbindung mit den §§ 153 Abs. 1 und 165 SGG).
II
Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft. Die Klägerin hat sie auch form- und fristgerecht eingelegt, sie ist damit zulässig. Die Revision ist auch begründet.
Streitig ist, ob der Beklagte mit dem Bescheid vom 23. November 1953 ("Zuungunstenbescheid") den Bescheid vom 29. Februar 1952, in dem er der Klägerin die Witwengrundrente von 40 DM ab 1. Oktober 1950 bewilligt hat, zu Recht - teilweise - zurückgenommen hat. Streitig ist ferner, ob der Beklagte mit dem Bescheid vom 23. November 1953 die Überzahlung an Witwenrente von 1391,10 DM zu Recht zurückgefordert hat.
Der Beklagte hat den Bescheid vom 29. Februar 1952 zurückgenommen, weil er in diesem Bescheid nicht berücksichtigt hat, daß der Klägerin aus Anlaß des Todes ihres Ehemanns Bezüge aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge bewilligt worden sind und die Versorgungsbezüge der Klägerin (nach dem BVG) deshalb in Höhe des Unterschieds zwischen einer Versorgung nach allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften und einer Versorgung aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge ruhen (§ 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG). Das LSG hat die Rücknahme des Bewilligungsbescheides vom 29. Februar 1952 im Ergebnis zu Recht für rechtmäßig gehalten. Die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 23. November 1953, soweit er die Rücknahme des Bewilligungsbescheides betrifft, ergibt sich allerdings nicht - wie das LSG angenommen hat - daraus, daß "Bescheide, die über einen Versorgungsanspruch entscheiden, stets unter dem Vorbehalt der Kürzung erlassen werden", der Beklagte deshalb die Ruhensvorschrift des § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG - mit einem "Ruhensbescheid" - auch rückwirkend hat anwenden dürfen; der erkennende Senat vermag dieser auch vom 8. Senat des BSG in mehreren Urteilen (4, 281; 7, 206, Urteil vom 13. November 1958, 8 RV 811/56, KOV 1959 S. 54) geäußerten, jedoch für einen Fall wie den hier vorliegenden nicht in Betracht kommenden Rechtsauffassung nicht zu folgen. Bescheide über die "Bewilligung" einer Rente - wie der Bescheid vom 29. Februar 1952 - sind begünstigende und feststellende Verwaltungsakte; sie werden nach den §§ 77 SGG und 24 VerwVG ebenso wie nach den allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen in dem Zeitpunkt, in dem sie dem Begünstigten zugehen, in der Sache bindend, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist (vgl. u. a. BSG 7, 8 ff.; 7, 51; 8, 11; 10, 72; Urteil vom 21. September 1962, NJW 1963, 536 = DÖV 1963, 162 - die Bindungswirkung erstreckt sich auch auf die Höhe der Rente, vgl. BSG 14, 154). Bescheide über einen Versorgungsanspruch dürfen weder allgemein mit einem Vorbehalt versehen werden, noch darf unterstellt werden, daß sie stets als unter Vorbehalt ergangen zu verstehen seien (vgl. auch Haueisen, NJW 1958, S. 1065, 1067 und Anm. 23). Der Beklagte hat daher die Bewilligung von Leistungen in dem Bescheid vom 29. Februar 1952 nur zurücknehmen dürfen, wenn er auf Grund einer Ausnahmevorschrift hierzu ermächtigt gewesen ist; eine Ermächtigung zur Rücknahme eines solchen Bescheides enthält die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG nicht; sie bestimmt lediglich, daß unter bestimmten Voraussetzungen der Versorgungsanspruch nach dem BVG ruht, d. h. Leistungen insoweit nicht gewährt werden dürfen, als der Ruhenstatbestand erfüllt ist. Hat der Beklagte aber in einem Bescheid einen Anspruch auf Rente festgestellt, obwohl ein solcher Anspruch nach § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG nicht gegeben ist, so kann er auch in diesem Falle die Bindung an seinen Bescheid nur beseitigen, wenn er sich auf eine gesetzliche Ermächtigung für die Rücknahme des - entweder von Anfang an rechtswidrigen (jetzt § 41 VerwVG) oder später infolge Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtswidrig gewordenen (§ 62 BVG) - begünstigenden Verwaltungsakt stützen kann und auch einen entsprechenden Bescheid erläßt. Daran ändert nichts, daß das Ruhen des Versorgungsanspruchs nach § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG "kraft Gesetzes" eintritt; der "gesetzwidrige Inhalt" eines begünstigenden Verwaltungsaktes beseitigt seine Bindungswirkung nicht, es sei denn, er habe - was aber praktisch nur ausnahmsweise der Fall ist - die Nichtigkeit des Bescheids zur Folge. Im vorliegenden Falle sind der Klägerin, wie sich aus der Mitteilung der Pensionsregelungsstelle vom 12. Februar 1952 ergibt, die Bezüge aus der beamtenrechtlichen Unfallfürsorge vor Erlaß des Rentenbescheids des Beklagten vom 29.2.1952 bewilligt worden; der Bescheid vom 29.2.1952, der dies nicht berücksichtigt hat, ist somit von Anfang an rechtswidrig gewesen; insofern unterscheidet sich dieser Fall von den vom 8. Senat entschiedenen Fällen, in denen das Ruhen der Versorgungsansprüche nach der Rentenbewilligung eingetreten ist; in denen aber nach Ansicht des erkennenden Senats auch nichts anderes gelten kann; einer Anrufung des Großen Senats nach § 42 SGG bedarf es indes im vorliegenden Fall nicht; es kommt für die Entscheidung auf diese Frage nicht an.
Die Rücknahme des Bescheides vom 29. Februar 1952 mit dem Bescheid vom 23. November 1953 ist nämlich deshalb rechtmäßig, weil der Beklagte in Art. 30 Abs. 4 KBLG eine gesetzliche Ermächtigung für die Rücknahme gehabt hat und die Voraussetzungen für die Rücknahme nach dieser Vorschrift auch erfüllt sind. Der Beklagte hat der Klägerin nach § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG keine Versorgungsleistungen bewilligen dürfen; die bewilligten Versorgungsleistungen haben der Klägerin nicht zugestanden, der Bescheid ist insoweit rechtswidrig. Die Voraussetzungen des Bewilligungsbescheids, zu denen auch gehört hat, daß keine Leistungshinderungsgründe im Sinne des § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG vorgelegen haben, haben sich sonach als unzutreffend erwiesen. Für die Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Leistungsbewilligung nach Art. 30 Abs. 4 KBLG ist es nicht darauf angekommen, ob die Ursache für das Zustandekommen des rechtswidrigen Bewilligungsbescheides im "Verantwortungsbereich" des Beklagten gelegen hat oder nicht.
Aus der Rechtmäßigkeit der Rücknahme des Bewilligungsbescheides nach Art. 30 Abs. 4 KBLG ergibt sich jedoch, wie auch das LSG zutreffend angenommen hat, noch nicht, daß auch die Rückforderung der Überzahlung der Witwenrente rechtmäßig ist (vgl. insoweit Urteil des BSG vom 17. November 1962 - 11 RV 116/60 -); die - rechtmäßige - Rücknahme des Bewilligungsbescheids ist nur eine Voraussetzung für den Anspruch auf Erstattung zu Unrecht gewährter öffentlich-rechtlicher Leistungen; weitere Voraussetzungen können sich aus Spezialvorschriften (wie z. B. § 47 VerwVG) und aus den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts ergeben (BSG 7, 8 ff. und 226 ff.). Das LSG hat den Anspruch des Beklagten auf Erstattung der überzahlten Witwenrente nach § 47 Abs. 2 VerwVG für begründet gehalten, weil die Rückforderung für die Klägerin wirtschaftlich vertretbar sei; auf § 47 Abs. 2 VerwVG kann die Rechtmäßigkeit der Rückforderung jedoch nicht gestützt werden.
Wenn das LSG davon ausgegangen ist, daß die Rechtmäßigkeit der Rückforderung nach § 47 VerwVG zu beurteilen sei, so hat es nicht § 47 Abs. 2, sondern § 47 Abs. 3 VerwVG anwenden müssen; die "Überzahlung" beruht hier nicht darauf, daß der Leistungsbewilligungsbescheid nachträglich durch Änderung der Verhältnisse rechtswidrig geworden ist; sie beruht vielmehr darauf, daß der Beklagte einen von Anfang an rechtswidrigen Bescheid erlassen hat; der Fall ist also dem Fall gleichzusetzen, in dem ein von Anfang an rechtswidriger Bescheid nach § 41 VerwVG zurückgenommen worden ist; es kann deshalb als Rechtsgrundlage der Rückforderung nur § 47 Abs. 3 VerwVG in Betracht kommen; nach § 47 Abs. 3 VerwVG besteht aber - im Gegensatz zu § 47 Abs. 2 VerwVG - für den Betroffenen die Pflicht zur Erstattung jedenfalls nicht schon dann, wenn die Rückforderung wegen seiner wirtschaftlichen Verhältnisse vertretbar ist. Das LSG hat daher insoweit die Sach- und Rechtslage nicht zutreffend beurteilt.
Es kann dahingestellt bleiben, ob - wie das LSG in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BSG (vgl. u. a. BSG 3, 234, 237; 5, 267) angenommen hat -, die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hinsichtlich des Rückforderungsanspruchs nach § 47 VerwVG zu beurteilen ist, oder ob insoweit, da das VerwVG erst am 1. April 1955 in Kraft getreten ist und das Verwaltungsverfahren hier schon im Jahre 1953 abgeschlossen gewesen, also bei Inkrafttreten des Gesetzes nicht mehr "anhängig" (§ 52 VerwVG) gewesen ist, die Rückforderung allein nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts zu beurteilen ist (vgl. insoweit Urteil des 8. Senats vom 22. März 1962 - 8 RV 989/58 -; Urteil des 11. Senats vom 18. Oktober 1962 - 11 RV 392/60 -). Im vorliegenden Falle ist die Rückforderung sowohl nach den Grundsätzen des allgemeinen Verwaltungsrechts in der Ausprägung, in der diese Grundsätze auf dem Gebiete der KOV für die Zeit vor dem Inkrafttreten des VerwVG anzuwenden sind, als auch nach § 47 Abs. 3 VerwVG rechtswidrig. Das LSG hat zwar insoweit die Sach- und Rechtslage nicht im einzelnen erörtert; die Feststellungen, die das LSG in anderem Zusammenhang getroffen hat, und das insoweit unstreitige Vorbringen der Beteiligten gestatten es jedoch dem BSG, in der Sache selbst zu entscheiden. Die "Unrichtigkeit" des Bewilligungsbescheides beruht weder darauf, daß die Klägerin unrichtige Angaben gemacht oder für die Entscheidung bedeutsame Tatsachen verschwiegen hat, noch darauf, daß sie Änderungen ihrer Einkünfte pflichtwidrig nicht mitgeteilt hat, sie ist nicht von der Klägerin, sondern - ausschließlich - von dem Beklagten zu vertreten.
Der Beklagte hat, wie auch das LSG festgestellt hat, aus dem laufenden Schriftwechsel mit der Pensionsregelungsstelle die Tatsachen, aus denen sich die Anwendung der "Ruhensvorschrift" des § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG ergeben hat, gekannt, er hat es offensichtlich aus einem Rechtsirrtum unterlassen, die Vorschrift des § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG anzuwenden. Die Klägerin hat darauf vertrauen dürfen, daß ihr die bewilligte Rente zugestanden hat; sie hat sich darauf verlassen dürfen, daß die Versorgungsbehörde von der Pensionsregelungsstelle über Art und Höhe ihrer beamtenrechtlichen Versorgung richtig unterrichtet worden ist - wie es auch der Fall gewesen ist - und daß die Versorgungsbehörde die Mitteilungen der Pensionsregelungsstelle gesetzmäßig ausgewertet hat; sie hat deshalb überzeugt sein dürfen, daß ihr die "richtige" Rente bewilligt worden ist. Es ist von der Klägerin schlechterdings nicht zu erwarten gewesen, daß sie die Rechtsfrage, die sich aus der Änderung ihrer beamtenrechtlichen Bezüge im Hinblick auf § 65 Abs. 1 Ziffer 2 BVG ergeben hat und die nicht einfach zu beurteilen gewesen ist, besser als die Versorgungsbehörde hat erfassen und beurteilen können. Es besteht deshalb kein Anhalt dafür, daß die Klägerin die bewilligten Leistungen nicht im "guten Glauben" empfangen hat (vgl. Urteil des BSG vom 18. Oktober 1962 - 11 RV 92/60 -).
Unter diesen Umständen ist die Rückforderung der "überzahlten" Witwenrente, die in dem Bescheid des Beklagten vom 23. November 1953 geltend gemacht ist, rechtswidrig. Die Revision ist sonach begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben, soweit darin die Klage gegen die Rückforderung von 1391,10 DM abgewiesen worden ist; das Urteil des SG und der Bescheid des Beklagten vom 23. November 1953 sind aufzuheben, soweit sie die "Rückforderung überzahlter Witwenrente" betreffen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen