Leitsatz (redaktionell)

FRG § 23 Abs 2 S 1:

Angaben über die Besonderheiten der ausgeübten selbständigen Tätigkeit.

 

Normenkette

FRG § 23 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1960-02-25

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 22. August 1963 wird aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

Die Beteiligten streiten darüber, wie Versicherungszeiten, die in der sowjetischen Besatzungszone (SBZ) zurückgelegt wurden, bei der Rentenberechnung zu berücksichtigen sind.

Die im Jahre 1887 geborene Klägerin hat von Januar 1946 bis Mai 1960 als Alleininhaberin ein Hotel in J betrieben und in dieser Zeit als pflichtversicherte Selbständige Beiträge zur sowjetzonalen Sozialversicherung entrichtet. Nach Entziehung der Konzession kam sie im Juli 1960 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Seit dem 1. Juli 1960 bezieht sie von der Beklagten eine Erwerbsunfähigkeitsrente. Bei der Rentenberechnung hat die Beklagte unter Anwendung des § 23 Fremdrentengesetz (FRG) für die Jahre 1946 bis 1951 - für diese Zeit wurden die Versicherungszeiten nur als glaubhaft gemacht angesehen - die Brutto-Jahresarbeitsentgelte der Leistungsgruppe 3, für die Jahre 1952 und 1954 die der Leistungsgruppe 2 und für die übrige Zeit diejenigen der Leistungsgruppe 1 der Anlage 1 B und Anlage 11 zu § 22 FRG zugrunde gelegt (Bescheide vom 3. Mai 1962 und 19. Oktober 1962). Die Klägerin hält diese Eingruppierung in verschiedene Leistungsgruppen für nicht gerechtfertigt, da ihre Tätigkeit in den Jahren 1946 bis 1960 immer die gleiche gewesen sei; sie erstrebt ihre Einstufung in die Leistungsgruppe 1 für die gesamte Versicherungszeit, auch wenn ihre Einkünfte in den Jahren 1946 bis 1952 und 1954 geringer gewesen seien. Das Sozialgericht (SG) und das Landessozialgericht (LSG) entschieden im Sinne der Klägerin. Die Revision wurde zugelassen.

Das LSG meint, die Klägerin sei nach ihren Tätigkeitsmerkmalen für den gesamten Versicherungszeitraum (1946 - 1960) der Leistungsgruppe 1 zuzuordnen. Für die Jahre 1946 bis 1951 fehle ein Anhaltspunkt dafür, welche Beiträge in dieser Zeit von der Klägerin geleistet worden seien. Deshalb könne für diesen Zeitraum die Leistungsgruppe ohnehin nur nach den Tätigkeitsmerkmalen festgestellt werden. Hiernach aber sei die Einstufung in die Leistungsgruppe 1 gerechtfertigt. Für die Berücksichtigung des in den Jahren 1952 und 1954 erzielten Verdienstes von 5.482,- Mark bzw. 6.150,- Mark sei kein Raum, wenn - wie hier - auf Grund der Tätigkeitsmerkmale die Leistungsgruppe eines Versicherten eindeutig festliege. Dann sei es auch ohne Einfluß, ob das Einkommen und damit die Beitragsleistung zeitweise dem Durchschnitts-Bruttojahresarbeitsentgelt einer anderen Leistungsgruppe entspreche.

Die Beklagte legte Revision ein mit dem Antrage,

unter Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile die Klage abzuweisen.

Sie rügt eine Verletzung von § 23 FRG. Das LSG entnehme dieser Bestimmung zu Unrecht, daß es auf die Beitragsleistung dann nicht ankomme, wenn eine bestimmte Leistungsgruppe schon auf Grund der Tätigkeitsmerkmale ermittelt worden sei. Im übrigen sei es auch nicht gerechtfertigt, die Klägerin für die Jahre 1946 bis 1951 in die Leistungsgruppe 1 einzustufen. Das LSG habe hierfür keine eigene Begründung gegeben, sondern sei allein davon ausgegangen, daß auch schon die Beklagte jedenfalls für die Jahre 1953 und 1955 bis 1960 die Klägerin in diese Leistungsgruppe eingestuft habe. Das sei jedoch seinerzeit irrtümlich erfolgt, weil Größe und Umfang des Hotelbetriebes nicht ausreichend berücksichtigt worden seien. In Wahrheit sei für die Jahre 1946 bis 1951 nicht die Leistungsgruppe 1, sondern bei ausschließlicher Berücksichtigung der Tätigkeitsmerkmale nur eine Zuordnung zur Leistungsgruppe 3 gerechtfertigt.

Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.

Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil wird durch seine tatsächlichen Feststellungen nicht getragen; auch seine rechtlichen Ausführungen sind nicht frei von Rechtsirrtum.

Das LSG ist - in Übereinstimmung mit den Auffassungen der Beteiligten - davon ausgegangen, daß die Klägerin zu dem nach dem FRG berechtigten Personenkreis (§§ 1 und 17 FRG) gehört und auch in der noch streitigen Zeit (1946 bis 1951 sowie 1952 und 1954) pflichtversicherte Selbständige gewesen ist. Es hat somit berechtigterweise § 23 FRG angewandt. Hiernach ist bei einem pflichtversicherten Selbständigen bei der Zuordnung der Tabellenwerte § 22 FRG unter Berücksichtigung der Beitragsleistung entsprechend anzuwenden (§ 23 Abs. 1 FRG), oder es sind, falls die Höhe der Beitragsleistung nicht nachgewiesen ist, an deren Stelle die Berufstätigkeit und Einkommensverhältnisse des Versicherten zu berücksichtigen (§ 23 Abs. 2 Satz 1 FRG). Nach dem angefochtenen Urteil ist die Höhe der Beitragsleistung der Klägerin nur für die Jahre 1952 und 1954 nachgewiesen, wenn auch nur mittelbar auf Grund ihres Einkommens. Insoweit war daher § 23 Abs. 1 FRG maßgebend, der eine "Berücksichtigung der Beitragsleistung" vorschreibt. Wie der Senat bereits früher entschieden hat (vgl. Urteil vom 19. November 1965 - 1 RA 44/63 - SozR § 23 FRG Nr. 1), kommt es zwar bei einem versicherten Selbständigen in erster Linie auf die Merkmale der von ihm ausgeübten Tätigkeit an; die Eingruppierung nach diesen Merkmalen erfährt aber dann eine Berichtigung nach oben oder nach unten, wenn hierzu die Höhe der Beitragsleistung Anlaß gibt. Entgegen der Meinung des Berufungsgerichts war daher das von der Klägerin in den Jahren 1952 und 1954 erzielte Einkommen und damit die Beitragsleistung für diese Zeit keineswegs bedeutungslos.

Für die Jahre 1946 bis 1951 ist nach den Feststellungen des LSG die Höhe der Beitragsleistung nicht nachgewiesen. Es waren deshalb insoweit die Berufstätigkeit der Klägerin und ihre Einkommensverhältnisse zu berücksichtigen (§ 23 Abs. 2 Satz 1 FRG). Über die letzteren enthält jedoch das angefochtene Urteil keine Angaben. Es läßt aber auch ausreichende eigene Feststellungen darüber vermissen, welche Merkmale die Tätigkeit der Klägerin als Gastwirtin und Hotelinhaberin in J gekennzeichnet haben. Die Urteilsgründe (Seite 9) beschränken sich insoweit im wesentlichen auf die Hervorhebung der Tatsache, daß die Beklagte die Klägerin für die Jahre 1953 und 1955 bis 1959 in die Leistungsgruppe 1 eingestuft habe, die Klägerin aber auch in den Jahren 1946 bis 1952 und im Jahre 1954 Gastwirtin und Hotelinhaberin gewesen sei und "infolgedessen auch in diesen Jahren Aufsichts- und Dispositionsbefugnis gehabt" habe. Dem angefochtenen Urteil ist jedoch nicht zu entnehmen, daß und weshalb die Klägerin einer Angestellten in leitender Stellung mit Aufsichts- und Dispositionsbefugnis im Sinne der Leistungsgruppe B 1 gleichzuachten sei, worin diese Befugnisse bestanden haben und wodurch sich das Berufsbild der Klägerin gegenüber den Tätigkeitsmerkmalen insbesondere der Leistungsgruppen 2, und 3 abzeichnet. Es fehlt daher, soweit es für die Einstufung Selbständiger von Bedeutung ist, an Angaben über die Besonderheiten der ausgeübten Tätigkeit (wie z. B. Berufserfahrung, Umfang des Betriebs, Zahl der beschäftigten Angestellten und Arbeiter usw.), die dem Revisionsgericht erst eine Nachprüfung ermöglichen, ob die Einstufung zu Recht erfolgt ist oder nicht. Mangels genügender Darlegung der tatsächlichen Grundlagen für die Meinungsbildung des LSG war dem Senat diese Nachprüfung nicht möglich. Unter diesen Umständen muß das angefochtene Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.

Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil des LSG vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2379841

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