Leitsatz (amtlich)
Hat der Versicherungsträger nur für den Teil eines Kalendermonats Rente an den Versicherten zu zahlen, so ist der Zahlbetrag anhand der tatsächlichen Tage dieses Monats zu berechnen.
Ist die Rente für den Rest des Monats gemäß RVO § 183 Abs 3 S 2 auf eine KK übergegangen, so ist deren Forderung ebenfalls entsprechend dem Anteil an den tatsächlichen Tagen des Kalendermonats zu ermitteln und nicht - pauschaliert - stets auf der Basis von 3O Kalendertagen.
Normenkette
RVO § 183 Abs. 3 S. 2 Fassung: 1961-07-12, § 1297 Fassung: 1957-02-23; RKG § 89 Abs. 1
Verfahrensgang
SG Gelsenkirchen (Entscheidung vom 25.11.1976; Aktenzeichen S 11 Kn 66/76) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25. November 1976 aufgehoben; die Klage wird abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen der Klägerin (Krankenkasse) und der Beklagten als Rentenversicherungsträger ist streitig, wie im Rahmen des Forderungsübergangs nach § 183 Abs 3 Satz 2 Reichsversicherungsordnung (RVO) der für den Teil eines Monats auf die Krankenkasse übergegangene Anspruch auf Rente zu berechnen ist.
Der versicherte T B (B.) bezog von der Klägerin ab 24. Juni 1975 Krankengeld, das ab 1. April 1976 kalendertäglich 31,42 DM betrug. Mit Bescheid vom 27. Juli 1976 gewährte die Beklagte ihm ab 1. Januar 1976 Knappschaftsruhegeld, das sich ab 1. Juli 1976 auf 739,20 DM monatlich belief. Weil sie für die Zeit nach Zubilligung der Rente noch bis zum 6. August 1976 Krankengeld gezahlt hat, machte die Klägerin einen Forderungsübergang gemäß § 183 Abs 3 Satz 2 RVO gegenüber der Beklagten geltend. Über die Höhe dieser Forderung für die Zeit vom 1. bis zum 6. August 1976 besteht zwischen den Beteiligten Streit. Die Klägerin meint, unabhängig von den jeweiligen Tagen des Monats sei der darauf entfallende Rentenbetrag durch 30 zu dividieren und das Ergebnis mit der Anzahl der Tage zu multiplizieren, für die sie in jenem Monat Krankengeld gezahlt habe. Die Beklagte hingegen geht bei dieser Berechnung von dem tatsächlich auf den betreffenden Monat entfallenden Kalendertagen aus. Sie überwies deshalb der Klägerin 6/31 der Monatsrente (= 143,07 DM) statt der geforderten 6/30 (= 147,84 DM).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte zur Zahlung des streitigen Differenzbetrages von - abgerundet - 4,70 DM verurteilt (Urteil vom 25. November 1976). Aus § 183 Abs 3 RVO lasse sich nicht entnehmen, wie die Berechnung des Forderungsüberganges bei Teilmonaten zu erfolgen habe. Es komme, wie § 183 Abs 5 RVO zeige, darauf an, Bezugszeit und Wertigkeit der beiden Leistungen - Krankengeld und Rente - miteinander in Übereinstimmung zu bringen. Hierzu sei es erforderlich, einen gemeinsamen zeitlichen Nenner zu ermitteln. Dabei sei auf den einzelnen Krankengeldzahltag abzustellen, denn insoweit als Krankengeld gezahlt worden sei, gehe die Rente über. Deshalb könne man im Hinblick auf § 182 Abs 4 Satz 4 RVO zunächst daran denken, die monatliche Rentenleistung stets durch 30 zu teilen. Das Gericht halte es jedoch für die bessere Lösung, auf den Jahresbetrag der Rente abzustellen; dadurch würden die grundsätzliche Wertigkeit der Rente sowie ihre sozialpolitische Ausrichtung auf den Jahresbedarf berücksichtigt. Letztlich könne unentschieden bleiben, welche von beiden Berechnungsarten die richtige oder die richtigere sei. Beide ergäben die Klageforderung.
Die Beklagte hat mit Zustimmung der Klägerin die zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt die unrichtige Anwendung des § 183 Abs 3 Satz 2 RVO. Die Klägerin könne nur insoweit Ersatz fordern, als für den entsprechenden Zeitraum Rente vorhanden sei. In Monaten mit 31 Tagen stelle die Rente den Unterhalt für eben diese 31 Tage dar. Bei Anwendung des § 7 Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) sowie der §§ 40 d Abs 2, 72, 75 und 80 Reichsknappschaftsgesetz (RKG), 31 Fremdrentengesetz (FRG) werde in der Praxis ebenfalls auf die tatsächlichen Monatstage abgestellt. Das Verfahren, für jeden Monat 30 Tage zugrunde zu legen, begünstige die Krankenkassen und benachteilige den Rentenberechtigten.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 25. November 1976 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist eine Angelegenheit der Knappschaftsversicherung (§ 40 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), die die knappschaftliche Kranken- und Rentenversicherung umfaßt (§ 6 RKG). Allerdings weist der Geschäftsverteilungsplan des Bundessozialgerichts (BSG) Streitigkeiten nach § 183 Abs 3 RVO, worauf die Klägerin den geltend gemachten Anspruch stützt, dem 3. Senat zu. Dadurch konnte und sollte jedoch die in § 40 SGG gesetzlich festgelegte ausschließliche Zuständigkeit des 5. Senats für die Knappschaftsversicherung nicht eingeschränkt werden. Der erhobene Anspruch gehört dem Rechtsgebiet der knappschaftlichen Rentenversicherung und damit dem Aufgabengebiet der Beklagten an (vgl auch Ziff II 4. des Geschäftsverteilungsplanes), denn auch bei Streitigkeiten zwischen den Trägern der Kranken- und der Rentenversicherung bezüglich der nach § 183 Abs 3 Satz 2 RVO übergegangenen Rentenansprüche handelt es sich um Streitigkeiten in Angelegenheiten der Rentenversicherung (so BSG SozR Nr 19 zu § 146 SGG), hier also der knappschaftlichen Rentenversicherung. Die Klägerin macht folglich Ansprüche nach dem RKG geltend. Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß die in Betracht kommenden Vorschriften des RKG, wie § 20 RKG, auf Vorschriften der RVO verweisen.
Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs ist § 183 Abs 3 Satz 2 RVO und nicht Ziff IV Abs 2 der zwischen dem Verband Deutscher Rentenversicherungsträger und den Spitzenverbänden der Krankenkassen am 25. April 1962 getroffenen Vereinbarung über die Durchführung des § 183 Abs 3 und 5 RVO (DOK 1962, 264 ff = BKK 1962, 271 ff), weil die Beklagte dieser Vereinbarung nicht beigetreten ist.
Nach § 183 Abs 3 RVO endet der Anspruch auf Krankengeld mit dem Tag, von dem an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder Altersruhegeld von einem Träger der Rentenversicherung zugebilligt wird. Ist - wie hier - über diesen Zeitpunkt hinaus Krankengeld gezahlt worden, so geht der Anspruch auf Rente bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Krankenkasse über. Bei der Berechnung von Teilmonatsrenten ist nach Auffassung des erkennenden Senats auszugehen von den tatsächlich auf den betreffenden Monat entfallenden Kalendertagen (hier also von 31). § 183 RVO enthält weder in Abs 3 noch in Abs 5, der Überschneidungen zwischen Krankengeld und Rente wegen Berufsunfähigkeit betrifft, eine ausdrückliche Regelung, wie der auf die Krankenkasse übergegangene Teilbetrag einer Monatsrente zu berechnen ist. Bei der Entscheidung dieser Frage ist anzuknüpfen an den Rentenanspruch des Versicherten, der Gegenstand des Forderungsüberganges ist. Die Krankenkasse kann vom Träger der Rentenversicherung nur das fordern, was dem Versicherten ohne die Krankengeldzahlung für deren Dauer zugestanden hätte (vgl Peters, Handbuch der Krankenversicherung, 17. Aufl, § 183 RVO Anm 6a; Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, 2. Aufl, § 183 RVO Anm 11.5.). Der Versicherte, dem während seiner Arbeitsunfähigkeit Altersruhegeld oder eine Erwerbsunfähigkeitsrente zugebilligt wird, soll von dem Tage an, von dem er diese Rente erhält, zwar grundsätzlich keinen Anspruch auf Krankengeld mehr haben; der Anspruch soll aber nicht rückwirkend wegfallen, vielmehr soll der Versicherte das bis zur Zustellung des Rentenbescheides gezahlte Krankengeld behalten. Es wird lediglich die für diese Zeitspanne "gezahlte" Rente in der Weise angerechnet, daß der Anspruch auf Rente bis zur Höhe des gezahlten Krankengeldes auf die Kasse übergeht (vgl BSGE 19, 28, 30 unter Hinweis auf BT-Drucks III/2748). Da der Anspruch auf Rente somit für einen fest umrissenen Zeitraum auf die Krankenkasse übergeht, ist deren Forderung konkret anhand der tatsächlichen Tage des Monats zu errechnen.
Zwar werden Renten in der gesetzlichen Rentenversicherung als Jahresbeträge errechnet (§§ 53 RKG, 1253 RVO), sie sind aber in monatlichen Teilbeträgen zu zahlen (§§ 89 Abs 1 RKG, 1297 RVO). Steht dem Versicherten nur Rente für einen Teil des Monats zu, so ist der auszuzahlende Betrag wie folgt zu ermitteln: Die volle Monatsrente wird multipliziert mit der Anzahl der Kalendertage des Monats, für die Rente zusteht, und das Ergebnis dividiert durch die Zahl der tatsächlichen Tage des Monats (vgl Schimanski, Knappschaftsversicherung, Stand Juni 1976, § 89 RKG Anm 2; Kommentar zur Reichsversicherungsordnung, herausgegeben vom Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, Stand Juli 1976, § 1297 RVO Anm 4).
Da die Rente als Monatsbetrag fällig wird, dient sie auch dazu, den Unterhalt des Versicherten und seiner Familie für den jeweiligen Kalendermonat sicherzustellen. Daraus folgt, daß beim Teil eines Kalendermonats der Zahlbetrag entsprechend den tatsächlichen Tagen des Monats aufzuteilen ist. Hätte die Beklagte dem Versicherten statt 25/31 nur 24/30 der Rente für den Monat August 1976 gezahlt, so hätte sie ihm seine Rente "gekürzt", wofür der Senat weder in § 89 Abs 1 RKG noch in § 183 Abs 3 RVO eine gesetzliche Handhabe zu erblicken vermag. Vom Träger der gesetzlichen Rentenversicherung kann aber nicht verlangt werden, daß er im Interesse eines von der Beklagten gewünschten pauschalierten Abrechnungsverfahrens beim Forderungsübergang nach § 183 Abs 3 RVO mehr leistet als er bei Auszahlung der vollen Monatsrente an den Versicherten zu zahlen verpflichtet gewesen wäre.
Nach § 182 Abs 4 Satz 4 RVO in der Fassung des Gesetzes über die Angleichung von Leistungen zur Rehabilitation vom 7. August 1974 ist allerdings - sofern das Krankengeld für einen ganzen Monat zu zahlen ist - dieser mit 30 Tagen anzusetzen. Das rechtfertigt es jedoch nicht, im Bereich der Rentenversicherung entsprechend zu verfahren, jedenfalls dann nicht, wenn für weniger als 30 Tage im Monat Krankengeld gezahlt worden ist. Dazu hätte es einer ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung für die Zahlung der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bedurft.
Im Rahmen des § 183 Abs 3 RVO geht der Rentenanspruch für den gesetzlich umrissenen Zeitraum so auf die Krankenkasse über, wie er für diesen Zeitraum entstanden und noch nicht erloschen ist. Da sich hier der Anspruch des Versicherten B. für die Zeit vom 1. bis 6. August 1976 auf 6/31 des für diesen Monat fälligen Betrages von 739,20 DM belief, kann der Rentenanspruch auch nur in dieser Höhe auf die Klägerin übergegangen sein (vgl Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand März 1978, S 396 m; Friede, "Die Durchführung des § 183 Abs 3 und 5 RVO" in BKK 1962 Spalte 270, 271). Nach Sinn und Zweck der Regelung des § 183 Abs 3 RVO soll die Krankenkasse Ersatz für die Krankengeldleistung erhalten, die sie zu einer Zeit erbracht hat, für die sie nach ihrer Aufgabenstellung - wie sich aus der rückwirkenden Rentenbewilligung ergibt - eigentlich nicht mehr leistungspflichtig gewesen wäre. Das Befriedigungsobjekt für die Krankenkasse ist nur die Rente für die Zeit, in der anderenfalls Doppelleistungen eintreten (so BSG - 3 RK 57/71 - Urteil vom 27. April 1973, ZfS 1974, 161, 162). Die in § 183 Abs 3 RVO vorausgesetzte zeitliche Kongruenz läßt nach Auffassung des erkennenden Senats nur den von der Beklagten gewählten Berechnungsmodus zu, wobei von der tatsächlichen Anzahl der Tage des betreffenden Kalendermonats auszugehen ist. Nur so werden im Gesetz nicht vorgesehene Benachteiligungen des Versicherten vermieden, die bei der von der Klägerin gewünschten Pauschalierung möglich sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen