Leitsatz (redaktionell)

Ein "Berichtigungsbescheid" muß nach Form und Inhalt als solcher klar erkennbar sein. Die Wirkung eines "Berichtigungsbescheides" tritt mit dem Zeitpunkt ein, von dem an der frühere Bescheid über die Rentenbewilligung zurückgenommen worden ist.

 

Normenkette

KOVVfG § 41 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27; BVG § 85 Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 6. Mai 1960 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit sie die Rentenzahlungen für die Zeit vom 1. April 1955 an betrifft.

Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die Hälfte der außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Der Kläger, der seit April 1941 Soldat gewesen und im September 1946 aus russischer Kriegsgefangenschaft entlassen worden ist, beantragte am 2. April 1947 die Gewährung von Versorgung wegen Granatsplitterverletzung an Nase und Lippe sowie in der linken Hüfte, wegen Bruchs des rechten Unterschenkels und wegen Malaria. Nach versorgungsärztlicher Untersuchung und Stellungnahme am 15. April 1948 und 1. März 1949 erkannte die Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen, Rentenabteilung Bielefeld, mit Bescheid vom 18. März 1949 "reizlose Narben im Gesicht, an der linken Hüfte und am rechten Unterschenkel mit Knochenverdickung am rechten Schienbein nach Unterschenkelbruch" als Schädigungsfolgen im Sinne der Sozialversicherungsdirektive Nr. 27 (SVD 27) an; eine Rente wurde nicht gewährt, weil die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) unter 30 v. H. betrage. Im Einspruchsverfahren gab der Kläger dem ihn untersuchenden Internisten Dr. St zur Vorgeschichte ua an, daß er im Jahre 1943 infolge einer Verschüttung durch Artilleriebeschuß eine Gehirnerschütterung erlitten habe, seitdem leide er an einem Sprachfehler und an Kopfschmerzen; außerdem sei er reizbar und leicht aufgeregt; 1944 sei er in einem russischen Kohlenbergwerk noch einmal verschüttet worden. Dr. St stellte als Folgen dieser beiden Verschüttungen eine fragliche, bruchverdächtige Stelle in Höhe der Scheitelbein-Hinterhauptbeinnaht fest, "mit leichtem Sprachfehler, verstrichener Nasenlippenfalte und etwas hängendem linken Mundwinkel" (Gesamt-MdE 30 v. H.). Mit Entscheidung vom 12. Oktober 1950 erkannte daraufhin der Beschwerdeausschuß 14 in Bielefeld beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen als Schädigungsfolgen nach der SVD 27 an, und zwar mit einer MdE um 30 v. H. vom 1. August 1947 an:

1.) Übererregbarkeit des vegetativen Nervensystems als Folge von Dystrophie;

2.) leichter Sprachfehler, verstrichene Nasenlippenfalte links und etwas hängender linker Mundwinkel als Folgen von zwei Verschüttungen mit Hirnerschütterung, reizlose Splitternarben im Gesicht und an der linken Hüfte;

3.) Knochenverdickung am rechten Schienbein, geringe Muskelverschmächtigung nach mit 1 cm Verkürzung geheiltem kompliziertem Unterschenkelbruch.

In Ausführung dieser Entscheidung erteilte die LVA am 7. Dezember 1950 dem Kläger einen entsprechenden Bescheid.

Bei der Nachuntersuchung am 10. März 1951 stellte der Vertragsarzt Dr. R die angeführten Gesundheitsstörungen erneut fest. Er führte jedoch aus, daß die - anlagebedingte - vegetative Übererregbarkeit nicht mehr auf die Einwirkungen des Kriegsdienstes und der Kriegsgefangenschaft zurückgeführt werden könne; ebensowenig könne der in die anlagebedingte neuropathische Konstitution passende Sprachfehler noch mit Hirnerschütterungen in Zusammenhang gebracht werden, zumal ein Anhalt für eine Hirnschädigung nicht bestehe; durch die weiter als Schädigungsfolgen anzuerkennenden Leiden "Verkürzung des rechten Beines um 1 cm mit Schienbeinverdickung, reizlose Splitternarben im Gesicht und an der linken Hüfte" betrage die MdE unter 20 v. H.

Unter Berücksichtigung dieser gutachtlichen Äußerungen erteilte das inzwischen zuständig gewordene Versorgungsamt (VersorgA) Soest den Umanerkennungsbescheid nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) vom 15. Mai 1951; es erkannte "Narben im Gesicht, an der linken Hälfte und am rechten Unterschenkel nach Unterschenkelbruch rechts, Schwäche des linken Gesichtsnerven" als Schädigungsfolgen im Sinne des BVG an; eine Besserung sei insofern eingetreten, als für Hirnerschütterungs- und Dystrophiefolgen kein Anhalt mehr bestehe, die allgemeinen vegetativen und die Sprachstörungen seien nicht als Folgen des militärischen Einsatzes anzusehen, sondern anlagebedingt. Die Rente - nach einer MdE um 30 v. H. - wurde bis zum 30. Juni 1951 weitergewährt, ihre Zahlung mit Ende Juni 1951 eingestellt.

Der Einspruch (Widerspruch) des Klägers hatte keinen Erfolg und wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 1954 zurückgewiesen.

Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Detmold den Beklagten mit Urteil vom 25. April 1956 unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides und Abänderung des Umanerkennungsbescheides verurteilt,

"1.) anstelle der danach anerkannten Schädigungsfolgen die folgenden anzuerkennen:

a) leichter Sprachfehler, verstrichene Nasenlippenfalte links und etwas hängender linker Mundwinkel als Folgen von zwei Verschüttungen mit Hirnerschütterung; reizlose Splitternarben im Gesicht und an der linken Hüfte;

b) Knochenverdickung am rechten Schienbein, geringe Muskelverschmächtigung nach mit 1 cm Verkürzung geheiltem kompliziertem Unterschenkelbruch;

2.) dem Kläger über den 30. April 1951 bzw. 30. Juni 1951 hinaus Rente nach einer MdE um 30 v. H. in gesetzlicher Höhe zu zahlen."

Das SG hat dazu hinsichtlich der anerkannt gewesenen vegetativen Übererregbarkeit des Klägers ausgeführt, die Dystrophie sei ausgeheilt, deshalb bestehe auch eine dystrophiegebundene vegetative Übererregbarkeit nicht mehr; sie sei deshalb zu Recht aberkannt worden. Anders verhalte es sich indessen mit den auch umfangmäßig unverändert noch bestehenden Gesundheitsstörungen "leichter Sprachfehler, verstrichene Nasenlippenfalte und etwas hängender linker Mundwinkel"; gemäß § 85 BVG sei der Beklagte zur weiteren Anerkennung dieser Gesundheitsstörungen - mit einer Gesamt-MdE um 30 v. H. unter Mitberücksichtigung der Schädigungsfolgen am rechten Schienbein und Unterschenkel - verpflichtet.

Während des Berufungsverfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen in Essen hat der Beklagte nach Einlegung der Berufung dem Kläger am 8. Januar 1957 nach § 41 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) einen Berichtigungsbescheid erteilt, mit dem die Entscheidung des Beschwerdeausschusses 14 in Bielefeld vom 12. Oktober 1950 und die unter Berücksichtigung dieser Entscheidung erteilte Benachrichtigung der LVA Westfalen vom 7. Dezember 1950 sowie der Bescheid des VersorgA Soest vom 13. Mai 1951 insoweit abgeändert worden sind, als "leichter Sprechfehler, verstrichene Nasenlippenfalte links und etwas hängender linker Mundwinkel als Folgen von zwei Verschüttungen mit Hirnerschütterung bzw. Schwäche des linken Gesichtsnerven" nicht auf militärischen Dienst im Sinne des § 1 BVG zurückzuführen seien; für die wie bisher als Schädigungsfolgen anzuerkennenden Leiden "mit geringfügiger Verkürzung und Knochenverdickung verheilter komplizierter Unterschenkelbruch links und Splitternarben im Gesicht und an der linken Hüfte" werde ein rentenberechtigender Grad der MdE nicht erreicht. Der Bescheid enthält den Hinweis, daß die gemäß § 154 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - vom 25. April 1956 an - gezahlte Rente mit Ablauf des Monats Februar 1957 eingestellt werde; ein Rückforderungsanspruch für die Zeit vom 1. August 1947 bis 30. Januar 1951 werde nicht geltend gemacht. Auf diesen Berichtigungsbescheid hat der Beklagte zur Begründung seiner Berufung Bezug genommen und darüber hinaus ausgeführt, der Bescheid des VersorgA Soest vom 15. Mai 1951 habe in der Ziffer 26 der Sozialversicherungsordnung Nr. 11 (SVA 11) seine Rechtsgrundlage; diese Vorschrift stelle an die Berichtigung von Bescheiden nicht so strenge Voraussetzungen wie das VerwVG.

Das LSG hat ein Fachgutachten des Neurologen Dr. H in Essen (vom 4. Februar 1959) zu der Frage eingeholt, ob "nach dem seinerzeit festgestellten Sachverhalt außer Zweifel stehe, daß leichter Sprachfehler, verstrichene Nasenlippenfalte links und etwas hängender linker Mundwinkel bzw. Schwäche des linken Gesichtsnerven nicht auf militärischen Dienst zurückzuführen bzw. durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG hervorgerufen sind". Es hat mit Urteil vom 6. Mai 1960 entschieden:

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts in Detmold vom 25. April 1956 mit der Maßgabe teilweise abgeändert, daß der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger bis zum 28. Februar 1957 eine Rente nach einer MdE um 30. v. H. zu zahlen.

Die Klage wegen der darüber hinausgehenden Ansprüche wird abgewiesen.

Der Berichtigungsbescheid des Landesversorgungsamts Westfalen vom 8. Januar 1957 wird mit dieser Maßgabe bestätigt.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Das LSG hat zur Begründung ausgeführt: Das SG habe ohne Rechtsirrtum den Bescheid des VersorgA Soest vom 15. Mai 1951 aufgehoben und den Beklagten zur Weiterzahlung einer Rente nach einer MdE um 30 v. H. unter Wiederherstellung der früheren Leidensbezeichnungen verurteilt. Denn dieser Bescheid sei rechtswidrig und finde im damals geltenden Recht keine Stütze. Er bezeichne sich seinem Wortlaut nach als Umanerkennungsbescheid und stelle erstmalig die Leistungen nach dem BVG fest. Dabei sei der Beklagte zwar nicht an die nach früherem Recht festgestellten Höhe der MdE gebunden gewesen, ebensowenig sei für eine Neufeststellung der Nachweis einer wesentlichen Besserung erforderlich (§ 86 Abs. 3 BVG); der Beklagte habe aber hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Nasenlippenfalte, dem etwas hängenden linken Mundwinkel und dem leichten Sprachfehler einerseits und einem schädigenden Vorgang im Sinne des BVG andererseits keine von den früheren Anerkennungen abweichende Entscheidung treffen können (§ 85 Satz 1 BVG), denn insoweit habe eine Bindung an die frühere Entscheidung bestanden. Soweit der Beklagte den Bescheid vom 15. Mai 1951 als Berichtigungsbescheid ansehen wolle, übersehe er, daß nach der damals in der britischen Zone geltenden Vorschrift der Ziff. 26 der SVA 11 nur Bescheide hätten berichtigt werden können. Das hier maßgebende Anerkenntnis des Beklagten beruhe jedoch nicht auf einem Bescheid, sondern auf der "Entscheidung" des Beschwerdeausschusses 14 vom 12. Oktober 1950; auf diese sei die Ziffer 26 der SVA 11 nicht anwendbar. Das SG habe den Beklagten deshalb zu Recht verurteilt, dem Kläger für die weiter als Schädigungsfolgen anzuerkennenden Gesundheitsstörungen Rente nach einer MdE um 30 v. H. auch über den 30. Juni 1951 hinaus zu zahlen. Diese Verurteilung, so hat das LSG weiter ausgeführt, finde jedoch ihre zeitliche Begrenzung in dem nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen, auf § 41 VerwVG gestützten Berichtigungsbescheid vom 8. Januar 1957, denn dieser ändere nach Klageerhebung den ursprünglich angefochtenen Bescheid vom 15. Mai 1951 ab; er sei, soweit er die früheren Anerkenntnisse widerrufe, rechtmäßig, zumal § 41 VerwVG auch auf "Entscheidungen" wie die vom 12. Oktober 1950 angewandt werden könne (§ 49 VerwVG). Soweit der Berichtigungsbescheid vom 8. Januar 1957 jedoch zum Ausdruck bringe, dem Kläger habe eine Rente nur bis zum 30. Juni 1951 zugestanden, sei er aufzuheben. Denn dem Kläger stehe die Zahlung einer Rente nach einer MdE um 30 v. H. bis zum Ablauf des Monats zu, der auf die Zustellung des Berichtigungsbescheides vom 8. Januar 1957 folge; der Kläger habe also einen Anspruch auf die Rente bis zum 28. Februar 1957. Daran ändere nichts, daß der Berichtigungsbescheid erst im Laufe des Rechtsstreits ergangen sei. Daran ändere ebensowenig, daß der Beklagte die früheren Anerkenntnisse "ex tune" beseitigt habe, denn diese Beseitigung betreffe eben nur die Anerkenntnisse, nicht aber deren Rechtsfolgen. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses ihm am 16. August 1960 zugestellte Urteil des LSG hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 30. August 1960, eingegangen beim Bundessozialgericht (BSG) am 1. September 1960, Revision eingelegt. Mit der am 6. Oktober 1960 eingegangenen Revisionsbegründungsschrift vom 7. September 1960 rügt er die Verletzung der SVA 11 Ziff. 26 und Ziff. 41, des § 20 der SVD 27, der §§ 22, 41, 47 und 49 VerwVG und der §§ 95, 96, 103, 128 SGG. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts seien auch Entscheidungen der Beschwerdeausschüsse als Bescheide anzusehen, so daß Ziff. 26 der SVA 11 - mit der Befugnis, Berichtigungsbescheide zu erteilen - auf sie anwendbar sei. Entgegen der Auffassung des LSG seien die in der Zeit vom 1. Juli 1951 bis zum 28. Februar 1957 noch nicht gezahlten Versorgungsbezüge auch nicht an den Kläger nachzuzahlen. Denn die Rückwirkung eines Berichtigungsbescheides beziehe sich sowohl auf das Anerkenntnis als auch auf die Rentengewährung. Dem stehe nicht entgegen, daß im Falle der Erteilung eines Berichtigungsbescheides nach § 47 Abs. 3 Satz 1 VerwVG die Rückforderung der gewährten Leistungen grundsätzlich ausgeschlossen sei. Denn das Verbot der Rückforderung tatsächlich gewährter Leistungen habe nicht auch das Gebot zum Inhalt, nach dem Berichtigungsbescheid nicht mehr zustehende Leistungen noch nachzuzahlen. Schließlich habe das LSG auch fehlerhaft unter Verstoß gegen die §§ 103, 128 SGG festgestellt, daß ein Mangel der Entscheidung des Beschwerdeausschusses nicht in den Verantwortungsbereich des Klägers falle, weil dieser weder falsche Angaben gemacht noch irgendwelche Umstände verschwiegen habe. Denn aus der Tatsache, daß nach neurologischer Auffassung der Sprachfehler des Klägers mit den von ihm angeschuldigten Ereignissen nichts zu tun habe, sei mit Sicherheit zu schließen, daß der Sprachfehler schon vorher bestanden habe. Das bedeute, daß die Angaben des Klägers, die Anlaß für die Entscheidung des Beschwerdeausschusses gewesen seien, nicht hätten zutreffend sein können. Insoweit habe das LSG den Akteninhalt nicht hinreichend ausgewertet (§ 128 Abs. 1 SGG), mindestens aber habe es sich gedrängt fühlen müssen, durch Befragen des Klägers oder Anhören von Zeugen aufzuklären (§ 103 SGG), ob der Sprachfehler schon vor 1943 bestanden habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 6. Mai 1960 und das Urteil des Sozialgerichts Detmold vom 25. April 1956 abzuändern, die Klage in vollem Umfange abzuweisen und den Berichtigungsbescheid vom 8. Januar 1957 in vollem Umfange zu bestätigen.

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht nach § 166 SGG vertreten.

Auf den Schriftsatz des Beklagten vom 7. September 1960 wird hingewiesen.

Die Revision des Beklagten ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§ 164 Abs. 1 Satz 1 SGG) und durch Zulassung statthaft (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG). Sie ist jedoch nur teilweise begründet.

Wie bereits dargelegt, hat das LSG ausgeführt, bei der Umanerkennung und Neufeststellung der Bezüge nach dem BVG mit Bescheid vom 15. Mai 1951 sei der Beklagte nicht berechtigt gewesen, die Anerkennung des leichten Sprachfehlers, der verstrichenen Nasenlippenfalte und des etwas hängenden linken Mundwinkels als Schädigungsfolgen des Klägers nach dem BVG im Wege der Umanerkennung zu beseitigen. Diese Rechtsauffassung trifft zu, ihre Richtigkeit wird offenbar auch vom Beklagten nicht bestritten. Die Verwaltungsbehörde hat bei der Umanerkennung im Mai 1951 von der nach § 86 Abs. 3 BVG gegebenen Möglichkeit, die Rente des Klägers nach dem BVG ohne ärztliche Untersuchung unter Übernahme des bis dahin anerkannten MdE-Grades festzustellen, keinen Gebrauch gemacht, sondern vor Erteilung des Umanerkennungsbescheides den Kläger amtsärztlich untersuchen und begutachten lassen. Dabei hat der Gutachter (Dr. R) neben den Narben im Gesicht, an der linken Hüfte und am rechten Unterschenkel (nach Unterschenkelbruch rechts) sowie der Schwäche des linken Gesichtsnerven befundmäßig auch das Weiterbestehen der vom Beschwerdeausschuß 14 als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen "Übererregbarkeit des vegetativen Nervensystems, leichter Sprachfehler, verstrichene Nasenlippenfalte links und etwas hängender linker Mundwinkel" festgestellt; er hat die letzteren jedoch nicht (mehr) als Schädigungsfolgen (Folgen von Dystrophie bzw. Verschüttungen mit Hirnerschütterung) angesehen und demgemäß die MdE für die noch bestehenden Schädigungsfolgen nur noch unter 20 v. H. geschätzt. Dieser rein medizinischen Beurteilung hätte das VersorgA bei der Erteilung des Umanerkennungsbescheides jedoch gerade deshalb, weil die Leiden als solche befundmäßig noch bestanden, aus rechtlichen Gründen nicht folgen dürfen; es hätte vielmehr die Vorschrift des § 85 Satz 1 BVG beachten müssen, nach der in Fällen, in denen nach bisherigen versorgungsrechtlichen Vorschriften - hier im Falle des Klägers nach den Vorschriften der SVD 27 - über die Frage des Ursachenzusammenhangs von Gesundheitsstörungen mit schädigenden Vorgängen im Sinne des § 1 BVG entschieden worden ist, diese Entscheidung auch nach dem BVG rechtsverbindlich ist. Das bedeutet, daß der Beklagte bei Erteilung des Umanerkennungsbescheides hinsichtlich aller vom Beschwerdeausschuß 14 anerkannten Gesundheitsstörungen an dessen Entscheidung gebunden war; eine neue Beurteilung der Zusammenhangsfrage war ihm, mochte sie medizinisch auch zutreffend sein, nach § 85 Abs. 1 BVG verwehrt. Da auch der Umfang der Beschwerden des Klägers unverändert fortbestand, konnte daher auch der Grad der MdE im Wege der Erstanerkennung nach dem BVG durch den Umanerkennungsbescheid nicht geändert werden. Der Bescheid vom 15. Mai 1951 konnte deshalb, wie das LSG zutreffend entschieden hat, als Umanerkennungsbescheid keinen Bestand haben und war als solcher aufzuheben. Dies gilt jedoch nicht, soweit er auch die Anerkennung der "Übererregbarkeit des vegetativen Nervensystems als Folge von Dystrophie" als Schädigungsfolge beseitigt hat. Denn das SG hat die Richtigkeit dieser Aberkennung bestätigt, ohne daß der Kläger gegen diese Entscheidung das ihm gegebene Rechtsmittel der Berufung eingelegt hat.

Nach der bis zum 31. Dezember 1952 in der ehemals britischen Besatzungszone geltenden Vorschrift der Ziff. 26 der SVA 11 konnte ein rechtskräftiger Bescheid aufgehoben werden, wenn bei einem Anspruchsberechtigten festgestellt wurde, daß die Voraussetzungen der Bescheiderteilung sich als unzutreffend erwiesen hatten oder daß eine Erwerbsminderung in der bisher angenommenen Höhe nicht bestand; in diesen Fällen war ein neuer berufungsfähiger Bescheid, ein Berichtigungsbescheid, zu erteilen. Das LSG hat sich im angefochtenen Urteil mit dieser Vorschrift auseinandergesetzt. Dabei ist es davon ausgegangen, daß der Umanerkennungsbescheid, der als solcher im Hinblick auf die Bindungswirkung des § 85 Satz 1 BVG keinen Bestand haben könne, für sich genommen und nicht im Zusammenhang mit dem Widerspruchsbescheid vom 12. März 1954 betrachtet auch als Berichtigungsbescheid angesehen werden könne; als solcher sei er jedoch nicht wirksam geworden, weil Ziff. 26 der SVA 11 nur die Aufhebung von Bescheiden gestatte; "Entscheidungen" wie die des Beschwerdeausschusses 14 vom 12. Oktober 1950, auf der das maßgebliche Anerkenntnis des Beklagten beruht habe, seien keine "Bescheide", die nach Ziff. 26 der SVA 11 hätten aufgehoben werden können. Hierbei hat das LSG übersehen, daß es einer Auseinandersetzung über die Anwendbarkeit der Vorschrift der Ziff. 26 der SVA 11 oder - in diesem Zusammenhang - der Erörterung allgemeiner verwaltungsrechtlicher Grundsätze gar nicht bedurft hätte. Denn der Umanerkennungsbescheid nach dem BVG stellt keinen Berichtigungsbescheid im Sinne der Ziff. 26 der SVA 11 dar; daran kann das Bemühen des Beklagten, ihn nicht nur als Umanerkennungs-, sondern gleichzeitig auch als Berichtigungsbescheid angesehen zu wissen, nichts ändern.

Ein Berichtigungsbescheid besteht seiner Natur nach aus zwei in sich selbständigen und wesensmäßig verschiedenen Verwaltungsakten, nämlich aus der Rücknahme des früheren und dem Erlaß eines neuen, den Gegenstand des früheren erneut regelnden Bescheides. Hierbei ist die Rücknahme der früheren Regelung die zwingende und unumgängliche Voraussetzung für den Erlaß der neuen; denn wegen des in der Bindungswirkung grundsätzlich enthaltenen Verbots, über einen bereits unanfechtbar geregelten Anspruchs nochmals zu entscheiden, ist für eine beabsichtigte Neuregelung des Versorgungsrechtsverhältnisses nur dann Raum, wenn der frühere Bescheid rechtswirksam wieder aufgehoben worden ist. Dies hat auch das LSG nicht verkannt. Ebenso wie der Beklagte hat es aber geglaubt, der Bescheid vom 15. Mai 1951 stelle einen Berichtigungsbescheid dar, weil er - auch nach den Ausführungen des Beklagten - nicht nur als Umanerkennungsbescheid, sondern mit dem Willen erlassen worden sei, die Entscheidung des Beschwerdeausschusses 14 vom 12. Oktober 1950 insoweit aufzuheben, als sie der getroffenen Neuregelung entgegenstand. Das ist nicht frei von Rechtsirrtum. Denn selbst ein vom LSG in tatsächlicher Hinsicht bindend festgestellter Wille des Beklagten zur Berichtigung hätte nur dann und nur insoweit eine rechtliche Bedeutung erlangen können, wenn er ausdrücklich in der Form eines Verwaltungsaktes und damit in einer dem Kläger erkennbaren Weise Ausdruck gefunden hätte. Das ist hier entgegen der Auffassung des LSG nicht geschehen. Jeder versorgungsrechtliche Verwaltungsakt ist in der Form eines schriftlichen Bescheides zu erlassen und in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zu begründen (§§ 1, 2 SVD 27, §§ 1583 ff RVO, heute § 22 VerwVG). Daraus folgt, daß stillschweigende Regelungen jedenfalls im Versorgungsrecht unzulässig und wegen Formmangels nichtig sind (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 8. Aufl. S. 218, 219). Die Auffassung des LSG, der Bescheid vom 15. Mai 1951 stelle nicht nur einen - nicht wirksam gewordenen - Umanerkennungsbescheid, sondern auch einen - aus anderen Gründen ebenfalls wirkungslosen - Berichtigungsbescheid dar, kann jedenfalls nicht darauf gestützt werden, daß etwa eine stillschweigende Berichtigung in ihm enthalten sei. Hierzu hätte es vielmehr eines ausdrücklichen, in sich selbständigen und von etwaigen weiteren in dem Bescheid enthaltenen Verfügungssätzen getrennten oder doch trennbaren Verwaltungsaktes bedurft. Es entspricht weiterhin anerkannten Rechtsgrundsätzen, daß der Verwaltungsakt als die Festlegung von Rechten und Pflichten für den Einzelfall klar und bestimmt sein muß, daß er also insbesondere dem Betroffenen bündigen Aufschluß darüber geben muß, was für ihn rechtens sein soll (vgl. BSG 3, 271, 274; BSG im SozR SGG § 148 Bl. Da 5 Nr. 13; Forsthoff aaO S. 201, 202). Diese Anforderungen sind insbesondere an einen belastenden Verwaltungsakt zu stellen, der - wie ein Berichtigungsbescheid - die Rechtslage für den Betroffenen ungünstiger als bisher gestaltet. Besteht die Beschwer darin, daß dem Betroffenen eine ihm günstige Rechtsstellung, die er auf Grund eines früheren Verwaltungsaktes inne hat, durch seine Rücknahme wieder entzogen werden soll, so muß der diese Rücknahme aussprechende Verwaltungsakt so gestaltet sein, daß der Betroffene diese ihm ungünstige Rechtsfolge klar und unzweideutig erkennen kann. Hierzu gehört, wie schon das Reichsversorgungsgericht entschieden hat, daß ausdrücklich ausgesprochen wird, daß der frühere Bescheid unrichtig ist, inwiefern er unrichtig ist, und daß er ganz oder teilweise als unrichtig aufgehoben wird (RVG 5, 218, 219). Diese Forderung ergibt sich zwanglos auch aus der erhöhten Bestandskraft, die unanfechtbaren versorgungsrechtlichen Verwaltungsakten zukommt; eine Bindung kann deshalb nur durch einen Verwaltungsakt durchbrochen werden, der den vorstehend dargelegten Anforderungen entspricht, insbesondere also die beabsichtigte Rechtsfolge der Rücknahme des früheren Verwaltungsaktes in einer dem Betroffenen unzweifelhaft erkennbaren Weise ausspricht. Das ergibt sich im übrigen auch aus dem Anspruch des Betroffenen auf umfassenden Rechtschutz gegen rechtswidrige Angriffe der öffentlichen Gewalt in seinen privaten Lebensbereich, wie er durch Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) verbürgt ist. Der Verwaltungsakt, durch den in den Rechtsbereich des Betroffenen eingegriffen wird, muß so ausgestaltet sein, daß er Umfang und Tragweite der in ihm ausgesprochenen Beschwer voll erkennen läßt, nicht zuletzt auch deshalb, damit der Betroffene sein weiteres Handeln entsprechend einrichten kann. Es ist Pflicht der Verwaltung, die in einem Bescheid nach ihrem Willen mitenthaltene belastende Regelung in einer Weise kenntlich zu machen, daß bei dem Betroffenen unter Berücksichtigung der weithin zu unterstellenden Rechtsunkenntnis kein Zweifel über die Tragweite und die Auswirkungen dieses Teiles des Bescheides auf seine Rechtssphäre bestehen kann. Hinzu kommt schließlich die gesetzlich besonders normierte Begründungspflicht für versorgungsrechtliche Bescheide, aus denen sich ergeben muß, welche Umstände die an strenge Voraussetzungen geknüpfte Rücknahme einer früheren, den Betroffenen günstigeren Regelung durch einen Berichtigungsbescheid rechtfertigen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 4. April 1963 - 8 RV 961/60 -).

Diesen Anforderungen, die an jeden versorgungsrechtlichen Verwaltungsakt zu stellen sind, insbesondere aber an einen solchen, durch den dem Betroffenen eine ihm früher verliehene günstige Rechtsposition wieder entzogen werden soll, genügt der Bescheid vom 15. Mai 1951 hinsichtlich einer beabsichtigten Rücknahme der Anerkennung des "leichten Sprachfehlers, der verstrichenen Nasenlippenfalte und des etwas hängenden linken Mundwinkels" des Klägers jedoch nicht. Der Bescheid ist weder als Berichtigungsbescheid oder ähnlich unzweideutig überschrieben, noch hat sonst wie in ihm ein etwaiger Wille des Beklagten zur Rücknahme dieser Anerkennungen in einer dem Kläger erkennbaren Weise Ausdruck gefunden. Er enthält auch nicht die gesetzlich gebotene Begründung, inwiefern die strengen Voraussetzungen für die Aufhebung der früheren Anerkennungen durch Berichtigungsbescheid als erfüllt anzusehen sind. Zwar zeigt ein Vergleich dieses Bescheides mit der Entscheidung vom 12. Oktober 1950, daß die in Frage stehenden Gesundheitsstörungen in ihm nicht mehr als Schädigungsfolgen ausgeführt sind. Aus der Tatsache allein aber, daß der Beklagte in dem als Umanerkennungsbescheid bezeichneten Bescheid die Nichtaufführung der Leiden als Schädigungsfolgen mit einer wesentlichen Besserung (im Sinne des § 62 BVG) bzw. mit einer Entstehung aus der Anlage - unter gleichzeitigem Entzug der Rente - begründet hat, kann nicht der rechtliche Schluß gezogen werden, daß die bindend gewordene Anerkennung der Leiden als Schädigungsfolgen rechtswirksam durch Berichtigung aufgehoben worden ist. Vielmehr hätte es hierzu, wie ausgeführt, eines selbständigen, diese Rechtsfolge mit unmißverständlicher Deutlichkeit aussprechenden Verwaltungsakts bedurft. Da der Bescheid vom 15. Mai 1951 einen solchen selbständigen und unmißverständlichen Verwaltungsakt nicht enthält, hat der Beklagte den "leichten Sprachfehler, die verstrichene Nasenlippenfalte und den etwas hängenden linken Mundwinkel" des Klägers als Schädigungsfolgen nicht rechtswirksam aberkannt. Das Fehlen einer rechtlichen Grundlage für die Aufhebung des früheren Anerkenntnisses macht somit den Bescheid vom 15. Mai 1951, soweit er diese Schädigungsfolgen betrifft, auch als beabsichtigten Berichtigungsbescheid rechtswidrig. Das LSG hat ihn - im Ergebnis - zu Recht aufgehoben. Da im übrigen nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 103 SGG) für alle über den 15. Mai 1951 hinaus anzuerkennenden Schädigungsfolgen die MdE unverändert 30 v. H. beträgt, war dem Kläger - bei Betrachtung allein des Bescheides vom 15. Mai 1951 - auch über den 30. Juni 1951 hinaus eine Rente nach einer MdE um 30 v. H. weiter zu zahlen.

Bei dieser Sach- und Rechtslage bedurfte es keiner Auseinandersetzung mehr mit dem Vorbringen des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung am 24. Oktober 1963 über eine rechtliche Möglichkeit des Nachschiebens von Gründen für einen angefochtenen (Umanerkennungs-) Bescheid.

Durch den während des Laufes des Berufungsverfahrens vom Beklagten nach § 41 VerwVG erteilten und nach § 96 SGG zum Gegenstand des Verfahrens gewordenen Berichtigungsbescheid vom 8. Januar 1957 ist jedoch eine neue Lage geschaffen worden. Mit ihm hat der Beklagte die Anerkennung des "leichten Sprachfehlers, der verstrichenen Nasenlippenfalte und des etwas hängenden linken Mundwinkels bzw. der Schwäche des linken Gesichtsnerven" (als Folge von zwei Verschüttungen mit Hirnerschütterung) als Schädigungsfolgen aufgehoben, weil insoweit die tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit der Entscheidung des Beschwerdeausschusses 14 vom 12. Oktober 1950 im Zeitpunkt ihres Ergehens außer Zweifel stehe. Das LSG hat die Rechtmäßigkeit dieses Berichtigungsbescheides und insbesondere die mit ihm ausgesprochene tatsächliche und rechtliche Unrichtigkeit der Entscheidung vom 12. Oktober 1950 im Zeitpunkt ihres Ergehens hinsichtlich der in Frage stehenden Gesundheitsstörungen und der Höhe der MdE bestätigt, ohne daß der Kläger Einwendungen dagegen erhoben hat. Insoweit ist also die Entscheidung des Berufungsgerichts einer Nachprüfung durch das Revisionsgericht entzogen.

Einer Nachprüfung bedurfte jedoch die Frage, welche rechtlichen Wirkungen der - nach der Entscheidung des LSG rechtswirksame - Berichtigungsbescheid vom 8. Januar 1957 auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten hat.

Der Beklagte hat die Abänderung der Entscheidung des Beschwerdeausschusses 14 vom 12. Oktober 1950, soweit diese die im Streit stehenden Gesundheitsstörungen und die Höhe der MdE betrifft, mit Berichtigungsbescheid vom 8. Januar 1957 erneut verfügt, nachdem er die Rücknahme bzw. Abänderung bereits mit Bescheid vom 15. Mai 1951 verfügt zu haben glaubte. Er hat insoweit die neue Rechtslage, die durch das VerwVG vom 2. Mai 1955 eingetreten ist, zum Anlaß genommen, eine neue Regelung zu treffen, d. h. einen neuen Verwaltungsakt zu erlassen; er hat diesen neuen Verwaltungsakt auch unter Aufrechterhaltung der Regelung im Bescheid vom 15. Mai 1951 erlassen können, nämlich hilfsweise für den Fall, daß sich letzterer entgegen seiner Auffassung nicht als rechtmäßig und damit als rechtsunwirksam erweisen sollte. Der Beklagte hat aber in Anwendung der §§ 41, 49 VerwVG entgegen der Auffassung des LSG eine neue Regelung nur für den zeitlichen Geltungsbereich des VerwVG treffen können und dürfen; das bedeutet, daß die Entscheidung des Beschwerdeausschusses 14 vom 12. Oktober 1950 nach § 41 VerwVG nur für die Zeit nach dem 1. April 1955, dem Tag des Inkrafttretens des Gesetzes, zurückgenommen bzw. abgeändert werden konnte. Nur insoweit war der Beklagte berechtigt, die Folgen der - nach der Entscheidung des Berufungsgerichts - rechtswidrigen Entscheidung vom 12. Oktober 1950 zu beseitigen, nicht aber auch für die Zeit vorher, für die ihm die Ermächtigung nach § 41 VerwVG, einen rechtswidrigen Verwaltungsakt zurückzunehmen oder abzuändern, noch nicht zur Verfügung gestanden hat. Zwar wirkt die Ausübung einer der Verwaltung zur Hand gegebenen gesetzlichen Ermächtigung, einen von Anfang an rechtswidrigen Bescheid zurückzunehmen oder abzuändern und damit eine Regelung zu treffen, durch die das Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten mit der wahren Sach- und Rechtslage in Übereinstimmung gebracht wird, grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem der rechtswidrige Verwaltungsakt erlassen worden ist (Wirkung ex tunc). Das kann jedoch dann nicht gelten, wenn das die Ermächtigung zur Rücknahme oder Abänderung enthaltende Gesetz erst zu einem späteren Zeitpunkt - nach Erlaß des aufzuhebenden oder abzuändernden Verwaltungsaktes - in Kraft getreten ist. Über den Zeitpunkt des Erlasses des Gesetzes hinaus kann die Rücknahme durch Abänderung in die Vergangenheit nicht wirken (vgl. dazu BSG im SozR VerwVG § 41 Bl. Ca 3 Nr. 9, Bl. Ca 16 Nr. 21; BSG 16, 265). Das bedeutet für den vorliegenden Fall, daß die auf § 41 VerwVG gestützte Abänderung der Entscheidung vom 12. Oktober 1950 durch Bescheid vom 8. Januar 1957 erst vom 1. April 1955 an wirksam ist. Das hat gleichzeitig zur Folge, daß der Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger über den Entziehungszeitpunkt, den 30. Juni 1951, hinaus bis zum 31. März 1955 Rente nach einer MdE um 30 v. H. weiterzugewähren. Das Urteil des Berufungsgerichts war deshalb insoweit - als im Ergebnis zutreffend - zu bestätigen.

Der Kläger hat dagegen keinen Anspruch auf Weiterzahlung der Rente für die Zeit vom 1. April 1955 bis zum 28. Februar 1957. Das LSG hat zwar zutreffend ausgeführt, daß der Beklagte die in Frage stehenden früheren Anerkenntnisse durch den Berichtigungsbescheid mit Wirkung ex tunc beseitigt hat, in dem er festgestellt habe, daß diese Anerkenntnisse von Anfang an unrichtig gewesen seien. Der erkennende Senat vermochte seiner Auffassung jedoch nicht zu folgen, wenn es glaubte, die Wirkung des Berichtigungsbescheides ex tunc beschränke sich ausschließlich auf die Anerkenntnisse, nicht aber auch auf die "Rechtsfolgen", nämlich auf die Rente, deren Zahlung - ähnlich der Regelung in den §§ 60 bis 62 BVG - bis zum Ablauf des Monats erfolgen müsse, der auf die Zustellung des Berichtigungsbescheides folge. Die Wirkung des ordnungsgemäßen Berichtigungsbescheides, mit dem das gesamte Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten mit der wahren Sach- und Rechtslage in Übereinstimmung gebracht wird, ist vielmehr umfassend; er wirkt in jeder Hinsicht grundsätzlich auf den Zeitpunkt zurück, in dem der rechtswidrige Verwaltungsakt erlassen worden ist, wenn nicht - wie vorliegend - das Inkrafttreten des bei Erlaß des Berichtigungsbescheides angewandten Gesetzes eine zeitliche Grenze gesetzt hat. Mit der Beseitigung der Rechtsgrundlage für die gewährten Leistungen in die Vergangenheit zurück entfällt auch die Verpflichtung der Verwaltung, noch Leistungen zu gewähren, die wegen der Rechtswidrigkeit des aufgehobenen oder abgeänderten Verwaltungsaktes für die Vergangenheit nicht mehr zustehen. Die Berufung des LSG für seine entgegenstehende Rechtsauffassung auf die Verwaltungsvorschrift (VV) Nr. 10 zu § 41 VV geht fehl. Denn diese VV kann für Fälle wie den vorliegenden schon deshalb nicht gelten, weil sie allein den Regelfall in der Praxis betrifft, in dem bis zum Erlaß des Berichtigungsbescheides tatsächlich Versorgung gewährt, d. h. gezahlt worden ist; sie trifft nur Bestimmung darüber, wann eine laufende Zahlung - unbeschadet der Frage einer Rückforderung - eingestellt werden muß; sie betrifft aber nicht den hier gegebenen Sonderfall, in dem die Rentenzahlung bereits lange Zeit - gleich aus welchen Gründen - vor Erteilung des Berichtigungsbescheides eingestellt worden ist (vgl. dazu auch BSG im SozR VerwVG § 41 Bl. Ca 14 Nr. 18; Ca 17 Nr. 22). Zu Unrecht beruft sich das LSG für seine Auffassung, daß die Verwaltungsbehörde zur Weiterzahlung der Rente des Klägers bis zum 28. Februar 1957 verpflichtet sei, auch auf die Vorschrift des § 47 Abs. 3 VerwVG. In dieser ist bestimmt, daß im Falle der Erteilung des Berichtigungsbescheides die Rückforderung der gewährten Leistungen - grundsätzlich - ausgeschlossen ist; sie befaßt sich damit ausschließlich mit dem - vorliegend nicht gegebenen - Fall, daß bis zu Erteilung des Berichtigungsbescheides Leistungen gewährt worden sind; diese Leistungen sollen, wohl mit Rücksicht auf das Vertrauen des Rentenempfängers in die Richtigkeit des früheren Bescheides und der auf ihm beruhenden geleisteten Zahlung, nicht zurückgefordert werden können. Das hat aber mit der Ex-tunc-Wirkung des Berichtigungsbescheides nichts zu tun. Insbesondere enthält das Verbot der Rückforderung geleisteter Zahlungen nicht auch das Gebot, noch nicht gezahlte nach dem Berichtigungsbescheid nicht zustehende Bezüge bis zum Ablauf eines Monats zu zahlen, der auf die Zustellung des Berichtigungsbescheides folgt. Denn gerade der Umstand, daß das Gesetz sich nur mit der Behandlung tatsächlich geleisteter Zahlungen befaßt und keine Bestimmung darüber trifft, wie in Sonderfällen wie dem vorliegenden verfahren werden soll, zwingt zu dem Schluß, daß an der umfassenden Ex-tunc-Wirkung eines Berichtigungsbescheides nicht gerüttelt werden soll, der sowohl ein früheres Anerkenntnis als auch die auf ihm beruhenden Rentenzahlungen betrifft.

Das LSG ist somit zu Unrecht zu dem Ergebnis gekommen, der Berichtigungsbescheid vom 8. Januar 1957 habe in bezug auf die Rentenzahlung keine Rückwirkung. Damit hat es § 41 VerwVG verletzt. Entgegen seiner Auffassung konnte der Beklagte mit seinem Berichtigungsbescheid das Versorgungsverhältnis zwischen sich und dem Kläger dahin regeln, daß diesem vom 1. April 1955 an keine Versorgungsbezüge mehr zustehen. Daran ändert nichts, daß der Berichtigungsbescheid erst im Laufe des Berufungsverfahrens ergangen ist, nachdem das SG den Beklagten verurteilt hatte, dem Kläger wegen aller früher als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen ohne zeitliche Beschränkung Rente nach einer MdE um 30 v. H. über den 30. Juni 1951 hinaus zu zahlen.

Nach alledem war der Revision des Beklagten, soweit sie die Zahlung einer Rente für die Zeit vom 1. April 1955 bis 28. Februar 1957 betrifft, der Erfolg nicht zu versagen; im übrigen war sie als unbegründet zurückzuweisen.

Soweit das VersorgA Soest in Ausführung des Urteils des SG vom 25. April 1956 für die Zeit vom 25. April 1956 bis 28. Februar 1957 an den Kläger Rente gezahlt hat (Benachrichtigung vom 20. Juni 1956), bedurfte es keiner Erörterung und Entscheidung durch den erkennenden Senat. Denn insoweit hat der Beklagte bisher keinen Rückforderungsanspruch geltend gemacht.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2380335

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