Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Urteil vom 15.05.1975) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 15. Mai 1975 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten haben sich die Beteiligten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der Kläger wurde am 26. Februar 1973 63 Jahre alt. Unter den Beteiligten ist streitig, ob das vom Kläger im Januar 1973 beantragte Altersruhegeld ab 1. April oder ab 1. Juni 1973 zu zahlen ist.
Der Kläger war bei einer Schiffswerft vom 3. September 1943 bis zum 31. Mai 1973 als Schiffsbauer beschäftigt. Er hat seinem Arbeitgeber Ende 1972 erklärt, daß er nach der Erreichung des 63. Lebensjahres am 28. Februar 1973 seinen Arbeitsvertrag beenden und Altersrente beziehen möchte. Er hatte ferner gebeten, einem anschließenden befristeten Arbeitsverhältnis für drei Monate zuzustimmen, weil die Beschäftigung während dieser drei Monate rentenunschädlich sei. Da der Arbeitgeber den Kläger als guten Facharbeiter noch gern behalten wollte, stimmte er dem zu.
Mit Bescheid vom 3. Oktober 1973 gewährte die Beklagte dem Kläger das Altersruhegeld für den Monat März 1973. Über den 31. März 1973 hinaus – dem Zeitpunkt der Verkündung des Vierten Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (4. RVÄndG) – lehnte sie die Gewährung des Altersruhegeldes ab, weil die in den beigefügten Erläuterungen zum Rentenbescheid genannte Zeitdauer bzw. die Entgelts- oder Einkommensgrenze überschritten werde. Hiergegen wendete sich der Kläger mit einem an die Beklagte gerichteten Schriftsatz vom 15. Oktober 1973 und beantragte, ihm die Rente auch über den 31. März 1973 hinaus zu zahlen. Dieser Schriftsatz ging am 16. Oktober 1973 bei der Beklagten ein. Mit Bescheid vom 26. Januar 1974 wurde dem Kläger dann ein laufendes Altersruhegeld ab 1. Juni 1973 gewährt.
Gegen diesen Bescheid hat der Kläger Klage vor dem Sozialgericht (SG) Aurich erhoben und beantragt, die Beklagte zur Zahlung eines Altersruhegeldes auch für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Mai 1973 zu verurteilen. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 7. November 1974 abgewiesen und gegen das Urteil die Berufung zugelassen. Die vom Kläger eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen mit Urteil vom 15. Mai 1975 zurückgewiesen. Es ist der Ansicht, daß in den letzten drei Monaten eines auslaufenden Dauerarbeitsverhältnisses kein flexibles Altersruhegeld gewährt werden könne. Ein rentenunschädlicher Hinzuverdienst sei vielmehr erst zulässig, wenn das Dauerarbeitsverhältnis beendet und ein neues, auf längstens drei Monate im voraus vertraglich ausbedungenes Arbeitsverhältnis begonnen habe. Wenn sich ein neues, auf längstens drei Monate im voraus vertraglich ausbedungenes Arbeitsverhältnis auch unmittelbar an das Dauerarbeitsverhältnis anschließen könne, so genüge dennoch nicht jede Vereinbarung eines Arbeitsverhältnisses, das sich in den zeitlichen Grenzen des § 1248 Abs. 4 Buchst. a der Reichsversicherungsordnung (RVO) halte, den Anforderungen dieser Vorschrift. Die Merkmale dieser Vorschrift „nur gelegentlich, insbesondere zur Aushilfe” kennzeichneten hinreichend die Anforderungen, die an ein von dieser Vorschrift erfaßtes befristetes Beschäftigungsverhältnis zu stellen seien. Da das Gesetz als Hauptanwendungsfall („insbesondere”) der gelegentlichen Beschäftigung die Aushilfstätigkeiten nenne, lasse es deutlich erkennen, daß von gelegentlicher Tätigkeit nur gesprochen werden könne, wenn betriebliche Gründe zur zeitlichen Beschränkung des Arbeitsverhältnisses geführt hätten. Diese Betriebsbedingtheit der zeitlichen Beschränkung fehle im vorliegenden Fall. Lediglich das Bestreben des Klägers, auch für die streitige Zeit flexibles Altersruhegeld zu erhalten, habe ihn veranlaßt, sein Dauerarbeitsverhältnis nicht über den 28. Februar 1973 hinaus fortzusetzen und habe zu der mündlichen Vereinbarung eines neuen, befristeten Arbeitsvertrages mit den bisherigen Arbeitsbedingungen geführt. Das genüge aber nicht den Anforderungen des § 1248 Abs. 2 Buchst. a RVO. Gegen das Urteil hat das LSG die Revision zugelassen.
Mit der von ihn eingelegten Revision macht der Kläger geltend, das Dauerarbeitsverhältnis sei durch die Kündigung zum 28. Februar 1973 beendet gewesen. Danach sei es ihn nicht verwehrt, eine die Geringfügigkeitsgrenzen wahrende Beschäftigung bei seinem bisherigen Arbeitgeber auszuüben. Der Arbeitgeber werde in der Regel an einer solchen von vornherein befristeten Beschäftigung seines bisherigen Mitarbeiters ein Interesse haben, weil er diesen ohnehin über kurz oder lang zu ersetzen habe. Der Sinn der Regelung des § 1248 Abs. 4 RVO bestehe darin, dem nach § 1248 Abs. 1 RVO Berechtigten den Übergang von der unbeschränkten Erwerbstätigkeit zum alleinigen Bezug des Altersruhegeldes und damit zum endgültigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu erleichtern.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 15. Mai 1975 und das Urteil des SG Aurich von 7. November 1974 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheids vom 26. Januar 1974 zu verurteilen, dem Kläger auch für die Zeit vom 1. April bis zum 31. Mai 1971 Altersruhegeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie ist der Ansicht, daß es nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben könne, jede Verlängerung des ursprünglichen Beschäftigungsverhältnisses um drei Monate als „gelegentliche” Beschäftigung im Sinne des § 1248 Abs. 4 RVO zu qualifizieren. Hierbei könne es sich immer nur um eine Ausnahme, nicht aber um die Regel handeln.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 3. Oktober 1973 ist nicht bindend geworden, denn der Schriftsatz des Klägers vom 15. Oktober 1973, mit dem Einwendungen gegen diesen Bescheid erhoben und eine Rentenzahlung auch über den 31. März 1973 hinaus beantragt worden ist, ist als Erhebung der Klage gegen diesen Bescheid anzusehen. Die Frist für die Klageerhebung wurde gewahrt, weil dieser Schriftsatz innerhalb der Klagefrist bei der Beklagten eingegangen ist (§ 91 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).
Das flexible Altersruhegeld erhält nach § 1248 Abs. 1 i.V.m. Abs. 7 Satz 1 RVO auf Antrag – u. a. – ein Versicherter, der das 63. Lebensjahr vollendet hat, wenn die Wartezeit von 35 anrechnungsfähigen Versicherungsjahren erfüllt ist. Diese Möglichkeit wurde durch das Rentenreformgesetz (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I 1965) mit Wirkung vom 1. Januar 1973 an neu geschaffen; das RRG sah keinerlei Begrenzung des vom Berechtigten daneben erzielbaren Verdienstes vor. Diese Begrenzung wurde erst durch das 4. RVÄndG vom 30. Mars 1973 ab 1. April 1973 geschaffen. Nach § 1248 Abs. 4 RVO besteht seitdem ein Anspruch auf ein solches Altersruhegeld bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres neben einer Beschäftigung gegen Entgelt oder neben einer Erwerbstätigkeit nur, wenn die Beschäftigung oder Erwerbstätigkeit
- nur gelegentlich, insbesondere zur Aushilfe, für eine Zeitdauer, die im Laufe eines jeden Jahres seit dem erstmaligen Beginn des Altersruhegeldes auf nicht mehr als drei Monate oder insgesamt 75 Arbeitstage nach der Natur der Sache beschränkt zu sein pflegt oder im voraus durch Vertrag beschränkt ist, oder
- zwar laufend oder in regelmäßiger Wiederkehr, aber nur gegen ein Entgelt oder ein Arbeitseinkommen, das durchschnittlich im Monat 3/10 der für Monatsbezüge geltenden Beitragsbemessungsgrenze nicht überschreitet.
§ 1248 Abs. 4 RVO trifft eine Regelung nur für die Zeit „seit dem erstmaligen Beginn des Altersruhegeldes”, für die Zeit bis zum Beginn des Altersruhegeldes fehlt dagegen eine entsprechende Regelung. Aus dem Sinn und Zweck der Neuregelung des flexiblen Altersruhegeldes durch das 4. RVÄndG ergibt sich aber, daß das Altersruhegeld vom 63. Lebensjahr an nur an Versicherte gezahlt werden soll, die ihre bisherige versicherungspflichtige Beschäftigung aufgegeben haben. Der Senat schließt sich daher insoweit im Ergebnis der Rechtsprechung des 12. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) an, wonach in den letzten drei Monaten eines auslaufenden Dauerarbeitsverhältnisses kein flexibles Altersruhegeld zu gewähren ist (SozR 2200 § 1248 Nr. 4). Etwas anderes kann auch dann nicht gelten, wenn zwar der bisherige Arbeitsvertrag durch Kündigung beendet wird, aber für die anschließende Zeit ein neuer – befristeter – Arbeitsvertrag mit im wesentlichen unveränderten Bedingungen abgeschlossen wird. Es widerspräche dem Sinn und Zweck des Gesetzes, dem Versicherten in Fällen dieser Art das flexible Altersruhegeld schon vor Ablauf des zweiten Arbeitsvertrages zu gewähren. Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung des 4. RVÄndG gerade die nach § 1248 Abs. 1 RVO idF des RRG bestehende Möglichkeit beseitigen, daß der Versicherte seine bisherige versicherungspflichtige Beschäftigung noch nicht aufgegeben hat und neben dem flexiblen Altersruhegeld den vollen Arbeitslohn erhält (vgl. Begründung zum Entwurf des 4. RVÄndG, BT-Drucks. 7/3, Teil A und B zu Art. 1 § 1). Zwar mag er diesen Villen nur unzureichend zum Ausdruck gebracht haben, weil er dies nur für die Zeit seit den erstmaligen Beginn des Altersruhegeldes ausdrücklich angeordnet hat, jedoch ist hinreichend deutlich erkennbar, daß dies allgemein gelten soll (vgl. dazu auch Niemeyer/Schulze in BABl 1973, 138, 139).
Aus diesen Gründen mußte die Revision des Klägers zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Unterschriften
Dr. Dapprich, Rauscher, Schröder
Fundstellen