Leitsatz (amtlich)

Wird in einem Betrieb, in dem regelmäßig nur an fünf Tagen in der Woche gearbeitet wird, seit Jahren an bestimmten Tagen der Weihnachtszeit, die durch Vereinbarung mit dem Betriebsrat festgelegt sind, nicht gearbeitet, ohne daß dafür vor- oder nachgearbeitet wird, so sind diese Tage keine Arbeitstage iS des RVO § 182 Abs 5. Es besteht deshalb für diese Tage auch kein Anspruch auf Krankengeld.

 

Normenkette

RVO § 182 Abs. 5 Fassung: 1961-07-12

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 30. März 1966 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

Der Kläger war vom 28. November 1963 bis zum 3. Januar 1964 arbeitsunfähig erkrankt. Die beklagte Krankenkasse lehnte mit Bescheid vom 30. Januar 1964 die Gewährung von Krankengeld für den 23., 24., 27. und 31. Dezember 1963 ab, weil an diesen Tagen - entsprechend einer Vereinbarung mit dem Betriebsrat - im Betrieb des Arbeitgebers des Klägers nicht gearbeitet und auch keine Urlaubsvergütung gezahlt worden sei, die Arbeitnehmer auch nicht von der Möglichkeit einer Vor- oder Nacharbeit Gebrauch gemacht hätten. Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat die vom Sozialgericht (SG) zugelassene Berufung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Zweck des Krankengeldes sei es, an Stelle des Lohnes den Lebensunterhalt des Versicherten so zu decken, daß er seine bisherige Lebenshaltung möglichst weitgehend aufrechterhalten könne. Dabei sei von dem entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelt auszugehen (§ 182 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -). Das gelte auch bei der Frage, für welche Arbeitstage Krankengeld zu zahlen sei. Deshalb ließen regelwidrig arbeitsfreie Tage, wie etwa solche wegen einer Betriebsstörung, den Anspruch auf Krankengeld unberührt. Die streitigen Tage seien jedoch für den Betrieb, in dem der Kläger beschäftigt sei, nicht regelwidrig, sondern betriebsüblich arbeitsfrei gewesen. Die Arbeit sei demnach infolge eines Umstandes ausgefallen, den Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam zu vertreten hätten. Die streitigen Tage seien daher keine Arbeitstage im Sinne des § 182 Abs. 5 letzter Satz RVO. Das LSG hat die Revision zugelassen.

Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Er trägt vor: Nach dem Wortlaut des § 182 Abs. 5 RVO habe er Anspruch auf Krankengeld für Arbeitstage und bezahlte Feiertage. Wenn demgegenüber das Bundesarbeitsgericht darauf hinweise, daß der kranke Arbeitnehmer nicht mehr erhalten solle, als wenn er gesund gewesen sei, so sei dem entgegenzuhalten, daß sich diese Rechtsprechung auf den privaten Krankengeldzuschuß des Arbeitgebers beziehe. Es sei daher nicht zulässig, unter Abweichung von dem Wortlaut und Wortsinn der Vorschrift die Entscheidung auf die Lohnersatzfunktion des Krankengeldes abzuheben. Die Auslegung vom Ergebnis her unter Außerachtlassung des Gesetzeswortlauts, daß es rechtlich unerwünscht wäre, wenn man den Arbeitnehmern die Möglichkeit an die Hand gäbe, solche Fehltage durch Manipulation mit Krankengeld zu überbrücken, sei nicht zulässig, weil dadurch die Bindung des Richters an Gesetz und Recht in Frage gestellt sein könne.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LSG Rheinland-Pfalz vom 30. März 1966, des Urteils des SG Speyer vom 13. September 1965 sowie des Bescheides der Beklagten vom 30. Januar 1964 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 10. August 1964 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger auch Krankengeld für den 23., 24., 27. und 31. Dezember 1963 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Revision ist nicht begründet.

Zu der Frage, ob und für welche Tage Krankengeld zu zahlen ist, wenn Arbeitstage auf andere Tage verlegt worden sind, hat der Senat bereits in mehreren Urteilen Stellung genommen (vgl. SozR RVO § 182 Nr. 20, 21 und 22). Er hat dabei insbesondere in seinem Urteil vom 27. Oktober 1966 - RK 8/64 - (SozR RVO § 182 Nr. 20) ausgeführt, daß die Entscheidung darüber, ob nur an fünf Tagen in der Woche gearbeitet werden solle und welche Tage die fünf Arbeitstage sein sollen, allein bei den Beteiligten oder ihren kollektiven Vertretungen liege. Es erscheine daher auch unbedenklich, wenn nach vorheriger genereller Feststellung der fünf Arbeitstage und des arbeitsfreier Ruhetages von dieser Bestimmung im einzelnen Fall abgewichen und die Arbeitszeit anderweitig verteilt werde, wenn sie insbesondere von einem Wochentage, an dem regelmäßig gearbeitet werde, auf einen anderen Tag derselben oder einer anderen Woche vor- oder zurückverlegt werde (Vor- oder Nacharbeit). "Arbeitstage" im Sinne des § 182 Abs. 5 letzter Satz RVO sei dann nur der Tag der tatsächlichen Arbeitsleistung. Sei ein Versicherter an diesem Tage arbeitsunfähig erkrankt, so sei ihm dafür Krankengeld zu gewähren; andererseits erhalte er, wenn die Arbeitsunfähigkeit bis zu dem durch die Verlegung der Arbeitszeit arbeitsfrei gewordenen Tage fortdauere, für diesen Tag kein Krankengeld. Entsprechendes gelte, wenn der Versicherte an dem Tag, an dem Vor- oder Nacharbeit geleistet worden sei, tatsächlich gearbeitet und auch Entgelt erhalten habe, dagegen an dem arbeitsfrei gewordenen Tage arbeitsunfähig erkrankt sei. Auch hier bestehe für den nunmehr arbeitsfreien "Arbeitstag" kein Krankengeldanspruch.

Bei Verlegung von Arbeitstagen gelten also als durch die Krankheit ausgefallen nicht die Tage, an denen ursprünglich hätte gearbeitet werden sollen, sondern die Tage, an denen infolge Verlegung der Arbeit auch tatsächlich gearbeitet worden ist. Deshalb ist erst recht ein Tag, an dem vereinbarungsgemäß überhaupt nicht gearbeitet wurde, für den auch weder vor- oder nachgearbeitet wurde und für den der Arbeitgeber deshalb auch keinen Lohn zu zahlen hatte, kein Arbeitstag im Sinne des § 182 Abs. 5 letzter Satz RVO. Für die Qualifikation als Arbeitstag ist vielmehr entscheidend, ob an ihm nach der im jeweiligen Betrieb üblichen Ordnung regelmäßig gearbeitet wird. Dies war aber hier an den streitigen Tagen nach einer jahrelangen tatsächlichen mit dem Betriebsrat vereinbarten Übung nicht der Fall. Da Krankengeld Lohnersatz ist, kann es deshalb nicht für Tage gewährt werden, an denen der Versicherte auch ohne die Krankheit nicht gearbeitet und deshalb auch keine Lohnansprüche gehabt hätte. Sonst würde in derartigen Fällen ein Kranker besser dastehen als ein Gesunder. Ein arbeitsunfähiger Betriebsangehöriger kann daher ebensowenig Krankengeld für solche Tage verlangen, wie der Arbeitsfähige Lohn beanspruchen kann.

Diesem Ergebnis steht auch nicht das Urteil des 5. Senats des Bundessozialgericht (BSG) in BSG 22, 205 entgegen. Denn hier war ausnahmsweise an dem betreffenden Tage wegen einer Betriebsstörung nicht gearbeitet worden; dieser Tag war also üblicherweise ein Arbeitstag, so daß für ihn Anspruch auf Krankengeld gegeben war.

Die Revision des Klägers muß daher zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2351477

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