Leitsatz (amtlich)
Zur Anerkennung einer mittelbaren Schädigungsfolge, wenn ein schädigungsbedingt Einarmiger durch jahrelange, seinem körperlichen Zustand abträgliche Schwerarbeit Gesundheitsstörungen an seinem verbliebenen Arm davongetragen hat.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20, § 62 Abs. 1 Fassung: 1966-12-28
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 30. April 1970 wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Der 1907 geborene Kläger, der in Ostpreußen als selbständiger Landwirt tätig gewesen war, wurde im Januar 1945 verwundet und verlor hierbei den linken Unterarm. Nachdem er im Sommer 1945 aus französischer Gefangenschaft entlassen worden war, hielt er sich zunächst im Raum Hamburg auf und kehrte dann 1946 nach Ostpreußen zu seiner dort verbliebenen Familie zurück. Im September 1961 kam er als Umsiedler in die Bundesrepublik und beantragte die Gewährung von Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Bei der chirurgischen Untersuchung wurden Bewegungseinschränkungen im rechten Ellbogen- und Schultergelenk infolge knöcherner Gelenkveränderungen festgestellt; der Kläger gab hierzu an, das sei auf die Gefangenschaft in K zurückzuführen, wo er im nassen Lehmboden Löcher graben mußte. Mit Bescheid vom 22. März 1962 gewährte das damals zuständige Versorgungsamt dem Kläger die Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v. H.; als Schädigungsfolgen wurden anerkannt:
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Verlust des linken Unterarms bei ausreichender Beweglichkeit von Schulter- und Ellbogengelenk, |
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Geringgradige Innenohrschwerhörigkeit links. |
Zum Befund am rechten Arm hieß es: "Die Bewegungsbehinderung im rechten Schulter- und Ellbogengelenk, verursacht durch knöcherne Veränderungen daselbst, steht in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Militärdienst oder der kurzen Kriegsgefangenschaft". Auf den Widerspruch des Klägers wurde als weitere Schädigungsfolge ein Stecksplitter in der Brustkorbwand anerkannt; eine Anerkennung von Überlastungsschäden am rechten Arm infolge des Verlustes des linken Unterarms wurde abgelehnt (Widerspruchsbescheid vom 28.11.1962). In dem anschließenden Rechtsstreit erreichte der Kläger die Gewährung der Rente nach einer MdE um 60 v. H. unter Berücksichtigung des § 30 Abs. 2 BVG.
Im Juli 1967 beantragte der Kläger unter Vorlage der Bescheinigung eines Facharztes für Orthopädie, Überlastungsschäden im rechten Schulter-, Ellbogen- und Daumengrundgelenk als mittelbare Schädigungsfolgen anzuerkennen. Der Chirurg Dr. G dem der Kläger keine näheren anamnestischen Angaben machte, führte aus, die röntgenologisch nachgewiesenen Veränderungen - Arthrosis deformans der Gelenke am rechten Arm - seien schicksals- und anlagebedingt und könnten in dieser Form nicht als Überlastungsschaden gewertet werden. Hierauf erging der Bescheid vom 19. Februar 1968, mit dem eine Neufeststellung nach § 62 Abs. 1 BVG abgelehnt wurde. Der Widerspruch des Klägers wurde durch Bescheid vom 24. April 1968 zurückgewiesen: Die Beschwerden und Veränderungen am rechten Arm seien konstitutionell bedingt und wären in diesem Grade auch ohne die Amputation des linken Unterarms vorhanden.
Der Kläger beantragte mit der hiergegen erhobenen Klage, von Juli 1967 an die Versorgungsbezüge nach einer MdE um 70 v. H. unter zusätzlicher Anerkennung von "Überlastungsschäden am rechten Arm und an der Halswirbelsäule" neu festzusetzen. Das Sozialgericht (SG) Lübeck wies mit Urteil vom 2. Mai 1969 die Klage ab.
Mit seiner Berufung hat der Kläger geltend gemacht, die Schäden am rechten Arm hätten sich seit 1952 eingestellt, nachdem er schwere Waldarbeiten verrichten mußte, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Der vom Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht (LSG) als Sachverständiger gehörte Oberarzt der Orthopädischen Universitätsklinik Kiel, Prof. Dr. H, hat in der mündlichen Verhandlung am 30. April 1970 ausgeführt, bei den Veränderungen an der Halswirbelsäule handele es sich um einen schicksalsmäßigen Degenerationsprozeß. Hinsichtlich der arthrotischen Veränderungen am Daumensattelgelenk, Handgelenk und Ellbogengelenk rechts sei es dagegen wahrscheinlich, daß - ähnlich wie bei Arbeiten mit Preßluftwerkzeugen - die jahrelang einarmig verrichtete schwere Waldarbeit die Entwicklung dieses Leidens beim Kläger beeinflußt habe, wobei ein gewisser körpereigener Fehler zu berücksichtigen sei.
Das LSG hat unter Änderung des erstinstanzlichen Urteils sowie der Bescheide vom 24. April und 19. Februar 1968 den Beklagten verurteilt, dem Kläger mit neuem Bescheid unter zusätzlicher Anerkennung der Arthrosis deformans am Ellbogen- und Handgelenk des rechten Arms als Schädigungsfolge ab 1. Juli 1967 Beschädigtenrente nach einer MdE von 70 v. H. zu gewähren: Die nach § 150 Nr. 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers sei begründet, da der Ursachenzusammenhang der am rechten Arm des Klägers bestehenden Schäden mit den Verwundungsfolgen wahrscheinlich sei. Die Voraussetzungen einer Neufeststellung nach § 62 BVG seien wegen Hinzutretens neuer Schädigungsfolgen gegeben. Im Hinblick auf die bindende Ablehnung durch den Bescheid vom 22. März 1962 komme hier lediglich ein Zugunstenbescheid in Frage, der jedoch ohne die Einschränkung des § 54 Abs. 2 SGG überprüft werden könne, da die Versorgungsverwaltung in eine erneute Sachprüfung des Kausalzusammenhangs eingetreten sei. Zur Entstehung der geltend gemachten Schäden am rechten Arm habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft geschildert, daß er seinen Hof nach der Rückkehr in seine Heimat im Jahre 1946 nur sehr unzureichend habe bewirtschaften können, weil praktisch das gesamte lebende und tote Inventar fortgeschafft gewesen sei. Um seine Familie zu ernähren, sei er wie viele andere gezwungen gewesen, jahrelang Waldarbeiten zu verrichten. Im Herbst und Winter seien Bäume gefällt und zu Nutz- bzw. Brennholz verarbeitet worden; im Frühjahr sei er mit anderen in Forstkulturen, insbesondere beim Aufforsten von Waldflächen, beschäftigt worden. Da sein linker Arm infolge der Verwundung gefehlt habe, habe er bei den Arbeiten mit Beil und Schleppsäge nur den rechten Arm gebrauchen können und diesen dabei überanstrengt. Bereits im Jahre 1948 habe er erstmals Beschwerden im rechten Arm bekommen. Aufgrund dieses - vom LSG als zutreffend erachteten und daher festgestellten - Geschehensablaufs habe Prof. Dr. H überzeugend den Kausalzusammenhang zwischen den arthrotischen Erscheinungen am rechten Ellbogen- und Handgelenk und der Waldarbeit des Klägers bei Fehlen des linken Arms als wahrscheinlich bezeichnet. Die Schäden am rechten Ellbogen- und Handgelenk des Klägers beruhten somit darauf, daß der Kläger die Waldarbeiten einarmig habe verrichten müssen. Die Einarmigkeit des Klägers sei als die wesentliche Bedingung der fraglichen Schäden anzusehen. Da Prof. Dr. H die arthrotischen Armgelenksveränderungen überzeugend mit einer MdE von 20 v. H. bewertet habe, sei die Gesamt-MdE um 10 v. H. auf 70 v. H. zu erhöhen. - Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen das am 11. Juni 1970 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 8. Juli 1970 Revision eingelegt und sie innerhalb der bis zum 11. September 1970 verlängerten Frist folgendermaßen begründet: Das LSG hätte den Bescheid vom 19. Februar 1968 nur im Rahmen des § 54 Abs. 2 SGG überprüfen dürfen, da über die Frage des ursächlichen Zusammenhangs der Bewegungsbehinderung in den rechten Armgelenken mit einer Schädigung im Sinne des BVG bereits durch die Bescheide vom 22. März und 5. Oktober 1962 negativ rechtsverbindlich entschieden worden sei. Es fehle an der erforderlichen Sachaufklärung darüber, was der Kläger zwischen 1951 und 1955 getan, insbesondere ob er in dieser Zeit Arbeiten verrichtet habe, die mit Erschütterungen der Armgelenke verbunden waren. Das LSG und der Sachverständige Prof. Dr. H hätten nicht hinreichend berücksichtigt, daß der Kläger nach seiner eigenen Schilderung im Berufungstermin Bäume nur in den Wintermonaten gefällt, sonst dagegen Aufforstungsarbeiten verrichtet habe und daß seine Gruppe weniger geschafft habe als die anderen; daraus ergebe sich, daß der Kläger weniger als die anderen Waldarbeiter gearbeitet, also seinen verbliebenen Arm nicht übermäßig belastet habe. Ferner hätte sich dem LSG eine Prüfung der Frage aufdrängen müssen, wieso bei dem Kläger, der beidarmig schon 15 Jahre lang (1928 bis 1943) schwere Waldarbeiten verrichtet hatte, bereits nach nur zweijähriger - mit Unterbrechungen - einarmig ausgeführter Waldarbeit ernste Beschwerden auftraten, während doch bei Arbeiten mit Preßluftwerkzeugen eine mehrjährige regelmäßige Tätigkeit vorausgesetzt werde; hierzu hätte das LSG einen Sachverständigen mit besonderen Erfahrungen auf dem Gebiet der Preßluftarbeiten - möglichst unter Beiziehung eines Forstfachmanns - hören müssen. Das LSG habe nicht einmal berücksichtigt, daß sogar nach den Ausführungen des Prof. Dr. H ein körpereigener Faktor von Bedeutung sei, was sich auch auf die Bewertung der MdE auswirke; das LSG hätte sich auch dazu äußern müssen, ob die Arthrosis deformans im Sinne der Entstehung oder im Sinne der Verschlimmerung anzuerkennen sei, letztenfalls fehle es an der Entscheidung darüber, welcher Grad der MdE auf den Verschlimmerungsanteil entfalle.
Schließlich habe das LSG gegen § 1 BVG verstoßen. Habe neben einer anerkannten Schädigungsfolge ein anderer Umstand zum Erfolg beigetragen, so könne dies nur dann zu einer weiteren Anerkennung führen, wenn der anerkannten Schädigungsfolge nach der Auffassung des praktischen Lebens und Erfahrungssätzen eine derart überragende Bedeutung zukomme, daß sie als alleinige Ursache im Rechtssinn zu werten sei (BSG Urteil vom 9.12.1969 - 9 RV 418/67 - OKK 1970, 350). Das LSG habe die Kausalitätsnorm verkannt, weil es die Tätigkeit des Klägers als Waldarbeiter nicht genügend gewürdigt habe. Die Verrichtung dieser Arbeiten sei nicht auf die anerkannten Schädigungsfolgen, sondern auf den Entschluß des Klägers zurückzuführen, 1946 in seine ostpreußische Heimat zurückzukehren, um seine Familie zu suchen. Durch diesen Entschluß habe sich der Kläger den Verhältnissen ausgeliefert, wie sie nach dem verlorenen Kriege in seiner polnisch besetzten Heimat herrschten. Diese Verhältnisse, nicht die Schädigungsfolgen, hätten ihn gezwungen, die für ihn als Einarmigen abträgliche Waldarbeit aufzunehmen, eine Arbeit, die ihm in der Bundesrepublik nicht zugemutet worden wäre. Der Kläger habe also die wesentliche Bedingung selbst gesetzt; wäre er in der Bundesrepublik geblieben, so wäre es wahrscheinlich nicht zu arthrotischen Veränderungen im rechten Arm gekommen. Der Beklagte beantragt, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung des Klägers zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.
Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision. Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).
II
Die zulässige Revision des Beklagten hat insofern Erfolg, als der Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückverwiesen werden muß.
Die Revisionsrüge, das LSG habe die Vorschrift des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG (iVm § 40 Abs. 1 VerwVG) verletzt, ist unbegründet. Zwar sind die Gründe des angefochtenen Urteils insofern unklar, als hier die Fallgestaltungen des § 62 BVG, des § 40 VerwVG und des sogenannten "Zweitbescheids" undifferenziert aneinandergereiht werden und der Gedankengang des LSG dadurch nicht frei von Widersprüchen erscheint. Läge eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 62 Abs. 1 BVG wirklich vor, wäre es auf § 40 VerwVG und § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG von vornherein nicht angekommen; das LSG hat jedoch nicht festgestellt, daß die Gesundheitsstörungen am rechten Arm des Klägers sich in der Zeit seit 1962 verschlimmert hätten. Andererseits übersieht der Beklagte, daß der von ihm angeführte Abhilfebescheid vom 5. Oktober 1962 Gesundheitsstörungen am rechten Arm überhaupt nicht erwähnt und daß der Widerspruchsbescheid vom 28. November 1962, worin eine Anerkennung von Überlastungsschäden am rechten Arm abgelehnt wurde, durch Urteil des SG Lübeck vom 29. August 1963 aufgehoben worden ist. Die Frage, inwieweit dieses Urteil später durch den Vergleich, den die Beteiligten im damaligen Berufungsverfahren geschlossen haben, berührt worden ist, bedarf - ebenso wie die sonstigen Zweifelsfragen - keiner abschließenden Erörterung, da die Auffassung des LSG, die jetzt im Streit befindlichen Bescheide seien gerichtlich ohne die Einschränkung des § 54 Abs. 2 Satz 2 SGG zu überprüfen, sich aus anderen Gründen als richtig erweist. Jedenfalls im jetzigen Berufungsverfahren ist nämlich das Klagebegehren auf einen Sachverhalt gestützt worden, der 1962/63 den Versorgungsbehörden wie den Gerichten nicht bekannt gewesen ist. Damals hatte der Kläger wegen der Gesundheitsstörungen an seinem rechten Arm lediglich auf Überanstrengungen während der Gefangenschaft hingewiesen; ausschließlich dieser Tatsachenkomplex lag auch dem ablehnenden Bescheid vom 22. März 1962 zugrunde, dessen Bindungswirkung sich in der Beurteilung des damals bekannten Sachverhalts erschöpfte. Keinesfalls kann sich die Bindungswirkung auf den jetzt vom Kläger vorgetragenen Sachverhalt erstrecken, denn über die kausale Bedeutung der vom Kläger in den Jahren seit 1946 verrichteten Waldarbeiten ist von den Versorgungsbehörden im Jahre 1962 gar keine Entscheidung getroffen worden. Dieser allgemeine prozessuale Grundsatz (vgl. BVerwG, Urteil vom 4.10.1962, Buchholz 310 Nr. 9 zu § 121 VwGO; BGHZ 9, 22, 28; BGH LM Nr. 4 zu § 322 ZPO; BAG AP Nr. 8 zu § 322 ZPO; Stein/Jonas/Schumann/Leipold, Kommentar zur ZPO, 19. Aufl., Anm. VI 5 b zu § 322; Thomas/Putzo, ZPO, 5. Aufl., Einleitung II 7, Anm. 5 zu § 322). gilt auch für die Bindungswirkung von Verwaltungsakten (vgl. u. a. BSG 10, 248, 250; 29, 278, 281; Urteil vom 13.12.1962, BVBl. 1963, 87).
Unbegründet ist nach Meinung des Senats auch die Rüge einer Verletzung des § 1 BVG. Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger - falls die Gesundheitsstörungen am rechten Arm auf einer Überanstrengung durch die einarmig verrichteten Waldarbeiten beruhen - dies als eine mittelbare Schädigungsfolge geltend machen und deshalb eine Erhöhung der Beschädigtenrente beanspruchen kann. In der bisherigen Rechtsprechung des BSG ist allerdings über einen Sachverhalt der hier gegebenen Art noch nicht entschieden worden; vielmehr hat es sich durchweg um die Frage gehandelt, ob ein späterer Unfall, den ein infolge einer Kriegsbeschädigung (oder eines Arbeitsunfalls) Körperbehinderter erleidet, durch Auswirkungen dieser Behinderung so wesentlich mitverursacht wurde, daß ein mittelbarer Zusammenhang mit der früheren Schädigung anzunehmen ist (vgl. BSG 1, 254; 19, 139; 25, 165, 169; Urteil vom 26.2.1959, KOV 1959, 157; Urteil vom 9.12.1969, OKK 1970, 350; Wilke, BVG Kommentar, 3. Aufl., Anm. V 10 a zu § 1). Von einem Unfall, also einem plötzlichen, unvorhergesehenen Ereignis, ist der Kläger infolge seiner Einarmigkeit nicht betroffen worden; seine Gesundheitsstörung am rechten Arm hat sich nach seiner Dauerstellung aus einem langfristigen, geplanten Geschehensablauf ergeben, worauf - wie der Beklagte zutreffend ausführt - mehr die allgemeinen Begriffsmerkmale einer Berufserkrankung anwendbar sein könnten. Im Unterschied zu einem unfallartigen Geschehen kann hierbei - wie der Senat nicht verkennt - die ursächliche Bedeutung der vom Beschädigten verrichteten, seinem Gesundheitszustand nicht angepaßten Berufstätigkeit stärkeres Gewicht erlangen, wobei die Frage eines Verschuldens völlig außer Betracht bleibt (vgl. BSG 19, 140). Ob dies den vom Beklagten vertretenen Standpunkt etwa dann rechtfertigen könnte, wenn der Beschädigte sich durch ein seinen Schädigungsfolgen abträgliches Beschäftigungsverhältnis eine vom Unfallversicherungsträger anzuerkennende Berufskrankheit (BK) zuzieht, kann unerörtert bleiben. Beim Kläger dürfte hinsichtlich der Gesundheitsstörungen am rechten Arm die Anerkennung einer BK nicht in Betracht kommen, da die Tatbestandsmerkmale von Nr. 20 der Anlage zur 5. BKVO vom 26. Juli 1952 (= Nr. 25 der Anlagen zur 6. BKVO vom 28. April 1961 und zur 7. BKVO vom 20. Juni 1968) offensichtlich nicht vorliegen und die Anwendbarkeit des § 551 Abs. 2 der Reichsversicherungsordnung zumindest äußerst fraglich ist (vgl. BSG 21, 296, 298). Unter diesen Umständen müssen aber die vom Beklagten vorgetragenen Argumente zurücktreten gegenüber der Erwägung, daß es dem Kläger in der fraglichen Zeit nicht zuzumuten gewesen wäre, durch Unterlassung der seine Gesundheit gefährdenden Waldarbeiten den Lebensunterhalt seiner Familienangehörigen aufs Spiel zu setzen. Ebenso greift auch das Revisionsvorbringen nicht durch, der Kläger wäre ohne seine freiwillige Rückkehr nach Ostpreußen nicht in die Zwangslage geraten, als Einarmiger schwere Waldarbeiten verrichten zu müssen. Dieser Entschluß des Klägers steht nicht - wie der Beklagte offenbar meint - völlig außer Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen, vielmehr muß berücksichtigt werden, daß der Kläger gerade durch Kriegsdienst, Verwundung, Lazarettaufenthalt und Gefangenschaft daran gehindert war, rechtzeitig vor der Besetzung Ostpreußens seine Familie aufzusuchen und sich mit ihr gemeinsam in den Westen zu begeben.
Das LSG hat seine Entscheidung, daß die Arthrosis deformans am Ellbogen und Handgelenk des rechten Armes mittelbar durch die Verwundungsfolgen verursacht wurde, auf Feststellungen gestützt, die von der Revision mit Verfahrensrügen angegriffen worden sind. Mehrere dieser Rügen hält der Senat für unbegründet; so hätte sich insbesondere das LSG keineswegs gedrängt fühlen müssen, einen Sachverständigen mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Preßluftarbeiten zu hören, da es sich ja hier gar nicht um Erkrankungen durch Arbeiten mit Preßluftwerkzeugen handelt; verfehlt erscheint auch das Revisionsvorbringen, wegen der geringeren Arbeitsleistung seiner Gruppe könne der Kläger seinen rechten Arm nicht überanstrengt haben.
Mit Recht bemängelt es dagegen die Revision, daß das LSG den Sachverständigen Prof. Dr. H nicht darüber befragt hat, ob die Überanstrengung des rechten Armes bei den Waldarbeiten die Gelenkveränderungen im Sinne der Entstehung oder eine Verschlimmerung verursacht habe. Anlaß zu derartigen weiteren Ermittlungen bot sich aus der Bemerkung des Sachverständigen, ein "gewisser körpereigener Faktor" sei im Fall des Klägers in ähnlicher Weise zu berücksichtigen, wie dies beim Preßluftarbeiter geschehe. Das LSG hat zwar die - vom Sachverständigen mit einer MdE von 20 v. H. bewerteten - Funktionsstörungen am Ellbogen und Handgelenk im Urteilsspruch mit einer Rentenerhöhung um nur 10 v. H. berücksichtigt. Dies läßt jedoch nicht erkennen, ob damit lediglich die Grundsätze zur Bildung einer Gesamt-MdE (vgl. Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen, Neuausgabe 1965, Teil A, Nr. 15, Abs. 6) befolgt wurden oder ob die neue Schädigungsfolge im Sinne der Verschlimmerung einer Krankheitsanlage anerkannt werden sollte. Da auch die Entscheidungsgründe sowie die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. H diese Frage nicht klären, eine eindeutige Feststellung insoweit aber erforderlich ist (vgl. BSG 11, 161, 163), ermangelt das angefochtene Urteil einer hinreichenden Tatsachenfeststellung.
Auf die begründete Revision muß hiernach das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache gemäß § 170 Abs. 2 Satz 2 SGG an das LSG zurückverwiesen werden, dem auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens vorbehalten bleibt.
Fundstellen