Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbehelfsbelehrung. Versäumung der Klagefrist. weitere Rechtsbehelfe neben dem Regelweg. "Auch-Möglichkeit" der Klageeinreichung. Klageerhebung im Ausland. Konsularbehörde. Amtliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland. Bezeichnung der Behörde und deren Sitz
Orientierungssatz
1. Einen Hinweis auf die "Auch-Möglichkeiten" des § 91 Abs 1 SGG braucht die Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 66 SGG nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht zu enthalten. Dieser nicht notwendige Zusatz wird allerdings als unschädlich angesehen, weil dadurch die Klageerhebung nicht erschwert wird und der Zusatz nicht geeignet ist, den Antragsteller von der Klageerhebung abzuhalten. Der Zusatz muß dann aber vollständig und richtig sein (vgl BSG 1981-02-18 3 RK 61/80 = BSGE 51, 202).
2. Die Belehrung über den Sitz der Stelle, bei welcher die Klage auch fristwahrend eingereicht werden kann, setzt die Benennung der konkret in Betracht kommenden Behörde voraus. Es genügt also nicht - ebensowenig wie bei dem "Regelweg" beispielsweise der Hinweis auf das "zuständige LSG" ausreichend wäre - der bloße Hinweis auf "eine amtliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland".
3. Die Formulierung in der Rechtsbehelfsbelehrung, wonach die Frist "nur dann gewahrt (ist), wenn die Klageschrift binnen drei Monaten bei einer der vorgenannten Stellen eingegangen ist" läßt nicht eindeutig erkennen, ob sich das Wort "nur" ausschließlich auf die Fristwahrung bezieht oder auch darauf, daß die Klage allein - ohne Ausnahme - bei einer der vorgenannten Stellen einzureichen ist. Der Zusatz ist dadurch insoweit irreführend und die Rechtsbehelfsbelehrung daher fehlerhaft (vgl BSG 1982-07-22 7 RAr 115/81 = SozR 1500 § 93 Nr 1).
4. Zur Beurteilung der Frage, ob die Rechtsbehelfsbelehrung als richtig oder unrichtig anzusehen ist, kommt es allein auf den objektiven Inhalt der Belehrung an und nicht auf die Person des Adressaten. Ob er durch die fehlerhafte Belehrung irregeführt wurde und deshalb die Frist versäumt hat, ist ohne rechtliche Bedeutung. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist schon dann unrichtig im Sinn von § 66 Abs 2 SGG, wenn auch nur die abstrakte Möglichkeit eines Irrtums bei dem Adressaten besteht (vgl BSG 1982-07-22 7 RAr 115/81 = SozR 1500 § 93 Nr 1).
Normenkette
SGG § 66 Abs 1 Fassung: 1953-09-03, § 66 Abs 2 Fassung: 1953-09-03, § 91 Abs 1 Fassung: 1953-09-03
Verfahrensgang
LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 30.04.1982; Aktenzeichen L 8 V 2198/81-1) |
SG Stuttgart (Entscheidung vom 23.09.1981; Aktenzeichen S 13 V 1968/80) |
Tatbestand
Die Beteiligten streiten in erster Linie darüber, ob der Kläger rechtzeitig Klage erhoben hat.
Der in Polen geborene und wohnhafte Kläger beantragte im Juni 1977 bei dem Beklagten die Gewährung einer Beschädigtenversorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Der Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 26. September 1978 ab. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 1980 zurückgewiesen. Dieser Widerspruchsbescheid, der dem Kläger laut Zustellungszeugnis der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Warschau am 25. April 1980 zugestellt worden ist, enthielt folgende Rechtsbehelfsbelehrung:
"Gegen diesen Bescheid steht Ihnen der Rechtsbehelf der Klage zu. Die Klage ist binnen drei Monaten, nachdem der Bescheid Ihnen bekannt gegeben worden ist (Tag der Zustellung), beim Sozialgericht Stuttgart in 7000 Stuttgart 1, Rotebühlstr . 79 schriftlich einzureichen. Die Klage kann auch innerhalb der vorgenannten Frist zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Sozialgerichts erhoben oder bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland schriftlich oder zur Niederschrift eingereicht werden. Die Frist ist nur dann gewahrt, wenn die Klageschrift binnen drei Monaten bei einer der vorgenannten Stellen eingegangen ist".
Mit Schreiben vom 17. Juli 1980, das am 28. Juli 1980 beim Sozialgericht (SG) Stuttgart eingegangen ist, erhob der Kläger Klage. Das SG hat die Klage wegen Versäumung der Klagefrist durch Urteil vom 23. September 1981 abgewiesen. Die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) durch Urteil vom 30. April 1982 zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, der Kläger habe eindeutig die dreimonatige Klagefrist (§ 87 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) versäumt. Daran ändere auch die dem Kläger in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid vom 4. März 1980 erteilte Rechtsbehelfsbelehrung nichts. Denn diese Rechtsbehelfsbelehrung sei korrekt und vollständig gewesen. Zwar sei der Hinweis, daß die Klage fristwahrend auch bei "einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland" eingereicht werden könne, nicht notwendig gewesen. Ein solcher Zusatz, der über den "Regelweg" hinaus auf die "Auch-Möglichkeiten" des § 91 Abs 1 SGG hinweise, sei jedoch nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) unschädlich, sofern er richtig und vollständig sei. Diesen Anforderungen entspreche die dem Widerspruchsbescheid vom 4. März 1980 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung. Bei dem Kläger seien im übrigen auch keine Wiedereinsetzungsgründe gegen die Versäumung der Klagefrist gegeben, da er diese Versäumung selbst verschuldet habe.
Der Kläger rügt mit der - vom BSG zugelassenen - Revision ua eine Verletzung des § 66 Abs 1 SGG. Das Berufungsgericht habe zu Unrecht die dem Widerspruchsbescheid vom 4. März 1980 beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung als vollständig und damit richtig angesehen. Denn der Hinweis, daß die Klage fristwahrend auch bei einer "amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland" eingereicht werden könne, lasse nicht erkennen, wo bzw bei welcher Behörde und unter welcher Anschrift (Ortsangabe bzw Straßenbezeichnung) die Klage eingereicht werden könne. Die erteilte Belehrung sei daher unvollständig und somit unrichtig.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.
Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs 2 SGG).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist zulässig (§ 164 SGG) und begründet. Entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen war die Klagefrist nicht versäumt. Der Kläger konnte den Widerspruchsbescheid vom 4. März 1980 noch innerhalb eines Jahres nach Zustellung - 25. April 1980 - anfechten (§ 66 Abs 2 Satz 1 SGG).
Nach § 87 Abs 1 Satz 2 SGG beträgt die Klagefrist bei Zustellung oder Bekanntgabe eines Bescheides außerhalb des Geltungsbereichs des SGG drei Monate. Die Klagefrist beginnt gemäß § 87 Abs 2 SGG bei Durchführung eines Vorverfahrens mit der Zustellung des Widerspruchsbescheids (§ 85 Abs 3 SGG). Gemäß §§ 1, 2 und 14 Abs 1 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) wird im Ausland ua mittels Ersuchens der in dem fremden Staate befindlichen konsularischen oder diplomatischen Vertretungen des Bundes zugestellt; nach § 14 Abs 4 VwZG wird die Zustellung durch die Bescheinigung der ersuchten Behörde nachgewiesen.
Nach den Feststellungen des LSG wurde der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 4. März 1980 dem Kläger durch die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Warschau am 25. April 1980 zugestellt. Die dreimonatige Klagefrist (§ 87 Abs 1 Satz 2 SGG) begann somit am 26. April 1980; sie endete am 25. Juli 1980 (§ 64 Abs 2 SGG). Diese Frist war mit der erst am 28. Juli 1980 beim SG eingegangenen Klage nicht gewahrt. Dennoch war die Klage nicht verspätet, weil der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 4. März 1980 keine ordnungsgemäße Rechtsbehelfsbelehrung enthielt. Nach § 66 Abs 1 SGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich belehrt worden ist; ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist nach Abs 2 die Einlegung des Rechtsbehelfs innerhalb eines Jahres nach der Bekanntgabe oder Zustellung zulässig. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben. Denn der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 4. März 1980 enthält eine unrichtige Belehrung über den Rechtsbehelf.
Unrichtig ist die Rechtsbehelfsbelehrung in diesem Widerspruchsbescheid allerdings nicht etwa deshalb, weil sie mehr als den gesetzlichen Mindestinhalt wiedergibt. Zwar genügt eine Rechtsbehelfsbelehrung der Bestimmung des § 66 SGG, wenn sie sich darauf beschränkt, den Beteiligten den "Regelweg", auf dem das Rechtsmittel einzulegen ist, aufzuzeigen. Einen Hinweis auf die "Auch-Möglichkeiten" des § 91 Abs 1 SGG braucht die Rechtsbehelfsbelehrung nach der ständigen Rechtsprechung des BSG nicht zu enthalten (Urteil des erkennenden Senats vom 28. Oktober 1975 - 9 RV 452/74 = SGb 1976, 224; BSG SozR 1500 § 66 Nr 2; BSG SozR 1500 § 93 Nr 1; zu § 84 Abs 2 SGG: BSGE 42, 140, 143 f = SozR 1500 § 84 Nr 1; BSGE 51, 202, 204 = SozR 1500 § 66 Nr 11). Der nicht notwendige Zusatz, der auf die Möglichkeit des § 91 Abs 1 SGG (entspricht § 84 Abs 2 SGG) hinweist, wird allerdings als unschädlich angesehen, weil dadurch die Klageerhebung nicht erschwert wird und der Zusatz nicht geeignet ist, den Antragsteller von der Klageerhebung abzuhalten (BSG SozR Nr 25 zu § 66 SGG; BSGE 11, 213, 215; BSGE 51, 202, 204; BSG SozR 1500 § 93 Nr 1; BVerwG in DÖV 1980, 918). Der Zusatz muß dann aber vollständig und richtig sein (BSGE 51, 202, 204). Das ist hier nicht der Fall.
Der Zusatz in der Rechtsbehelfsbelehrung des Widerspruchsbescheids vom 4. März 1980 weist zwei Unrichtigkeiten auf. Zum einen ist die Belehrung unrichtig, weil sie neben dem Hinweis auf den "Regelweg" in Satz 2 als weitere "Auch-Möglichkeit" der Rechtsmitteleinlegung die Klageeinreichung bei "einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland" aufzeigt, ohne gemäß dem Erfordernis des § 66 Abs 1 SGG den "Sitz" der entsprechenden Behörde zu benennen. Zum anderen ist die Belehrung unrichtig, weil sie in Satz 3 einen irreführenden Zusatz enthält.
Die Belehrung "die Klage kann auch .... bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland schriftlich oder zur Niederschrift eingereicht werden" stimmt mit dem Wortlaut des § 91 Abs 1 SGG nicht überein. Dort heißt es, die Frist zur Erhebung der Klage gilt auch dann als gewahrt, wenn die Klageschrift innerhalb der Frist statt bei dem zuständigen Gericht der Sozialgerichtsbarkeit bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt im Ausland eingegangen ist. Der Begriff "amtliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland" ist somit in dieser Vorschrift nicht erwähnt. Vielmehr handelt es sich um einen speziellen Begriff des § 16 Abs 1 Satz 2 und Abs 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB 1), der bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Januar 1976 (Art II § 23 SGB 1) auch in § 6 Abs 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung aF verwendet worden war. Danach können Anträge auf Sozialleistungen auch "bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Ausland" fristwahrend gestellt werden. Der weite Begriff der "amtlichen Vertretung", der neben den Konsulaten auch die Botschaften, Gesandtschaften, Handelsvertretungen, Wirtschaftsdelegationen und Verbindungsstellen umfaßt (vgl BSGE 34, 38 = SozR Nr 5 zu § 1321 RVO; Burdenski/von Maydell/Schellhorn - Gemeinschaftskommentar zum SGB AT 2. Auflage § 16 RdNr 15), ist also ausdrücklich nur bei der Antragstellung, nicht jedoch bei der Klage nach § 91 Abs 1 SGG bzw bei dem Widerspruch nach § 84 Abs 2 SGG vorgesehen. Die Frage, ob die vorliegende Rechtsbehelfsbelehrung aufgrund dieses Widerspruchs zu § 91 Abs 1 SGG unrichtig ist oder ob der weitere Begriff der "amtlichen Vertretung" aus der Verfahrensvorschrift des § 16 SGB 1 für die Interpretation des § 91 Abs 1 SGG übernommen werden kann, kann jedoch letztlich hier auf sich beruhen. Denn selbst wenn der Begriff "amtliche Vertretung" als eine zulässige Verdeutlichung und Erweiterung des in § 91 Abs 1 SGG genannten Begriffs "Konsularbehörde" angesehen wird (so im Ergebnis Zeihe, Kommentar zum SGG, § 84 Rdn 8; Rühl in SGb 1964, 292 f; aA Peters/Sautter/ Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit 4. Auflage, Bd II, § 91 Anm 1), etwa weil Berufskonsularbeamte auch bei diplomatischen Vertretungen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland mit der Wahrnehmung konsularischer Aufgaben iS der §§ 1 und 2 beauftragt sein können (§ 18 Abs 1 Konsulargesetz vom 11. September 1974 - BGBl I 2317 -), hätte die Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 4. März 1980 einen Zusatz erforderlich gemacht, in dem die in Betracht kommende Behörde sowie deren Sitz im Ausland bezeichnet wird. Dieses Erfordernis folgt aus § 66 Abs 1 SGG. Danach müssen in der Rechtsbehelfsbelehrung die Verwaltungsstelle oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, jeweils mit "Sitz" bezeichnet sein.
Die Bezeichnung des "Sitzes" ist nicht nur bei dem "Regelweg", sondern auch bei der Bezugnahme auf andere "Auch-Möglichkeiten" im Sinne des § 91 Abs 1 SGG notwendiger Bestandteil der Rechtsbehelfsbelehrung. Denn der zusätzlich aufgenommene Hinweis auf eine "Auch-Möglichkeit" wird erst dann dem Sinn und Zweck einer "Rechtsbehelfsbelehrung" gerecht, wenn der Rechtsuchende auch darüber informiert ist, wo er - abgesehen vom "Regelweg" - außerdem einen Rechtsbehelf einlegen kann (vgl BSGE 1, 227, 228; 6, 256, 260 = SozR Nr 15 zu § 67 SGG; BSG 42, 140, 144 = SozR 1500 § 84 Nr 1; SozR Nr 15 und 27 zu § 66 SGG). Die Belehrung über den Sitz der Stelle, bei welcher die Klage auch fristwahrend eingereicht werden kann, setzt die Benennung der konkret in Betracht kommenden Behörde voraus. Es genügt also nicht - ebensowenig wie bei dem "Regelweg" beispielsweise der Hinweis auf das "zuständige LSG" ausreichend wäre - der bloße Hinweis auf "eine amtliche Vertretung der Bundesrepublik Deutschland".
Soweit das LSG unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG (SozR 1500 § 66 Nr 2) die Bezeichnung des Sitzes der "Konsularbehörden der Bundesrepublik in Polen" mit Rücksicht auf eine unzumutbare Belastung der Behörden und die Gefahr einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung für entbehrlich hält, geht dieser Einwand schon deshalb fehl, weil die Bundesrepublik Deutschland in Polen keine selbständigen Konsularbehörden im rechtstechnischen Sinn unterhält (vgl Beil. 8/81 zum Bundesanzeiger Nr 47 vom 10. März 1981). Vielmehr werden die konsularischen Aufgaben von der Botschaft in Warschau wahrgenommen. Davon abgesehen hat das LSG den entscheidenden Unterschied zwischen dem Fall, der der zitierten Entscheidung des BSG zugrundelag, und dem vorliegenden Sachverhalt verkannt. Dort ging es um die Frage, ob die Rechtsbehelfsbelehrung eines Bescheides vollständig ist, wenn nur auf die Möglichkeit der Klageeinreichung "bei einem anderen Versicherungsträger" hingewiesen wird, ohne den genauen Sitz und die richtige Anschrift der ausländischen Stelle zu bezeichnen. Ausdrücklich ausgeklammert wurden in dieser Entscheidung die Sachverhalte, in denen "eine an sich nicht notwendige Belehrung über die Möglichkeit der Einlegung des Rechtsbehelfs bei der ausländischen Stelle tatsächlich geschehen war". Ähnlich liegt der vorliegende Fall, da hier in der Rechtsbehelfsbelehrung ausdrücklich auf die "Auch-Möglichkeit" der Klageeinreichung "bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland" hingewiesen worden war und damit - anders als in dem vom 8. Senat des BSG entschiedenen Sachverhalt - von vornherein nur deutsche Stellen im Ausland als zuständige Stellen bezeichnet worden waren. In diesem Fall erscheint es dem Senat geboten, an dem Erfordernis des § 66 Abs 1 SGG festzuhalten und die Schwierigkeiten der Prüfung, wo konkret der Rechtsbehelf im Ausland eingelegt werden kann, nicht dem Kläger zu überlassen. Denn wenn schon die Rechtsbehelfsbelehrung einen nicht notwendigen Zusatz enthält, dann muß in Fällen der vorliegenden Art dieser Hinweis auch vollständig und richtig sein (BSGE 51, 202, 204 = SozR 1500 § 66 Nr 11; SozR 1500 § 66 Nr 2 S 4).
Der Beklagte konnte sich also in seiner Rechtsbehelfsbelehrung nicht darauf beschränken, als weitere Möglichkeit die Klageeinreichung bei einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland aufzuzeigen, sondern hätte den "Sitz" der konkret in Betracht kommenden Behörde (hier beispielsweise: Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Warschau) angeben müssen. Dabei hält der Senat im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des BSG (SozR Nr 15 zu § 66; SozR 1500 § 66 Nr 9) für die Bezeichnung des Sitzes die Angabe der Stadt oder Gemeinde, in der die in Betracht kommende Behörde liegt, im allgemeinen für ausreichend.
Die vorliegende Rechtsbehelfsbelehrung, die keinen Hinweis auf den "Sitz" der in Betracht kommenden Behörde enthält, ist schon deswegen unvollständig und somit unrichtig.
Die Rechtsbehelfsbelehrung im Widerspruchsbescheid vom 4. März 1980 ist außerdem noch mit einer weiteren Unrichtigkeit behaftet. Die Formulierung in Satz 3 der Belehrung, wonach die Frist "nur dann gewahrt (ist), wenn die Klageschrift binnen drei Monaten bei einer der vorgenannten Stellen eingegangen ist" läßt nicht eindeutig erkennen, ob sich das Wort "nur" ausschließlich auf die Fristwahrung bezieht oder auch darauf, daß die Klage allein - ohne Ausnahme - bei einer der vorgenannten Stellen einzureichen ist. Der Rechtsuchende kann somit aus dem Wortlaut nicht zweifelsfrei entnehmen, daß er seine Klage zwar bei einer in der Rechtsbehelfsbelehrung genannten Stellen fristwahrend einreichen kann, es aber noch weitere Möglichkeiten gemäß § 91 Satz 1 SGG gibt. Der Wortlaut der Rechtsbehelfsbelehrung ist vielmehr geeignet, bei dem Rechtsuchenden den irreführenden Eindruck zu erwecken, daß damit alle Stellen genannt seien, bei denen die Klage fristwahrend eingehen kann. Der Zusatz ist daher insoweit irreführend und die Rechtsbehelfsbelehrung daher fehlerhaft (BSGE 51, 202, 204 = SozR 1500 § 66 Nr 11; SozR 1500 § 93 Nr 1; vgl auch BVerwGE 57, 188, 190 f).
Der Widerspruchsbescheid vom 4. März 1980 erschwert sowohl durch diese Unrichtigkeit der Belehrung als auch durch deren unvollständigen Zusatz in Satz 2 die Klageerhebung. Denn zum einen wird der Rechtsuchende durch den bloßen Hinweis auf die Möglichkeit der Klageeinreichung bei "einer amtlichen Vertretung der Bundesrepublik Deutschland" im unklaren darüber gelassen, wo und bei welcher konkret in Betracht kommenden Behörde er seine Klage auch fristwahrend einreichen kann. Zum anderen kann die Formulierung in Satz 3 der Belehrung bei dem Betroffenen den Eindruck entstehen lassen, er könne seinen Rechtsbehelf nur bei den in der Rechtsbehelfsbelehrung genannten Stellen einlegen und weitere "Auch-Möglichkeiten" gebe es nicht. Dies reicht nach ständiger Rechtsprechung des BSG für die Annahme der Kausalität zwischen fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung und Erschwerung der Rechtsverfolgung aus (vgl BSGE 11, 213, 217; 51, 204, 206 f; BSG SozR 1500 § 93 Nr 1; so auch BVerwGE 57, 188, 191). Die Tatsache, daß der Kläger vom "Regelweg" Gebrauch gemacht hat, dh die Klage direkt bei dem zuständigen SG Stuttgart erhoben hat und daher seine Fristversäumung möglicherweise nicht auf die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung zurückzuführen ist, ist ohne Belang. Denn zur Beurteilung der Frage, ob die Rechtsbehelfsbelehrung als richtig oder unrichtig anzusehen ist, kommt es allein auf den objektiven Inhalt der Belehrung an und nicht auf die Person des Adressaten. Ob er durch die fehlerhafte Belehrung irregeführt wurde und deshalb die Frist versäumt hat, ist ohne rechtliche Bedeutung. Die Rechtsbehelfsbelehrung ist schon dann unrichtig im Sinn von § 66 Abs 2 SGG, wenn - wie hier - auch nur die abstrakte Möglichkeit eines Irrtums bei dem Adressaten besteht (vgl BSGE 25, 31, 33 = Nr 31 zu § 66 SGG; BSGE 51, 202, 204 f; BSG SozR 1500 § 93 Nr 1). Es ist deshalb belanglos, aus welchen Gründen der Kläger die Klage nicht früher eingelegt hat. Das ändert nichts daran, daß die ihm erteilte Rechtsbehelfsbelehrung unrichtig war und somit die dreimonatige Klagefrist nicht zu laufen begonnen hatte.
Unter diesen Umständen war das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Urteil des LSG vorbehalten.
Fundstellen