Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlversicherung bei einer Ersatzkasse
Leitsatz (amtlich)
Die Bescheinigung über die Zugehörigkeit von Mitgliedern zur Ersatzkasse (RVO § 518 iVm § 517 Abs 2) bindet nicht die Pflichtkrankenkasse (Ergänzung BSG 1963-06-19 3 RK 35/59 = BSGE 19, 178).
Leitsatz (redaktionell)
1. Verstöße gegen die Regelung über die Beitrittsberechtigung zu einer Ersatzkasse haben die Nichtigkeit des Beitritts zur Folge; die Nichtigkeit kann von der Pflichtkrankenkasse jederzeit geltend gemacht werden.
2. Macht eine Pflichtkrankenkasse die Fehlversicherung von Mitgliedern gegenüber einer Ersatzkasse geltend, so ist die Klage auf Feststellung des Bestehens der Mitgliedschaft bei der Pflichtkrankenkasse oder auf Leistung (Beitragsausgleich) zu richten.
3. Obgleich die Bescheinigung nach RVO § 517 Abs 2, RVO § 518 keine Rechtswirkung gegenüber der Pflichtkrankenkasse hat, wird aus praktischen Erwägungen auch die Anfechtungsklage der Pflichtkrankenkasse gegen die Bescheinigung zugelassen. Die Anfechtungsklage ist in diesem Falle gegenüber der Feststellungsklage bzw der Leistungsklage von sekundärer Natur; eine Frist für ihre Erhebung besteht nicht.
Normenkette
RVO § 518 S. 3 Fassung: 1930-07-26, § 517 Abs. 2 Fassung: 1924-12-15
Tenor
Auf die Sprungrevision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 20. September 1961 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Zwischen der klagenden Ortskrankenkasse (OKK) und der beklagten S G Ersatzkasse (Ersatzkasse) besteht Streit darüber, ob sieben (im Klageantrag näher bezeichnete) Versicherte der beklagten Ersatzkasse als Mitglieder angehört haben.
Von diesen Versicherten waren sechs bei der im Kassenbezirk der OKK ansässigen Firma H, Hanseatische Apparatebau-Gesellschaft, N & K G. m. b. H. beschäftigt. Sie waren zunächst Pflichtmitglieder der OKK gewesen, bevor sie der beklagten Ersatzkasse beitraten. Sie hatten ihrer Arbeitgeberin, der Fa. H, eine Bescheinigung über ihre Zugehörigkeit zur Ersatzkasse vorgelegt. Die genannte Firma hatte sie daraufhin bei der OKK abgemeldet. Ähnlich war die Firma Dr. Ing. R H bei einem anderen Versicherten verfahren.
Die OKK ist der Auffassung, die genannten sieben Versicherten hätten der beklagten Ersatzkasse nicht beitreten dürfen. Diese habe in ihrer mit Wirkung vom 1. November 1952 geänderten Satzung den Mitgliederkreis unzulässig erweitert. Sie habe nicht beachtet, daß ihre Aufnahmeberechtigung kraft Gesetzes auf den Mitgliederkreis beschränkt sei, für den sie am 1. April 1909 zugelassen gewesen sei. Da die hier in Frage stehenden sieben Versicherten nicht zu diesem Personenkreis gehörten, sei die Ersatzkasse verpflichtet, für die Dauer der Mitgliedschaft bei ihr die Beiträge auszugleichen, soweit sie durch Kassenleistungen nicht verbraucht seien.
Die OKK hat daher zunächst in getrennten, später gerichtlich verbundenen Verfahren Klage erhoben mit dem Antrage,
die beklagte Ersatzkasse zu verurteilen, hinsichtlich der nachfolgenden Versicherten in den jeweils aufgeführten Zeiten einen Beitragsausgleich vorzunehmen:
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B, L |
vom 1. Juni 1949 bis 31. Dezember 1957, |
B, K |
vom 1. Januar 1960 bis 30. Juni 1960, |
B, A |
vom 1. Juli 1957 bis 31. Dezember 1958, |
D, K-H |
vom 1. Juli 1956 bis 6. September 1956, |
G, R |
vom 1. Januar 1955 bis 30. September 1955, |
R, H |
vom 1. Mai 1953 bis 31. März 1956, |
B, J |
vom 1. April 1953 bis 31. Dezember 1955. |
Die beklagte Ersatzkasse bestreitet, daß sie mit der Satzungsänderung von 1952 ihren Mitgliederkreis unzulässig erweitert habe. Sie hält ferner die Klage für unzulässig, da die OKK trotz jahrelanger Kenntnis des Sachverhalts die Berechtigung der betroffenen Versicherten zum Beitritt zur Ersatzkasse nicht bestritten habe. Die OKK habe den Inhalt der von der beklagten Ersatzkasse ausgestellten Bescheinigungen gekannt, ohne Anfechtungsklage erhoben zu haben.
Die Klägerin meint dagegen, die Zugehörigkeitsbescheinigung nach §§ 517, 518 der Reichsversicherungsordnung (RVO) stelle keinen Verwaltungsakt (VerwAkt) dar. In dieser Bescheinigung werde lediglich bekundet, daß zwischen der Ersatzkasse und dem Versicherten ein privatrechtlicher Versicherungsvertrag bestehe.
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage als unzulässig abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom 20. September 1961).
Es hat in den von der beklagten Ersatzkasse ausgestellten Bescheinigungen über die Zugehörigkeit zur Ersatzkasse VerwAkte erblickt, die für die OKK bindend geworden seien, nachdem ein Jahr seit ihrer Kenntnisnahme durch die OKK verstrichen sei, ohne daß diese Anfechtungsklage erhoben habe. Hilfsweise hat das SG die Abweisung der Klage auch darauf gestützt, daß die OKK ihr prozessuales Recht auf Nachprüfung der Aufnahmeberechtigung der betroffenen Versicherten und Geltendmachung einer Fehlversicherung verwirkt habe: Seien Versicherte - wie im vorliegenden Fall - mehr als ein Jahr Mitglied einer Ersatzkasse, so sei ihre Rechtsposition so gefestigt, daß das Bestreiten der Rechtmäßigkeit dieser Position durch die Pflichtkrankenkasse gegenüber der Ersatzkasse als eine Unbilligkeit erscheine.
Gegen dieses Urteil hat die OKK mit Einwilligung der beklagten Ersatzkasse Sprungrevision eingelegt mit dem Antrag,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Beitragsausgleich vorzunehmen, wie er in der Klageschrift näher spezifiziert ist.
Sie hat gerügt, das SG habe zu Unrecht ein Prozeßurteil erlassen, anstatt in der Sache selbst zu entscheiden: Die Klage sei zulässig, da die Bescheinigungen der Ersatzkasse über die Mitgliedschaft keine VerwAkte darstellten, und sie deshalb auch keine Fristen zu ihrer Anfechtung habe zu wahren brauchen. Entgegen der Ansicht des SG sei auch das Recht der OKK auf Nachprüfung der Aufnahmeberechtigung der betroffenen Versicherten nicht verwirkt. Erst im Jahre 1955 habe sie festgestellt, daß die beklagte Ersatzkasse ihren Mitgliederkreis unzulässig ausgedehnt habe. Sie habe bis dahin auf eine korrekte, gesetzmäßige Bearbeitung durch die Beklagte vertraut. Die unangefochtene Zugehörigkeit von über einem Jahr reiche nicht aus, um die Verwirkung zu begründen.
Die beklagte Ersatzkasse hat beantragt,
die Revision der klagenden OKK zurückzuweisen, hilfsweise, die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG zurückzuverweisen.
Sie ist der Auffassung, das angefochtene Urteil treffe mindestens im Ergebnis zu. Das Verhältnis zwischen der beklagten Ersatzkasse und ihren Mitgliedern sei ein öffentlich-rechtliches Mitgliedschaftsverhältnis. Auch das Rechtsinstitut der Befreiungsbescheinigung nach §§ 517, 518 RVO wurzele in dem öffentlich-rechtlichen Mitgliedschaftsverhältnis zur Beklagten. Die Befreiungsbescheinigung entfalte eine sofortige Wirkung auch gegenüber der zuständigen Pflichtkrankenkasse. Deren rechtliche Beziehung zu ihrem bisherigen Pflichtmitglied werde durch die Erteilung der Bescheinigung unmittelbar in ihrem Bestande bedroht. Sie sei hiernach ein Beispielsfall für den Typus des "Verwaltungsaktes mit Doppelwirkung", da sie zugleich begünstige und belaste.
Außerdem sei zu erwägen, ob nicht im vorliegenden Fall eine entsprechende Anwendung des Rechtsgedankens aus § 119 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geboten sei: Habe ein nicht zum zugelassenen Mitgliederkreis der Ersatzkasse gehöriger Versicherter seinen Beitritt zu dieser erklärt, so habe ihm zwar eine insoweit verkehrswesentliche Eigenschaft gefehlt; seine rechtsgeschäftliche Erklärung sei aber nicht nichtig, sondern nur anfechtbar. Die vom Beitritt des Versicherten betroffene Pflichtkrankenkasse sei anfechtungsberechtigt. Habe diese nicht "unverzüglich" (§ 121 Abs. 1 BGB) nach Erlangung der Kenntnis von der Ersatzkassenmitgliedschaft die Beitrittserklärung angefochten, so habe sie ihr - materiell-rechtliches - Anfechtungsrecht verloren. Sie müsse dann - wie im vorliegenden Fall die OKK - den Beitritt der Versicherten zur Ersatzkasse hinnehmen.
Die Sprungrevision ist zulässig. Das SG hat die Berufung zugelassen (vgl. § 150 Nr. 1 i. V. m. § 161 Abs. 1 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). In diesem Fall kann Sprungrevision eingelegt werden, auch wenn das SG die Berufung irrtümlich zugelassen hat (BSG 2, 135; SozR SGG § 161 Bl. Da 3 Nr. 8).
Die Sprungrevision ist auch begründet. Zu Unrecht hat das SG die Klage durch Prozeßurteil abgewiesen, anstatt in der Sache selbst zu entscheiden.
Das SG ist davon ausgegangen, die Bescheinigung über die Zugehörigkeit zur Ersatzkasse (§ 517 Abs. 2 RVO) sei ein feststellender VerwAkt. Insofern befindet es sich in Übereinstimmung mit der im Urteil des Senats vom 19. Juni 1963 (BSG 19, 178) zum Ausdruck gebrachten Auffassung. Doch beschränkt sich die Feststellungswirkung der Bescheinigung auf das zwischen den unmittelbar Beteiligten, nämlich den Versicherten und der Ersatzkasse, bestehende Rechtsverhältnis (BSG aaO S. 178). Eine darüber hinausgehende Wirkung - etwa auf die Pflichtkrankenkasse, der der Versicherte angehört, falls sein Beitritt zur Ersatzkasse nichtig ist - hat diese Bescheinigung nicht. Zwischen gleichgeordneten Versicherungsträgern kann eine solche Drittwirkung nur ausnahmsweise bestehen, z. B. bei den Entscheidungen der Krankenkassen als Einzugsstellen über die Versicherungspflicht, die Beitragspflicht und die Beitragshöhe mit Wirkung für und gegen die beteiligten Träger der Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung kraft der gesetzlich begründeten Treuhänderstellung der Einzugsstellen (BSG 15, 118, 122).
Von einer solchen Beziehung kann im Verhältnis der Ersatzkassen zu den Pflichtkrankenkassen keine Rede sein. § 518 Satz 3 RVO, wonach die Bescheinigung über die Zugehörigkeit zur Ersatzkasse die Versicherungsbehörden nicht bindet, zeigt im Gegenteil deutlich, daß im Streitfall die Frage der Mitgliedschaft unabhängig von der ausgestellten Bescheinigung nach der wirklichen Rechtslage zu prüfen ist (BSG aaO S. 178 f.). Die genannte Vorschrift ist § 518 RVO erst nachträglich im Rahmen einer umfassenden, zur Entlastung der Krankenkassen getroffenen Regelung angefügt worden (Vierter Abschnitt, Zweiter Titel, Nr. 69 der Verordnung des Reichspräsidenten zur Behebung finanzieller, wirtschaftlicher und sozialer Notstände vom 26. Juli 1930; RGBl I 311). Sie beseitigte eine Bindungswirkung, die jedenfalls der Große Senat des Reichsversicherungsamts - RVA - (Grunds. Entsch. Nr. 3036; AN 1927, 258) auf Grund der früheren Rechtslage der Bescheinigung der Ersatzkasse nach §§ 517, 518 RVO beigelegt hatte: Hiernach hatte die Bescheinigung "die befreiende Wirkung gemäß § 517 Abs. 2 RVO ohne weitere sachliche Nachprüfung ihrer Richtigkeit durch die Krankenkasse oder die Versicherungsbehörden" (aaO S. 260). Auf Grund der durch § 518 Satz 3 RVO geänderten Rechtslage wurde es nunmehr möglich, in dem - gegebenenfalls auf Betreiben der Pflichtkrankenkasse eingeleiteten - Beitragsstreitverfahren nach § 405 Abs. 2 RVO aF die umstrittenen Mitgliedschaftsverhältnisse unabhängig von der Bescheinigung der Ersatzkasse nach der wirklichen Rechtslage zu beurteilen, wie das RVA bereits in der Grunds. Entsch. Nr. 4755 (AN 1934, 137) feststellte. Dieser Rechtszustand ist - abgesehen von der Ersetzung des Beschlußverfahrens nach § 405 Abs. 2 RVO aF durch das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit - im Kern unverändert in Geltung geblieben.
Demnach ist die Pflichtkrankenkasse von der Bescheinigung der Ersatzkasse nach §§ 517, 518 RVO nicht betroffen. Wenn BSG 19, 178 dessen ungeachtet in einem solchen Falle die Anfechtungsklage ohne Bindung an eine Frist für zulässig - nicht für notwendig - hält, so mag das durch das praktische Bedürfnis gerechtfertigt sein, eine Bescheinigung, die sich als unrichtig herausstellt, zu beseitigen. Es darf dabei aber nicht unberücksichtigt bleiben, daß die auf Anfechtung der Bescheinigung der Ersatzkasse gerichtete Klage neben der das eigentliche Klageziel bildenden Klage auf Feststellung (des Bestehens der Mitgliedschaft bei der Pflichtkrankenkasse) oder auf Leistung (den Beitragsausgleich) sekundärer Natur ist. Die Anfechtungsklage braucht überhaupt nicht erhoben zu werden, wie sie auch im vorliegenden Fall nicht erhoben ist; eine Frist für ihre Erhebung besteht keinesfalls. Demnach hat das SG zu Unrecht angenommen, daß die Mitgliedschaftsbescheinigung der Ersatzkasse einen gegenüber der OKK bindend gewordenen Verwaltungsakt darstelle, der ihre Klage auf Beitragsausgleich ausschließe.
Ebensowenig ist die von der beklagten Ersatzkasse angestellte Erwägung Rechtens, daß die Pflichtkrankenkasse gegenüber einem zu Unrecht erfolgten Beitritt zur Ersatzkasse auf ein materiell-rechtliches Anfechtungsrecht verwiesen sei. Zwar können Rechtsgedanken, die in Regelungen des Privatrechts ihren Niederschlag gefunden haben, als Ausdruck einer allgemeinen Rechtsüberzeugung über diesen ursprünglichen Geltungsbereich hinaus auch im öffentlichen Recht Platz greifen und zur Ausfüllung einer Lücke des positiven öffentlichen Rechts herangezogen werden (BSG 6, 197, 200 mit weiteren Hinweisen). Doch sind privatrechtliche Regelungen nur unter Beachtung der Grenzen und Erfordernisse entsprechend anwendbar, die sich aus den Wesensmerkmalen des öffentlichen Rechts ergeben. Der von der Ersatzkasse erwogene Rückgriff auf die Grundsätze der bürgerlich-rechtlichen Irrtumsanfechtung (§§ 119, 121 BGB) ist hiernach für das Verhältnis der Pflichtkrankenkasse gegenüber dem unzulässig der Ersatzkasse beigetretenen Versicherten nicht möglich. Weder stellt das vom Versicherten in Anspruch genommene Recht zum Beitritt zur Ersatzkasse eine verkehrswesentliche "Eigenschaft der Person" (§ 119 Abs. 2 BGB) dar oder wäre auch nur annähernd mit diesem Rechtsbegriff vergleichbar, noch könnte aus dem Irrtum des Versicherten oder der Ersatzkasse ein Anfechtungsrecht der an Abgabe und Empfang der Beitrittserklärung unbeteiligten Pflichtkrankenkasse begründet werden. Vor allem aber scheitert die entsprechende Anwendung der privatrechtlichen Vorschriften über die Irrtumsanfechtung im vorliegenden Fall daran, daß die Regelung über die Berechtigung zum Beitritt zur Ersatzkasse zwingendes öffentliches Recht darstellt (vgl. Art. 2 § 4 Abs. 1 Satz 2 der Zwölften Verordnung zum Aufbau der Sozialversicherung vom 24. Dezember 1935 - RGBl I 1537 - idF der Fünfzehnten Aufbau-VO vom 1. April 1937 - RGBl I 439) und Verstöße gegen dieses Nichtigkeit des Beitritts zur Folge hat (RVA, Grunds. Entsch. Nr. 5240, AN 1938, 449, 450, wobei in diesem Zusammenhang offen bleiben kann, ob die Mitgliedschaft auf einem privatrechtlichen Versicherungsvertrag beruht, wie das RVA angenommen hat). Diese Nichtigkeit konnte auch von der klagenden OKK im vorliegenden Fall jederzeit geltend gemacht werden.
Dem Begehren der OKK auf Beitragsausgleich unter der Voraussetzung, daß die genannten Versicherten ihre Mitglieder geblieben sind (vgl. § 306 Abs. 1 i. V. m. § 234 Abs. 1 Satz 1 RVO), steht auch nicht der Verwirkungseinwand entgegen, wie das SG angenommen hat. Dem Rechtsgedanken der Verwirkung ist wesenseigen, daß Rechte verhältnismäßig spät unter Begleitumständen ausgeübt werden, die die verzögerte Geltendmachung des Rechts als nicht vereinbar mit den Grundsätzen von Treu und Glauben und dem Rechtspartner gegenüber wegen des illoyalen Verhaltens des Berechtigten als nicht zumutbar erscheinen lassen (BSG 7, 199, 200 f.; 16, 79, 83). Im vorliegenden Fall fehlt es schon an der Voraussetzung, daß die OKK mit der Geltendmachung ihres Anspruchs auf Beitragsausgleich ungewöhnlich lange gewartet hätte. Die Erwägung des SG, man müsse von einem Träger der öffentlichen Gewalt die Einhaltung einer Frist von einem Jahr erwarten, wenn schon dem Staatsbürger die Wahrung von Fristen - in der Regel von höchstens einem Jahr (vgl. § 66 Abs. 2 SGG; § 58 Abs. 2 VwGO) - zugemutet würde, paßt nicht in diesen Zusammenhang: Was für die Einlegung von Rechtsbehelfen gilt mit dem Ziel, möglichst bald den Schwebezustand darüber zu beenden, ob ein Verwaltungsakt bindend oder ein Urteil rechtskräftig geworden ist, läßt sich nicht auf die völlig anders geartete Situation der Ausübung materieller Rechte übertragen.
Allerdings ist nicht zu übersehen, daß gerade in den Fällen, in denen eine Krankenkasse gegenüber einem anderen Träger der Krankenversicherung Fehlversicherung von Mitgliedern geltend macht und den Beitragsausgleich verlangt, ein dringendes Bedürfnis danach besteht, daß der Ausgleich auf eine übersehbare Zeit beschränkt und nicht unbegrenzt lange in die Vergangenheit hinein durchgeführt wird. Diesem berechtigten Interesse des in Anspruch genommenen Versicherungsträgers könnte in anderer Weise Rechnung getragen werden (vgl. die Erwägungen des RVA über entsprechende Anwendung der Verjährungsregelung in § 29 Abs. 1 RVO - Grunds. Entsch. Nr. 5240, AN 1938, 449, 451 unter V 2 -, worüber hier aber nicht zu entscheiden ist).
Demnach hat das SG die Klage zu Unrecht durch Prozeßurteil abgewiesen. Sein Urteil mußte aufgehoben und der Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen