Beteiligte
Klägerin und Revisionsbeklagte |
Beklagte und Revisionsklägerin |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten in der Revision nur noch darüber, ob die beklagte Süddeutsche Eisen- und Stahl-Berufsgenossenschaft (BG) verpflichtet ist, eine Witwenrente an die Klägerin auszuzahlen.
Die in Cochabamba/Bolivien lebende Klägerin, die nach der Bescheinigung der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in La Paz vom 7. Oktober 1968 die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, ist die Witwe des am 15. Dezember 1948 im Alter von 36 Jahren an den Folgen eines am 3. Dezember 1948 erlittenen Arbeitsunfalles verstorbenen Monteurs Paul Kurt H… (H.). Dieser war im Unfallzeitpunkt auf der Baustelle "Gasolin" in Zeitz/Tröglitz (Sachsen) beschäftigt. Im Antrag auf Gewährung von Unfallrente an die Sozialversicherungsanstalt Sachsen vom 29. Januar 1949 wurde angegeben, der Unfall habe sich auf der Baustelle "Gasolin" der Firma Brabag, Zeitz/Tröglitz (Montage, einem Betriebsteil der Steffens & Nölle Aktien-Gesellschaft (AG) in Berlin-Tempelhof ereignet. H. wohnte zuletzt in Zeitz, die Klägerin und ein Kind wohnten in Grüna/Sachsen. H. war im April 1948 in Zeitz als Monteur für die Baustelle "Gasolin" eingestellt worden. Die Sozialversicherungsanstalt Sachsen gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 25. April 1949 Unfallwitwenrente ab 15. Dezember 1948 bis 31. Januar 1953, dem Zeitpunkt ihrer Auswanderung nach Amerika.
Im September 1967 erkundigte sich die Klägerin bei der Deutschen Botschaft in La Paz/Bolivien, ob ihr ein Anspruch auf Unfallwitwenrente aus der Unfallversicherung (UV) in der Bundesrepublik Deutschland zustehe. Die Botschaft teilte dies der Landesversicherungsanstalt (LVA) Rheinprovinz mit, von der die Klägerin Hinterbliebenenrente aus der Arbeiterrentenversicherung (ArV) bezieht. Der Vorgang wurde an die Nordwestliche Eisen- und Stahl-BG weitergeleitet; diese führte zunächst Ermittlungen durch.
Die Firma Steffens & Nölle AG teilte mit Schreiben vom 15. August 1968 mit, die Baustelle "Gasolin" in Zeitz/Tröglitz habe ihr seinerzeit unterstanden; die Einstellung von Mitarbeitern sowie die Lohnverrechnung seien aber in Zeitz vorgenommen worden; in noch vorhandenen Lohnlisten sei H. ab 21. April 1948 geführt. Aus ihnen ergebe sich ebenfalls, daß H. außer seinem Lohn auch eine Auslösung von kalendertäglich 7,-- DM bzw. RM erhalten habe. Der frühere Monteur und Arbeitskollege von H., Willi B… , gab an, bei der Arbeitsstelle in Zeitz habe es sich um eine Montagestelle der Firma Steffens & Nölle AG gehandelt; die Einstellung der beschäftigten Personen und die Gehaltszahlungen seien durch den Berliner Betrieb erfolgt. Der Leiter des Lohnbüros der Firma Steffens & Nölle AG, D… , teilte mit, die Lohnabrechnung und Geschäftsführung für die im Februar 1949 aufgelöste Baustelle in Zeitz/Tröglitz seien von einer Zweigstelle der Firma Steffens & Nölle AG in der Kugelerstraße in Ost-Berlin vorgenommen worden; Rechnungen und Lohnzahlungen seien über ein eigenes Bankkonto in Ost-Berlin abgewickelt worden; der Leitende Monteur der Baustelle in Zeitz/Tröglitz habe die Befugnis gehabt, Aufträge entgegenzunehmen, diese abzuwickeln und dafür Rechnungen zu erstellen; er sei weiter befugt gewesen, Hilfskräfte einzustellen und zu entlassen; die Baustelle sei von der Zweigstelle Kugelerstraße nicht beaufsichtigt worden.
Die Nordwestliche Eisen- und Stahl-BG hielt sich nicht für zuständige da der Unfall des H. als Fremdrentenfall anzusehen sei. Nach einer Vereinbarung zwischen den Eisen- und Metall-BGen vom 10. Januar 1962 sei dafür die Zuständigkeit der Beklagten gegeben. Diese erkannte mit Bescheid vom 29. Juli 1969 der Klägerin eine Witwenrente zu und ordnete zugleich das Ruhen der Rente an. Zur Begründung wurde ausgeführt, es liege kein Ausstrahlungsfall vor, weil H. kein nach Zeitz entsandter Stammarbeiter der Firma Steffens & Nölle AG gewesen sei, er sei vielmehr erst in Zeitz eingestellt worden. Die Entschädigung sei daher nicht unmittelbar nach der Reichsversicherungsordnung (RVO), sondern vielmehr nach Artikel 1 § 5 Abs. 1 Nr. 1 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 (BGBl. I, 93) festzusetzen. Da sich die Klägerin im Ausland aufhalte, habe gemäß Artikel 1 § 12 Abs. 1 FANG das Ruhen der Rente ausgesprochen werden müssen.
Auf die Klage der Klägerin, die begehrte, die Zahlbarkeit der Rente auszusprechen, hat das Sozialgericht (SG) Speyer Zweigstelle Mainz - nach Beiladung der Nordwestlichen Eisen- und Stahl-BG festgestellt, daß die Beklagte der für den Arbeitsunfall des H. zuständige Versicherungsträger ist und die weitergehende Klage abgewiesen (Urteil vom 5. Dezember 1972). Es könne nicht als erwiesen angesehen werden, daß H. Stammarbeiter der Firma Steffens & Nölle AG gewesen sei. Somit habe eine Entsendung des Betroffenen vom "Inland" ins "Ausland" nicht vorgelegen. Dafür spreche auch, daß H. in Zeitz eingestellt worden sei.
Auf die Berufung der Klägerin hat das Landessozialgericht (LSG) am 14. August 1974 in Abänderung des Urteils und des Bescheides der Beklagten vom 29. Juli 1969 diese verurteilt, die Witwenrente an die Klägerin auszuzahlen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ob die Beklagte der für die Feststellung der Witwenrente zuständige Versicherungsträger sei, könne deswegen dahingestellt bleiben, weil ihr Bescheid, der die Zuerkennung (Feststellung) der Witwenrente enthalte, insoweit bindend geworden sei. Im Gegensatz zur Auffassung des SG liege auch ein Ausstrahlungsfall vor, weshalb die RVO unmittelbar anzuwenden und ein Ruhen nach § 625 RVO - für Deutsche - ausgeschlossen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) (BSG 20, 69 ff.) sei auch bei einem im Ausland eingestellten Beschäftigten der Begriff der Ausstrahlung erfüllt, wenn der ausländische Betriebsteil keine selbständige wirtschaftliche Bedeutung habe und es sich um vorübergehende Tätigkeiten - bis zu etwa einem Jahr - handele. Bei Anwendung dieser Ausstrahlungslehre und unter Berücksichtigung der eingeholten Auskünfte und Stellungnahmen ergebe sich, daß vorliegend ein Ausstrahlungsfall gegeben sei. Die Lohnabrechnungen und Lohnzahlungen für die auf der Baustelle Zeitz/Tröglitz beschäftigten Monteure und Arbeiter seien unmittelbar vom Stammbetrieb in Westberlin durchgeführt worden, woraus sich auch die wirtschaftliche Unselbständigkeit der genannten Baustelle trotz ihres mehrjährigen Bestehens - jedenfalls für den Unfallzeitpunkt - ergebe. Erst im April 1949 sei dies anders geworden. Deshalb sei auch abzusehen gewesen, daß H. für die West-Berliner Firma "nur vorübergehend" tätig sein würde. Gegen die Annahme einer Unselbständigkeit spreche auch nicht die Tatsache, daß die Lohngelder von einem Konto in Zeitz abgehoben worden seien; denn dieses sei von der Berliner Firma unterhalten worden. Ebenso stehe auch der Umstand nicht entgegen, daß in Zeitz, d.h. am Ort der Baustelle, Arbeitskräfte, wie der Ehemann der Klägerin, eingestellt worden seien. Denn diese Einstellungen seien im Auftrage der Firma erfolgt. Deshalb müsse auch ein Beschäftigungsverhältnis zum West-Berliner Stammbetrieb angenommen werden. Dies um so mehr, als H., ebenso wie das Stammpersonal, eine tägliche Auslösung von 7,-- DM bzw. RM erhalten habe; demnach sei er zumindest wie ein zur Stammbelegschaft gehörender Mitarbeiter entlohnt worden, obwohl er ab 9. Mai 1948 nicht mehr in deren Lohnliste geführt worden sei.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die zugelassene Revision eingelegt. Sie ist der Auffassung, das LSG habe zu Unrecht einen Fall der Ausstrahlung angenommen. H. sei "erst draußen", d.h. nicht im Geltungsbereich des Grundgesetzes (GG), angeworben worden und könne demnach nicht ins Ausland entsandt worden sein. Soweit sich das Berufungsgericht auf die Entscheidung des BSG im Band 20, 69 stütze, habe es verkannt, daß es sich hier um einen Fall gehandelt habe, der in Libau vor dem 1. Weltkrieg sich abspielte, als es im damaligen Zarenreich keinen ausreichend funktionierenden UV-Schutz gegeben habe. Das sei bezüglich der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) jedoch anders. Die Beklagte habe daher zutreffend das Fremdrentenrecht angewendet, wonach sich das Ruhen der Witwenrente ergebe. Sie sei aber auch bei Vorliegen eines Ausstrahlungsfalls nicht zuständig, weil sie nur über das Fremdrentenrecht in Anspruch genommen werden könne; zuständig sei dann allenfalls die Beigeladene. Allerdings sei der Bescheid vom 29. Juli 1969, soweit er die Zuerkennung des Anspruchs dem Grunde nach enthalte, nicht angegriffen, weil sich die Klägerin nur gegen das Ruhen der Rente gewandt habe. Im übrigen werde von der Rechtsfigur der Ausstrahlung nur dann Gebrauch gemacht, wenn ein anderweitiger UV-Schutz nicht bestehe; hier habe aber die Sozialversicherungsanstalt Unfallwitwenrente zugesprochen. Wegen der weiteren Ausführungen der Beklagten, insbesondere auch zu der Rechtsfigur der "Einstrahlung" wird auf die Revisionsbegründungsschrift Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. August 1974 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts zurückzuweisen, hilfsweise die Sache an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil unter Hinweis auf die Rechtsprechung sowie Wickenhagen in BG 1954, 66 ff. für zutreffend und meint, der Umstand, daß H. erst draußen auf der Arbeitsstelle angeworben worden sei, hindere nicht die Annahme des Rechtsinstituts der Ausstrahlung. Seit dem Inkrafttreten des § 615 RVO am 1. Juli 1963 müsse die Vorschrift des § 12 Abs. I Satz 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) als überholt angesehen werden.
Die Beigeladene beantragt, das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. August 1974 abzuändern und die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise - vorsorglich - den Rechtsstreit an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Sie teilt die Auffassung der Beklagten und betont ergänzend, das LSG habe übersehen, daß dem von ihm zitierten Urteil des BSG ein Sachverhalt zugrunde gelegen habe, auf den noch das vor dem Sechsten Gesetz über Änderungen in der UV vom 9. März 1942 geltende Recht anzuwenden gewesen sei. Damals sei unter Ausstrahlung die vorübergehende Ausdehnung des inländischen Betriebes in das Ausland verstanden worden. Seit dem 6. Änderungsgesetz seien die Voraussetzungen einer Ausstrahlung nicht bei der Ausdehnung des inländischen Betriebes, sondern des inländischen Beschäftigungsverhältnisses in das Ausland gegeben. Es komme daher darauf an, ob der Arbeitnehmer aus dem Inland entsandt worden sei. Es bestehe danach mithin kein Versicherungsschutz für Personen, die erst im Ausland eingestellt würden.
Entscheidungsgründe
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete sowie durch Zulassung statthafte Revision ist auch in der Sache begründet.
Der Senat hatte nicht zu prüfen, ob die Beklagte im vorliegenden Fall zu Recht die Voraussetzungen des Art. 1 § 5 Abs. 1 Nr. 1 FANG vom 25. Februar 1960 als gegeben angesehen hat. Hier geht es nur darum, ob der in Bolivien lebenden Klägerin eine Rente nach den Grundsätzen der "Ausstrahlungstheorie" auszuzahlen ist. Insoweit konnte dahingestellt bleiben, ob vom FANG allgemein auch die Fälle der "Ausstrahlung" erfaßt werden, ferner ob bejahendenfalls dafür die Beklagte oder die Beigeladene der zuständige Versicherungsträger wäre, wie die Beklagte vorträgt, und schließlich, ob das Klagebegehren dahin gedeutet werden könnte, daß zumindest hilfsweise die Verurteilung der Beigeladenen anstelle der Beklagten zur Witwenrentenzahlung beantragt worden sei, wie die Klägerin meint. Denn ein Fall der "Ausstrahlung" in das Ausland ist hier nicht gegeben.
Das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, daß das Gebiet der Ostzone bzw. der DDR nicht als "Gebiet eines auswärtigen Staates" im Sinne der sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften anzusehen ist (BSG 3, 286, 290). Wenn jedoch der Anspruch der Klägerin nach der Ausstrahlungslehre bejaht werden soll, wie das LSG und die Klägerin annehmen, dann muß die Ostzone insoweit wie ein ausländisches Gebiet behandelt werden.
In der Grundsätzlichen Entscheidung des Reichsversicherungsamts (RVA) Nr. 2897 in AN 1916, 610, 611 (vgl. dazu auch AN 1885, 345; AN 1904, 506; AN 1909, 546; AN 1910, 549; EuM 4, 425; 38, 146; 49, 265) ist ausgeführt worden:
"Für die deutsche soziale Versicherung gilt das Territorialprinzip. An den politischen Grenzen des Reichs endet daher grundsätzlich das Geltungsgebiet der Versicherung. Die strenge Durchführung dieses Grundsatzes würde jedoch insofern zu Härten führen, als danach Arbeiter, die von dem Unternehmer zur Ausführung einer Arbeit über die Grenze geschickt werden, während ihres dortigen Aufenthalts unversichert sein würden. Zur Vermeidung solcher Härten hat das Reichsversicherungsamt in Rechtsprechung und Verwaltung die sogenannte "Ausstrahlungstheorie" entwickelt. Danach unterliegen Arbeiten im Ausland der deutschen Versicherung, sofern sie lediglich als unselbständiger Bestandteil eines inländischen Betriebs anzusehen sind. Ob eine solche "Ausstrahlung" tatsächlich vorliegt, ist eine Frage des Einzelfalls. Auf ihre Beantwortung können - entsprechend dem Ausgangspunkt für die Entwicklung des Ausstrahlungsbegriffs - auch Zweckmäßigkeitsgründe, insbesondere die Notwendigkeit des versicherungsrechtlichen Schutzes der Arbeiter, von Einfluß sein. So haben auch die ungewöhnlichen Verhältnisse, die der Krieg schuf, dazu geführt, den Ausstrahlungsbegriff möglichst auszudehnen. Wenn man im Kriege den gleichen Maßstab anlegen wollte, wie im Frieden, so würden, da das besetzte Feindesland seine Rechtsnatur als Ausland nicht verloren hat, zahllose deutsche Arbeiter, die daselbst im deutschen Interesse in Privat- und Staatsbetrieben, insbesondere in Diensten der Heeresverwaltung, tätig sind, aus der Versicherung herausfallen und damit des ihnen im Inland gewährleisteten gesetzlichen Anspruchs auf Unfallentschädigung verlustig gehen. Eine dementsprechend erweiterte Anwendung des Ausstrahlungsbegriffs läßt sich trotz möglicherweise großer örtlicher Entfernung der Arbeiten von dem inländischen Betrieb und trotz ihrer manchmal erheblichen Dauer damit rechtfertigen, daß die Arbeiten immerhin vorübergehender Art sind, und daß sie unter dem Schutze der deutschen Staatsgewalt ausgeführt werden. Voraussetzung der Mitversicherung dieser Arbeiten ist aber, daß sie zu dem inländischen Betrieb in enger Beziehung stehen und ihm gegenüber unselbständig sind. Ist danach eine "Ausstrahlung" anzunehmen, so folgt ohne weiteres, daß auch die ausländischen Arbeiter mit unter die Versicherung fallen. Denn die "Ausstrahlung" umfaßt nicht einzelne Personen, sondern den im Ausland befindlichen Betriebsteil als solchen, während hinsichtlich der Frage der Versicherungspflicht die deutsche Unfallversicherung zwischen inländischen und ausländischen Arbeitern keinen Unterschied macht. Immerhin kann für die Beantwortung der Frage, ob tatsächlich eine "Ausstrahlung" vorliegt, die ausschließliche oder überwiegende Verwendung ausländischer Arbeitskräfte von entscheidender Bedeutung sein. Ein Bedürfnis zur Einbeziehung der Arbeiten in die deutsche Versicherung besteht bei weitaus überwiegender Beschäftigung von Ausländern nicht. Als unselbständiger Bestandteil des inländischen Betriebes können die Arbeiten in einem solchen Falle versicherungsrechtlich in der Regel auch nicht gelten. Denn gerade die Verwendung inländischer Arbeitskräfte schafft die enge Verbindung der ausländischen Arbeiten mit dem inländischen Betrieb und gerade mit Rücksicht auf sie ist der Ausstrahlungsbegriff aufgestellt worden. Werden dagegen ausschließlich oder weit überwiegend ausländische Arbeiter beschäftigt, so gewinnen die ausländischen Arbeiten gegenüber dem inländischen Betrieb eine derartige Selbständigkeit, daß sie, sofern nicht andere nahe Beziehungen hierzu nötigen, versicherungsrechtlich dem inländischen Betriebe nicht mehr zugerechnet werden dürfen."
Aus dieser Grundsätzlichen Entscheidung ergibt sich einmal, daß der Begriff der Ausstrahlung in Kriegszeiten in bezug auf die besetzten Gebiete wesentlich erweitert worden ist, was deutlich macht, daß für diesen Begriff auch praktische Erwägungen maßgebend waren (vgl. Wickenhagen, BG 1954, S. 68); ferner, daß ganz allgemein die ausländischen "Arbeiten" gegenüber dem inländischen Betrieb "unselbständig" sein mußten, was bereits dann verneint wurde, wenn weit überwiegend ausländische Arbeitskräfte beschäftigt wurden. Vor allem geht aber aus dieser Entscheidung klar hervor, daß die sogenannte Ausstrahlungstheorie überhaupt nur zum Schutz der inländischen Arbeiter geschaffen wurde, weil dieser Schutz zumindest bei vorübergehender Tätigkeit aus den genannten Gründen für die inländischen Arbeiter geboten erschien. Zwar wurden bei Vorliegen dieser Voraussetzungen auch die daneben tätig werdenden ausländischen Arbeiter vom UV-Schutz mit umfaßt, jedoch nur deshalb, weil nach damaligem Recht nicht die Personen (Beschäftigten), sondern nur die Betriebe vom UV-Schutz erfaßt waren. Insoweit hat die gesetzliche UV jedoch durch das Sechste Gesetz über Änderungen in der UV vom 9. März 1942 (RGBl. I 107) eine bedeutsame Wandlung dahingehend erfahren, daß nunmehr von der bisherigen Betriebsversicherung zur Personenversicherung übergegangen worden ist. Der Begriff der Ausstrahlung setzt seitdem grundsätzlich eine vorhergehende inländische Tätigkeit voraus, die vorübergehend in das Ausland ausstrahlt (vgl. Wickenhagen, a.a.O., S. 69). Im übrigen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der zitierten Entscheidungsgründe, daß eine "Ausstrahlung" jedenfalls dann nicht zum Zuge kommen sollte, wenn die ausländischen Arbeiter in ihrem Heimatstaat nach den dortigen Vorschriften selbst gegen Arbeitsunfall versichert waren.
Die vom RVA erarbeiteten Grundsätze sind von der späteren Praxis bzw. vom BSG mit gewissen Einschränkungen (vgl. dazu Lauterbach, Unfallversicherung 3. Aufl., Stand Oktober 1975, Anm. 4 b unten zu § 539 RVO, S. 101) übernommen worden. So wurde in BSG 7, 257, 265 ausgeführt, daß die Ausweitung der Ausstrahlungstheorie in AN 1904, 506 (siehe die dortigen weiteren Zitate) auf solche Personen, die vom deutschen Betrieb erst im Ausland eingestellt worden waren, nicht unbedenklich sei und allenfalls durch die sozialpolitischen Verhältnisse zu Anfang des Jahrhunderts, als selbst in Nachbarländern des Deutschen Reiches noch nicht durchweg Systeme der sozialen Sicherheit bestanden, gerechtfertigt erscheinen mochte. Das BSG hat dazu betont, daß sich diese Verhältnisse schon bis zu Anfang des 2. Weltkrieges grundlegend gewandelt hätten, so daß es nun möglich sei, den Versicherungsschutz der von einem deutschen Ausstrahlungsbetrieb im Ausland eingestellten Arbeitskräfte den Sozialversicherungsträgern ihres Heimatlandes zu überlassen. Der 2. Senat des BSG hat daher in dieser Entscheidung mit Recht ausgesprochen, daß damit die Ausstrahlungslehre wieder auf ihren Grundgedanken zurückgeführt werden konnte, der dahin gehe, dem Arbeitnehmer, der auf Grund seines im Inland begründeten Beschäftigungsverhältnisses vorübergehend im Ausland tätig sein muß, den Schutz der deutschen Sozialversicherung zu erhalten. An dieser Rechtsauffassung, die mit der oben genannten Entscheidung des RVA in AN 1916, 610 ff. im Grundsatz voll übereinstimmt, ist nach der Auffassung des erkennenden Senats festzuhalten. Dem steht die Entscheidung des 3. Senats in BSG 17, 173, 177 nicht entgegen. Denn sie betrifft einmal einen Beitragsstreit aus der gesetzlichen Krankenversicherung und verweist zum anderen nur verhältnismäßig kurz auf die Ausstrahlungstheorie, ohne auf die oben erwähnten wesentlichen Gesichtspunkte einzugehen; vor allem aber hebt sie (a.a.O. S. 178) bei einer Auseinandersetzung mit der Entscheidung des RVA Nr. 2413 (AN 1910, 549), in der eine Ausstrahlung verneint wurde, weil fast zwei Drittel der in Ungarn beschäftigten Personen erst im Ausland eingestellt worden waren, auf "die besondere Problematik des Unfallversicherungsrechts" ab und läßt es dahingestellt, was für den Bereich der UV zu gelten hat. Diese Entscheidung ist daher für die UV allenfalls insoweit bedeutsam, als sie für den Begriff der "vorübergehenden" Tätigkeit einen Zeitraum von "nicht über einem Jahr" annimmt (vgl. auch Podzun, Der Unfallsachbearbeiter, Stand September 1975, Randnr. 270, S. 2), wobei auch die Jahresfrist heute keine starre Grenze mehr sein kann (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.- 8. Aufl. Stand Februar 1975, Bd. II, S. 472 a sowie Lauterbach a.a.O., Anm. 4 b zu § 539 M unter Hinweis auf einen Erlaß des BMA vom 16. Dezember 1959, abgedruckt auf S. 102 bis 102/1).
Das LSG hat sich für seine Auffassung vor allem auf die Entscheidung des 2. Senats des BSG in BSG 20, 69 ff. gestützt, die zu § 5 Abs. 1 Nr. 1 FRG ergangen ist. Es hat dabei aber nicht beachtet, daß dort der UV-Schutz nach der Ausstrahlungslehre für einen im Ausland eingestellten russischen Arbeiter nur mit der Einschränkung bejaht worden ist, daß die in ihrem Kern heute noch gültige Ausstrahlungslehre "es zu der hier in Frage stehenden Zeit" ermöglichte, den Versicherungsschutz auch auf solche Personen zu erstrecken, die erst im Ausland eingestellt wurden. Bei der in Frage stehenden Zeit handelte es sich aber um das Jahr 1914, also um eine Zeit, die lange vor der Umwandlung der gesetzlichen UV von einer Betriebs- in eine Personenversicherung durch das bereits erwähnte Sechste Änderungsgesetz liegt, und für die - in Libau hinsichtlich eines russischen Arbeiters - auch andere sozialpolitische Verhältnisse angenommen werden müssen, als sie für das Jahr 1948 in der Ostzone bestanden haben. Deshalb hat der 2. Senat auch ausdrücklich betont: "Inwieweit diese - erhebliche - Ausweitung des Vers. Schutzes inzwischen an Bedeutung verloren hat, weil auch in den ausländischen Staaten weitgehend für die Gewährleistung der sozialen Sicherheit Sorge getragen ist, so daß der Vers. Schutz der von einem inländischen Unternehmen im Ausland angeworbenen ausländischen Beschäftigten den Trägern der Versicherung ihres Heimatlandes überlassen werden kann, bedurfte aus Anlaß der Beurteilung des vorliegenden Sachverhalts keiner Prüfung. Denn der Unfall des Ehemannes der Klägerin ereignete sich zu einer Zeit, als es noch geboten war, den Vers. Schutz kraft Ausstrahlung auf alle Personen zu erstrecken, die für einen inländischen Betrieb im Ausland tätig wurden (vgl. BSG 7, 265)" (vgl. BSG 20, 71). Damit ist für die spätere Zeit - insbesondere seit Anfang des 2. Weltkrieges (1942) - auf die oben erwähnten in BSG 7, 256, 265 betonten Grundsätze Bezug genommen. Seit dieser Zeit steht sonach grundsätzlich nur der Beschäftigte eines inländischen Unternehmens, der vorübergehend im Ausland arbeitet, kraft Ausstrahlung ins Ausland unter dem Schutz der deutschen gesetzlichen UV (vgl. auch BSG in SozR Nr. 47 zu § 543 a.F. RVO), d.h. es muß sich um Personen handeln, die vom Inland ins Ausland entsandt worden sind, und nicht um erst im Ausland eingestellte Personen (Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 1.- 8. Aufl., Stand Februar 1975, Bd. II, S. 472 a; ferner a.a.O. Bd. I/2, S. 294 b II; vgl. ferner Podzun, a.a.O. Randnr. 270, S. 1; Lauterbach a.a.O. Am. 4 b zu § 539 RVO, S. 101). Ob von diesem Grundsatz abgewichen werden kann, wenn besondere Verhältnisse, wie etwa die vom LSG angedeuteten, in der Ostzone bis April 1949 bestandenen politischen Verhältnisse vorliegen (Urteil S. 9), brauchte nicht erörtert zu werden. Denn die oben erwähnten praktischen Erwägungen können jedenfalls dann zu keiner Ausweitung des Ausstrahlungsbereichs führen, wenn der "ausländische" Arbeitnehmer - wie hier - nach den in seinem Heimatstaat geltenden Vorschriften bereits gegen Arbeitsunfall versichert ist (siehe dazu die obigen Ausführungen). Denn das LSG hat unangegriffen festgestellt, daß die Kranken- und Sozialversicherungsbeiträge für H. an die örtlich zuständige Versicherungskasse Zeitz abgeführt wurden (Urteil S. 12); auch ist unstreitig, daß die Klägerin von der Sozialversicherungsanstalt Sachsen Unfallwitwenrente erhalten hat. Damit scheidet auch eine Formalversicherung nach bundesdeutschem Recht zugunsten des H. aus, zumal auch keinerlei dahingehende Feststellungen getroffen sind (vgl. dazu Wickenhagen a.A. S.106, 108 und Brackmann a.a.O. Bd. I/2, S. 294 c sowie Lauterbach a.a.O. Anm. 4 c zu § 539 RVO S. 104, der für die Zeit nach dem Inkrafttreten des UVNG auf die Vorschrift des § 762 Abs. 2 RVO n.F. hinweist).
Somit entfällt ein Versicherungsschutz nach der Ausstrahlungslehre im vorliegenden Fall schon deshalb, weil der im Dezember 1948 verunglückte Ehemann der Klägerin in einem Gebiet außerhalb des Geltungsbereichs der RVO bzw. des Grundgesetzes eingestellt sowie dort beschäftigt wurde und bei einem Sozialversicherungsträger seines dortigen Heimatlandes gegen Arbeitsunfall versichert war. Unter diesen Umständen kam es auf die übrigen vom LSG erörterten oder von den Beteiligten geltend gemachten Gesichtspunkte nicht mehr an.
Bei dieser Sach- und Rechtslage kommt aber für den Anspruch der Klägerin die Ruhensvorschrift des Art. 1 § 12 Abs. 1 FANG zum Zuge (vgl. auch Urteil des BSG vom 11. Dezember 1973 - 2 RU 209/71 - S. 16). Denn diese Bestimmung wurde geschaffen, um auszuschließen, daß für alle Arbeitsunfälle in der DDR auch eine Fremdrente gezahlt werden muß (vgl. Hoernigk/Jahn/Wickenhagen, Fremdrentengesetz Stand Juli 1975, Vorbem. 1 zu § 12 FANG). Hierüber besteht, wenn von der Frage der Ausstrahlung abgesehen wird, ebensowenig Streit wie darüber, daß das Ruhen im vorliegenden Fall nicht durch internationale Vereinbarungen bzw. zwischenstaatliches Recht, wie z.B. EWG-Verordnungen, ausgeschlossen ist (vgl. BSG 23, 74, 75, 76, 77 und Lauterbach a.a.O. Anm. 4 b zu § 539 RVO, S. 101) - Bolivien ist zwar dem Übereinkommen Nr. 19 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über Gleichbehandlung einheimischer und ausländischer Arbeitnehmer bei Entschädigung aus Anlaß von Betriebsunfällen vom 5. Juni 1925 (RGBl. II 1928, 509) beigetreten, jedoch erst am 19. Juli 1954 (vgl. Lauterbach a.a.O. Anm. 54 zu § 625 RVO), also geraume Zeit nach Eintritt des Arbeitsunfalls des H. vom 3. Dezember 1948 bzw. seines hierdurch verursachten Todes am 15. Dezember 1948. Zeitliche Voraussetzung für die Anwendung des Übereinkommens ist aber, daß der Unfall zu einem Zeitpunkt eingetreten ist, in dem sowohl Deutschland (am 18. September 1928 - rückwirkende Wiedereintrittserklärung, soweit Verpflichtungen im Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland entstanden, am 12. Juni 1951) als auch der andere Staat das Übereinkommen ratifiziert hatten, wobei der spätere Zeitpunkt maßgebend ist (Lauterbach a.a.O. Anm. 41 zu § 625 RVO). Deshalb kann offenbleiben, ob das Übereinkommen Nr. 19 auch deshalb nicht anzuwenden wäre, weil der Ehemann der Klägerin nicht bolivianischer Staatsangehöriger war (vgl. dazu BSG in SozR Nr. 2 zu § 625 RVO). Der 2. Senat des BSG hat allerdings im Urteil vom 18. Dezember 1969 in SozR Nr. 2 zu § 625 RVO entschieden: "Erwirbt der Berechtigte, der bisher Staatsangehöriger eines dem IAO-Übereink. Nr. 19 beigetretenen Staates war und deshalb die Leistung trotz seines freiwilligen Auslandsaufenthalts (§ 625 Abs. 1 Nr. 1 RVO) erhielt, die Staatsangehörigkeit eines anderen Signatarstaates, so tritt das Ruhen der Leistung auch dann nicht ein, wenn dieser Staat das IAO-Übereink. Nr. 19 erst nach dem Unfallzeitpunkt ratifiziert hat (Weiterentwicklung von BSG 13, 206, 211 = SozR Nr. 2 zu § 615 RVO a.F.)". Dort war aber der durch Arbeitsunfall getötete Ehemann der Klägerin Pole gewesen, der 1947 im Gebiet der heutigen Bundesrepublik verunglückt war. Deshalb war das IAO-Übereinkommen Nr. 19, da auch die Ehefrau (die Klägerin) die polnische Staatsangehörigkeit besaß, auf sie anzuwenden. Ob dieser Fall mit dem hier vorliegenden, ganz anders gelagerten Fall rechtlich verglichen werden kann, obwohl der 2. Senat des BSG in BSG 7, 257, 264 andererseits ausgesprochen hat, daß auch im Übereinkommen Nr. 19 der IAO das Territorialprinzip festgelegt sei, kann dahinstehen. Denn selbst wenn man auch insoweit in einem gewissen Umfang eine Ausstrahlung aus dem Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland annehmen wollte (vgl. dazu Urteil des 2. Senats vom 11. Dezember 1973 - 2 RU 209/71 - S. 10/11 sowie Wickenhagen a.a.O. S. 67), so würde es hier jedenfalls - wie oben dargelegt - an einem Anwendungsfall der Ausstrahlungstheorie fehlen, der allein eine Verbindung zwischen dem in der Ostzone bzw. der DDR erlittenen Unfall und dem Recht bzw. den zwischenstaatlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland herstellen könnte.
Nach alledem war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das im Ergebnis zutreffende SG-Urteil zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen