Beteiligte
Klägerin und Revisionsklägerin |
Beklagte und Revisionsbeklagte |
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob die beklagte Bundesanstalt für Arbeit (BA) verpflichtet ist, Beitragsschulden des Beigeladenen an die klagende Berufsgenossenschaft (BG) mit dem ihm zustehenden Kindergeld zu verrechnen.
Die Beklagte lehnte es im August 1976 nach erfolgloser Zwangsvollstreckung der Klägerin gegen den Beigeladenen und Ermächtigung durch diese (§ 52 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil SGB 1-) ab, deren Beitragsforderung mit dem Kindergeld des Beigeladenen zu verrechnen, weil die Verrechnung wegen der Zweckbestimmung des Kindergeldes unzulässig sei.
Das Sozialgericht (SG) Düsseldorf hat die Klage abgewiesen, weil der besondere Zweck des Kindergeldes zu berücksichtigen sei (Urteil vom 26. März 1979).
Mit der zugelassenen Sprungrevision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 51, 52 SGB 1.
Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts aufzuheben und festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihre restlichen Beitragsforderungen von DM 304,04 mit den Kindergeldleistungen zu verrechnen.
Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Sie ist zurückzuweisen.
Die Klage ist zulässig, denn die Klägerin kann behaupten, gegen die Beklagte einen Anspruch auf Verrechnung zu haben. Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen auch nach Prüfung des Urteils des 9. Senats vom 10. Dezember 1980 (SozR 2200 § 29 Nr. 14) keine Bedenken. Dort wurde nur am Rande erwogen, ob einem einklegbaren Rechtsanspruch auf Vornahme der Verrechnung (§ 54 Abs. 5 SGG), wie bei einem Ersuchen um Amtshilfe, vorrangig die Eröffnung des Dienstweges entgegenstehen könne. Der 9. Senat hat die damit angesprochene Problematik nach dem bei ihm gegebenen Prozeßstand als gegenstandslos bezeichnet und sich darauf beschränkt, vom Einverständnis der ermächtigten Verwaltung mit einer Verrechnung der Versorgungsrente dem Grunde nach auszugehen. Die weitere Frage, ob eine Verrechnung von Beitragsforderungen mit der Grundrente zulässig Ist (anders BSGE 48, 217 - SozR 1200 § 54 Nr. 3), hat er danach offen gelassen, die Verrechnungsmöglichkeit als solche aber als gegeben erachtet.
Demgegenüber ist der Senat der Ansicht, daß sich die Ermächtigung zur Verrechnung im Innenverhältnis als ein öffentlich-rechtlicher Auftrag darstellt, der durch das Ersuchen um Verrechnung begründet und die Verrechnungserklärung erfüllt wird (Bochumer Kommentar zum SGB 1, 1979, § 52 RdNr 12; Burdenski/von Maydell/ Schellhorn, 2. Aufl. 1981, Gemeinschaftskommentar zum SGB - Allgemeiner Teil - § 52 RdNr 7). Zwar kann im Ergebnis dahinstehen, ob dieses Auftragsverhältnis als durch Gesetz oder durch das Verrechnungsersuchen begründet angesehen wird (Schack in JW 1966, 640 f; Palandt/Thomas, BGB, 41. Aufl. 1982, Einführung 5 vor § 622 BGB). Denn jedenfalls stellt die Verrechnung als solche wie die Aufrechnungserklärung einen Verwaltungsakt dar, den der Leistungsträger erläßt und den der Betroffene anfechten kann (Burdenski/von Maydell/Schellhorn aaO § 52 RdNr 15).
Das hier angesprochene Auftragsverhältnis hat seinen Niederschlag in Art. I Drittes Kapitel § 94 Sozialgesetzbuch -Verwaltungsverfahren- (SGB 10) des im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Entwurfes über die Zusammenarbeit der Leistungsträger und ihrer Beziehungen zu Dritten (BT-Drucks 9/95) gefunden. Dort wird beim gesetzlichen Auftrag ein Teil der allgemeinen Auftragsvorschriften (§ 89 ff) für entsprechend anwendbar erklärt (§ 90 Abs. 3 und 5, § 92 Abs. 1 und 3) und in Art. II § 13 u.a. § 17 Abs. 2 SGB 1 gestrichen. Dafür wird in § 86 die Verpflichtung zu enger Zusammenarbeit verankert. Die Entwurfsbegründung zählt als Beispiele eines gesetzlichen Auftrages § 1399 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO), § 121 Abs. 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), § 176 Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und § 483 Abs. 1 RVO auf. Wenn es sich dabei auch regelmäßig nicht um Kann-Vorschriften handelt, darf diese Unterscheidung nicht dazu führen, das Auftragsverhältnis als solches einer richterlichen Kontrolle zu entziehen und seine Überprüfung auf den Amtshilfebereich des § 4 Abs. 1 Nr. 1 SGB 10 mit der Rechtsfolge aus dessen Abs. 5 zu verweisen. Dem steht schon § 3 Abs. 1 Nr. 2 SGB 10 entgegen, wonach eine Amtshilfe ausscheidet, wenn die Hilfeleistung in Handlungen besteht, die der ersuchten Behörde als eigene Aufgabe obliegen (Schroeder-Printzen/Engelmann, Sozialgesetzbuch, Verwaltungsverfahren, SGB 10, 1981 Anm. 4 zu § 3; Kopp, Verwaltungsverfahrensgesetz -VwVfG-, 2. Aufl. 1980, Anm. 11 zu 4). So verhält es sich aber bei der Verrechnung nach § 52 SGB 1. Hier stehen sich zwei Träger gleichgeordnet gegenüber, von denen der Ermächtigende um Verrechnung ersuchen und der Ermächtigte die Verrechnung erklären kann. Verweigert der Ermächtigte die Verrechnungserklärung, dann kann der Ermächtigende mit der Rechtsbehauptung der Verpflichtung zur Verrechnung eine allgemeine Leistungsklage aus § 54 Abs. 5 SGG gegen ihn erheben (vgl. Eyermann/Fröhler, VwGO, 8. Aufl. § 42 RdNr 4c, Meyer-Ladewig, SGG, 2. Aufl. 1981, § 54 RdNr 41; Peters/Sautter/Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl., 32. Nachtrag, S. 185/13-4/9-). Diese setzt u.a. voraus, daß ein Gleichordnungsverhältnis besteht, das einer hoheitlichen Regelung durch Verwaltungsakt entzogen ist. Sie ist hier auf die Verurteilung zu einer Leistung (Tun, Dulden, Unterlassen) gerichtet, auf die nach dem Klagevorbringen ein Rechtsanspruch besteht. Die zu erbringende Leistung besteht in der Erfüllung des gesetzlichen Auftrages zur Verrechnung nach eigener Ermessensausübung. Das Rechtsschutzziel der Klägerin kann nur mit dieser Klage erreicht werden. Es geht hier allein darum, die Verpflichtung zu enger Zusammenarbeit der Leistungsträger kraft gesetzlichen Auftrages durchzusetzen (vgl. BT-Drucks 7/868 zu § 5 S. 32), der eine Absprache der Spitzenverbände der Krankenkassen und des Verbandes der Rentenversicherungsträger mit der Beklagten entgegensteht, wonach Kinderzuschüsse von der Aufrechnung und Verrechnung nicht erfaßt werden und von einer Verrechnung von Kindergeld mit geschuldeten Sozialversicherungsbeiträgen abgesehen werden soll.
Die Klage ist aber nicht begründet.
Nach § 52 SGB 1 kam der für eine Geldleistung zuständige Leistungsträger mit Ermächtigung eines anderen Leistungsträgers dessen Ansprüche gegen den Berechtigten mit der ihm obliegenden Geldleistung verrechnen, somit nach § 51 SGB 1 die Aufrechnung zulässig ist. § 51 Abs. 2 SGB 1 sieht vor, daß der zuständige Leistungsträger mit Beitragsansprüchen nach dem SGB gegen Ansprüche auf laufende Geldleistungen bis zu deren Hälfte aufrechnen kann. Ihm wurde durch Art. II § 28 Nr. 4 i.V.m. § 40 Abs. 5 SGB 10 vom 26. August 1980 (BGBl I, 1469) folgender klarstellender Halbsatz angefügt: Somit der Leistungsberechtigte dadurch nicht hilflos i.S. der Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) über die Hilfe zum Lebensunterhalt wird (BSGE 51, 98 = SozR 1200 § 51 Nr. 9). Eine Verweisung auf § 54 Abs. 2 und 3 SGB 1, wie in § 51 Abs. 1 SGB 1 geschehen, wurde damit nicht ausgesprochen, so daß bei Beitragsansprüchen nicht auf die Pfändbarkeit der Ansprüche auf Geldleistungen abzustellen ist.
Trotzdem kann die klagende BG von der beklagten BA nicht verlangen, daß sie den Kindergeldanspruch des Beigeladenen kürzt, dem die begehrte Verrechnung von Beitragsansprüchen gegen Kindergeldansprüche ist ausgeschlossen.
Das konnte bis zum Inkrafttreten des SGB 1 nicht fraglich sein. § 12 BKGG a.F. ließ die Verfügung über Kindergeldansprüche nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. Eine Verrechnungsmöglichkeit gab es nicht. Die Voraussetzungen waren so festgelegt, daß eine Verfügung nur zugunsten der Kinder möglich war, für die das Kindergeld gezahlt wird.
§ 12 BKGG ist mit Ausnahme des Abs. 4 durch das SGB 1 gestrichen worden, weil die Verfügung über Sozialleistungsansprüche allgemein geregelt worden ist. Es ist jedoch nicht erkennbar, daß der Gesetzgeber ermöglichen wollte, daß nunmehr auch zugunsten anderer Personen oder Stellen über Kindergeld verfügt werden könne. Der Senat hat mit Urteilen vom heutigen Tage entschieden, daß eine Verfügung auch nicht zugunsten der sogenannten Zählkinder durchgeführt werden kann, weil der Kindergeldanspruch zwar durch sie, aber nicht für sie erhöht wird (10/8b RKg 17/80 und 10/8b RKg 22/80, beide zur Veröffentlichung vorgesehen).
Eine Verfügung ist erst nicht zugunsten eines anderen Rechtsträgers möglich, der gegen den kindergeldberechtigten Elternteil Ansprüche hat. Das gilt auch für einen Sozialversicherungsträger, dem gegen diesen Elternteil rückständige Beitragsansprüche zustehen.
Da sich die Verfügungsbeschränkung nicht unmittelbar aus dem Wortlaut des § 52 i.V.m. § 51 Abs. 2 SGB 1 ergibt, haben sich die Spitzenverbände der Krankenkassen, des Verbandes der Rentenversicherungsträger und die BA entschlossen, von einer Verrechnung geschuldeter Sozialversicherungsbeiträge mit Ansprüchen auf Kindergeld abzusehen. Sie berufen sich zu Recht darauf, daß in der Begründung des Regierungsentwurfs zu § 51 SGB 1 (BT-Drucks 7/858 S. 32) aufgeführt ist: "Insbesondere dürfen Leistungen, die Kindern des Leistungsberechtigten zufließen sollen, nicht gekürzt werden, um in anderem Zusammenhang entstandene Verpflichtungen abzudecken". Nicht gefolgt werden kann aber ihrer Meinung, sie hätten zwar die Befugnis zur Verrechnung von Beitragsansprüchen gegen Kindergeldansprüche, sie dürften aber im Rahmen des ihnen zustehenden Ermessens allgemein eine solche Verrechnung ablehnen. Wenn das Gesetz den Versicherungsträgern die Verrechnung von Kindergeld grundsätzlich ermöglichen und es nur in ihr Ermessen stellen würde, von der Verrechnung abzusehen, dann würde dies eine Entscheidung im Einzelfall und auch eine Prüfung der Frage verlangen, ob im Einzelfall Gründe gegen die grundsätzlich erlaubte Verrechnung sprechen (vgl. zur Einzelfallprüfung in Ermessensangelegenheiten BSG SozR 2200 § 182a Nr. 1). Die beklagte BA könnte - wenn sie nur nach Ermessen von der Verrechnung absehen könnte - der an dem o.g. Entschluß nicht beteiligten Klägerin (Berufsgenossenschaft) gegenüber nicht die Verrechnung allein mit der Begründung ablehnen, sie verrechne gegen Kindergeldansprüche nie.
Die Verrechnung ist aber deshalb zu Recht abgelehnt worden, weil die Verrechnung von Kindergeldansprüchen mit Beitragsansprüchen immer gegen den Zweck des Kindergeldes verstößt und deshalb nicht durch eine Entscheidung der Verwaltung im Einzelfall versagt werden kann, sondern nach dem Sinn des § 1 BKGG i.V.m. § 52 SGB 1 ausgeschlossen ist.
Wenn auch der Anspruch auf Kindergeld den Eltern gegeben ist, so ist es doch eine Sozialleistung besonderer Art, weil sie ''für'' die Kinder gezahlt wird (§ 1 BKGG). Das "für" ist zwar nicht so zu verstehen, daß es nur den Kindern zufließen müsse. Es ist vielmehr i.S. von "wegen" gemeint. Es wird auch für den Unterhalt der Kinder gezahlt, aber nicht ausschließlich. Das folgt schon daraus, daß es bei unehelichen Kindern nur zur Hälfte auf den Regelbedarf angerechnet wird (vgl. § 1615g BGB). Für die ehelichen Kinder gilt ähnliches (vgl. dazu BGH Urteil vom 8. Oktober 1980 IV b ZR 533/80 in Familienrechtszeitung 1981, 26). Das Kindergeld stellt einen teilweisen Ausgleich - Familienlastenausgleich - für das Opfer dar, das Familien mit Kindern - auch - im Interesse der Allgemeinheit zur Erfüllung des "Generationenvertrages" erbringen (Ruland, Festschrift zum 25 jährigen Bestehen des BSG, Kindergeldrecht in Sozialrechtsprechung, Bd. 1, S. 451). Diesen Zweck hat das Kindergeld nicht nur, wenn es wegen der wirtschaftlichen Lage des Berechtigten besonders nötig oder aus sonstigen Gründen besonders angebracht ist. Es wird vielmehr - ohne Rücksicht auf die finanzielle Lage der Familie gewährt, in der das den Kindergeldanspruch auslösende Kind dauernd lebt, wenngleich der Kindergeldberechtigte vom Gesetz als Anspruchsinhaber bezeichnet worden ist. Daraus folgt, daß das Kindergeld, weil es dem Kindergeldberechtigten für die Familie zusteht, in der das Kind dauernd lebt, zwar formell, nicht aber seinem materiellen Gehalt nach als eine dem Kindergeldberechtigten zustehende Forderung der Aufrechnung (§ 51 SGB 1) oder Verrechnung (§ 52 SGB 1) mit ihm gegenüber bestehenden Beitragsforderungen zugänglich ist.
Dem besonderen Zweck des Kindergeldes hat das Bundessozialgericht bereits dadurch Rechnung getragen, daß es Kindergeld nicht zu den "sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt" i.S. des § 180 Abs. 4 RVO zählt (vgl. Urteile vom 25. November 1981 - 5a/5 RKn 18/79 - und vom 9. Dezember 1981 - 12 RK 55/81 beide zur Veröffentlichung bestimmt). Auch diese Entscheidungen sind nicht davon abhängig gemacht worden, wofür das Kindergeld im Einzelfall verwendet wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 3 und Abs. 4 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 518299 |
BSGE, 208 |
Breith. 1983, 1013 |