Leitsatz (amtlich)
Anschluß BSG 1963-05-09 7 RAr 15/61 = SozR Nr 38 zu § 150 SGG, Anschluß BSG 1963-08-01 5 RKn 77/62 = SozR Nr 39 zu § 150 SGG und Anschluß BSG 1963-09-12 4 RJ 187/62 = SozR Nr 40 zu § 150 SGG.
Orientierungssatz
Hat das SG in einer Sache in der die Berufung nach SGG §§ 144 bis 149 ausgeschlossen war, das Rechtsmittel irrtümlich als nach SGG § 143 statthaft angesehen und deshalb keine Entscheidung darüber getroffen, ob die Berufung nach SGG § 150 Nr 1 zuzulassen war, so liegt darin kein wesentlicher Mangel des Verfahrens.
Normenkette
SGG § 150 Fassung: 1953-09-03, § 144 Fassung: 1953-09-03, § 145 Fassung: 1953-09-03, § 146 Fassung: 1953-09-03, § 147 Fassung: 1953-09-03, § 148 Fassung: 1953-09-03, § 149 Fassung: 1953-09-03, § 143 Fassung: 1953-09-03
Tenor
Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 26. April 1963 wird mit den ihm zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen aufgehoben.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 17. Mai 1961 wird als unzulässig verworfen.
Soweit der Kläger die Nachprüfung der Bescheide der Beklagten vom 27. September 1961 und 17. August 1962 begehrt, wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Die Beklagte gewährte dem Kläger für die Folgen seines Arbeitsunfalls vom 16. Oktober 1959 durch Bescheid vom 26. Oktober 1960 eine vorläufige Rente, und zwar zunächst in Höhe der Vollrente und vom 9. Juli 1960 an nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 50 v. H. Der Rentenberechnung legte die Beklagte einen Jahresarbeitsverdienst (JAV) von 6.064,78 DM zugrunde.
Mit der Klage gegen diesen Bescheid hat der Kläger nur die Berechnung des JAV beanstandet; er verlangt die Berücksichtigung eines JAV von 8.331,- DM. Diesem Klagebegehren hat das Sozialgericht (SG) Schleswig durch Urteil vom 17. Mai 1961 stattgegeben. Den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils, die mit dem Satz abschließen: "Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG" folgt in einem besonderen Absatz der Satz: "Gegen dieses Urteil kann Berufung eingelegt werden". In einem weiteren Absatz wird sodann über die gesetzlichen Erfordernisse belehrt, die bei der Rechtsmitteleinlegung zu beachten sind.
Die Beklagte hat gegen das Urteil Berufung eingelegt. Sie hat das Urteil gemäß § 154 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ausgeführt und dies dem Kläger schriftlich mitgeteilt. Im Berufungsverfahren hat sie sich bereit erklärt, der Rentenberechnung einen JAV von 6.927,92 DM zugrunde zu legen.
Während des Berufungsverfahrens hat die Beklagte weitere Bescheide an den Kläger erlassen:
1) Durch Bescheid vom 27. September 1961 hat sie anstelle der bisherigen vorläufigen Rente die Dauerrente festgestellt, und zwar in Höhe einer Teilrente von 40 v. H. der Vollrente mit Wirkung vom 1. November 1961 an. Diese Rente, die zunächst nach dem bisher angenommenen JAV von 6.064,78 DM berechnet worden war, hat die Beklagte laut Berichtigungsschreiben vom 2. Oktober 1961 nach dem vom SG festgesetzten JAV von 8.331,- DM berechnet. Anstelle des in dem Bescheidformular durchgestrichenen Vordrucks über die Rechtsmittelbelehrung ist am Schluß des Bescheides vom 27. September 1961 vermerkt: "Dieser Bescheid gilt gemäß § 96 SGG als mitangefochten".
Gegen den Bescheid vom 27. September 1961 hat der Kläger beim SG Schleswig mit Schriftsatz vom 24. Oktober 1961 Klage erhoben und beantragt, unter Zugrundelegung des JAV von 8.331,- DM auch die Dauerrente nach einer MdE von 50 v. H. zu gewähren. Über diese Klage ist noch nicht entschieden worden.
2) Durch Bescheid vom 17. August 1962 hat die Beklagte die Dauerrente nach Heilanstaltspflege des Klägers vom 12. bis 26. April 1962 festgesetzt, und zwar vom 27. April 1962 an die Vollrente und vom 1. Juli 1962 an eine Teilrente von 40 v. H. und vom 1. November 1962 an eine Teilrente von 30 v. H. Als JAV ist der Betrag von 8.331,- DM zugrunde gelegt worden.
Anstatt der Rechtsmittelbelehrung ist auch in diesem Bescheid vermerkt, daß er gemäß § 96 SGG als mitangefochten gelte.
Nachdem auf Grund weiterer vom Landessozialgericht (LSG) eingeholter Unterlagen über den JAV die Beteiligten sich "hinsichtlich der Höhe des JAV nähergekommen" waren, haben sie bei Abschluß des Berufungsverfahrens folgende Anträge gestellt:
Die Beklagte hat beantragt, das Urteil des SG zu ändern und die Klage abzuweisen, soweit der Kläger Verurteilung zur Zahlung einer Unfallrente nach einem JAV von mehr als 6.914,88 DM begehre.
Der Kläger hat beantragt, die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Berufung zurückzuweisen, soweit sie eine Unfallrente nach einem JAV von weniger als 6.930,- DM betreffe.
Das LSG hat im Einverständnis der Beteiligten durch Urteil ohne mündliche Verhandlung am 26. April 1963 wie folgt entschieden:
"Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des SG Schleswig vom 17. Mai 1961 dahin geändert, daß der Rentenberechnung ein JAV von 6.930,- DM zugrunde zu legen ist.
Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zur Hälfte zu erstatten."
Das LSG hält die an sich nach § 145 Nr. 3 SGG ausgeschlossene Berufung nach § 150 Nr. 2 SGG für statthaft. Dazu ist in dem Berufungsurteil ausgeführt: Die Auffassung der Beklagten, das SG habe die Berufung nach § 150 Nr. 1 SGG zugelassen, treffe nicht zu. Ein Ausspruch hierüber sei auch in den Urteilsgründen nicht enthalten. Diese enthielten in ihren abschließenden Sätzen lediglich eine Rechtsmittelbelehrung, die wegen des vorliegenden Berufungsausschließungsgrundes aus § 150 Nr. 3 SGG unrichtig sei. § 150 Nr. 1 SGG sei weder nach Wortlaut noch Inhalt in dem Urteil des SG irgendwie erwähnt; die Sitzungsniederschrift über die Verhandlung vor dem SG ergebe eindeutig, daß eine Zulassung der Berufung nicht verkündet worden sei. Allerdings leide das erstinstanzliche Verfahren an einem wesentlichen Mangel. Die nach §§ 144 bis 149 SGG ausgeschlossene Berufung sei in der Rechtsmittelbelehrung irrigerweise als zulässig bezeichnet worden, und das SG habe daher die Frage, ob die Berufung hätte zugelassen werden müssen, überhaupt nicht geprüft. Diesen Verfahrensmangel habe die Beklagte ausdrücklich gerügt. Da auch die sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen gegeben seien, sei auf die Berufung in der Sache zu entscheiden gewesen. Das sei mit dem aus dem Tenor ersichtlichen Ergebnis geschehen. Die Berufung sei nur zum Teil begründet. Hinsichtlich des JAV bestünde unter den Beteiligten Streit nur noch insoweit, als die Beklagte den JAV mit 6.914,88 DM anerkenne und der Kläger 6.930,- DM für richtig halte. Hierin sei der Auffassung des Klägers zu folgen. Der JAV von 6.930,- DM gelte nicht nur für den Bescheid über die vorläufige Rente vom 26. Oktober 1960, sondern auch für die späteren Bescheide. Die Dauerrentenbescheide seien, soweit es sich um den JAV handele, nach § 96 SGG ebenfalls Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Bei allen diesen Bescheiden handele es sich hinsichtlich des JAV um die Ausführung des SG-Urteils. Die Beklagte habe den JAV von 8.331,- DM zu keiner Zeit bindend feststellen wollen. Dies sei auch dem Kläger ersichtlich gewesen.
Das LSG hat die Revision nicht zugelassen.
Das Berufungsurteil ist dem Kläger am 13. September 1963 zugestellt worden. Er hat hiergegen am 5. Oktober 1963 Revision eingelegt und sie am 10. Oktober 1963 wie folgt begründet: Das LSG habe zu Unrecht ein Sachurteil erlassen. Das Unterlassen der Berufungszulassung nach § 150 Nr. 1 SGG stelle entgegen der Auffassung des LSG keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 150 Nr. 2 SGG dar. Die gegenteilige Rechtsprechung, die der 4. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in dem Urteil vom 28. September 1961 vertreten habe, sei inzwischen aufgegeben worden (Urteil vom 12.9.1963 - 4 RJ 187/62 -). Die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil hätte daher als unzulässig verworfen werden müssen. Die während des Berufungsverfahrens erlassenen Bescheide der Beklagten über die Herabsetzung der Dauerrente seien Gegenstand des Verfahrens geworden (§ 96 SGG). Das LSG hätte hierüber entscheiden müssen; da dies nicht geschehen sei, komme dem angefochtenen Urteil die Bedeutung eines Teilurteils zu. Wegen der beiden Bescheide sei das Verfahren beim LSG anhängig, so daß es insoweit keiner Zurückverweisung bedürfe. Daß sich der Kläger durch die Herabsetzungen der Rente beschwert fühle, ergebe sich aus der von ihm beim SG erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 27. September 1961. Das LSG hätte die sich aus § 96 SGG ergebende Rechtslage erkennen und entsprechend prozedieren müssen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Schleswig vom 17. Mai 1961 als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Schleswig vom 17. Mai 1961 zurückzuweisen.
Falls anzunehmen sei, daß das Verfahren wegen der beiden Herabsetzungsbescheide nicht mehr beim LSG anhängig sei, beantragt der Kläger,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Schleswig vom 17. Mai 1961 als unzulässig zu verwerfen, im übrigen aber die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht wegen der noch nicht erledigten Bescheide vom 27. September 1961 und 17. August 1962 zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuverweisen.
Sie meint, es liege schon deshalb kein Verfahrensmangel vor, weil das SG in Übereinstimmung mit der damals herrschenden Rechtsauffassung des BSG verfahren sei (BSG, 4. Senat, Urteil vom 28. September 1961 in SozR SGG § 150 Bl. Da 14 Nr. 31). Die während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheide der Beklagten seien in das Berufungsverfahren gemäß § 96 SGG einbezogen worden, indem im Berufungsurteil ausgeführt sei, daß nicht nur für den ersten Bescheid der Beklagten vom 26. Oktober 1960, der allein im Streit befangen sei, der ermittelte JAV von 6.930,- DM gelte, sondern daß auch für die späteren Bescheide über die Gewährung der Dauerrente von einem JAV von 6.930,- DM auszugehen sei. Das LSG habe seine Entscheidung auch auf die Neufeststellung der Dauerrente erstreckt; denn nach dem Tenor des Berufungsurteils habe es die Klage abgewiesen. Es bestehe keine Möglichkeit, durch Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz die beiden späteren Bescheide über die Fest- bzw. Neufeststellung der Dauerrente einer nochmaligen Prüfung zugänglich zu machen. Der Kläger habe es zu vertreten, daß das LSG nicht über die mit der Klage beim SG angefochtenen Herabsetzung der Rente ausdrücklich entschieden habe.
II
Die Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist auch statthaft, da das Berufungsverfahren an einem wesentlichen Mangel leidet (§ 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG), der ordnungsmäßig gerügt ist (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG); das LSG hat über die Berufung der Beklagten durch Sachurteil entschieden, obwohl es das Rechtsmittel als unzulässig hätte verwerfen müssen (vgl. BSG 1, 283).
Das LSG hat zwar nicht verkannt, daß die Berufung der Beklagten eine vorläufige Rente betraf (§ 1585 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) und daher nach § 145 Nr. 3 SGG auch ausgeschlossen war, obwohl es sich bei dem sonst unstreitigen Anspruch des Klägers auf die vorläufige Rente nur noch um den JAV handelte (vgl. BSG 8, 164, 166; SozR SGG § 145 Bl. Da 6 Nr. 8). Es hat jedoch zu Unrecht angenommen, daß der Ausnahmefall des § 150 Nr. 2 SGG vorliege. Seine Auffassung, das erstinstanzliche Verfahren leide an einem die Zulässigkeit der Berufung begründenden wesentlichen Mangel, weil das SG die nach § 145 Nr. 3 SGG an sich ausgeschlossene Berufung zu Unrecht für zulässig gehalten und deshalb nicht geprüft habe, ob die Berufung nach § 150 Nr. 1 SGG hätte zugelassen werden müssen, trifft nicht zu. Sie steht zwar im Einklang mit dem Urteil des BSG, 4. Senat, vom 28. September 1961 (SozR SGG § 150 Bl. Da 14 Nr. 31). Der 4. Senat hat aber an dieser Entscheidung nicht festgehalten. In seinem Urteil vom 12. September 1963 ist er von der früheren Rechtsprechung abgewichen und erblickt keinen wesentlichen Verfahrensmangel darin, daß das SG in einer Sache, in der die Berufung nach §§ 144 bis 149 SGG ausgeschlossen war, das Rechtsmittel irrtümlich als nach § 143 SGG statthaft angesehen und deshalb keine Entscheidung darüber getroffen hat, ob die Berufung nach § 150 Nr. 1 zuzulassen war (SozR SGG § 150 Bl. Da 19 Nr. 40). Dieser Entscheidung waren gleichlautende Urteile des 7. und 5. Senats des BSG vorausgegangen (SozR SGG § 150 Bl. Da 18 Nr. 38 und Nr. 39). Der erkennende Senat ist grundsätzlich ebenfalls dieser Auffassung, die er in der allerdings das Revisionsrecht betreffenden Entscheidung vom 26. August 1958 schon vertreten hat (SozR SGG § 162 Bl. Da 32 Nr. 112). Von diesem Standpunkt aus ist zu entscheiden, ob das Berufungsurteil das Ergebnis eines fehlerhaften Verfahrens ist, weil das LSG die Berufung gemäß § 150 Nr. 2 SGG für zulässig erachtet hat. Die abweichende Meinung der Beklagten, die einen solchen Verfahrensmangel nicht für gegeben hält, weil dem LSG wegen der damaligen Rechtsprechung des BSG zu § 150 Nr. 2 SGG kein vorwerfbarer Verfahrensmangel im Sinne des § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG unterlaufen sei, trifft nicht zu. Für die Annahme eines Verfahrensmangels im Sinne dieser Vorschrift genügt es, daß ein objektiv unrichtiges Verfahren zu dem angefochtenen Urteil geführt hat. Danach hat das LSG im vorliegenden Fall in seinem Urteil verfahrensrechtliche Vorgänge fehlerhaft beurteilt. Dies hat sich auf die Entscheidung insofern maßgeblich ausgewirkt, als das LSG, statt die Berufung als unzulässig zu verwerfen, ein Sachurteil erlassen hat. Das Berufungsverfahren leidet daher an einem wesentlichen Mangel, der die Statthaftigkeit der Revision rechtfertigt.
Die hiernach zulässige Revision ist auch begründet (§ 162 Abs. 2 SGG). Das LSG hätte, da nach den vorstehenden Darlegungen die Berufung gegen das Urteil des SG vom 17. Mai 1961 auf Grund des § 145 Nr. 3 SGG ausgeschlossen war, die erstinstanzliche Entscheidung nicht in der Sache nachprüfen dürfen. Damit mußte es bei dem vom SG festgestellten JAV von 8.331,- DM verbleiben. Dies hat entsprechend dem Antrag des Klägers im Berufungsverfahren zur Folge, daß das Urteil des LSG vom 26. April 1963 aufzuheben und die Berufung der Beklagten als unzulässig zu verwerfen war.
Mit dieser Entscheidung ist das Klagebegehren aber nicht erschöpft. Der Kläger wendet sich in diesem Verfahren noch dagegen, daß die vorläufige Rente im Laufe des Streitverfahrens durch die Bescheide der Beklagten vom 27. September 1961 und 17. August 1962 herabgesetzt worden ist. Diese beiden, die erste und die erneute Feststellung der Dauerrente betreffenden Bescheide der Beklagten erfüllen die Voraussetzungen für die Rechtsfolge aus § 96 SGG. Der Kläger hat gegen den Bescheid über die Gewährung der vorläufigen Rente (Erstbescheid) Klage erhoben; die Beklagte hat gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt. Als die neuen Bescheide im Abstand von etwa einem Jahr erlassen wurden, schwebte das Streitverfahren über den Erstbescheid noch. Die Rechtshängigkeit des Berufungsverfahrens wurde auch durch die unzulässige Berufung nicht in Frage gestellt (BSG 4, 24, 26). Schließlich wurde der Erstbescheid durch die neuen Bescheide ersetzt und geändert, und zwar ersetzt insofern, als der Bescheid vom 27. September 1961 über die erste Dauerrente an die Stelle des Bescheides über die vorläufige Rente getreten war, ferner geändert insofern, als in den beiden neuen Bescheiden der Grad der MdE mit 40 v. H. und später 30 v. H. niedriger festgesetzt wurde als mit 50 v. H. bei der Gewährung der vorläufigen Rente. Die neuen Bescheide ändern also die Bewertung der Einbuße der Erwerbsfähigkeit des Klägers. Der Grad der MdE war zwar in dem Rechtsstreit um den Bescheid über die vorläufige Rente nicht streitig, da es dem Kläger nur um die Zuerkennung eines günstigeren JAV ging. Dieser Umstand steht jedoch der Annahme einer Änderung des Erstbescheides im Sinne des § 96 SGG nicht entgegen. Erforderlich ist für eine solche Änderung nur, daß der Streitstoff des anhängigen Verfahren durch den neuen Bescheid beeinflußt werden kann und daß durch ihn der geltend gemachte Anspruch betroffen wird (vgl. Peters/Sautter/Wolff, Komm. z. SGb, 3. Aufl., S. II 29 Anm. 1 b zu § 96 SGG). Das ist hier der Fall. Der Kläger erstrebt schlechthin eine höhere Rente. Darauf ist sein Klagebegehren gerichtet, auch wenn es sich zunächst nur um den JAV handelte. Bei diesem Klagebegehren (Streitgegenstand) ist der Kläger durch die beiden Herabsetzungsbescheide, die ebenfalls die Höhe der Rente betreffen, beschwert (BSG 11, 146). Der Streitstoff des schwebenden Verfahrens wurde somit durch sie beeinflußt. Damit ist der Fall des § 96 SGG für die beiden neuen Bescheide gegeben.
Hiernach hätte das LSG über die Herabsetzung des Grades der MdE anläßlich der Dauerrentenfeststellungen durch die Bescheide der Beklagten vom 27. September 1961 und 17. August 1962 mit entscheiden müssen. Dem steht nicht entgegen, daß der Kläger den Bescheid über die Feststellung der ersten Dauerrente vom 27. September 1961 mit der Klage beim SG besonders angefochten hat. Diese Klage ist mit Rücksicht darauf, daß der spätere Bescheid mit seinem Erlaß kraft Gesetzes Gegenstand des über den Erstbescheid rechtshängigen Verfahrens geworden ist, unzulässig (§ 94 Abs. 2 SGG); sie hätte das LSG nicht an der Mitentscheidung über die Änderungsbescheide (BSG 5, 158, 163) gehindert. Dem LSG hätte es obgelegen, auf eine sachdienliche Antragstellung der Beteiligten im Berufungsverfahren hinzuwirken.
Im Revisionsverfahren hat der Kläger an seinem Begehren festgehalten, daß über die beiden Herabsetzungsbescheide noch entschieden werde. Für eine abschließende Beurteilung des Grades der MdE im Revisionsverfahren fehlt es jedoch an den erforderlichen tatsächlichen Feststellungen. Die Sache muß daher wegen der noch nicht zum Gegenstand des Berufungsurteils gemachten Bescheide der Beklagten vom 27. September 1961 und 17. August 1962 an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen werden. Soweit der Kläger meint, das LSG habe durch Teilurteil über den geltend gemachten Anspruch entschieden und das Streitverfahren hinsichtlich der beiden neuen Bescheide sei daher noch beim LSG anhängig, verkennt er, daß es für die Annahme, das LSG habe nur ein Teilurteil erlassen wollen, an ausreichenden Anhaltspunkten fehlt.
Nach alledem war, wie geschehen, zu erkennen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen