Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme eines GPS-Systems für blinde und sehbehinderte Menschen. Teilhabeleistung. Hilfsmittel. Erfüllung des Grundbedürfnisses auf Mobilität im Nahbereich der eigenen Wohnung. Nichtaufführung im Hilfsmittelverzeichnis ist unschädlich. kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens. Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB 9
Leitsatz (amtlich)
1. Ein GPS-System für blinde und sehbehinderte Menschen kann als Teilhabeleistung zu gewähren sein, wenn dies zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Einzelfall erforderlich ist.
2. In der GKV besteht Anspruch auf Versorgung mit einem GPS-System, wenn sich ein blinder oder erheblich sehbehinderter Versicherter ohne diese Unterstützung im Nahbereich um die eigene Wohnung nicht zumutbar orientieren kann.
Orientierungssatz
1. Einem Anspruch auf Versorgung mit einem GPS-System steht nicht entgegen, dass es im Hilfsmittelverzeichnis der GKV nicht aufgeführt ist.
2. Ein GPS-System für blinde und sehbehinderte Menschen ist auch weder ganz noch teilweise als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens aus der Hilfsmittelversorgung ausgeschlossen.
3. Die Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 S 1 SGB 9 erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (vgl ua BSG vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/07 KR R). Zuständig ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist.
Normenkette
SGB 5 § 33 Abs. 1 S. 1 Fassung: 2001-06-19, S. 1 Fassung: 2007-03-26, § 128 Fassung: 1988-12-20, § 139 Abs. 1 Fassung: 2007-03-26; SGB 9 § 5 Nr. 2 Fassung: 2003-12-23; SGB 9 § 6 Abs. 1 Fassung: 2003-12-23; SGB 9 § 14 Abs. 2 S. 1 Fassung: 2001-06-19; SGB 9 § 31 Abs. 1 Nr. 3 Fassung: 2001-06-19; SGB 9 § 55 Abs. 1 Fassung: 2001-06-19; SGB 12 § 53 Abs. 1 Fassung: 2003-12-27; SGB 12 § 54 Abs. 1 Fassung: 2003-12-27
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Bewilligung eines GPS-Systems als Hilfsmittel für einen blinden Versicherten.
Der 1964 geborene und bei der Beklagten krankenversicherte Kläger ist von Geburt an blind. Er ist selbständig als Klavierstimmer tätig und von dem beigeladenen Rentenversicherungsträger zur Ausübung seiner Tätigkeit zuschussweise mit einem Kfz versorgt worden, welches zunächst von seiner Ehefrau bedient wurde und seit deren Eintritt ins Erwerbsleben von einer durch das Integrationsamt finanzierten Arbeitsassistenz gefahren wird. Von der Beklagten ist er ua mit einem Blindenführhund und einem Blindenlangstock versorgt. Ende 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Versorgung mit dem "Trekker Leitsystem für Blinde und Sehbehinderte" (GPS-System), damit er seine Ziele im Zusammenspiel von Hund, Stock und GPS-System einfacher und problemloser finden könne. Für seine berufliche Tätigkeit benötige er das Hilfsmittel nicht. Die Beklagte lehnte die Versorgung ab, weil das GPS-System nicht im Hilfsmittelverzeichnis der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgeführt und der Kläger zudem schon ausreichend mit Hilfsmitteln versorgt sei (Bescheid vom 27.1.2004). Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben (Widerspruchsbescheid vom 22.9.2004, Urteil des Sozialgerichts ≪SG≫ vom 24.11.2005, Urteil des Landessozialgerichts ≪LSG≫ vom 30.5.2007). Das LSG hat ausgeführt, ein GPS-gestütztes Navigationsgerät sei zwar ein Hilfsmittel iS von § 33 SGB V, die Versorgung des Klägers hiermit sei jedoch nicht erforderlich. Da es sich vorliegend um einen mittelbaren Behinderungsausgleich handele, müsse die Beklagte nicht sämtliche Folgen der Behinderung ausgleichen, sondern sie schulde nur den Basisausgleich. Das Grundbedürfnis der Mobilität im Nahbereich werde durch die vorhandenen Hilfsmittel ausreichend erfüllt; soweit der Kläger sich im Nahbereich komfortabler fortbewegen oder einen darüber hinausgehenden Freiraum erschließen wolle, übersteige das den Basisausgleich; dafür müsse nicht die GKV einstehen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung von §§ 12 und 33 SGB V. Das GPS-System stelle eine notwendige Ergänzung zum Blindenführhund dar und erleichtere die Orientierung im Nahbereich. Dadurch werde es ihm auch ermöglicht, seinen fußläufigen Freiraum deutlich zu erweitern.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Mai 2007 sowie des Sozialgerichts Neubrandenburg vom 24. November 2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Januar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. September 2004 zu verurteilen, ihm ein GPS-gestütztes Navigationssystem für Blinde - Typ Trekker - zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und ist im Übrigen der Auffassung, dass wesentliche Einzelelemente des beanspruchten GPS-Systems auch im Alltagsleben nicht behinderter Menschen genutzt würden und nur die Braille-Tastatur eine spezifische Anpassung für die Bedürfnisse eines Sehbehinderten darstelle. Allenfalls hierfür könne sie in Anspruch genommen werden.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Im Ergebnis zutreffend hat das LSG entschieden, dass der geltend gemachte Anspruch nicht besteht. Zwar können blinde oder sehbehinderte Menschen mit einem GPS-System als Leistung zur Teilhabe iS von §§ 4 Abs 1, 31 Abs 1 SGB IX zu versorgen sein, wenn dies zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Einzelfall erforderlich ist. Insoweit war die Beklagte gemäß § 14 SGB IX als erstangegangene Rehabilitationsträgerin auch zu einer umfassenden Prüfung verpflichtet; das haben sie und die Vorinstanzen verkannt. Gleichwohl treffen die angefochtenen Entscheidungen im Ergebnis zu, weil der Kläger von der Beklagten hier weder nach dem originären GKV-Leistungsrecht (dazu unter 1. bis 4.) noch aus anderen Teilhabegründe mit einem GPS-System zu versorgen ist (dazu unter 5.).
1. Anspruch auf Versorgung mit einem GPS-System als originäre GKV-Leistung besteht nicht. Rechtsgrundlage eines solchen Anspruchs wäre § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V in der zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung geltenden Fassung des Art 1 Nr 17 Buchst a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz - GKV-WSGvom 26.3.2007, BGBl I 378) , der inhaltlich der bei Antragstellung gültigen Fassung des Art 5 Nr 9 des Gesetzes vom 19.6.2001 (BGBl I 1046) entspricht. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie erstens nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und zweitens im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Diese letzteren Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar kann ein GPS-System für blinde oder sehbehinderte Menschen ein Hilfsmittel zum Ausgleich von Behinderungsfolgen iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V sein (dazu unter 4.a - c). Dem steht weder die fehlende Aufführung im Hilfsmittelverzeichnis der GKV (dazu unter 2.) noch eine Qualifizierung als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens (dazu unter 3.) entgegen. Jedoch gewährt das GPS-System im konkreten Ausgangsfall keine Vorteile, die dem von der GKV abzudeckenden Bereich der medizinischen Rehabilitation zuzurechnen wären (dazu unter 4.d).
2. Dem Anspruch auf Versorgung mit einem GPS-System steht zunächst nicht entgegen, dass es im Hilfsmittelverzeichnis der GKV nicht aufgeführt ist; darauf hat sich die Beklagte zu Unrecht berufen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) schon zur Rechtslage nach § 128 SGB V in der durch das Gesundheits-Reformgesetz vom 20.12.1988 (BGBl I 2477) begründeten und bis zur Außerkraftsetzung durch Art 1 Nr 94 des GKV-WSG zum 1.4.2007 insoweit im Wesentlichen unveränderten Fassung verkörpert das Hilfsmittelverzeichnis keine abschließende, die Leistungspflicht der Krankenkassen und Pflegekassen iS einer "Positivliste" beschränkenden Regelung. Es handelt sich vielmehr um eine reine Auslegungs- und Orientierungshilfen für die medizinische Praxis. Für die Gerichte hat das Hilfsmittelverzeichnis nur die Rechtsqualität einer unverbindlichen Auslegungshilfe (stRspr; vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16 S 72 - Lese-Sprechgerät; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 20 S 108 - Luftreinigungsgerät; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 25 S 147 - Tandem-Therapiefahrrad; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 S 156 - Rollstuhlbike; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 23 - zweisitziger Elektrorollstuhl; BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33 Nr 16 jeweils RdNr 20 - Aufsichtsanordnung) . Entsprechendes gilt auch für das Pflegehilfsmittelverzeichnis nach § 78 Abs 2 SGB XI (BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 9 S 45 - schwenkbarer Autositz; BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 7 RdNr 16 - Schutzserviette) . Dem hat mittlerweile auch der Gesetzgeber Rechnung getragen, indem er durch das GKV-WSG mit Wirkung ab 1.4.2007 in § 139 Abs 1 SGB V festgelegt hat, dass in dem von den Spitzenverbänden gemeinsam zu erstellenden systematisch strukturierten Hilfsmittelverzeichnis "von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel" aufzuführen sind, also nicht, wie noch in § 128 Satz 2 SGB V vorgesehen, "die" von der Leistungspflicht der GKV umfassten Hilfsmittel. Dies verdeutlicht, dass das Hilfsmittelverzeichnis der GKV nicht den Charakter einer abschließenden Liste mit einer den Leistungsanspruch unmittelbar begrenzenden Wirkung hat (BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33 Nr 16, jeweils RdNr 22 - Aufsichtsanordnung) .
3. Das GPS-System für blinde und sehbehinderte Menschen ist weder ganz noch teilweise als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens aus der Hilfsmittelversorgung ausgeschlossen; auch insoweit ist der Beklagten nicht zu folgen.
a) Zutreffend stellt auch die Beklagte nicht darauf ab, dass ein solches GPS-System als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens vollständig aus der Leistungspflicht der GKV ausgenommen wäre. Der Ausschluss betrifft nach §§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX nur solche Gegenstände, die als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens allgemein auch von Gesunden im täglichen Leben verwendet werden (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 5 S 13 - Schreibtelefon) . Maßgebend hierfür ist die jeweilige Zweckbestimmung, ausgehend von Funktion und Gestaltung des Gegenstands, wie er konkret beansprucht wird und beschaffen ist (vgl BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 7 RdNr 18 - Schutzserviette) . Danach ist ein Gegenstand trotz geringer Verbreitung und trotz hohen Verkaufspreises als allgemeiner Gebrauchsgegenstand einzustufen, wenn er von der Konzeption her nicht vorwiegend für Kranke und Behinderte gedacht ist. Keine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind dagegen für die speziellen Bedürfnisse kranker oder behinderter Menschen entwickelte und so benutzte Gegenstände, selbst wenn sie - wie bei Brillen oder Hörgeräten - millionenfach verbreitet sind (vgl BSGE 84, 266, 268 = SozR 3-2500 § 33 Nr 33 S 196 - Luftreinigungsgerät; ähnlich auch BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 190 - Therapie-Tandem) . Eine solche Anpassung an die speziellen Bedürfnisse blinder oder sehbehinderter Menschen weist das hier im Streit stehende GPS-System auf, weil es sich von handelsüblichen Geräten zur Orientierung nicht behinderter Menschen deutlich unterscheidet. Das gilt schon für den Zweck, bei Fußwegen Angaben über den jeweiligen Standort und Hinweise auf nahe gelegene Einkaufsmöglichkeiten und andere Orte von Interesse zu erhalten; eine solche technische Unterstützung benötigen Menschen ohne Sehbehinderung bei Wegen zu Fuß gerade nicht. Zudem besteht auch für die Ausstattung mit Braillezeile im Alltagsleben nicht sehbehinderter Menschen kein Bedarf.
b) Auch eine teilweise Leistungsbeschränkung wegen der Allgemeingebräuchlichkeit von GPS-Systemen oder hier verwandten Teilen besteht entgegen der Auffassung der Beklagten nicht. Allerdings kann der Anspruch aus §§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, 31 Abs 1 SGB IX im Grundsatz auf die Gewährung einer behinderungsbedingt erforderlichen Zusatzausrüstung beschränkt sein, wenn der betreffende Gegenstand seiner Art nach als Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen ist oder eine Abwandlung oder Ergänzung eines solchen Gegenstands darstellt. Das hat der erkennende Senat angenommen insbesondere bei der behinderungsbedingten Sonderausstattung von Computern (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16 S 71 - Lese-Sprechgerät;BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 22 S 128 f - Zusatzausstattung für PC; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 40 S 223 f - sehbehindertengerechtes Notebook) . Dasselbe gilt bei der Zusatzausstattung von Fahrrädern (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 12 RdNr 17 - Zusatzausrüstung für Liegedreirad). Auch bei der Heilmitteleigenschaft eines antiallergenen Matratzenbezugs hat das BSG auf vergleichbare Grundsätze abgestellt (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 15 S 65) .
Eine solche Leistungsbeschränkung greift im vorliegenden Fall nicht ein. Ein GPS-Gerät ist kein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens zur Verwendung durch Fußgänger, weil eine solche Nutzung - sollte sie derzeit überhaupt nennenswert sein - allenfalls gehobene Komfortansprüche erfüllt. Daran ändert entgegen der Auffassung der Beklagten nichts, dass das Gerät aus Komponenten zusammengesetzt ist, die - wie etwa Lautsprecher oder die Software - für sich alleine im Handel beschafft werden können. Ist das Gerät für sich genommen kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand, kommt regelmäßig auch seinen nicht selbstständig nutzbaren Bestandteilen eine solche Einstufung nicht zu. Das könnte allenfalls bei solchen Komponenten anders zu sehen sein, die für sich genommen als selbstständige Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen sind und vom Versicherten auch so genutzt werden. Das könnte für den hier verwandten Computer zu erwägen sein, wenn das GPS-Gerät - wie die Beklagte im Revisionsverfahren erstmals vorgetragen hat - auf einem Personal Digital Assistant (PDA) beruht, dieser dem Versicherten einen selbstständigen Nutzen bietet und er - was freilich nicht sicher erscheint - als allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens anzusehen ist. Das kann indes dahinstehen, weil den mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG nicht zu entnehmen ist, dass in dem hier beanspruchten GPS-System ein solcher Klein-Computer verwendet wird; ohne entsprechenden Sachvortrag der Beklagten waren Ermittlungen des LSG in diese Richtung auch nicht veranlasst (§ 103 Satz 1 Halbsatz 2 SGG) .
4. Für die mit dem GPS-System angestrebten Gebrauchsvorteile hat die Krankenkasse nicht aufzukommen; das hat das LSG zutreffend entschieden.
a) Für den Ausgleich von Folgen krankheitsbedingter Mobilitätseinschränkungen haben die Krankenkassen im Gefüge der verschiedenen Sozialleistungsträger nur einzustehen, soweit die Bewegung im Nahbereich der Wohnung eines Versicherten betroffen ist und das beanspruchte Hilfsmittel hierfür einen besonderen Gebrauchsvorteil bietet; dies hat das LSG der ständigen Rechtsprechung des BSG zutreffend entnommen. Auch nach Inkrafttreten des SGB IX (vgl hier § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) ist die GKV nicht für den Ausgleich sämtlicher direkter und indirekter Behinderungsfolgen zuständig. Ihre Aufgabe ist allein die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Für darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitationsziele haben hingegen andere Sozialleistungssysteme aufzukommen.
Demgemäß ist ein Hilfsmittel zum Ausgleich von direkten oder indirekten Folgen einer Behinderung - mittelbarer Behinderungsausgleich - nur "erforderlich" iS von § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft (stRspr; vgl zuletzt BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 jeweils RdNr 12- schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; BSGE 91, 60 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10 - Rollstuhl-Ladeboy; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 185 - Rollstuhl-Bike; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 32 S 191 - Therapie-Tandem - jeweils mwN) . Räumlich bezieht sich dies im Bereich der Mobilität auf den Bewegungsradius, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29, 31, 32 sowie BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1; stRspr) . Dazu ist der Versicherte nach Möglichkeit zu befähigen, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegende Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 31 S 187 - Rollstuhl-Bike) . Ausnahmen hiervon hat der Senat nur bei besonderen zusätzlichen Merkmalen gemacht - etwa im Hinblick auf die besonderen Entwicklungsanforderungen von Kindern und Jugendlichen (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 S 259 mwN - behindertengerechtes Dreirad für Kinder) oder unter besonderen Umständen im Rahmen der medizinischen Versorgung (vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, jeweils RdNr 13 - schwenkbarer Autositz bei Wachkomaversorgung; vgl auch Senatsurteil vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/07 KR R -, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen ≪Urteilsabdruck RdNr 16≫ - Kraftknoten) .
Dem Gegenstand nach besteht für den so definierten räumlichen Bewegungsradius Anspruch auf die im Einzelfall für den gebotenen Behinderungsausgleich ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell ebenfalls geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr) ; andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 Satz 5 SGB V von dem Versicherten selbst zu tragen. Demgemäß hat die GKV nicht für solche Innovationen aufzukommen, die nicht die Funktionalität betreffen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44 S 249; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, jeweils RdNr 15 -C-leg) .
b) Für das hier beanspruchte Hilfsmittel gelten die vorgenannten Maßstäbe entsprechend. Ziel der Versorgung mit einem GPS-System ist die Milderung von Folgen des Ausfalls oder der wesentlichen Beeinträchtigung des Sehvermögens und damit der Ausgleich mittelbarer Behinderungsfolgen. Hierfür hat die GKV nach den dargelegten Maßstäben nur aufzukommen, soweit es der Lebensbetätigung im Rahmen der allgemeinen Grundbedürfnisse dient. Das beurteilt sich bei Mobilitätseinschränkungen infolge von Blindheit oder Sehbehinderung nicht anders als bei Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates; in beiden Fällen erstreckt sich die Ausgleichsverpflichtung der Krankenkasse unabhängig von dem Grund der Beeinträchtigung räumlich nur auf den Bewegungsradius, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht, und dem Gegenstand nach auf diejenigen Mittel, die für diesen Nachteilsausgleich funktionell erforderlich sind.
c) Hiervon ausgehend besteht Anspruch auf Versorgung mit einem GPS-System für blinde und sehbehinderte Menschen durch die GKV, wenn sich der Versicherte nach den Umständen des Einzelfalls ohne diese Unterstützung im Nahbereich um die eigene Wohnung nicht zumutbar orientieren kann und das GPS-System deshalb einen wesentlichen Gebrauchsvorteil im dargelegten Sinne bietet. Das ist nicht der Fall, wenn dem Versicherten die Orientierung im Umfeld um die Wohnung trotz Blindheit oder Sehbehinderung aus eigenem Vermögen oder mit anderen Hilfsmitteln - insbesondere einem Blindenführhund - vertraut ist und Orientierungsdefizite insoweit nicht bestehen. Anders kann es dagegen etwa liegen, wenn umzugsbedingt die Orientierung in fremder Umgebung notwendig ist; in diesem Fall kann auch die leihweise Überlassung eines GPS-Systems auf Zeit in Betracht zu ziehen sein. Ebenso kann ein wesentlicher Gebrauchsvorteil vorliegen, wenn der Verlust des Sehvermögens erst im späteren Alter eintritt und deshalb keine Übung im Umgang mit der Sehbehinderung besteht oder eine frühere Vertrautheit mit der Orientierung im Wohnumfeld alters- oder krankheitsbedingt nachgelassen hat. Entscheidend ist jeweils, ob der Versicherte zumutbar auf die Orientierung mit seinen eingeschränkten Möglichkeiten der Wahrnehmung und ggf anderen Hilfsmitteln zu verweisen ist oder ob die Orientierung im Nahbereich um die Wohnung für die im Alltag üblichen Wege mit einem GPS-System für blinde und sehbehinderte Menschen wesentlich verbessert werden kann.
d) Unter Berücksichtigung der vorstehenden Grundsätze hat der Kläger keinen Anspruch auf Versorgung mit einem GPS-System, wie das LSG im Ergebnis zutreffend entschieden hat. Nach seinen auch insoweit mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und den Senat deshalb bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen ist der Kläger mit Blindenstock und Blindenführhund versorgt und kann sich im Nahbereich um seine Wohnung herum so orientieren, dass er alle im Alltagsleben für ihn notwendigen Stellen und Geschäfte erreichen kann. Dass mit dem beanspruchten GPS-System weitere Adressen im Nahbereich erstmals zugänglich würden oder die Orientierung in einem sehr erheblichen Maß erleichtert würde, kann den Feststellungen hingegen nicht entnommen werden. Darauf hat sich der Kläger auch selbst nicht berufen.
5. Das Leistungsrecht der anderen Rehabilitationsträger ergibt den geltend gemachten Anspruch ebenfalls nicht.
a) Allerdings war die Beklagte nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX als erstangegangene Rehabilitationsträgerin im Verhältnis zum Kläger zur Prüfung auch der weiter in Betracht zu ziehenden rehabilitationsrechtlichen Anspruchsgrundlagen verpflichtet. Danach verliert der materiell-rechtlich - eigentlich - zuständige Rehabilitationsträger im Außenverhältnis zum Versicherten oder Leistungsempfänger seine originäre Zuständigkeit für eine Teilhabeleistung, sobald der zuerst angegangene Rehabilitationsträger (hier: die beklagte Krankenkasse) eine iS von § 14 Abs 1 SGB IX fristgerechte Zuständigkeitsklärung versäumt hat und demzufolge die Zuständigkeit nach allen in Betracht kommenden rehabilitationsrechtlichen Rechtsgrundlagen auf ihn übergegangen ist. Diese Zuständigkeit nach § 14 Abs 2 Satz 1 SGB IX erstreckt sich im Außenverhältnis zwischen dem Antragsteller und dem erstangegangenen Rehabilitationsträger auf alle Rechtsgrundlagen, die überhaupt in dieser Bedarfssituation rehabilitationsrechtlich vorgesehen sind (vgl BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, jeweils RdNr 15 ff; BSGE 98, 267 = SozR 4-3250 § 14 Nr 4, jeweils RdNr 14, möglicherweise aA ≪obiter dictum≫ BSG SozR 4-3250 § 14 Nr 3 RdNr 33; vgl auch Senatsurteil vom 20.11.2008 - B 3 KN 4/07 KR R, - zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4 vorgesehen ≪Urteilsabdruck RdNr 23≫ - Kraftknoten) . Zuständig ist derjenige Träger, der von dem Versicherten bzw Leistungsbezieher erstmals mit dem zu beurteilenden Antrag auf Bewilligung einer Leistung zur Teilhabe befasst worden ist, hier also die beklagte Krankenkasse.
b) Ansprüche auf ein GPS-System als Teilhabeleistung nach anderen Rechtsgrundlagen im gegliederten Rehabilitationsrecht des SGB sind auch nicht ausgeschlossen. Vielmehr kann ein GPS-System für blinde und sehbehinderte Menschen als Hilfsmittel entweder zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu gewähren sein, wenn es für einen dieser Zwecke erforderlich ist und die weiteren leistungsrechtlichen Voraussetzungen vorliegen. Zum einen haben die für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zuständigen Rehabilitationsträger (§ 6 Abs 1 SGB IX iVm § 5 Nr 2 SGB IX, hier idF von Art 8 Nr 2 des Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23.12.2003, BGBl I 2848) unter Beachtung des für sie jeweils geltenden Leistungsgesetzes (vgl § 7 Satz 2 SGB IX) Kosten für Hilfsmittel - nach dem Vorstehenden also auch für GPS-Systeme für blinde und sehbehinderte Menschen - zu übernehmen, wenn diese wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Berufsausübung, zur Teilnahme an einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben oder zur Erhöhung der Sicherheit auf dem Weg vom und zum Arbeitsplatz und am Arbeitsplatz erforderlich sind, es sei denn, dass eine Verpflichtung des Arbeitgebers besteht oder solche Leistungen als medizinische Leistung erbracht werden können (§ 33 Abs 8 Satz 1 Nr 4 SGB IX) . Zum anderen haben die für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuständigen Rehabilitationsträger (§ 6 Abs 1 SGB IX iVm § 5 Nr 4 SGB IX) die Leistungsberechtigten im Rahmen ihres nach § 7 Satz 2 SGB IX jeweils maßgebenden Leistungsrechts mit Hilfsmitteln zu versorgen, wenn sie iS von § 55 Abs 1 SGB IX die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und diese nicht nach den Kapiteln 4 bis 6 des SGB IX erbracht werden, das Hilfsmittel also insbesondere kein Gegenstand der medizinischen Rehabilitation ist (§ 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX) . Danach kann im Rahmen der Eingliederungshilfe und nach Maßgabe der weiteren sozialhilferechtlichen Leistungsvoraussetzungen nach §§ 53 Abs 1, 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1 und Abs 2 Nr 1 SGB IX auf der Grundlage von § 9 Abs 2 Nr 12 der Verordnung nach § 60 SGB XII (Eingliederungshilfeverordnung ≪Eingliederungshilfe-VO≫, hier idF von Art 13 des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27.12.2003, BGBl I 3022) insbesondere eine Leistungspflicht des zuständigen Sozialhilfeträgers in Betracht kommen, soweit der behinderte Mensch wegen Art und Schwere seiner Behinderung auf diese Gegenstände angewiesen ist.
c) Im Ergebnis ist die Entscheidung der Beklagten indes auch unter Berücksichtigung dieser rechtlichen Grundlagen nicht zu beanstanden. Es besteht kein weiterer Anspruch zur Teilhabe am Arbeitsleben, weil durch die Blindheit bedingte Orientierungsmängel des Klägers eigener Auskunft nach auf beruflichem Gebiet von der Arbeitsassistenz ausreichend ausgeglichen sind und er sich von einem für seine Zwecke ausgestatteten GPS-System insoweit keinen weiteren Nachteilsausgleich erwartet. Anspruch auf Versorgung mit einem GPS-System zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft besteht ebenfalls nicht, weil ein ausgleichungsbedürftiger und - fähiger Mangel (vgl § 9 Abs 1 Eingliederungshilfe-VO) weder festgestellt noch ausreichend konkret benannt worden ist. Offenbleiben kann deshalb, ob auch in Bezug auf ein solches Hilfsmittel und nach dem Regime der §§ 53 Abs 1, 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII iVm § 55 Abs 1 und Abs 2 Nr 1 SGB IX ein anzuerkennender Bedarf nur vorliegt, wenn dafür eine ständige Benutzungsnotwendigkeit besteht, wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) auf der Grundlage von § 47 Bundessozialhilfegesetz und der bis dahin geltenden Fassung der Eingliederungshilfe-VO für die Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs als Maßnahme der Eingliederungshilfe entschieden hat (vgl zuletzt BVerwGE 111, 328, 330 mwN) . Denn jedenfalls hat der Kläger keine konkret fassbaren Anlässe aufgezeigt, die einen mindestens nicht auf Einzelfälle beschränkten Bedarf für ein GPS-System zum Ausgleich von behinderungsbedingten Nachteilen bei der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft begründen würden und den Vorinstanzen Anlass gegeben hätte, dem im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht nach § 103 Satz 1 SGG nachzugehen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 103 RdNr 7) . Deshalb ist die Entscheidung der Vorinstanzen im Ergebnis auch insoweit nicht zu beanstanden, sodass kein Anlass zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache zur Nachholung einer notwendigen Beiladung des Sozialhilfeträgers bestanden hat (vgl zur Notwendigkeit der Beiladung im Falle der mutmaßlich endgültigen Zuständigkeit eines anderen Rehabilitationsträgers BSGE 93, 283 = SozR 4-3250 § 14 Nr 1, jeweils RdNr 5 ff) .
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen