Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage der ausreichenden Revisionsbegründung.
Normenkette
SGG § 164 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1953-09-03; ZPO § 554 Abs. 3 Nr. 2
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 25. März 1966 wird als unbegründet mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß bei der Neufeststellung der Ausgleichsrente des Klägers die nach dem Bundesentschädigungsgesetz gewährte Rente für die Zeit bis zum 31. Mai 1960 nicht anzurechnen ist.
Die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
Gründe
Aufgrund des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) bezieht der Kläger Versorgung - und zwar ursprünglich Grund- und Ausgleichsrente - nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um anfangs 70 v. H. und später 50 v. H. Daneben erhält er seit dem 1. November 1953 Rente gemäß § 95 Abs. 2 des Bundesentschädigungsgesetzes - BEG - (Bescheid von Juli 1960 über die Mindestrente in Höhe von monatlich 100,- DM). Schließlich wird ihm noch durch Bescheid vom 29. Januar 1963/16. Juni 1966 Rente aus der Invalidenversicherung vom 1. Oktober 1962 an gewährt.
Über den Bezug von Ausgleichsrente erteilte das Versorgungsamt zunächst wegen der Anrechnung von Einkünften aus Hausbesitz und sodann wegen der rückwirkend gewährten Mindestrente nach dem BEG den Abhilfe- und Neufeststellungsbescheid vom 14. April 1962 sowie den weiteren Bescheid vom 16. April 1962 über die Neufeststellung der Beschädigtenbezüge aufgrund des Ersten Neuordnungsgesetzes. Es rechnete die Rente nach dem BEG ab 1. Dezember 1953 an und stellte fest, daß von diesem Tage an Ausgleichsrente nicht mehr zustehe; weiter berechnete es eine Überzahlung von insgesamt 3.688,10 DM und forderte sie zurück. Der Widerspruch blieb unter Hinweis auf § 2 Abs. 1 Nr. 9 der Verordnung zu § 33 BVG (DVO) erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 1963), weil vor dem 31. März 1963 die Rente nach dem BEG die Mindestrente gewesen sei, bei der die Bezüge nach dem BVG nicht berücksichtigt worden seien. Erst vom 1. April 1963 an werde wegen der Invalidenrente die Rente nach dem BEG gekürzt und sei von diesem Zeitpunkt an nicht mehr als Einkommen im Sinne des BVG anzusetzen. Nach Ermittlung der Einkommensverhältnisse müsse vom 1. Januar 1962 an die Ausgleichsrente endgültig festgesetzt werden, wobei die Invalidenrente als Einkommen anzurechnen sei. Vom 1. November 1962 an entfalle die Ausgleichsrente.
Mit der Klage hat der Kläger geltend gemacht, nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 DVO könne die Mindestrente nach dem BEG nicht angerechnet werden. Durch Urteil vom 24. September 1964 hat das Sozialgericht (SG) die Verwaltungsbescheide in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufgehoben und den Beklagten verurteilt, die Ausgleichsrente neu festzustellen und dabei die nach dem BEG gewährte Rente nicht anzurechnen. Es hat die Berufung zugelassen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 der DVO könne die Rente nach dem BEG nicht auf die Ausgleichsrente angerechnet werden; denn dadurch würden Sinn und Zweck des BEG vereitelt werden, für nationalsozialistische Verfolgung eine Entschädigung zu gewähren.
Der Beklagte hat Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht gewesen, die BEG-Rente müsse nach § 2 Abs. 1 Nr. 9 DVO wegen des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift angerechnet werden. Durch Urteil vom 25. März 1966 hat das Landessozialgericht (LSG) die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen. In § 2 Abs. 1 Nr. 9 DVO sei angeordnet, daß bei der Feststellung der Ausgleichsrente Leistungen nach dem BEG unberücksichtigt bleiben sollen, sofern bei ihrer Bemessung Leistungen nach dem BVG angerechnet werden. Diese Wortfassung sei aber nicht eindeutig. Vielmehr genüge es, daß bei der Feststellung der Rente nach dem BEG geprüft worden sei, ob Bezüge nach dem BVG zu einer Kürzung der BEG-Rente führen könnten. Es sei nicht erforderlich, daß wegen solcher Leistungen die BEG-Rente auch tatsächlich gekürzt worden sei. Diese Ansicht hat es durch verschiedene Beispiele zu belegen gesucht.
Der Beklagte hat Revision eingelegt und beantragt,
die Urteile des SG und des LSG aufzuheben und die Klage gegen die Verwaltungsbescheide abzuweisen.
Er rügt ohne weitere Begründung eine Verletzung des § 33 BVG und des § 2 Nr. 9 DVO vom 22. Juli 1964. Erst nach Ablauf der Frist für die Begründung der Revision macht er noch Ausführungen hierzu, was er bereits mit der Revisionseinlegung angekündigt hatte.
Der Kläger beantragt,
1. die Revision als unzulässig zu verwerfen;
2. hilfsweise, sie als unbegründet zurückzuweisen.
Er ist mit näherer Begründung der Ansicht, die Revision sei lediglich durch die Bezeichnung der als verletzt betrachteten Rechtsnorm nicht hinreichend begründet; in der Sache beruhe das Berufungsurteil nicht auf einer Verletzung des § 2 Nr. 9 DVO.
Das Rechtsmittel des Beklagten ist durch Zulassung statthaft, auch form- und fristgerecht eingelegt. Der Ansicht des Klägers, daß die Revision nicht ordnungsgemäß begründet und deshalb nicht zulässig sei, kann nicht gefolgt werden.
Nach § 164 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) muß die Revision das angefochtene Urteil bezeichnen und einen bestimmten Antrag enthalten; die Revisionsbegründung muß außerdem die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen und Beweismittel bezeichnen, die den Mangel ergeben. Hier hat der Beklagte im Schriftsatz vom 27. April 1966 den bestimmten Antrag gestellt und hat ausgeführt:
"Zur Begründung der nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassenen Revision wird vorgetragen, daß die oben angeführten Urteile auf einer Verletzung des § 33 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) und des § 2 Ziffer 9 der hierzu ergangenen Durchführungsverordnung vom 22.7.1964 (BGBl I S. 538) beruhen."
Wie dem Kläger eingeräumt werden mag, kann die Wortfassung des SGG "Revisionsbegründung" und die Entstehungsgeschichte der o. a. Vorschrift erwarten lassen, daß das Revisionsgericht innerhalb der Revisionsbegründungsfrist nicht nur erfährt, hinsichtlich welcher Rechtsnormen die angefochtene Entscheidung nachgeprüft werden soll, sondern daß ihm auch die rechtlichen und tatsächlichen Erwägungen des Revisionsführers bekanntgegeben werden, welche dieser zur Stütze seiner Anträge verwendet wissen will. § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG ist § 554 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) nachgebildet. Diese Vorschrift geht zurück auf das Gesetz, betreffend Änderungen der ZPO vom 5. Juni 1905 (RGBl S. 536). Der Gesetzgeber hat damals die Revisionsbegründung, die bis dahin nur Soll-Erfordernis war, zur Zulässigkeitsvoraussetzung der Revision in Zivilsachen erhoben, und zwar zu dem Zweck, das Revisionsgericht zu entlasten. Die schriftliche Rechtfertigung des Revisionsbegehrens sollte die Vorarbeiten des Berichterstatters erleichtern; außerdem sollte erreicht werden, daß der Rechtsanwalt die Rechtslage genau durchdenkt, bevor er durch seine Unterschrift die Verantwortung für die Revision übernimmt, und daß er infolgedessen u. U. von der Durchführung aussichtsloser Revisionen absieht (Reichstagsdrucksache Nr. 782 vom 10.5.1905, Sten. Ber. 1903/05, 8. Anlageband S. 4520 ff; vgl. auch RGZ 65 S. 82). Diese Grundgedanken, die durch die Entwicklung der Gerichtsbarkeiten nicht überholt sind, sondern den heutigen Entlastungsbestrebungen entsprechen, sind nicht auf die Zivilgerichtsbarkeit beschränkt, sondern gelten auch für das Verwaltungsstreitverfahren (s. BSG SozR SGG § 164 Nr. 27). Hiermit stimmt überein, daß die Revisionsbegründung das Ergebnis der geistigen Arbeit des beim Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Prozeßbevollmächtigten sein muß (Peters/Sautter/Wolff: Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 164 Anm. 4 S. III/80-106).
Alle diese Gesichtspunkte werden allein aus der Mitteilung der nach Ansicht des Revisionsführers verletzten Rechtsnorm nicht berücksichtigt. Jedoch kann die Auslegung des Wortes "Revisionsbegründung" unter Heranziehung von Entstehungsgeschichte und Sinngehalt gegenüber dem eindeutigen Wortlaut des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG die Anforderungen an die Revisionsbegründung nicht erweitern, zumal die "Angabe der verletzten Rechtsnorm" durch keine sprachlichen Hinzufügungen als Beispiel oder Mindesterfordernis neben anderem - unabhängig vom "Ergebnis der geistigen Arbeit des Prozeßbevollmächtigten" (s. Peters/Sautter/Wolff aaO) - gekennzeichnet ist. Hier kann also die Revision nicht als nicht ordnungsgemäß begründet und deshalb als unzulässig betrachtet werden.
Der Senat hat bereits in den Entscheidungen vom 27. August 1965 (8 RV 251/65 und 8 RV 385/65) zwei Streitfälle zu behandeln gehabt, in welchen das gleiche Landesversorgungsamt seine Revisionsbegründung ebenfalls darauf beschränkt hatte, die seines Erachtens verletzte Rechtsnorm zu bezeichnen. Damals ist die Revision als gerade noch hinreichend begründet angesehen worden, weil jedenfalls erkennbar gewesen war, wieweit die Nachprüfung des Revisionsgerichts gehen sollte. Das gleiche muß für den vorliegenden Fall gelten.
Dieses Ergebnis wird nicht dadurch berührt, daß einerseits die angefochtenen Verwaltungsakte, insbesondere der Widerspruchsbescheid und die Entscheidungen des SG und LSG, auf die Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 9 DVO vom 11. Januar 1961 gestützt werden und andererseits die Revision eine Verletzung des § 2 Nr. 9 DVO vom 22. Juli 1964 rügt. Mag auch bei dem völlig übereinstimmenden Wortlaut dieser beiden Vorschriften nicht ohne weiteres ersichtlich sein, warum der Beklagte eine Verletzung nur der zuletzt erlassenen rügt, so wird sein Vorbringen hierdurch nicht unverständlich. Vielmehr bleibt erkennbar, daß er eine Verletzung des § 33 BVG und der hierzu erlassenen DVO rügen will. Dieses Vorbringen kann nicht als eine unzureichende Begründung angesehen werden. Die Revision des Beklagten ist demnach - entgegen der Ansicht des Klägers - zulässig.
In der Sache selbst ist das Berufungsgericht zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger durch den Vergleich im Widerspruchsverfahren gegen den ersten Berichtigungs- und Neufeststellungsbescheid vom 5. September 1959 sein Rechtsschutzinteresse nicht verloren hat. Das Versorgungsamt hatte mit dem Schreiben vom 13. Oktober 1960 eine Neufeststellung wegen der Einkünfte aus Hausbesitz im einzelnen in Aussicht gestellt. Dieser Teil des Schreibens bezog sich auf den damals mit dem Widerspruch angefochtenen Berichtigungsbescheid. Der zweite Teil des Schreibens, welcher sich mit der BEG-Rente befaßt, war hingegen etwas völlig Neues, über das bisher ein Verwaltungsakt nicht vorlag und das infolgedessen nicht Gegenstand eines Abhilfebescheides sein konnte. Zutreffend hatte das Versorgungsamt insoweit auch einen Neufeststellungsbescheid nach § 62 BVG in Aussicht gestellt. Es hatte aber die für einen solchen Bescheid notwendigen einzelnen Elemente nicht mitgeteilt. Infolgedessen konnte die Annahme dieses Vorschlages durch den Kläger nicht dazu führen, daß er - wie der Beklagte noch in der Berufungsinstanz unzutreffend angenommen hat - sein Klagerecht verloren hätte. Ganz abgesehen davon stellte der Widerspruchsbescheid vom 4. Dezember 1963 das Ergebnis einer nochmaligen sachlichen Prüfung dar und eröffnete den Rechtsweg in vollem Umfang. Infolgedessen hat das Berufungsgericht zu Recht in der Sache entschieden.
Der Beklagte erstrebt mit seiner Revision, daß die angefochtenen Verwaltungsbescheide als rechtmäßig angesehen werden. Gestützt auf die DVO vom 11. Januar 1961 hat er durch sie für die Zeit vom 1. Dezember 1953 an die Ausgleichsrente als unrechtmäßigen Bezug bezeichnet und zurückgefordert. Er hat aber übersehen, daß diese Verordnung nach ihrem § 20 erst mit Wirkung vom 1. Juni 1960 in Kraft getreten ist. Auch die Vorinstanzen haben nicht geprüft, ob die Vorschriften des § 2 Abs. 1 Nr. 9 DVO von 1961 als Grundlage für die angefochtenen Verwaltungsakte in vollem Umfange in Betracht kommen. Sie haben vielmehr diese Auffassung des Beklagten ohne kritische Stellungnahme übernommen. Insoweit haben die Entscheidungen der Vorinstanzen die Rechtslage verkannt. Für die Zeit vor dem 1. Juni 1960 war die Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG vom 2. August 1958 maßgebend. Diese war nach ihrem § 20 mit Wirkung vom 1. Mai 1957 in Kraft getreten. Für die Zeit vor dem 1. Mai 1957 fehlte es an einer Regelung durch Gesetz oder Verordnung. Insoweit lag lediglich die Verwaltungsvorschrift zu § 33 BVG vor; ihre Nr. 2 Abs. 2 Buchst. j bestimmte - ebenso wie § 2 Buchst. i DVO vom 2. August 1958 -, daß Renten zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts nicht als sonstiges Einkommen galten, wenn nach dem BEG bei ihrer Bemessung Leistungen nach dem BVG zu berücksichtigen waren. Infolgedessen ist in Übereinstimmung mit der Entscheidung des Senats vom 23. Juni 1966 (BSG 25 S. 78 ff, 82) kein Bedenken dagegen zu erheben, daß für die Zeit vor dem 1. Mai 1957 die gleichen Grundsätze gelten, wie nach der DVO vom 2. August 1958.
Die beiden Verordnungen von 1958 und 1961 weichen nicht nur im Wortlaut, sondern auch im sachlichen Gehalt hinsichtlich der Anrechnungsvorschrift des § 2 Buchst. i bzw. § 2 Abs. 1 Nr. 9 voneinander ab. Während es die DVO 1958 darauf abstellt, daß bei der Bemessung von Leistungen nach dem BEG Leistungen nach dem BVG zu "berücksichtigen" sind, kommt es bei der DVO 1961 darauf an, daß bei der Bemessung von Leistungen nach dem BEG Leistungen nach dem BVG "angerechnet" werden. Die beiden Worte "berücksichtigen" und "anrechnen" aber können entgegen der Ansicht des LSG nicht gleichgesetzt werden. Bei Erlaß der DVO 1958 zu § 33 BVG war das BEG schon mehrere Jahre lang in Kraft, so daß seine für die Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung geltenden Vorschriften nicht übersehen werden konnten. Allerdings bietet die Regelung von - wie vorliegend - Berufsschadensrenten in §§ 87 ff BEG nur einen geringen Anhalt für die dem BEG eigentümliche Unterscheidung zwischen "berücksichtigen" und "anrechnen"; denn nach § 95 Abs. 3 BEG wird der monatliche Mindestbetrag der Rente insoweit gekürzt, als er zusammen mit Versorgungsbezügen oder wiederkehrenden Leistungen aus deutschen öffentlichen Mitteln den Betrag von 300,- DM im Monat übersteigt. Deutlicher aber wird dieser Unterschied zwischen "berücksichtigen" und "anrechnen" im Recht der Hinterbliebenen in den §§ 22 und 18 Abs. 2 BEG, für das ebenfalls § 2 Buchst. i bzw. Nr. 9 DVO gilt. Hiernach ist der Entschädigungsbehörde bei Festsetzung der BEG-Rente auf zweifache Weise Gelegenheit gegeben - und gesetzlich vorgeschrieben -, BVG-Bezüge einer Hinterbliebenen zu "berücksichtigen"; entweder im Wege des "Ruhens" eines Teiles der Rente wegen Überschreitung des Freibetrages von 200,- DM monatlich (§ 22 BEG) oder durch Festsetzung der BEG-Rente in einem Hundertsatz von weniger als 100 v. H., wenn die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse dies rechtfertigte (§ 18 Abs. 2 BEG). Noch deutlicher auf die zweite Möglichkeit einer Berücksichtigung von BVG-Bezügen bei Feststellung der BEG-Rente weist § 13 Abs. 2 der 1. DVO zum BEG idF vom 23. November 1956 hin: "Rechtfertigen die nach § 18 Abs. 2 BEG zu berücksichtigenden Umstände eine Ermäßigung des Hundertsatzes der Rente, so kann der Hundertsatz bis auf 30 v. H. ermäßigt werden"; dabei gehören zu den nach § 18 Abs. 2 BEG zu berücksichtigenden Umständen nach § 13 Abs. 3 Nr. 6 der 1. DVO zum BEG insbesondere auch "Versorgungsbezüge, die wegen des Todes des Verfolgten gewährt werden und nach § 22 BEG nicht zum Ruhen der Rente führen" (vgl. auch § 15 Abs. 2 Nr. 7 der 2. DVO zum BEG idF vom 23. November 1956) (BSG 25 S. 84).
Das BEG unterscheidet streng zwischen "ruhen" (z. B. § 22), "anrechnen" (z. B. §§ 23 Satz 3, 85 Abs. 2) und "berücksichtigen" (z. B. §§ 18 Abs. 2, 31 Abs. 3), wobei "berücksichtigen" lediglich bedeutet, daß bei der Feststellung von Entschädigungsleistungen nach dem BEG bestimmte Umstände - persönliche und wirtschaftliche Verhältnisse des zu Entschädigenden, seine Einkünfte (auch die, die er zu erwerben unterläßt), sein etwaiger Grad einer MdE und seine Belastung mit der Sorge für unterhaltsberechtigte Angehörige - in die Betrachtungen über die endgültige Höhe miteinbezogen werden müssen, auch wenn sie schließlich nicht zu einer "Anrechnung" oder zu einem "Ruhen" führen. Demgemäß kann die Entschädigungsbehörde die Versorgungsbezüge auch dahingehend "berücksichtigen", daß sie weder zu einer Kürzung, einem Ruhen eines Teils der BEG-Rente noch zu einer Ermäßigung ihres Vomhundertsatzes geführt haben. Offenbar haben sich sowohl die Verwaltungsvorschrift Nr. 2 Abs. 2 Buchst. j zu § 33 BVG als auch die DVO 1958 die Terminologie des BEG zu eigen gemacht, wenn sie hier von "berücksichtigen", nicht von "anrechnen" sprechen. Damit ist im angefochtenen Urteil dem insoweit klaren und eindeutigen Wortlaut des § 2 Abs. 2 Buchst. j der Verwaltungsvorschrift vom 9. August 1956 und § 2 Buchst. i der DVO vom 2. August 1958 in vollem Umfang Rechnung getragen. Diese Berücksichtigung der BVG-Bezüge reicht zu der Rechtsfolge ihrer Unantastbarkeit aus, auch wenn deren Anrechnung in irgendeiner Form oder Höhe nach den Vorschriften des BEG unterbleiben mußte.
Die Vorinstanzen haben in ihren Entscheidungen die Rundschreiben des Bundesarbeitsministers (BMA) vom 14. Januar 1957 und 3. Dezember 1959 (DVBl 1957 S. 16 Nr. 11 und 1960 S. 2 Nr. 3) berücksichtigt. Diese beziehen sich nicht auf die DVO 1961, sondern auf die von 1958 bzw. auf die vorangehende inhaltsgleiche Verwaltungsvorschrift. Wenn die Vorinstanzen sich der Auslegung der Verwaltungsvorschriften und der DVO 1958 durch das BMA nicht angeschlossen haben, befinden sie sich in Übereinstimmung mit der bereits zitierten Entscheidung des Senats. Infolgedessen haben sie im Ergebnis die angefochtenen Verwaltungsakte für die Zeit bis zum 31. Mai 1960 zu Recht für rechtswidrig gehalten und haben zutreffend entschieden, daß die Verwaltung bis zu diesem Zeitpunkt über die Neufestsetzung der Versorgungsbezüge wegen der Gewährung der BEG-Rente einen neuen Bescheid zu erteilen und dabei die Anrechnung dieser Rente auf die Ausgleichsrente zu unterlassen habe.
Für die Zeit vom 1. Juni 1960 an aber gilt die DVO vom 11. Januar 1961. Nach ihr kommt es nicht mehr darauf an, ob die Leistungen nach dem BEG "berücksichtigt" sind, sondern ob sie "angerechnet" worden sind. Zu Unrecht setzt die angefochtene Entscheidung - wie bereits dargelegt - "anrechnen" mit "berücksichtigen" gleich. Deshalb kann die Verwaltung vom 1. Juni 1960 an die Ausgleichsrente kürzen.
Im Hinblick auf die Gewährung der Invalidenrente vom 1. Oktober 1962 an wird auch für die Zeit nach dem 1. Juni 1960 eine Neufeststellung der Rente erforderlich sein. Im Widerspruchsbescheid ist außerdem eine endgültige Feststellung der Ausgleichsrente vom 1. Januar 1962 an in Aussicht gestellt. Infolgedessen ist von diesem Zeitpunkt an die Rente und damit die Anrechnung auf die Ausgleichsrente noch nicht im Streit; demgemäß war die Revision des Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß für die Zeit bis zum 31. Mai 1960 bei der Neufeststellung der Ausgleichsrente des Klägers die nach dem BEG gewährte Rente nicht anzurechnen ist.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen