Entscheidungsstichwort (Thema)
Selbstbindung des Revisionsgerichts
Leitsatz (amtlich)
Zur Selbstbindung des Revisionsgerichts (vgl GmSOGB 1973-02-06 GmS-OGB 1/72 = BSGE 35, 293, 298).
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Revisionsgericht ist, wenn es seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung "inzwischen" - dh vor seiner zweiten Entscheidung in demselben Rechtsstreit - geändert hat und erneut mit derselben Sache befaßt wird, an seine zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht mehr gebunden.
2. Offen bleibt die Frage, ob die Selbstbindung auch endet, wenn das Revisionsgericht seine Rechtsauffassung erst anläßlich der zweiten Entscheidung dieser Sache ändern will. Hierzu ist seither - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung ergangen; im Schrifttum wird aber diese Frage überwiegend verneint. Zeitliche Geltung der Neufassung:
BVG§11Abs3§13 DV § 5 Abs 1 idF vom 1976-08-23 bedeutet gegenüber der vorherigen Fassung eine sachlich-rechtliche Änderung. Nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz regelt die neugefaßte Vorschrift nur neue, künftige Tatbestände (vgl BSG vom 1978-04-25 9/10 RV 43/77 = BSGE 46, 127); sie wirkt nicht zurück.
Orientierungssatz
1. Ein Gericht ist auch bei Verpflichtungsklagen nicht an eine neue Vorschrift gebunden, die nach ihrem zeitlichen Geltungswillen das umstrittene Rechtsverhältnis nicht erfaßt (vgl BSG 1976-10-27 2 RU 127/74 = BSGE 43, 1, 5 = SozR 2200 § 690 Nr 4). Damit kann das neue Recht die Bindungswirkung des SGG § 170 Abs 5 gegenüber dem LSG nicht außer Kraft setzen.
2. Zur Frage, ob eine Gegenstromschwimmanlage eine besondere Sanitärausstattung gemäß BVG§11/13/15DV §§ 2 und 5 in den Fassungen 1971-01-19 und 1976-08-23 für Ohnhänder ist.
Normenkette
SGG § 141 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03, § 170 Abs. 5 Fassung: 1974-07-30; BVG§11Abs3§13DV § 2 Fassung: 1971-01-19, § 5 Fassung: 1971-01-19, § 2 Fassung: 1976-08-23, § 5 Fassung: 1976-08-23; BVG§11Abs3§13DV § 5 Abs. 1 Fassung: 1976-08-23
Verfahrensgang
LSG Hamburg (Entscheidung vom 07.12.1977; Aktenzeichen JV KOBf 48/75) |
SG Hamburg (Entscheidung vom 04.09.1974; Aktenzeichen 28 KO 1/73) |
Tenor
Die Revision der Beigeladenen gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 7. Dezember 1977 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des zweiten Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger bezieht wegen völliger Erblindung beiderseits, Verlustes beider Unterarme, Hörminderung rechts mittleren Grades und geringgradiger Hörminderung links sowie weiterer Schädigungsfolgen Versorgung eines Erwerbsunfähigen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Im Juli 1971 beantragte er die Übernahme der Kosten für die Anschaffung und den Einbau einer Gegenstromschwimmanlage in das Schwimmbad seines Hauses als eine besondere sanitäre Ausstattung. Zur Begründung führte er aus, durch diese Einrichtung könne er ohne Gefährdung und ohne psychische Belastung, die das Schwimmen in der Öffentlichkeit für ihn bedeute, ein gesundheitserhaltendes Schwimmtraining betreiben. Der Kläger ließ die Anlage inzwischen auf seine Kosten für 4.506,80 DM einbauen. Der Antrag wurde abgelehnt (Schreiben der Orthopädischen Versorgungsstelle vom 16. Mai 1972, Bescheid der obersten Landes-, Arbeits- und Sozialbehörde vom 7. Dezember 1972). Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Der erkennende Senat hob durch Urteil vom 28. Oktober 1975 (SozR 3610 § 2 Nr 1) die Entscheidung des Landessozialgerichts (LSG) auf und verwies den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurück. Eine Gegenstromschwimmanlage beurteilte er als eine "besondere Sanitärausstattung" iS von § 2 Satz 1 Nr 11 der Verordnung zur Durchführung des § 11 Abs 3 und der §§ 13 und 15 BVG idF vom 19. Januar 1971 (BGBl I 43) - DV 1971 -; deren Kosten könnten übernommen werden, wenn sie für eine Heilbehandlung ausreichend, zweckmäßig und notwendig sei. Dies habe das LSG noch festzustellen.
Das Berufungsgericht hat die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides und des Urteils des Sozialgerichts (SG) zur Erstattung von 4.506,80 DM verurteilt (Urteil vom 7. Dezember 1977): Die während des Berufungsverfahrens geschaffene Neufassung der DV vom 23. August 1976 (BGBl I 2422) - DV 1976 -, die in § 5 Abs 11 Satz 1 den Begriff der "besonderen Sanitärausstattung" enger als der erkennende Senat definiert hat, sei auf diesen Rechtsstreit nicht anzuwenden. Vielmehr sei das LSG an die in diesem Verfahren vom Revisionsgericht vertretene Rechtsauffassung gebunden, so daß die Gegenstromschwimmanlage eine "besondere Sanitärausstattung" sei. Der Kläger sei auch auf sie dringend angewiesen; zudem sei sie ausreichend sowie zweckmäßig und überschreite nicht das Maß des Notwendigen. Zur Besserung der durch die Schädigungsfolgen hervorgerufenen Gesundheitsstörungen sowie zur Erhaltung der Dienstfähigkeit sei das tägliche Schwimmen erforderlich. Die Schädigungsfolgen hätten eine Bewegungsarmut und eine berufliche, insbesondere nervliche Belastung mit Kreislaufstörungen und anginösen Herzbeschwerden sowie Nervenschmerzen und Muskelverspannungen im Bereich der oberen Gliedmaßen und des Schultergürtels verursacht. Diese Störungen, die nicht als Schädigungsfolgen nach dem BVG anerkannt zu sein brauchten, könnten durch das Schwimmen gelindert werden; sie seien nur begrenzt durch Medikamente beeinflußbar. Ein anderer in Betracht zu ziehender Ausgleichssport könne das Schwimmen nicht ersetzen. Die Gegenstromschwimmanlage sei ein technisch notwendiges Gerät für das Training. Eine andere technische Hilfe anstelle der umstrittenen Anlage sei nicht ausreichend. Die notwendige Orientierungshilfe könne auch nicht durch Zurufe einer anderen Person bewirkt werden. Ferner überschreite die Gegenstromschwimmanlage in wirtschaftlicher Hinsicht nicht das Maß des Notwendigen. Die Beklagte habe zur Leistung verurteilt werden können, weil für eine Ermessensausübung kein Raum mehr sei.
Die zum Verfahren beigeladene Bundesrepublik Deutschland hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie meint, die Gegenstromschwimmanlage sei keine "besondere Sanitärausstattung". Dies sei durch die DV 1976 klargestellt worden. Die neue Definition bringe nur zum Ausdruck, wie der Begriff bereits in der ursprünglichen Fassung der DV nach dem Willen des Verordnungsgebers auszulegen gewesen sei. Die Neufassung der DV sei hier auch dann anzuwenden, wenn man in ihr eine Rechtsänderung sehe; denn für die Verpflichtungsklage sei die Rechtslage zur Zeit der Gerichtsentscheidung maßgebend. Falls aber die Gegenstromschwimmanlage zu den "besonderen Sanitärausstattungen" gerechnet werde, sei die Klage gleichwohl unbegründet. Die Anlage sei nicht wegen des Verlustes beider Unterarme notwendig, sondern wegen anderer Gesundheitsstörungen, was nach § 5 Abs 11 Satz 1 DV nicht zur Gewährung der begehrten Leistung führen könne. In dieser Vorschrift werde insoweit der Begriff "Gesundheitsstörung" iS des § 10 Abs 1 Satz 1 BVG konkretisiert.
Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er meint, die DV 1976 könne hier wegen rechtsstaatlicher Bedenken keine Anwendung finden. Außerdem sei das zur Zeit der letzten Verwaltungsentscheidung geltende Recht maßgeblich, weil hier eine einmalige Leistung ohne Dauerwirkung im Streit sei.
Die Beklagte hat sich nicht zum Streitstand geäußert und keinen Antrag gestellt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Beigeladene durfte das Rechtsmittel zur Verhinderung einer sie belastenden Bindungswirkung (§ 141 Abs 1, § 69 Nr 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) einlegen (BSGE 2, 289, 290 f; 18, 131, 132 = SozR Nr 9 zu § 160 SGG; SozR Nr 34 zu § 75 SGG), zumal sie die Kosten der Kriegsopferversorgung trägt (Art 120 Grundgesetz - GG -; vgl ergänzend BSGE 39, 260, 265 = SozR 3100 § 52 Nr 1). Ihr Begehren hält sich im Rahmen des von der Beklagten im zweiten Rechtszug gestellten Antrages (§ 75 Abs 4 Satz 1 SGG); die Rechtsmittelbefugnis wurde durch das spätere prozessuale Verhalten der Beklagten nicht berührt (BSGE 18, 132 f).
Die Beklagte durfte die Übernahme der Kosten für die Gegenstromschwimmanlage nicht mit der Begründung ablehnen, dies sei keine "besondere Sanitärausstattung" für Ohnhänder als Ersatzleistung zur Ergänzung der orthopädischen Versorgung (§ 11 Abs 3 Satz 1 und 4 BVG, § 2 Satz 1 Nr 11, § 5 Abs 11 DV 1971). Daß diese Gegenstromschwimmanlage zu den Ausstattungen im bezeichneten Sinn zu rechnen ist, hat der Senat durch Urteil vom 28. Oktober 1975 verbindlich für diesen Rechtsstreit entschieden. An diese die Entscheidung tragende Rechtsauffassung war das Berufungsgericht nach § 170 Abs 5 SGG gebunden. Entgegen der Auffassung der Beigeladenen hatte das LSG nicht abweichend von dieser Bindung die vor dem zweiten Urteil in Kraft getretene Fassung des § 5 Abs 11 Satz 1 Halbs 1 idF des § 1 Nr 2 Buchst f der DV 1976 zu beachten und deshalb die Klage abzuweisen. Nach dieser neuen Vorschrift sind "besondere Sanitärausstattungen" iS des § 2 Nr 11 (lediglich) "sanitäre Ausstattungsgegenstände, die dem Schutz des Behinderten vor Unfällen bei der Körperreinigung oder der Verrichtung der Notdurft dienen oder die eine dieser Verrichtungen ermöglichen oder wesentlichen erleichtern", mithin keine Gegenstromschwimmanlagen, die zu anderen Zwecken bestimmt sind. Das neue Recht hat die Wirkung des § 170 Abs 5 SGG für diesen Rechtsstreit nicht etwa deshalb beseitigt, weil über Verpflichtungsklagen in der Regel nach dem zur Zeit der gerichtlichen Entscheidung geltenden Recht zu urteilen ist (BSGE 41, 38, 39 f = SozR 2200 § 1418 Nr 2; BVerwGE 4, 161, 164 f). Welche Rechtsgrundlage für die Beurteilung einer Rechtsverletzung (§ 54 Abs 1 und 2, § 162 SGG) maßgebend ist, bestimmt sich nicht allein nach der Klageart (Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - 7. Aufl 1977, § 113, Rz 2, 8, 9), sondern auch nach materiellem Recht (BVerwG, Verwaltungsrechtsprechung 25 - 1974 - S. 274 f; Eyermann/Fröhler aaO, Rz 10; Rupp in: Rechtsschutz im Sozialrecht, 1965, 179 f). Hier steht im Vordergrund die Entscheidung darüber, ob die Versagung der beantragten Leistung nach dem im Zeitpunkt der Verwaltungsentschließung maßgebenden Recht rechtswidrig war und ob die Beklagte diese Ablehnung durch eine Zubilligung ersetzen muß (BVerwGE 37, 151, 152; 39, 261, 265 f; 42, 296, 299 f; 48, 211, 213; DVBl 1960, 778; NJW 1961, 1275; Redeker/von Oertzen, VwGO, 6. Aufl 1978, § 108, Rz 23; Menger, System des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes, 1954, S. 213, 214, 216). Ob schon deshalb das frühere Recht - die §§ 2 und 5 idF der DV 1971 in der Auslegung durch das Bundessozialgericht (BSG) - maßgebend geblieben ist, kann dahinstehen. Jedenfalls ist auch bei Verpflichtungsklagen das Gericht nicht an eine neue Vorschrift gebunden, die nach ihrem zeitlichen Geltungswillen das umstrittene Rechtsverhältnis nicht erfaßt (BSGE 43, 1, 5 = SozR 2200 § 690 Nr 4). So war es hier, und damit kann das neue Recht die Bindungswirkung des § 170 Abs 5 SGG gegenüber dem LSG nicht außer Kraft setzen. Die neue Fassung des § 5 Abs 11 DV sollte zwar nach der Bekundung ihrer Verfasser nur klarstellen, welche Ausstattungsgegenstände zu den "besonderen Sanitärausstattungen" rechnen (BR-Drucks 406/76, S. 8, Begründung zu § 1 Nr 2 Buchst f), und daher möglicherweise auch auf die bereits unter der Herrschaft der DV 1971 entstandenen und entschiedenen Fälle zurückwirken. Allein eine solche, von der Beigeladenen in diesem Rechtsstreit wiederholte Absicht vermag jedoch nicht endgültig festzulegen, ob eine neue Bestimmung die bereits bestehende Rechtslage bloß klarstellt oder ob sie neues, inhaltlich geändertes Recht darstellt; vielmehr ist der objektive Gehalt mit allen Auslegungsmitteln zu erschließen (BSGE 15, 208, 210 f = SozR Nr 14 zu § 62 BVG; BSG SozR Nr 1 zu § 9 DV zu § 30 Abs 3 und 4 BVG vom 28. Februar 1968; vgl auch SozR Nr 40 zu § 62 BVG; 3640 § 9 Nr 1; BSGE 29, 37, 39 f = SozR Nr 28 zu § 41 VerwVG). Nachdem das BSG höchstrichterlich in einem Leitsatzurteil den Inhalt des § 2 Satz 1 Nr 11 iVm § 5 Abs 11 DV 1971 weit ausgelegt hatte, so daß auch Gegenstromschwimmanlagen darunter fallen, hat die Bundesregierung durch die neue, einengende Fassung des § 5 Abs 11 DV 1976 allein eine sachlich-rechtliche Änderung herbeiführen können, um auf diesem Weg aufgrund einer gesetzlichen Ermächtigung eine andere Rechtslage zu schaffen, als sie zuvor nach dem von der Verwaltung verlorenen Rechtsstreit bestand. Mit diesem Inhalt der DV 1976 stimmt die zitierte Begründung nicht überein, daher ist sie für die Auslegung nicht maßgebend (BVerfGE 18, 429, 437 f). Diese neue Vorschrift regelt nach einem allgemeinen Rechtsgrundsatz bloß neue, zukünftige Tatbestände (Urteil des erkennenden Senats vom 25. April 1978 - 9/10 RV 43/77), mithin nicht die bereits 1971 beantragte und 1972 von der Verwaltung abgelehnte Kostenerstattung, eine einmalige Leistung. Die Übergangsvorschrift des § 2 DV 1976 betrifft andere Fälle, nämlich einmalige Leistungen, die zwischen dem Inkrafttreten und der Verkündung dieser DV festgestellt worden sind. Eine Rückwirkung kann auch wegen einer Unvereinbarkeit mit allgemeinen Rechtsgrundsätzen nicht angenommen werden. Wenn fraglich ist, ob eine Vorschrift in der Vergangenheit entstandene Sachverhalte erfassen soll, muß unterstellt werden, dies habe nicht in rechtswidriger Weise geschehen sollen (Urteil des Senats vom 25. April 1978). Ein nachträglicher Eingriff in einen bereits "abgeschlossenen" Sachverhalt wäre aber unzulässig. So war es hier. Der Tatbestand mit Antrag und Leistungsvoraussetzungen war in der Vergangenheit entstanden und abgeschlossen, und darüber hinaus war im Fall des Klägers über einen wesentlichen, vor der Neufassung anders geregelten Umstand bereits rechtskräftig (§ 141 SGG) durch Urteil des erkennenden Senats entschieden, daß nämlich eine Gegenstromschwimmanlage eine "besondere Sanitärausstattung" iS der DV 1971 sein könne. Bei einer solchen Sachlage wäre eine ändernde Rückwirkung der DV verfassungswidrig. Ein Gesetz und eine Rechtsverordnung dürfen und können die Rechtsprechung nicht nachträglich ins Unrecht setzen (BVerfGE 18, 429, 439; BSG SozR Nr 15 zu VerfolgtenG vom 22. August 1949 Allgemein, a.E.).
Ähnlich verhält es sich hier nach Ansicht des Senats mit dem von der Rechtsprechung entwickelten Institut einer Selbstbindung des Revisionsgerichts an seine frühere Entscheidung. Nach dem Beschluß des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes - GmSOGB - (BSGE 35, 293; vgl auch BSGE 17, 50; 21, 292, 294 f; SozR Nr 12 zu § 170 SGG; BVerwGE 39, 212; BVerwG Buchholz 310 § 144 Nr 23; BFHE 101, 36) ist ein Revisionsgericht, wenn es seine der Zurückverweisung zugrunde liegende Rechtsauffassung "inzwischen" - dh vor seiner zweiten Entscheidung in demselben Rechtsstreit - geändert hat und erneut mit derselben Sache befaßt wird, an seine zunächst vertretene Rechtsauffassung nicht mehr gebunden. Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. - Offen gelassen hat der GmSOGB (aaO 298) die Frage, ob die Selbstbindung auch endet, wenn das Revisionsgericht seine Rechtsauffassung erst anläßlich der zweiten Entscheidung dieser Sache ändern will. Hierzu ist seither - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung ergangen; im Schrifttum wird aber diese Frage - mit zT sehr beeindruckenden Argumenten - überwiegend verneint (vgl Meyer-Ladewig, SGG mit Erläuterungen, Rz 12 zu § 170;, Zeihe, Das SGG und seine Anwendung, Anm 25 d zu § 170; Eyermann/Fröhler, VwGO Komm., 7. Aufl, RdNr 10 zu § 144; v. Wallis in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, Komm. zur AO und FGO, Bd V, 7. Aufl, Rz 27 zu § 126; Gräber, FGO Komm. Rz 10, C V zu § 126; a.M. Tiedtke, Die innerprozessuale Bindungswirkung von Urteilen der obersten Bundesgerichte, 1976, S. 271 - hierzu vgl die Rezension durch Maetzel, DÖV 1977, 647 f). Ob im vorliegenden Fall mit der erneuten Revisionseinlegung unter Heranziehung der DV 1976 darauf abgezielt werden soll, diese Zweifelsfrage einer höchstrichterlichen Entscheidung zuzuleiten - die wirtschaftlich und materiell-rechtlich begrenzte Bedeutung des Streitfalls steht freilich in keinem Verhältnis zu dem prozessualen Gewicht einer solchen Entscheidung -, mag dahingestellt bleiben. Der Senat sieht sich insoweit zu einer abschließenden Stellungnahme nicht veranlaßt. Das Urteil vom 28. Oktober 1975 erging auf der Grundlage des damaligen Verordnungstextes unter eingehender Würdigung von Sinn und Zweck der zugunsten von Schwerstbeschädigten getroffenen Regelung. Das vom Senat damals berücksichtigte, aber als nicht durchschlagend erachtete Prozeßvorbringen der Beigeladenen und der Beklagten wirkte sich sodann auf die einengende Neufassung des § 5 Abs 11 DV durch die ÄndV vom 23. August 1976 aus. Dieser Vorgang erscheint nicht geeignet, die in dem früheren Revisionsurteil vertretene Rechtsauffassung so ernstlich in Zweifel zu ziehen, daß sich der Senat auf die Selbstbindung berufen müßte.
Die tatsächlichen Feststellungen des LSG über die Notwendigkeit der Gegenstromschwimmanlage, die vor allem die Folgen der kriegsbedingten Schädigung lindern sollen, werden von der Beigeladenen nicht angegriffen und sind daher für den Senat bindend (§ 163 SGG). Auch in rechtlicher Hinsicht ist diese Entscheidung, daß die Beklagte die beantragte Leistung nicht versagen durfte, nicht zu beanstanden. Entsprechend der gesetzlichen Zweckbestimmung von Ersatzleistungen, die ergänzend zur orthopädischen Versorgung in Betracht kommen, genügt es, daß diese besondere Schwimmanlage als Ausgleich für ausgefallene Funktionen und zur Linderung von Schädigungsfolgen erforderlich ist (§ 10 Abs 1 BVG; BSG SozR 3610 § 2 Nr 1). Auch die spezielle Voraussetzung, daß der Beschädigte als Ohnhänder auf diese Anlage angewiesen sein muß (§ 5 Abs 11 Satz 1 DV 1971), ist nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gegeben. Für diese Verknüpfung zwischen dem Verlust beider Unterarme und der Notwendigkeit, mit Hilfe der Gegenstromschwimmanlage einen körperlichen Ausgleich zur Bewegungsarmut zu schaffen, genügt eine Mitverursachung im allgemeinen versorgungsrechtlichen Sinn (im Ergebnis ebenso BSG SozR 3610 § 4 Nr 1). Nach allgemeiner Lebenserfahrung, die die Beigeladene nicht infrage stellt, ist der Kläger gerade durch den Verlust der Hände als Tastorgane, die sonst den Ausfall des Gesichtssinnes und die hochgradige Hörminderung ausgleichen könnten, wesentlich auf die Benutzung der Gegenstromschwimmanlage angewiesen. Naturgemäß kann er, wie auch das LSG festgestellt hat, den Bewegungsmangel, der durch die Blindheit entsteht, auch nicht durch einen anderen Sport, der ohne Laufen möglich ist und bei dem der Kläger ua die Hände benutzen müßte, ausgleichen.
Demnach ist die Revision der Beigeladenen als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen